Die Yamashida-Morde von Hotepneith (Der sechste Dämonenkrimi) ================================================================================ Kapitel 6: Neue Erkenntnisse ---------------------------- Ihr habt alle etwas gegen den Burgvogt. Aber zumindest für einen Mord hat er ein gutes Alibi.Besagt das etwas? 6. Neue Erkenntnisse Das Zimmer des letzten Opfers, Nanako Usugi, war bei weitem das unordentlichste. Ein seidener Kimono war nachlässig in ein Eck geworfen worden, neben der Matte lagen mehrere Briefe, alle offenbar von weiblicher Hand geschrieben. Unter dem Fenster stand eine Truhe. Kasuki zündete die Lampe im Raum an, öffnete ungefragt den Fensterladen, zitternd in der Angst, der Dämonenprinz könnte an seinem Verhalten etwas finden, das ihn ärgern würde. Die Tatsache, dass die junge Heilerin schon dafür gegen die nächste Wand befördert worden war, nur einen Schritt zu weit an ihm vorbeigegangen zu sein…Kasuki schüttelte sich. Nein, da war ein Herr wie Fürst Yamashida doch vorzuziehen. Sesshoumaru konnte die Nervosität des alten Dieners wittern, aber das interessierte ihn nicht. Er sah sich um: „Die Briefe, Sakura.“ Sie kniete nieder, reichte sie ihm. Natürlich würde sich ein Prinz nie selbst bücken. Er blätterte rasch durch. Wie er schon vermutet hatte, handelte es sich um Liebesbriefe. Usugi schien tatsächlich ein recht beliebter Mann gewesen zu sein. Einige der Briefe trugen keine Unterschrift, aber ein Name fiel ihm auf. Kiko. Die Aufseherin im Frauentrakt hatte doch erwähnt, dass sich Usugi gern mit ihr unterhalten hatte. Sie war die Ehefrau eines Höflings, Minaru. Bei Tisch hatte der Burgvogt erwähnt, dieser sei der Günstling von Midoshi – ebenso, wie Usugi der seine gewesen sei. Ob die beiden Männer nicht nur in beruflicher Rivalität gestanden hatten? Aber in welcher Beziehung sollte das zu den anderen Morden stehen? Er gab die Briefe zurück. Sakura legte sie wieder neben die Matte, da sie keine Ahnung hatte, was sie damit anfangen sollte. Sesshoumaru machte die wenigen Schritte hinüber zum Fenster. Kasuki begriff gerade noch, dass nicht er das Ziel war und öffnete den Truhendeckel. „Soll ich den Inhalt herausnehmen, Lord Sesshoumaru?“ „Ja.“ Der Diener gehorchte und breitete die Habseligkeiten des Höflings aus. Mehrere seidene Kimono, recht teuere, wie Sakura vermutete, Kämme, etliche Ampullen mit Düften verrieten, dass sich Usugi sehr um sein Äußeres gekümmert hatte. Schreibutensilien befanden sich ebenso darin, darunter auch ein langes, schmales Messer. Kazuki bückte sich erneut. Unter all den anderen Dingen hatte noch etwas gelegen, ein Schwert in einer kostbaren Scheide. Den Griff zierte das Wappen der Yamashida-Familie. „Ein Ehrengeschenk“, stellte Sesshoumaru daher fest. Darin lag keine Frage. Vermutlich hatte der Fürst es Usugi für einen besonderen Dienst gegeben. „Ja, Lord Sesshoumaru. Wenn ich so sagen darf…“ Der Diener brach hastig ab, da ihn der Dämonenprinz musterte. „Weiter.“ „Usugi war, wie schon seit Vater und sein Großvater treu in den Diensten des Yamashida-Clans. Er hätte alles für den Fürsten und den Clan getan. Dieses Schwert bekam sein Vater vom Fürsten.“ Ein Erbstück, also. Er konnte an Schwertgriff und Scheide den Geruch Usugis noch wittern. Es konnte noch nicht lange her sein, wenige Tage, dass dieser das Schwert in der Hand gehalten hatte, vielleicht die Truhe aufgeräumt hatte. „Räum auf.“ Er musste dringend nachdenken. Zurück in seinem Zimmer trat er an das Fenster, blickte in die Nacht hinaus. Er hörte, wie sich Sakura neben der Tür niederließ: „Du kannst dich auf die Matte legen.“ „Danke, Lord Sesshoumaru.“ Sie gehorchte, zog sich erleichtert die Decke über. So war es wärmer und weicher, als auf dem Holzboden. Er benötigte kein Bett und es war mehr als nett, dass er sie hier schlafen ließ. Auch, wenn er strikte Höflichkeit forderte - es gab unangenehmere Herren. Der Hundeprinz hatte sich nicht umgedreht. Er dachte nach. Was hatten die fünf Mordopfer gemeinsam? Sie waren Männer, arbeiteten für den Yamashida-Clan, galten alle als loyal zum Fürsten. Aber Kyogi hatte wohl etwas unterschlagen, auch, wenn niemand bislang etwas gefunden hatte, von den beiden Samurai hatte zumindest Usugi behauptet, dass er sie nicht für ehrenwert hielt. Dieser selbst machte sich an alles heran, was weiblich war, gleich, ob verheiratet oder nicht. Hm. „Sakura?“ „Ja, Lord Sesshoumaru?“ Sie wollte schon auf, aber er hob die Hand. Ohne sich umzudrehen meinte er: „Bleib liegen. – Wenn Menschen verheiratet sind, wie sehen das die Männer, wenn jemand wie Usugi ihren Frauen Komplimente macht?“ Die Aufseherin des Frauentraktes hatte ja gemeint, dass die Männer erleichtert sein würden, dass er nun tot sei. „Ich...ich glaube, dass sie eifersüchtig waren.“ „Eifersüchtig.“ „Ja.“ Wie sollte sie ihm das erklären: „Ihr selbst…verzeiht, wenn ich das so sage, Lord Sesshoumaru, aber auch Ihr schätzt es nicht, wenn jemand anderer sich mit Eurem Eigentum befasst.“ Derjenige wäre tot. Aber galt das auch bei Menschen? War ein solches Gefühl stark genug, für einen Mord? Vermutlich, wenn er an seine vorangegangenen Ermittlungen dachte. Hatten auch die anderen sich an Frauen herangemacht, nur weniger auffällig? An die gleiche Ehefrau? War das die Gemeinsamkeit? „Töten Menschen aus Eifersucht?“ „Ja, Lord Sesshoumaru.“ „Bist du eifersüchtig?“ „Nein“, antwortete sie perplex. Irgendwie hatte er wohl etwas missverstanden: „Ich…es gibt keinen Grund.“ Also musste es eine Ursache geben, einen Auslöser. Aber Samurai kamen gewöhnlich nicht mit den Frauen der Höflinge zusammen. Iwago oder Kyogi wäre es möglich gewesen, bei Festen, oder auch auf dem Weg, den Usugi bei seinem letzten Gang genommen hatte. „Nein, “ dachte er „Lass das. Es handelt sich um Menschen. Mordmotive gibt es da, schon aus diesen Gefühlen heraus, wie Sand am Meer. Such das Wie. Wie wurden die Morde begangen. Dann hast du das Wer. Und dann kann man ihn fragen, warum.“ Er betrachtete den Sternenhimmel. Was hatten die Zimmer der Toten verraten? Wie war das mit den Leichen gewesen? Wie konnten die einzelnen Morde im zeitlichen Ablauf passiert sein? Wie war es dem Mörder gelungen, unbemerkt zu entkommen? Oder hatte ihn doch jemand gesehen, ihn aber nicht für den Mörder gehalten? Sakura war bei Sonnenaufgang schon in der Küche, um sich etwas zu essen und zu trinken zu besorgen. Auf dem Weg zurück, stellte sie fest, dass das gesamte Schloss wie ein Bienenschwarm summte. Ein Wort, dass sie aufschnappte, ließ sie erstarren: Mord. Hatte es schon wieder einen Toten gegeben? „Ach, da bist du ja!“ Der Burgvogt hatte sie entdeckt: „Schön, kleine Heilerin. Hol ihn sofort her.“ „Ihr meint, Lord Sesshoumaru?“ fragte sie prompt zurück. Takeshi Matano wirkte schweißgebadet, aufgelöst. Der sechste Mordfall in weniger als einer Woche schien ihm an die Nerven zu gehen. „Ja, natürlich, natürlich. Jetzt geh schon.“ „Darf ich fragen, wer das Opfer ist? Lord Sesshoumaru wird es wissen wollen.“ „Der…der Aufseher der Kanzlei, Midoshi.“ Schrecklich, dachte Takeshi. Es war alles einfach nur noch schrecklich. Ein Alptraum. Konnte denn hier nichts mehr klappen? Das war die grässlichste Woche, seit er Burgvogt geworden war. Er hatte vollkommen die Kontrolle verloren. Sakura beeilte sich, den Dämonenprinzen von dem Vorfall in Kenntnis zu setzen. Sesshoumaru erstarrte unmerklich, sah aber weiter aus dem Fenster. „Midoshi. Wurde er ebenfalls erwürgt?“ „Das wurde mir nicht gesagt, Lord Sesshoumaru.“ „Komm.“ Er wollte gar nicht daran denken, was sein Vater zu diesem sechsten Mord sagen würde. Nein. Er musste schleunigst diesen Mörder finden. Das durfte doch alles nicht wahr sein. Die Menschen machten dem Hundeprinzen hastig respektvoll Platz, als er sich näherte. Der Burgvogt eilte heran: „Lord Sesshoumaru!“ „Wo ist er? Wo ist die Heilerin?“ „Er liegt noch, wie ihn der Diener fand. Ich habe nach Hitomi geschickt. Folgt mir bitte.“ Midoshi lag bekleidet auf dem Rücken auf seiner Matte, die Augen geschlossen. Er wirkte fast schlafend, aber auf seiner Brust zeichnete sich ein blutiger Fleck ab. „Sakura.“ Diese kniete neben der Leiche nieder, froh, dass auch Hitomi gerade den Raum betrat. Die beiden Heilerinnen untersuchten rasch den Toten. „Es ist soweit unverletzt, Lord Sesshoumaru“, sagte Sakura dann: „Todesursache ist ein Stich direkt ins Herz.“ Ein Stich. Also wurde er nicht erwürgt, wie Usugi, obwohl er ebenso ein hochrangiger Mann gewesen war. Das passte nicht zusammen. „Es war kein Dolch, kein Schwert, Lord Sesshoumaru“, warf die Heilerin der Yamashidas ein: „Es war ein langer, spitzer Gegenstand.“ „Ein Messer zum Abbrechen der Siegel?“ „Nein, Lord Sesshoumaru“, sagten beide Heilerinnen, ehe Sakura ergänzte: „Dies wäre zu dick. Es könnte eher eine Nadel gewesen sein.“ „Ja, eine Haarnadel, wie sie Frauen tragen.“ Hitomi nickte. „Eine Frau?“ echote der Burgvogt deutlich verstört: „Aber wieso...ich meine, eine Frau könnte doch nie im Leben die Samurai töten.“ „Eine Haarnadel kann sich auch ein Mann beschafft haben.“ Fürst Yamashida betrachtete müde den Toten: „Ich verstehe das alles nicht.“ „Für den Mord an Midoshi seid Ihr der eigentliche Hauptverdächtige, Takeshi.“ Sesshoumarus ruhige Bemerkung ließ diesen herumfahren. „Lord…also wie kommt Ihr denn da drauf?“ „Er war Euer Rivale, nicht wahr? Und er deutete gestern Abend beim Essen an, dass Ihr von der Unterschlagung Kyogis gewusst habt, dieser möglicherweise in Eurem Auftrag handelte. Hatte er unter Umständen Beweise dafür?“ „Das…“ Der Burgvogt brach der Schweiß aus: „Ich habe niemals jemandem den Auftrag gegeben, etwas zu unterschlagen!“ Er log nicht, das war Sesshoumaru klar, aber er konnte dennoch die Aufregung wittern. Irgendetwas stimmte mit Takeshi Matano nicht. War das nur die Tatsache, als Burgvogt bei dieser Mordserie zu versagen? Oder schämte er sich, weil er froh war, dass sein Rivale tot war? Er hatte auch verschwiegen, dass er mit dem ersten der toten Samurai gesprochen hatte. Nein. Er, Sesshoumaru, würde jede Lüge wittern. Aber wenn ein Mensch nicht log, hieß das noch lange nicht, dass er die vollständige Wahrheit sagte. „Takeshi kann nicht der Mörder sein, Lord Sesshoumaru“, wandte der Fürst ein: „Bei dem Mord an Usugi war er doch bei uns beiden.“ Das stimmte. Sesshoumaru betrachtete noch einmal den Toten. Die Heilerinnen hatten die Kleidung ein wenig beiseite geschoben, so dass man nun den kleinen Einstich deutlich sehen konnte. Midoshi hatte sich nicht gewehrt. Hatte er gar nicht mitbekommen, dass er angegriffen wurde? Hatte er geschlafen? Das war der erste Mord, bei dem das Opfer schlief. Gab es dafür einen besonderen Grund? „Herr! Fürst Yamashida!“ Der Ruf eines Mannes ließ alle sich umdrehen. „Was gibt es?“ Die Frage des Schlossherren klang sehr beunruhigt. Der Diener warf sich nieder: „Ich...ich war gerade im Frauentrakt, um Hazu zu bitten, der Ehefrau den Tod des Kanzleiaufsehers mitzuteilen. Der gesamte Trakt war in heller Aufregung. Denn auch Namida Midoshi ist tot.“ „Bei allen Göttern!“ brachte der Fürst hervor: „Das ist ja ein Fluch!“ „Wieso ist sie tot?“ Takeshi konnte kaum sprechen. „Sie…ich weiß es nicht.“ „Sakura, Hitomi.“ Sesshoumaru nickte: „Ich will unverzüglich Bericht.“ Die Heilerinnen gehorchten eilig, verschwanden in Richtung Frauentrakt. In seiner Stimme hatte etwas gelegen, das alle Anwesenden nur hoffen ließ, dass sich der gezügelte Zorn nicht gegen sie richten würde. Am liebsten hätte er das gesamte Schloss dem Erdboden gleich gemacht. Das durfte doch einfach nicht wahr sein. Sieben Tote und er fand nicht heraus, wer es gewesen war? Davon waren drei Morde passiert, als er hier war? Wie sollte er das jemals seinem Vater erklären? Dem erklären, dass er ihn blamiert habe? Unmöglich. Er zwang sich zur Ruhe. Er musste jetzt abwarten, wie und woran Namida Midoshi gestorben war, Sakuras Bericht abwarten. Und dann würde er noch einmal alles durchgehen. Er hatte sich zwar schon alles überlegt, aber er war sicher, dass seine Logik an irgendeiner entscheidenden Stelle einen Fehler gemacht hatte, er in die falsche Richtung weitergedacht hatte. ********************************************************* Das stimmt. Das nächste Kapitel ist das vorletzte: Weitere Verhöre. Und die darf meist Sakura führen. Wer so nett ist, mitzuraten, dem schicke ich, wie gewohnt, eine ENS, sobald ich sehe, dass das neue Kapitel freigeschaltet wurde. bye hotep Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)