Darkness- the ultimate Version von DesertFlower (Mary-Rose & Co in verbesserter Version) ================================================================================ Kapitel 2: Die Suche beginnt ---------------------------- Kapitel 2 Jetzt stehe ich hier. Mitten in der riesigen Bahnhofshalle. Um mich herum herrscht buntes Treiben. Leute mit Koffern eilen zu den Bahngleisen, andere begrüßen einander und fallen sich gegenseitig in die Arme. Menschen verabschieden sich und weinen. Angestellte laufen umher. Und mitten in diesem Trubel stehe ich. Mit meinen zwei schwarzen Koffer die alles in sich beherbergen was mir noch geblieben ist, oder was ich ertrage bei mir zu haben. Alleine. Ein schmerzlicher Stich in meinem Herzen lässt mich die Luft scharf einziehen, als ich sehe wie sich Eltern weinend von ihrer Tochter verabschieden. Der Schmerz wird unerträglich und scheint ein tiefes Loch in mein Herz zu reißen. Ich muss hier weg. Sofort. Fast flüchtend hetze ich aus der Halle hinaus auf die Straße. Augenblicklich dringt die stickige, mit Abgasen verseuchte, Luft in meine Lungen ein und verursacht einen Hustenreiz. Wahrscheinlich ist es egal wohin ich gehe. Die Erinnerungen werden immer bleiben. Ich kann niemals so weit laufen dass sie mich nicht einholen. Gegenwärtig und tief in meinem Herzen eingebrannt bleiben sie lebendig. Bis ans Ende meiner Tage. Ich seufze leise und wische mir verstohlen die Tränen aus den Augenwinkeln. Jetzt darüber nachzudenken wäre ein fataler Fehler. Ich würde wieder in Melancholie versinken und genau das kann ich jetzt nicht brauchen. Ich habe alles hinter mir gelassen- zumindest die materiellen Dinge- und ich werde jetzt nicht umkehren. Nein, ich habe mich entschieden und ich werde das jetzt durchziehen. Egal was kommen mag. Ich hebe meinen Kopf und straffe meine Schultern. Ich werde es schaffen. Werde mein Ziel erreichen auch wenn es noch so weit entfernt zu sein scheint. Die Flinte jetzt ins Korn werfen- nein- das liegt mir nicht besonders. Ich dränge den unbarmherzigen Schmerz in die hinterste Ecke meiner Gedanken und atme tief durch. Doch sogleich zeigt sich dass das tiefe Luftholen ein großer Fehler war. Sofort beginne ich wieder zu husten. Erst nach einigen Augenblicken verschwindet das unangenehme Kratzen in meinem Hals und ich versuche ab sofort so flach wie möglich zu atmen. Als ich mich einigermaßen an die schlechte Luft gewöhnt habe sehe ich mich genauer um. Vor mir auf der Straße stehen diverse weiße und gelbe Taxis die auf Kunden warten und laute Geräusche die mir in den Ohren schmerzen durchziehen die Luft. Und es regnet. Was hätte ich auch anderes erwarten sollen? Sonne?! Ich merke wie mir bei diesem Gedanken ein mattes Schmunzeln über die Lippen huscht das aber sogleich wieder verschwindet. "Na dann wollen wir mal." Sage ich laut und trete auf ein gelbes Taxi zu. Aber wo will ich eigentlich hin? Ich habe absolut keine Ahnung wo sich meine beste Freundin aufhält und wo ich zu suchen beginnen soll. Graz ist zwar nicht riesig, aber ich kenne mich hier genauso gut aus wie in Honolulu. Plötzlich merke ich wie dieses dumpfes Gefühl in mir stärker wird und ich immer mehr daran zweifle dass diese Idee wirklich so perfekt war wie sie mir zuerst erschien. Doch plötzlich fällt mir siedend heiß ein, dass ich ja Sarahs Adresse habe. Gut ich habe ihre Adresse, aber wer gibt mir die Sicherheit, dass sich meine beste Freundin noch immer dort aufhält? Keiner! Aber zumindest habe ich jetzt etwas an das ich mich klammern kann. Ein kleiner Funke Hoffnung. Und so klopfe ich fest entschlossen an die nasse Fensterscheibe des Taxis. Sofort steigt ein etwas dicklicher Mann mit braunem, schütterem Haar aus, nimmt meine Koffer, verstaut sie im Kofferraum und bittet mich einzusteigen. Die wenigen Augenblicke die ich im Regen stehe reichen schon aus um meinen Mantel und meine Haare völlig zu durchnässen. Schnell setze ich mich auf die Rückbank des alten, gelben Opel Vectra und wische mir das Wasser aus dem Gesicht. Sofort bemerke ich den Geruch von Räucherstäbchen und orientalischen Gewürzen. Ich hebe den Kopf und betrachte das Wageninnere genauer. Dunkle, bunte Stoffe beziehen die Sitze, ein Art Schrein steht auf dem Armaturenbrett und ich fühle mich wie in einem orientalischen Geschäft. "Wo wollen Sie hin?" fragt mich der dickliche Lenker des Wagens freundlich und blickt in den Rückspiegel. Seine Augen ruhen herzlich und gutmütig auf mir. Ich krame ohne ein Wort zu sagen in meinem Rucksack und befördere Sarahs Adresse zu Tage. Dann halte ich sie dem Taxilenker hin. Ich kann deutlich sehen wie seine Muskeln sich anspannen, seine Augen sich zu kleinen, engen Schlitzen verengen und er scharf die Luft einzieht. Und obwohl seine Körperhaltung alles andere als gelassen wirkt sagt er kein Wort. Das kann mir nur recht sein. Ich habe keine Lust auf nervige Fragen. Dieser Alex hat mir schon genug Nerven gekostet. Ich bin für den heutigen Tag bedient. Der Fahrer startet den Wagen und fährt los. Während er an einer roten Ampel hält, dreht er sich zu mir um und mustert mich eingehend. "Hab ich was im Gesicht?" frage ich gereizt und sehe in an. Natürlich wäre ein freundlicherer Tonfall angebracht, doch ich mag es nicht wenn ich so offen und ungeniert angesehen werde. "Nein. Tut mir Leid. Aber die Adresse. Wollen Sie da wirklich hin?" fragt er mich ungläubig. "Wie heißen Sie?" entgegne ich dem Lenker des gelben Fahrzeuges nun doch freundlich. "Alen." ist seine Antwort. "Gut Alen. Hören Sie mir gut zu. Ich bin nicht zum Spaß hier in Graz. Ich habe eine dreitägige Reise hinter mir und suche jemanden. Und Sie haben die Aufgabe mich zu meinem gewünschten Ziel zu bringen. Ist das jetzt klar verständlich? Ich bezahle Sie fürs Fahren und nicht damit Sie mir dumme Fragen stellen. Aber ich kann aussteigen und mir einen weniger gesprächigen Taxilenker suchen." Meine ich missgelaunt und lasse ich in den Sitz zurückfallen. Natürlich hätte ich ihm auch diese Worte freundlicher mitteilen können, aber ich bin im Moment nicht in der Verfassung dazu. Doch noch immer spüre ich die Blicke des Mannes auf mir. Genervt schnaubend hebe ich meinen Kopf wieder an und sehe ihn fragend an. „Ich gebe Ihnen etwas mit!“ sagt Alen plötzlich und nimmt den kleinen hölzernen Rosenkranz vom Rückspiegel und hält ihn mir hin. „Wozu?“ frage ich in völlig verblüfft und blicke ihn auch dementsprechend an. „Gott beschützt sich vor allem Böse. Sie müssen nur daran glauben. Denn solange Sie Ihren Glauben haben, brauchen Sie das Böse nicht zu fürchten!“ seine Stimme ist so hell und klar wie Glockenklang und seine spröden, aufgesprungenen Lippen sind zu einem sanften Lächeln geformt. „Aber...“ stammle ich völlig perplex. „Bitte. Nehmen Sie diesen Rosenkranz. Wenn ich Sie schon nicht von Ihrem Vorhaben abhalten kann, dann sollen Sie wenigstens beschützt sein.“ Das alte, mit faltendurchzogene Gesicht des Mannes in dem seine dunkelbraunen Augen eingebettet sind, sieht mich besorgt und wissend an. Ich will noch etwas erwidern, lasse es dann aber doch. Wenn ich diesem Mann jetzt auch noch erklären würde, dass ich nicht an Gott glaube und meinen Glauben längst verloren habe, würde ich ihn verletzen. Und das will ich nicht. Alen hat mir soeben so viel Freundlichkeit entgegengebracht wie es ein Mensch nur kann. „Vielen Dank.“ Sage ich und zwinge mich zu einem dankbaren Lächeln. „Schon gut. Sie sehen so aus als ob Sie etwas Verstärkung brauchen könnten.“ Was? Steht mir der Schmerz und die Trauer so dermaßen offensichtlich ins Gesicht geschrieben dass es ein fremder Mensch erkennt? Oder gebe ich mir einfach keine Mühe um meine Emotionen hinter einer Maske zu verstecken? Wahrscheinlich trifft beides zu. Ich seufze kaum hörbar und lehne mich dann zurück. Eine angenehme Stille legt sich wie ein unsichtbarer Schleier über das Innere des Taxis und vermischt sich mit der leisen Musik die aus dem alten Autoradio dudelt. Ich schließe die Augen und lausche dem Geräusch der Regentropfen die auf das Dach des fahrenden Autos prasseln. Gerade als ich dabei bin einzuschlafen holt mich die helle, klare Stimme des Taxifahrers zurück. "Wir sind da. Bitte entschuldigen Sie, aber ich werde nicht länger als nötig hier an diesem Ort bleiben." Sagt Alen, steigt schnell aus, holt meine Koffer, stellt sie am Randstein ab, steigt wieder ein und fährt mit quietschenden Reifen davon. All dies geschieht binnen von wenigen Augenblicken und ich habe gerade noch Zeit um den Wagen zu verlassen. „Warten Sie! Ihr Geld!“ rufe ich Alen noch nach, doch dieser ist schon verschwunden. Ich stehe noch einige Zeit im Regen und sehe ihm nach. Mit einem leisen Seufzer wende ich mich schließlich ab und stecke den Rosenkranz in meine Manteltasche. Die Frage wieso dieser Mann so große Angst hatte, erspare ich mir. Denn ich kenne die Antwort ohnehin schon. Und so schultere ich meinen Rucksack, nehme meine Koffer in die Hände und begebe mich langsam zum Eingang meines Zielortes. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)