Dakishimete da yo - onegai von Melora (抱きしめて だ よ - おねがい) ================================================================================ Kapitel 18: Bittersweet Insomnia -------------------------------- Heute war ein absoluter Scheißtag und seine Laune war schon so am Tiefpunkt. Als er die Tür passiert hatte, war dort Teran, der gerade gehen wollte und ihm böswillig auf die Schulter klopfte, dass Cognac beinahe vor Schmerzen aufgekeucht hätte und ihm schon schwindelig wurde. Er hatte passgerecht dahin geschlagen, wo er wusste, dass es todsicher wehtun würde. „Na, hast du es doch noch her geschafft? Ich dachte, du seiest nicht mehr in der Lage, dich zu bewegen?“ Ein schäbiges Grinsen an den Schwarzhaarigen schickend, lachte der Braunhaarige auf und grinste Vermouths Geliebtem ins Gesicht. Natürlich hatte ihn einer seiner Freunde längst darüber aufgeklärt, in welch einem Zustand sich der Jüngere befand. Sie waren – wie immer häufiger – über ihn hergefallen. Helios war im Krankenhaus und Carpano beschäftigte man ein bisschen, da hatten sie freie Bahn, um Pinots Bruder wieder ein wenig zu ärgern, am meisten Spaß hatte Saperavi daran, der Kerl war krank und blutgierig. „Wenn du zu Vermouth willst, ich weiß nicht, ob sie jetzt Lust hat, dich zu sehen, ich bin schon länger hier, musste wissen… Sazerac war fast 4 Stunden hier und ich fürchte, da braucht sie einen wie dich nicht auch noch.“ „Wer fragt dich, Teran? Was ich hier mache, geht dich einen Dreck an! Wolltest du nicht gerade gehen?“ In seine Stimme war Härte gefahren, denn er ließ sich ungern anmerken, was er fühlte – sein zerbrochenes Herz sah und hörte man nicht, es fiel ihm recht leicht, Teran vorzumachen, es sei ihm egal, obwohl er wohl genau wusste, wie es in ihm aussah, oder es zumindest ahnte und sich darüber nun lustig machte. Der Kerl hatte sie eben auch nicht alle, steckte mit den anderen unter einer Decke, deswegen hatte er ja so passgerecht auf eine frische Wunde gehauen, nur um ihm noch mehr Schmerzen zu bereiten. „Mach was du willst! Ein Blödmann wie du rafft eben einfach nicht, wann er nicht mehr die absolute Number One ist. Sie betrügt dich vor deinen Augen und du lässt es dir gefallen – du kannst nicht normal sein – da sieht man doch nur wie primitiv du bist; nicht nur ein notorischer Fremdgänger, sondern auch noch ein Weichling sein, ist wirklich ein hartes Los!“ Cognac zog scharf Luft ein, es kostete ihn wirklich Beherrschung, ihn nicht gegen die nächstbeste Wand zu pfeffern, aber das würde er wahrscheinlich nur wieder bereuen. „Was läuft hier denn schon wieder?“ hörte man die blonde Schönheit fragen, Teran zuckte mit den Schultern und gab ein „Cognac ist beleidigt, weil du ihn vernachlässigst, deswegen hat er mich dumm angemacht, das ist alles“, von sich. Sein Grinsen vermittelte ihr den Grad seiner Belustigung. Sie hatte vielleicht das Recht dazu, Cognac zu kränken und zu triezen, aber Teran hatte das nicht zu tun, weshalb sie ihm einen wütenden Blick schenkte. „Hattest du nicht zu tun?“ „Ja, hatte ich – wünsch euch beiden viel Spaß, besonders dir, Chris, ich weiß ja, wie du’s genießt…“ Mit einem Lachen verschwand er zur Tür raus. Wahrscheinlich hatte Syrah ihm das Ganze erzählt. Gerade als der Mistkerl die Segel gestrichen hatte, hörte man Cognac seufzen, bevor er ohne wirkliche Begrüßung an ihr vorbei lief. Man fragte sich, wieso er herkam, wenn er sie eh nicht beachten wollte. War das seine Art von Strafe dafür, dass sie ihm vorlebte, wie er sich immer verhielt? Dass er so beleidigt war, das war kaum zu glauben. „Warte, Sêiichî“, sprach sie ihn an, wobei auch sie ihm an die Schulter griff, was ihn zischen ließ, er drehte sich herum und schlug ihre Hand weg. „Ich hatte einen total anstrengenden Tag, ich habe keinen Bock auf Spielereien jetzt, such dir wen anders zum spielen – und wie ich hörte hattest du heute ja bereits deinen Spaß – also LASS mich!“ Was war nur in ihn gefahren? Seine Augen sahen sie zornig an, er verlor nicht schnell die Nerven, er hatte ein gutes Gemüt, aber gerade hatte er genug – von allem. Sein Leben ging den Bach runter und sie interessierte das doch gar nicht. Es tat weh, so behandelt zu werden – ihm mehr, als er je gedacht hätte. Sie wusste genau, dass es ihn verletzte, zumindest dachte er das und dennoch verfuhr sie so mit ihm und tat ihm weh, wo sie konnte, indem sie ihn ganz offensichtlich mit einem anderen Mann betrog, es ihm gleichtat. „Reg dich ab, Sêiichî!“ warf sie ihm entgegen. Der hatte jawohl einen Knall, sie so anzufahren, sie tat das ja auch nicht, wenn er mit anderen Frauen zugange war. „Warum beschwerst du dich? Du bist es doch, der gewollt hat, dass es so läuft! Du wolltest für ab und zu eine Affäre – nun bekommst du deinen Willen und bist doch nicht damit zufrieden! So sieht es aber aus, wenn man eine Affäre hat – keine Pflichten und keine Reue, wenn man eine andere Person mal etwas näher an sich ranlässt, ich tue nur das, was du seit Jahren mit MIR machst!“ Er wollte keine Beziehung mit ihr, redete immer davon, dass sie eine Affäre hatten, dabei war es gar nicht so – sie hatte mal die Spielregeln geändert, um ihm zu zeigen, was er da überhaupt von ihr verlangte. Sie sollte ihn teilen und trotzdem ihm alleine gehören, so lief das nicht. „Ach hör auf – dir ist doch eh egal, ob ich wie ein Wilder in der Gegend rumvögle, das hat dich niemals auch nur ansatzweise interessiert!“ Sie konnte man damit nicht verletzen, aber ihn dummerweise schon. „Ich weiß schon gar nicht mehr, was ich daran geschätzt habe, mit dir meine Zeit zu verplempern! Mir ist nicht mal klar, wie ich mich in dich verlieben konnte… Jetzt geh mir aus den Augen, ich will dich gerade nicht mehr sehen…“ Er schob sie weg und wollte an ihr vorbeigehen. Eigentlich war es fast niedlich, wie verzweifelt er nun war, Angst hatte, dass er sie verloren hatte, an einen anderen Mann. Sie, die schon Jahre an seiner Seite verbrachte, wenn er doch nur mal endlich aus seinen Träumen aufwachen würde. Immer stellte er alles in Frage… „Du hast deine eigene Medizin nicht verkraftet.“ Sêiichî gab ein gehässiges Lachen von sich. „Das wäre so, wenn es dich interessieren würde, aber das einzige, was dich kümmert, ist, dass es andere Frauen – außer dir – in meinem Leben gibt, die ich auch schätze und dass ich mich nicht nur mit dir vergnügt habe, wahrscheinlich fühlst du dich in deinem Stolz gekränkt, aber das, was ich da fühle, davon hast du nicht mal ansatzweise eine Ahnung, Chris Vineyard, weil du eiskalt bist!“ Was er ihr sagte, war ungeheuerlich – er lag vollkommen falsch mit dem, was er von ihr dachte. Sie war eben einfach zu gut, da konnte sie sogar Cognac täuschen, der selbst nicht schlecht war, anderen eine Lüge aufzutischen. „Ach, fängst du nun wieder mit Tokorozawas Schwesterchen an?! Ihretwegen behandelst du mich wie Luft, was soll ich deiner Meinung nach davon halten? Sie hat dir den Krieg erklärt und du liebst sie immer noch.“ „So ein Unsinn – ich liebe sie überhaupt nicht mehr. Du bist doch bescheuert. Aber wenn ich könnte, würde ich sie wählen.“ In dem Moment kam ihre Hand rasend schnell geflogen und traf ihn auf die Wange. Es war ein harmloser Schlag, aber es war eben einer, sie hatte ihm eine heruntergehauen und er sah sie unberührt an. „Ja, schlag mich, kratz mich, beiß mich, schmeiß mich gegen die Wand, wenn du willst… Meinetwegen KNALL MICH AUCH AB!“ Seine Stimme wurde immer forscher, bis sie am Ende sogar ein Schreien war. Gerade traute er ihr alles zu, auch das. „Na los!“ forderte er sie sogar seine Arme ausbreitend auf, nur um sie zu provozieren. „Ich bin längst an einem Punkt, an dem mir mein Leben ziemlich egal ist, du kannst es haben!“ Sie verstand ihn nicht, wieso er nun alles so dramatisieren musste. Es war ja nur ein Spiel und er war total drauf reingefallen. Seine Welt war in sich zusammen gefallen, das wusste sie, er sollte eben spüren, wie es war, obwohl sie keine Frau war, die an einem Seitensprung gleich sterben würde, aber hatte sie nicht das Recht dazu, ihn so zu behandeln, wie er sie immer behandelte, das war schließlich gerecht. „Heul nicht rum, Sêiichî, es reicht! Du führst dich auf wie ein Mädchen, das von ihrem Freund hintergangen wurde. Ich war und bin noch immer für dich da, aber als Dank ernte ich nichts als Spott, ist kein schönes Gefühl, wenigstens weißt du jetzt, wie es ist!“ Er konnte jetzt nicht ernsthaft hier rumheulen wollen und den verletzten Sêiichî spielen – nein sie wusste, dass er diesen nicht bloß spielte. „Ich hätte nicht gedacht, dass du so rücksichtslos wärst, ich habe immer an den guten Kern in dir geglaubt, aber gerade glaube ich nicht einmal, dass du mich auch nur ansatzweise magst. So etwas macht man doch nur mit Leuten, die man hasst – denn ich glaube, du weißt genau, dass du gerade dabei bist, alles zu zerstören – in mir und zwischen uns.“ Er hatte Angst gehabt, herzukommen, ihren Schikanen erneut ausgesetzt zu sein und irgendwann doch zusammen zu brechen, er hatte zumindest versucht, seine Gefühle zu verbergen, aber spätestens jetzt, musste sie alles – wirklich alles – wissen. Wenn nicht, dann stellte sie sich dumm. „Ja, jetzt ist Chris wieder die Böse und alles andere zählt nicht mehr… Du fühlst dich besser, wenn Chris die Böse ist, oder Sêiichî?“ redete sie auf ihn ein und grinste ihn arglistig an. „Ich würde niemals absichtlich deine Gefühle verletzten, aber wahrscheinlich bin ich deswegen auch nicht der Richtige für dich – Teran hat vollkommen Recht, wenn er sagt, ich sei ein Weichling… Ein Wunder, dass ich die Jahre über überlebt habe, so ein Schwächling wie ich sollte längst tot sein. Das muss dich ungemein freuen, dass du mich so demütigen, kränken und mir im Herzen rumstochern kannst…“ „Hast du mit mir ja schließlich auch gemacht, also komm nicht so!“ „Es scheint dir überhaupt nichts auszumachen, wenn wir uns trennen… Es bedeutet dir nicht einmal etwas, dass ich immer zu dir gestanden habe, dich sogar vor den Ranghöchsten beschütze. Ich habe Menschen für dich getötet“, es traten Tränen in seine Augen und er steigerte sich erst so richtig rein. „Und ich habe es ganz selbstverständlich getan und dabei nur an dein Wohl gedacht – obwohl es mich innerlich auffrisst, dass ich so etwas Abscheuliches tue, ich stecke so was weit weniger weg, aber ich habe es trotzdem getan.“ Er musste aufschluchzen und hatte Mühe, seine Tränen am Fließen zu hindern. „Wenigstens passe ich in dem Punkt zu dir – ich bin genauso rücksichtslos, wenn es darum geht, wieder jemanden zu erschießen.“ Ihr Gesicht war kalt, jedoch nur dem Anschein nach. Natürlich hatte sie aus einer Mücke einen Elefanten gemacht und das zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt. Um knapp 1 Uhr kam er vom Präsidium zurück und sie sprang ihm in die Arme, freute sich so ihn wieder zu haben. Er fing sie mit den Armen auf und hob sie hoch, bevor er sie genauso stürmisch begrüßte wie sie ihn, jedoch nicht nur mit einer Umarmung. Seine Lippen fanden ihre und er küsste sie lange und voller Leidenschaft. Im Grunde war Riina Takagi so glücklich wie noch nie. Ihr Herz schlug schon wieder wie wild. Er war einfach toll, sie wollte ihn nie mehr hergeben und doch waren tief in ihr verborgen diese Ängste vor etwas Neuem, etwas Unbekannten – und davor, dass sie ihn enttäuschen könnte, weshalb sie ihn so angesprungen hatte und kurz darauf rot und nachdenklich wurde. „Du bist ganz schön stürmisch, Rii-chan – hast du mich so sehr vermisst?“ Es hörte sich weniger so an, als würde er es nicht gut finden, er genoss es, in vollen Zügen. „Ich habe nachgedacht… Und ich frage mich die ganze Zeit, wie es mit uns weitergehen soll. Was hast du nun vor, Tatsuji?“ „Du hattest mich nicht ausreden lassen, bzw. Yakko kam dazwischen – tut mir Leid, dass ich dich so im Dunkeln hab tappen lassen.“ Er lehnte sanft seine Stirn an ihre und blickte ihr dabei sehr tief in die Augen. „Ich, Tatsuji Fujimine, habe entschlossen, dich als meine feste Freundin zu wollen, lass es uns doch zusammen probieren. Ich will mit dir zusammen sein und ich weiß, das ist es im Grunde, was du auch willst.“ Ein sanftes Lächeln war in seinem Gesicht und er konnte nicht anders, als sie erneut liebevoll zu küssen. „Na, wie findest du diesen Entschluss?“ „Und wenn wir überhaupt nicht zusammen passen?“ „Das weiß man vorher nicht, wer nicht wagt, der nicht gewinnt, Süße – und ich will’s wagen. Ich bin neugierig, das war ich schon immer, ich will wissen, wie es zwischen uns wäre, das finden wir nur heraus, wenn wir es ausprobieren.“ Wenn jemand mit ihren Erlebnissen und den daraus resultierenden Ängsten umgehen konnte, dann er, aber sie hatte auch panische Angst, sich neu zu verlieben, vor allem in ihn, das hatte sie immer gefürchtet, da ihr Vater schon einmal versucht hatte sie zu trennen und sie wollte ihre Ängste ihm auch mitteilen. „Ich will das sehr gerne, es ist das, wonach sich mein Herz immer gesehnt hat. Nach einem liebevollen Mann, der mich liebt und beschützt, aber…“ Sie schmiegte sich ängstlich an ihren Freund und er strich ihr vorsichtig übers Haar. „Du hast Angst um mich, das musst du nicht. Dein Vater kann mich nicht mehr so einfach töten. Ich bin sehr gut in der Lage mich zu wehren, bei dem gefährlichen Job, den ich mache, muss ich das auch beherrschen, sonst wäre ich schon lange nicht mehr am Leben. Lass Angst zu, lauf nicht vor ihr weg, und lass dich niemals von ihr beherrschen, denn das kann man nicht, man kann nur lernen damit umzugehen. Ich weiß, worauf ich mich einlasse, aber ich habe zum Beispiel keine Angst davor, dich zu lieben, mein Schatz.“ Seine unglaublich liebenswürdige Stimme, sie hörte ihm so gerne zu, er sprach leise und sanft mit ihr. „Dir würde ich alles glauben, es gibt so viele Dinge, vor denen ich Angst habe, sie dir zu zeigen. Mit der Liebe ist das bei mir so eine Sache, Yakko hat schon Recht, wenn sie sagt, ich hätte ein Männerproblem, ich bin immer am letzten Schritt gescheitert, weil ich vor lauter Angst total blockiere… Ich möchte nicht, dass du am Ende darunter leiden musst.“ Ein wenig wehleidig schloss er ja doch die Augen und drückte sie noch sanfter an sich. „Ich werde dich immer beschützen, auch davor. Ich werde dich zu nichts drängen und zu nichts zwingen, ich kann ein sehr geduldiger Mensch sein. Ich warte, bis du bereit bist, und wenn es ewig dauern sollte.“ Kein Mensch würde ewig darauf warten, dass er erhört wurde, das konnte man sich einfach nicht vorstellen, aber er würde diese doch bittere Medizin schlucken, solange es ihr gut ging. „Eigentlich will ich es ja, aber bisher bekam ich es immer mit der Angst zu tun.“ „Du meinst, mit einem Mann schlafen?“ Er fragte direkt, Umschweifungen waren nicht seine Art. „Die Vorstellung, unter einem Mann zu liegen und er hat Gewalt über mich, das ist ein Gedanke, der mir nicht behagt. Und trotzdem, ich hab’s mir so oft vorgestellt und war hoffnungsvoll, dass es dir gelingt, dieses Problem zu lösen, dass ich auch mal eine normale Frau sein kann, die es genießen kann.“ „Es gibt andere Dinge, als nur das, ich werde dir all das zeigen, wenn du willst, und du musst nur sagen, wenn dir irgendwas nicht gefällt, dann lass ich das selbstverständlich. Aber im Moment will ich dich einfach nur in meine Arme nehmen und an dir knabbern“, er ließ spielerisch seine Zähne kurz über ihr Ohr wandern und lutschte wenig später auch daran; stupste mit der Zunge in die Ohrmuschel und begann sie am Hals entlang abwärts zu küssen, was sie die Augen schließen und den Kopf zur Seite neigen ließ. Diese Art von Liebkosung genoss sie wie ein Kätzchen und klang sogar auch so. Ihr Atem kam hauchend über ihre Lippen und das genussvolle Geräusch dabei, ließ ihn schlussfolgern, dass er etwas tat, was ihr unwahrscheinlich gefiel, was für ihn nur hieß, er würde es öfter bei ihr tun. Ihre Hände wurden neugierig und tasteten sich unter sein Hemd, wo sie an den Seiten schon seine Muskeln spürte, es war total spannend, ihn zu berühren, er war so lecker. Sie hatte ganz viele Ideen, was sie mit diesem traumhaften Mann würde anstellen können… Ob es wohl wirklich Schicksal war, oder herbeigeführt, wusste der junge Mann nicht. Aber im Zimmer nebenan ging die jawohl am meisten passende Musik an. Wie gerufen eigentlich. Da Chris kein Wort sagen wollte, schien es ihm, schloss er die Augen… Er kannte den Song; aus irgendeinem Grund brachte er ihn mit sich und Chris in Verbindung, es war wie für ihn gemacht. Alles, was er im Moment fühlte… Wenn du am Abgrund stehst, dann schwebt sie nur und wenn du runter fällst: Sie fängt dich garantiert nicht! Wenn du auf sie setzt, bist du verlor’n. Sie hat dir noch nie etwas geschwor’n. Du hast gesagt, du willst sie nicht verlier’n - willst du Alles, was du hast, mit ihr verspiel’n? Bitte wisch’ die Tränen wieder auf - sie hat eure Träume längst verkauft! Das Gefühl, das du vermisst, das ist Liebe. Sie ist der Schatten und du das Licht. Du weißt nicht, wer sie ist - bitte lieb’ sie nicht! Solang’ die Welt sich weiterdreht - bist du in ihr gefangen. Warum macht sie alles, was du liebst - kaputt? Ihr Herz ist Gift für dich! Sie leuchtet wie ein Stern, der nie vergeht. Doch wenn du nach ihr suchst – ist sie verglüht. Du läufst nur ihrem Schatten hinterher. Das, woran du glaubst, gibt es nicht mehr. Den Schmerz, den du jetzt spürst, das ist sie! Sie ist der Schatten und du das Licht. Du weißt nicht, wer sie ist - bitte lieb’ sie nicht! Ihr Herz hat dich längst vergiftet. Das Feuer - Feuer in ihr schlägt über zu dir. Doch es wärmt dich nicht. Am liebsten wäre sie zu Syrah gestürmt und hätte sie eigenhändig erwürgt, dass sie es wagte, dieses Lied zu hören – sie wusste, was es andeuten sollte. Und sie befürchtete, dass Sêiichî es noch viel besser wusste. Noch während es lief, schritt sie auf ihn zu – es entsprach dem Miststück in ihr, dass sie ihn jetzt beeinflussen würde – sie hatte den Kampf gegen die Tote nicht aufgegeben. Selbst nach ihrem Tod versuchte sie sie noch voneinander zu trennen. „Hör auf zu weinen, das passt nicht zu dir… Beruhig dich!“ probierte sie es und wollte die Arme um ihn schlingen, als er ihre Handgelenke packte und sie somit daran hinderte. Nicht einmal umarmt werde wollte er, was für sie schon bitter war, da seit Jamies Unfall nun vier Tage vergangen waren und sie seit dieser Zeit nicht einmal mehr einen Kuss geteilt hatten… „Don’t listen it!“ bat sie ihn mit besänftigender Stimme, denn er hatte doch noch nie auf jemand anderen gehört und nun wollte er damit anfangen – wie oft hatte man versucht ihn zur Vernunft zu bringen und er hatte es immer ignoriert. „It’s a lie“, sie hatte eine komplett andere Stimmlage, eine sanftere, angenommen, hell und hoch. „Lass es gut sein – aus dem Märchen ist ein Albtraum geworden.“ Seine Hände hatten sie fest im Griff, während er sie nun mit diesem unendlich traurigen Blick ansah. „Du weißt, das ist das Ende. Zwischen uns gibt es nichts mehr als Streit und Schmerz, ich bin an einem Punkt angelangt, an dem es mir unerträglich geworden ist. Finde einen neuen zum betrügen und verletzen, ich spiele nicht mehr mit! Meine Träume mit dir, sie sind schlecht… “ Es fiel ihm schwer, allein diese Entscheidung zu treffen. „Ich habe nur noch Schmerzen im Herzen, ich kann nich’ mehr… Ich bin am Ende… Nun muss ich gehen, weg von dir!“ Ihm war schon ganz schlecht geworden, all das wollte er nicht, aber Sêiichî wusste, sie zu vermissen würde erträglicher sein, als bei ihr zu bleiben… Sie versuchte sich aus seinem Griff zu winden, sie war nun wirklich keine schwache Frau, aber er war auch nicht schwach, weshalb es ihm recht leicht fiel, seine Freundin festzuhalten. „Sêiichî, red nicht solch einen Blödsinn – du weißt selbst, dass du mich nicht einfach so verlassen kannst!“ Nun sah sie einen rebellischen Blick und seine Augen funkelten auf, er war entsetzt, man konnte ihm einfach alles ansehen. „Ach nein, kann ich nicht? Was denkst du, wie einfach das ist?!“ Ein Lachen verließ seinen Mund, während er sie beinahe schon hämisch angrinste. „Das ist genauso einfach, wie es wäre, dich aufs Bett zu schmeißen und mich an dir zu vergehen!“ „Das bringst du nicht übers Herz“, was eigentlich amüsiert hätte klingen sollen, hatte mehr einen ziemlich gekränkten Ton. „Ja, weil ich viel zu gut für dich bin – ich habe aber keine Lust mehr, mich weiter demütigen zu lassen, verstehst du? Es ist aus!“ „Glaubst du auch brav selbst an das, was du sagst? In Worten warst du schon immer sehr gut!“ Sie glaubte ihm kein Wort, er war abhängig von ihr und konnte nicht von ihr lassen und derselbe Mensch redete gerade davon sie zu verlassen… „Du hast es mir noch nie so leicht gemacht, daran zu glauben, dass ich es auch ohne dich schaffen kann“, erwiderte er trocken und schob sie kraftvoll von sich. „Your beautiful kisses were a sign of devotedness. You can’t deny it, but only a lie can make it right, sure?” Noch nie hatte er von ihr gehört, dass seine Küsse wunderschön gewesen seien, sie waren mitunter ziemlich ungeduldig, er dachte ihr nie seine wahren Gefühle gezeigt zu haben und doch kannte sie sie – musste sie ihn fast innerlich töten, um sie ihm wirklich zu entlocken? Dass er sich enttarnte? „From the first moment I saw you, I knew that there would be these strange kind of creature between us. It’s strong, sensitive and the truth is hidden inside you, don’t you see it?!” Es war schon sehr merkwürdig, wenn Vermouth von Gefühlen sprach, es lief ihm eiskalt den Rücken runter, so sehr gruselte er sich gerade. Sie wurde ihrem Wesen untreu, sie würde sich niemals die Blöße geben, es zuzugeben; alles gelogen, um ihn zu halten. Er, der soviel Verrat begangen hatte, was ihn spannend und interessant für sie sein ließ – und gut zum Benutzen, so war es doch? „You’re making fun of me, you’re trying to let me look silly – you’re such cruel person to hold me from escape, but beauty is only skin-deep and nothing more!“ Unwissend scheinen hatte seinen Grund ohne Zweifel darin, dass man auch wissend sein konnte. Das beschrieb sie, wer ihr traute war verloren. „Not everything that glitters is gold. You’re shining only behind the dusk. Der äußere Schein ist die Maske deiner Wenigkeit, nimmst du sie ab, verlierst du… Und nur in den Schatten bist du stark.“ Seine Stimme klang ernst. Innerlich hoffte sie, sein Herz vergab ihr nicht und er ging – in Wirklichkeit ließ sie nicht zu, dass er sie verlässt. Dieser Dummkopf in Liebesdingen, dessen Leben sie oft über ihres gestellt hatte, raffte es einfach nicht – auch wenn sie ihm die Worte direkt an den Kopf geworfen hätte, der Mann würde sie nicht verstehen. Schon so lang war sie innerlich tot – nur er schaffte es, ihr Leben einzuhauchen. Der winzig kleine Teil verborgen tief in ihr hing an diesem gestörten Typen – dieser irre Kerl, der eigentlich Polizist war und sich in ihre Reihen gewagt hatte. Der lebensmüde Vollidiot, welcher ihr schon so viele Sorgen gemacht hatte. Und der andere, riesige Teil, den sie besaß, der war zu stolz - viel zu stolz - um ihm etwas Liebevolles zu sagen. Etwas wie Zuneigung ihm entgegen zu bringen, dass er es auch verstand. Er heulte rum; kaum zu glauben, dass das der Mann war, der dem Boss seine Flamme streitig zu machen versuchte, derselbe, der sie jederzeit dessen Armen entrissen hätte, der ihn am liebsten ermorden wollte, wenn er sie wieder für sich beanspruchte. Es war einfach sich etwas anzugewöhnen, aber wieder abgewöhnen war schwer – er war sie gewohnt, schon so lange und nun wollte er sich selbst auf Entzug setzen. Wenn jemand wieder und wieder zugeräuchert wurde, hatte er die Fähigkeit des Riechens bald verlernt. Was man verlor, das kam nicht wieder. Gut und schlecht, richtig und falsch zu unterscheiden, woran machte man das fest? Hatte überhaupt irgendein Mensch das Recht dazu, jemanden als gut oder schlecht zu bezeichnen? Eigentlich nicht. Was von beidem er war, das wusste der junge Mann schon längst nicht mehr. Einige hätten gesagt, er sei gut, andere hätten ihn für schlecht gehalten und wieder andere würden sagen, dass er weder noch oder beides war. Ein Mann, der als Polizist Menschen ermordete, konnte der denn wirklich liebenswert sein? Das war wahrscheinlich einer der Gründe, weshalb er sie verstehen konnte. Sich selbst empfand er nicht als liebenswert, zuweilen hasste er sich regelrecht, was aus ihm auch diesen selbst zerstörerischen Menschen machte. Manche Leute quälten sich gerne selbst, dazu hatte Sêiichî immer gehört, er wollte von Chris gequält werden, aber in einem gesunden Maß, das sie nun überschritten hatte. Er stand darauf, wenn sie ihn biss, kratzte und ihn etwas schindete, wie ein untreues Tier, aber sein Inneres durfte keiner anrühren. Um ihn auf ihrer Seite zu halten, musste sie ihn nicht gleichzeitig als ihr Betthäschen missbrauchen, er wäre sowieso auf ihrer Seite gewesen – ihn zu verführen war also vollkommen unsinnig – warum hatte sie das mit ihm gemacht, wieso ihm das Herz gestohlen? Doch sie zu fragen, war überflüssig, sie würde ihm entweder gar keine oder eine unzureichende Antwort geben. Sie war verboten und für einige so gefährlich, das hatte sie immer aufregend für ihn gemacht. Er hatte die Gefahr geliebt und somit sie, wobei er diesem Teufelskreis mittlerweile zumindest entkommen war. Eigentlich hatte Sêiichî nicht vor diese Welt freiwillig zu verlassen, denn der junge Mann hatte so viele Aufgaben, die er sich selbst gegeben hatte, all das war sein Lebenswille. Er musste seinen Vater finden und die Organisation von innen zerstören, mit seinen Freunden. Sie gehörte auch zu ihnen, zu seinen wahren Freunden, jedenfalls hatte sie ihm nie einen Grund gegeben, an ihrer beider Freundschaft einen Zweifel zu hegen. Bis vor kurzem… Es war vielleicht auch zu viel verlangt, dass sie alle Menschen, die er mochte, auch mögen musste. Diese Sache hatte ihn total fertig gemacht. Die Gefahr, welche von ihr ausging, würde sie sich auf seine Freundinnen übertragen, wenn er sie zu sehr mochte, er hatte sie noch immer nicht gefragt, was sie geritten hatte… „Ich geh jetzt!“ Bevor er hier noch mehr hörte, was er nicht zu wissen bezweckte, wollte er lieber die Flucht antreten, am besten schwieg sie einfach. Er verstand sowieso nur Bahnhof, sie gab sich ja nicht gerade die Mühe, dass es für ihn verständlich war. „Nein, tust du nicht!“ Sie versuchte ihn festzuhalten, doch obwohl der Griff nicht der eines schwachen Mädchens war, schaffte Sêiichî es, dass sie vom Boden abhob, als er sie versuchte von sich zu kriegen. „Dass is’ doch albern! Lass meinen Arm los, Chris Vineyard“, noch immer schüttelte er sie und wirkte dabei richtig panisch. Sie sollte es nicht wagen, ihn anzufassen oder solche Späße, er war gerade nur mit Vorsicht zu genießen. Was fiel diesem Weib ein, ihm etwas zu verbieten, sie war ja nicht seine Mutter. Ihr musste ja schon längst schlecht sein, so wie er sie schüttelte, sie fühlte sich wie ein Milchshake. Dass sie jetzt Angst bekam, er würde seine Drohungen wahr machen, das passte überhaupt nicht zu ihr - was wollte sie denn noch? „Was zum Teufel… Was willst du eigentlich noch von mir?? Ich habe dich betrogen – so oft schon – aber du willst immer noch, dass ich bei dir bleibe – du bist… du bist komplett übergeschnappt, glaube ich langsam! Sofort loslassen!“ Seine Stimme wurde immer lauter und er richtig zornig, doch die 30-jährige krallte ihm schon die Nägel ins Handgelenk, so fest hatte sie zugegriffen. Im Augenblick, als er sie endgültig los bekam, bohrten sich ihre Nägel tief in die Haut hinein, dass es schon anfing zu bluten, sie konnte die Dinger als Mordinstrumente nutzen – und dann landete sie am Boden. Ohne Rücksicht hatte er sie weggestoßen. „Geh zu Sazerac, lass dich von ihm vögeln, so oft wie du willst, aber mich wirst du NIE MEHR auch nur ansatzweise anrühren, hast du das jetzt kapiert?!“ Sein Atem und sein Herz rasten, in seiner Brust schmerzte es mehr, als an seinem Handgelenk. So hatte man sie bisher erst einmal gesehen – in dem Moment, als sie sich vom Boden aufrappelte, nach den Schüssen, die Akai auf sie abgefeuert hatte – kurz nachdem sie durch die Luft flog. Einen Schritt rückwärts gehend, war er selbst schockiert davon, wie panisch er sie zu Boden befördert hatte, im Grunde hatte er bloß Angst, dass sie es doch schaffen würde, ihn wieder weich zu kochen. Sêiichî bezweifelte, dass er sie je wieder bedingungslos lieben konnte, trotz allem, was sie getan hatte. Es hatte doch überhaupt keinen Sinn und Zweck. „Du bist krank, sieh mich nicht so an! ICH LASS MICH NICHT MEHR KONTROLLIEREN!“ So laut er konnte, brüllte er ihr diese Worte ins Gesicht, weder andere noch er selbst hatten ihn je so wütend erlebt, dass er auf diese Weise austickte. All die Wut brach wie Feuer aus einem Vulkan hervor. Dass Chris es herausgefordert hatte, konnte man nicht sagen, sie hätte nicht gedacht, dass er wirklich so wütend werden konnte, schon gar nicht auf sie, sie hatte ihn doch für ein gutmütiges Schaf gehalten, jedenfalls bei ihr, aber gerade war er fast schon beängstigend, jede normale Frau hätte es nicht gewagt, jetzt noch frech zu werden. „Schau dich an, du hast ja Angst davor! Ich habe wohl eine ziemlich starke Wirkung bei dir hinterlassen.“ Belustigung, oder vielmehr schon Spott war alles, was er von ihr bekam und noch mehr Beleidigungen, wie er fand. „Du glaubst nicht im Ernst, dass du das mit mir machen kannst, oder Sêiichî Iwamoto?!“ Sie räumte vor Wut eine Vase von ihrem Tisch, klirrend fiel diese zu Boden und ließ ihn für einen Bruchteil einer Sekunde zucken. Er wollte die Beine in die Hand nehmen, aber sie war schneller bei ihm, als es ihm lieb war. Seine Reflexe waren noch gut genug, dass er ihre Hände schnappen konnte, sonst hätte sie ihn wohl ziemlich heftig gestoßen, aber es reichte nicht. Sie ging wie ein Amokläufer auf ihn los, sie setzte ihren gesamten Körper ein und er hatte ein Handicap – das Donnern der Tür war zu hören und sein Keuchen, als er mit dem Rücken dagegen geschleudert wurde. Während er noch Probleme mit seinen Sinnen hatte, als ihn der Schmerz durchforstete, packte sie ihn am Hals und ließ ihn röcheln. Mit den Händen versuchte er sie zu schieben, aber sie bewegte sich keinen Zentimeter, auch war seine Kraft mit einem Mal wie weggeblasen. So ganz realisierte er nicht, was geschehen war. „Du bist der erste Mann, der es wagt, mich verlassen zu wollen! So unverschämt war noch keiner!“ Allmählich wurde er wenigstens wieder Herr seiner Sehkraft, er hatte sprichwörtlich Sterne gesehen. Ihr Blick traf seine blauen Augen, die doch so etwas unglaublich Treues haben konnten. Er fühlte sich doch ein wenig gekränkt und gedemütigt – jetzt da er sich endlich mal wehrte. Dass sie ihn würgte, verhinderte, dass sofort etwas zurück geschossen kam. Er nahm erneut ihre Handgelenke. Als Polizist hätte er sie jetzt glatt einsperren können. Auf seiner Stirn war regelrechte Sintflut ausgebrochen, die Haare klebten an seiner Stirn, ihm war heiß und kalt, er wusste nicht ganz warum, es fühlte sich wie Angst an, aber es waren die Schmerzen. Teran hatte schon passend draufgehauen, aber sie hatte es noch besser gemacht. Seine Hände zitterten merklich, was sie nicht realisierte, so wütend war sie darüber, wie er sich aufführte. Einer, der sie ständig betrog – sie hatte ihn ein wenig gequält, ja, etwas gestichelt, nur ganz harmlos, ihrer Meinung nach – sie wollte ihm bloß eins reinwürgen – ja verdammt noch mal, sie war eifersüchtig – so wollte er es doch. Er hatte immer versucht mehr als ihr müdes, gleichgültiges Lächeln zu sehen. Wieso sonst hatte er es ihr förmlich an den Kopf geknallt, dass er sich schon wieder eine andere suchen wollte? Ihr Spiel war die Retourkutsche gewesen und er sah das gleich als Grund an, den eingeschnappten, gekränkten Sêiichî zu spielen, den man ja ach so schlecht behandelte… Blass, verschwitzt und mit röchelndem Atem, sahen seine zu Schlitzen verzogenen Augen sie an, er kniff sie fast zu, sein Blick hatte etwas sehr Verletztes. Seine Hände lagen nur schwach um ihre Handgelenke, er hatte keine Kraft mehr. Zu viel Blut verloren, sich zu sehr aufgeregt und noch dazu Tage lang viel zu wenig Schlaf gehabt. Langsam aber sicher wirkte sein Blick immer benommener, als wenn er kurz davor wäre, das Bewusstsein zu verlieren, während er sie aber noch immer ansah. Die ganze Zeit über blickte er mit ein und demselben Ausdruck in ihre Augen und sie war hart genug, ihn eiskalt anzusehen, ohne jegliches Mitgefühl. Es war der Blick eines unsterblich liebeskranken Mannes, der eigentlich nicht anders konnte, als ihr sein Herz zu schenken, es war ihm einfach nicht möglich, sich gegen dieses mächtige Gefühl zu wehren. Er wollte sich schon gratulieren, dass er sie so weit gebracht hatte, dass sie einem Wutanfall erlag, aber so sarkastisch er gerne war, ihm war schwindelig und ihm fehlte die Luft zum atmen, die ihm durch ihre Hände mehr und mehr geraubt wurde. War das die Strafe dafür, dass er zwar körperlich nicht, aber im Herzen umso treuer gewesen war? Im Polizeipräsidium hatte man unterdessen einem anderen Kriminalisten Heiji aufs Auge gedrückt. Der junge Mann war hoffnungslos überfordert damit, auf den Sprössling Hattoris aufzupassen. Ständig schnüffelte dieser Junge hier herum und wenn man ihn dann darum bat, es zu unterlassen, gab er zwar zur Antwort, dass er nicht wusste, dass es sich um Geheimnisse handelte, wurde dann aber wenig später erneut dabei erwischt. Er ließ sich hier doch nicht von einem 18-jährigen Schnüffler ärgern – allmählich verlor der Dunkel-Braunhaarige die Geduld, weshalb er Heiji mit Gewalt von den Akten trennte. „Jetzt reicht’s, du kommst mit! Ich mache das nicht mehr mit, ich muss hier auch noch andere Dinge tun, als Babysitten, was denkt sich Iwamoto??!“ Ein wenig entsetzten die Worte Heiji – Babysitten? Sollte das heißen, dass man auf ihn wie auf ein kleines Baby aufpasste? „Ach, Iwamoto soll auf mich aufpassen?“ quetschte er den Kriminalisten aus und dieser gab brav Antwort. „Ja, verdammt noch mal, aber er ist noch mal weggefahren, er kommt später wieder und holt dich ab, du sollst solange du in Tōkyō bist bei ihm bleiben, das hat der Polizeipräsident sogar höchstpersönlich angeordnet!“ ‘Iwamoto vernachlässigt seine Aufgaben? Das sieht ihm nicht ähnlich, aber noch schlimmer find’ ich die Tatsache, dass mein Vater hier angerufen hat, damit sie mich wie ein Kind beobachten… Ob er was weiß?’ Er machte sich so seine Gedanken, bis vor kurzem hatte er so etwas noch nicht getan, sicher hing das mit dem Vorfall neulich zusammen, es war ja auch eine verzwickte Situation gewesen und man hatte sich in der Tat Sorgen um Heiji machen müssen… „Ja klar, dann muss es wichtig sein, wenn es von Akaja-han kommt“, man bemerkte die Ironie in Heijis Stimme. „Mir persönlich ist es egal, was du machst, solange du es außerhalb des Präsidiums tust und uns nicht bei der Arbeit behinderst!“ Es war deutlich, dass man den Mann nicht eingeweiht hatte, sonst hätte er das nie und nimmer so gesagt. „Ist ja nicht zu fassen – sind Sie verrückt, das so auf die leichte Schulter zu nehmen, Herr Kommissar?!“ wurde der Braunhaarige von seinem Kollegen, der auch noch jünger war, in den Boden gestampft, ja es klang schon fast wie Miwako Satō, aus dem Mund ihres Kollegen allerdings war es eine Sensation. „Wie können Sie das so sagen? Wenn dem Jungen was zustößt, das kann Ihnen doch nicht egal sein! Was machen Sie bei der Polizei, wenn Ihnen derartige Dinge so egal sind? Was tun Sie, wenn gerade dann etwas passiert? Würden Sie sich verantworten wollen, wenn dem Jungen etwas Schlimmes zustößt, weil Sie Ihre Aufsichtspflicht verletzt haben? Ich dulde es nicht, dass Sie so etwas sagen!“ „Kaum geht er mit Satō ins Bett, nimmt sich der liebe Takagi zu wichtig“, ließ er los, es kümmerte ihn nicht wirklich, dass er ihn belehrte, er war jünger und hatte ihm nichts zu sagen. „Noch bist du nicht Abteilungsleiter, Takagi, das ist immer noch Satō, also riskier hier nicht so eine große Lippe!“ So lief es momentan, alle wussten es und alle waren dagegen. Shiratori war ein lieber Kerl im Gegensatz zu den anderen Kriminalisten, die allesamt Satō vergötterten und ihn nun bei jeder Gelegenheit beim Chef anschwärzen würden, nur damit er möglichst schnell verschwand… „Ich bin nicht Abteilungsleiter, aber Satō hat mich gebeten, hier die Stellung zu halten – kaum ist sie weg, tut die Abteilung, wozu sie Lust hat, sie wusste das, deswegen hat sie mich ja auch darum gebeten“, entgegnete Wataru doch leicht verstimmt. Die Worte und wie sie dieser Kerl gewählt hatte, gefielen ihm nicht, auch wenn er damit auch zugab, was er ohnehin ahnte. „Satō wäre weniger begeistert und Iwamoto auch, wenn Sie davon wüssten, dass du deinen Job weniger ernst nimmst, als du solltest.“ „Was soll Heiji schon passieren, er ist doch nicht mehr im Kleinkindalter. Er war schon so oft hier und man hat ihn nicht wie einen Hund bewacht, was soll das?“ „Ein Serienkiller läuft frei hier rum! Ist das nicht Grund genug?“ Er zischte es dem Älteren zu und dieser schüttelte bloß den Kopf. Wieso sollte Heiji ausgerechnet diesem Täter begegnen, wo sie selbst nicht wussten, wo er sich aufhielt? Das lag aber auch daran, dass Wataru mehr über den Fall wusste, als ihm lieb war. Er selbst hatte es mit ihm zu tun gehabt und von Glück reden können, dass er ihn nicht anvisiert hatte, stattdessen hatte er auf Ryochi und Hiroya geschossen… Im Gegensatz zu Heiji besaßen sie alle ihre Dienstwaffe und der Junge wusste weder, wie man eine benutzte, noch besaß er eine, das wäre ja auch noch schöner gewesen. „Was is’ das für’n Killer, Takagi-han?“ war Heiji nun doch interessiert zu erfahren, warum sie so einen Stress hier hatten – seinetwegen. „Das darf ich dir nicht sagen und du wirst dich auch nicht in diese Angelegenheit einmischen, das ist nichts für dich! Du magst ein talentierter Detektiv sein, aber mit Mördern, die keine Skrupel kennen, kannst du es nicht aufnehmen! Eins kann ich jedoch sagen: Er ist ein Profi! Bisher konnten wir ihn nicht schnappen, fast die ganze Abteilung ist an diesem Fall dran, bisher erfolglos. Akaja tötet uns, wenn du damit zu tun kriegst!“ „Takagi kommen Sie bitte schnell!“ hörte der Besagte wenig später seinen Namen, es klang, als wäre es furchtbar wichtig. „Tun Sie mir den Gefallen, nehmen Sie Ihren Job ernst, Tamura! Achten Sie auf Heiji, dass er keinen Unsinn macht, ich muss weg!“ Kei (26) Tamura; Kriminalist im MPD in Tōkyō; bester Freund von Ninzaburō Shiratori Tamura blickte Heiji mit einem vernichtenden Blick an. „Hast du es gehört? Du bist jetzt brav, sonst erlebst du was, verstanden?!“ Etwas netter hätte der Kerl das ruhig sagen können, wofür hielt er sich, ihn so anzufahren? Ganz bescheuert war er ja nun nicht, schade nur, dass er nicht mehr über den Fall wusste – er fand sich eigentlich nicht unfähig es mit einem Serienkiller aufzunehmen, aber es war wohl ein etwas anderes Bild, als damals in Ōsaka. Es klang alles so mysteriös, vielleicht sollte er mal Megure fragen. Der war ohnehin viel netter, als dieser Tamura hier. Wenig später bei Inspektor Megures Büro, sah Heiji ein weiteres bekanntes Gesicht. Er hingegen erkannte ihn nicht, auch als er ihn mit „Hidekiii!“ ansprach, er war schneller weg, als man schauen konnte, hatte wohl einen wichtigen Fall, mit dem er sich befasste, so dass er Heiji einfach übersah. Jedenfalls rannte er durch den Gang und telefonierte dabei. „Ja – ich weiß – bleib trotzdem zu Hause, Sayaka! Du weißt doch, dein Vater will nicht, dass du auch noch damit zu tun kriegst…“ Er hatte es eilig aus dem Präsidium zu kommen, aber Heiji hatte gerade etwas sehr Merkwürdiges angeweht - heute waren alle so panisch. Er wollte jedoch nicht so anfangen, wie Conan, dass er in jedem und allem einen Kontakt mit dieser Organisation sah. „Was macht Hideki Ikezawa hier? Ist er auch hierher gezogen?“ Also ihn als Kansai-Bewohner würde es nicht nach Honshū ziehen. Aus seiner Umgebung hatte es jedoch so mancher getan, auch Iwamoto. „Der Grund ist der“, Kei überlegte, wie er es wohl am besten erklärte, „also Sayaka Iwatani, ist auf Besuch bei den Koizumis – er will ein wenig auf sie aufpassen; er hat sich also vorübergehend - glaube ich - hierher transferieren lassen – Megure und Matsumoto sind die Einzelheiten bekannt.“ ‘Noch mehr Beschützerinstinkte, das stinkt in der Tat… Da kriegt dieses Wort gleich noch eine ganz andere Bedeutung’, Heiji war von Grund auf sehr misstrauisch, aber er wollte den Teufel nicht an die Wand malen. Die Geschehnisse in Ōsaka ließen ihn jedoch daran zweifeln, dass es eine tolle Zeit für Kudō werden würde. Solange er aber nicht Genaueres wusste, würde er die Pferde nicht scheu machen, er wusste ja, wie der Junge auf die Organisation reagierte. Wenn er erfuhr, dass sein Freund Heiji seinetwegen auch tief in der Tinte saß, würde er nur wieder Schuldgefühle kriegen. Und Ikezawa war sicher nicht von Ōsaka hergezogen, alleine deswegen, um auf Sayaka aufzupassen, die passte selber auf sich auf, so ein Schwachsinn… Und dass er sich deswegen nicht hatte beurlauben lassen, sondern mehr versetzen, das stank einfach zum Himmel – wieso war dieser Kriminalist so doof, das wirklich zu glauben? Nein, da steckte was Anderes dahinter… „Ich werde mal Inspektor Megure einen Besuch abstatten, ist doch erlaubt, oder?“ „Mach, was du nicht lassen kannst, Hattori, aber ich glaube kaum, dass sie Zeit haben, sie sind mit dem Serienkiller beschäftigt“, er ließ Heiji die Wahl, ob er in die Höhle des Löwen gehen wollte, oder nicht. Takagi war ja gerade hineingerufen worden. Heiji wollte gerade klopfen, als er sie reden hörte und es erst einmal sein ließ. „Dann hat der Killer also wieder zugeschlagen… Und diesmal sind 5 Leute zu schaden gekommen, das heißt aber unwillkürlich, dass er nicht alleine ist. Die Tatzeit ist in etwa gleich und auf zwei Orte verteilt, es ist unmöglich, dass er alleine zugeschlagen hat.“ Es war ein dickes Ding, aber genau das, was Megure die ganze Zeit schon vermutet hatte. Wataru sah ziemlich mitgenommen aus, weshalb er an ihn herantrat. „Machen Sie doch nicht so ein Gesicht; ich bezweifle, dass es sich um Ihren Vater handelt.“ „Das hoffe ich doch sehr, ich bin nicht scharf drauf, ihm zu begegnen, wir sollten trotzdem alle Sicherheitsvorkehrungen treffen, die möglich sind. Der Mann hasst Polizisten und ist dementsprechend brutal und grausam, wie Sie bereits wissen!“ Takagi wiederholte es immer wieder gerne, damit es ja niemand vergaß, er wollte nicht, dass seine Kollegen am Ende dran glauben mussten. Wirklich vom Hocker reißen, konnte die Tatsache Heiji nicht, aber er war dementsprechend überrascht, Takagi so offen darüber sprechen zu hören, dass sein Vater ein Mörder war, der bisher nicht von der Polizei hatte geschnappt werden können. Es klang auch ein bisschen wie die Situation in Ōsaka, bis auf den kleinen, aber feinen Unterschied, dass es jetzt ruhig bei ihnen war, stattdessen hatte Tōkyō den ganzen Ärger am Hals. Da wunderte es eigentlich keinen mehr, dass ein Mann seiner Freundin hinterher reiste, um sie an Dummheiten zu hindern und auch zu beschützen. So ganz paradox wäre es nicht, würden sich die Täter aus Ōsaka als die gleichen entpuppen, die auch hier ihr Unwesen trieben. Wataru wusste, dass sein Vater eine ganze Bande Verbrecher anführte und man zu ihm aufblickte, ihm half, wo man nur konnte – demnach würde alles ins Bild passen. Dass es mehrere waren… Nur Kriminalisten kamen zu Tode… Und den weiblichen Polizistinnen hatte man besonders viel Schmerz und Leid angetan; Tatsuji hätte ihm sicher Recht gegeben, dass es die Handschrift von Keichiro Takagi – nein Chardonnay – war. Unterdessen hatte man Kazuha zu den Kudōs chauffiert, da sie unbedingt jemanden dort besuchen wollte. Die Mädchen machten sich sowieso gerade schick, da störte sie keinen, doch wusste sie von ihrem Glück noch nichts. Als ihr Sonoko öffnete, dachte sie schon, dass Ran sicher auch da sein würde, doch sie irrte sich. Stattdessen waren andere junge Frauen anwesend. „Hey, Kazuha – was für ein Zufall, komm doch rein! Meine Freundinnen sind gerade dabei uns richtig zu stylen, du hast sicher auch Lust, los komm rein!“ Sie zog Kazuha zur Tür herein, welche sie hinter sich schloss. Das Mädchen mit dem Pferdeschwanz guckte sich Sonoko perplex an. „Ihr stylt euch so richtig auf und dann geht ihr auf ‘ne Party?“ Die Hellbraunhaarige nickte begeistert und führte Kazuha zu den anderen. „Oh, da kommt ja noch jemand… Ist das deine Freundin, Sonoko?“ wollte ein Mädchen mit braunen Locken wissen, sie sah um einiges älter als sie beide aus, was aber auch von ihrem aufwendigen Make-up kommen konnte. Sie war geschminkt, wie eine Erwachsene. „Ran hat sie bei einem Ausflug nach Ōsaka kennen gelernt, sie ist die Freundin von Heiji Hattori!“ „Du meinst eine Freundin“, korrigierte die 20-jährige, welche sich als Shinichis Schwester Katsumi entpuppte. „Ich bin übrigens Katsumi Kudō – endlich lerne ich die kleine Kazu-chan auch mal kennen, Hei-chan hat so viel von dir erzählt“, meinte sie, was Kazuhas Augen schon zu Schlitzen verformte. Also doch – sie hatte es ja gewusst – Kudō war ein Mädchen und deswegen war er so oft in Tōkyō gewesen… Und was bildete die sich ein, von wegen eine Freundin, eine unwichtige Freundin, oder was wollte sie damit andeuten? Katsumi (20) Kudō; Shinichis Adoptivschwester; Studentin an der Schauspielschule Obwohl sie keine geborene Kudō war, trug sie die Haare wie ihre Adoptivmutter, dieselben Locken im Gesicht und an den Haarenden. Natürlich war sie eine angehende Schauspielerin, sie bewunderte ihre Mutter und wollte wie sie sein, weshalb sie sich aber auch für aufwendiges Make-up und Kleidung interessierte. „Seine beste Freundin“, kam ein wenig patzig nun doch von Kazuha, immerhin ließ sie sich nicht sagen, sie sei eine unwichtige Person in Heijis Leben. Von so einer blöden, eingebildeten Kuh schon gar nicht, wie die schon rumlief und wie sie sie ansah… Der 20-jährigen war etwas zu Kopf gestiegen, wie Kazuha auch gleich bestätigt wurde. „Hei-chan steht auf Schauspielerinnen und ich werde in naher Zukunft eine sein, ich werde berühmt sein wie meine Mutter, erst erobere ich Japan, dann Amerika und die ganze Welt!“ „Man, trägst du aber dick auf, Katsu“, erwiderte eine weitere Frau, noch älter als die 20-jährige, sie betrachtete sich das hübsche Mädchen. „Nette Anlagen, daraus kann ich sicher was zaubern“, ihr kritischer Blick lag auf Kazuha. „Was, aus mir?“ Als wenn man da zaubern musste, sie fand ihr Outfit eigentlich ziemlich passend. Aiko (25) Misae; Maskenbildnerin/Make-up-Artist/Stylistin Die Kurzhaarige betrachtete ganz besonders Kazuhas Haare, die mit einer Schleife zu einem Pferdeschwanz gebunden waren. „Deine schönen Haare solltest du nicht vor anderen verstecken“, meinte sie bedauernd, „daraus lässt sich einiges machen! Du solltest deine Haare offen tragen, Kazuha-chan, das macht dich erwachsener, und das richtige Make-up macht dich zur Queen des Abends.“ „Hey, Momentchen mal, Aiko-san! ICH bin die Queen des Abends, fall mir doch nicht in den Rücken!” „Eigentlich mag ich meine Frisur…“ entgegnete Kazuhas ein wenig beleidigt, sie trug sie seit Jahren so und wollte im Grunde nichts daran ändern. „Heiji findet sie kindisch“, meinte Katsumi, „er steht auf lange Haare, so wie meine“, sie fuhr sich eingebildet durch ihre langen Haare und kostete Kazuha den letzten Nerv. Sie hatte ein Ego, das bis zum Mond reichte und fast hätte die Oberschülerin das auch gesagt. „Aber keine Sorge, Kleine, ich bin nicht eifersüchtig, dass du so viel mit ihm zusammen bist, er ist ja schließlich nicht der einzige Kerl, der auf mich steht. Trotzdem kannst du ihn mit dieser Frisur wohl kaum für dich gewinnen, selbst wenn er nicht mit mir zusammen wäre!“ „Ärger dich nicht, die ist immer so, momentan hat sie ja auch gleich 3 Männer, die sich für sie interessieren, außerdem ist Heiji in der Hinsicht mehr ein kleines Kind für sie, die beiden anderen sind schon über 20 Jahre alt – aber wenn du bei Heiji landen willst, solltest du dir eine erwachsenere Frisur zulegen, Aiko weiß schon, was sie tut und ich sorge für die Klamotten.“ Die Rotblondhaarige zwinkerte der Schülerin zu, sie selbst trug ebenfalls teures Make-up und ihre Kleidung war vom Designer höchstpersönlich für sie angefertigt worden, was man deutlich sah. „Ich bin übrigens Shiori, eine Freundin von Aiko und Katsu“, meinte sie und wirkte schon wesentlich freundlicher als Katsumi es tat. Sie wollte nur die schönste und beste Frau sein und angeben, während sie sich auch mit Leuten anfreundete – und sie wusste, wer Kazuha war… Shiori (22) Sawatari; Fotomodell Die Rothaarige guckte gerade auf ihre teure Armbanduhr, da sie jemanden vermisste, als Kazuha Katsumi anfauchte, als hätte man ihr den Welpen genommen. „Wie behandelste bitte Heiji? Haste sie noch alle?!“ Beinahe hätte sie ihr dafür eine Ohrfeige verpasst. Schlimm genug, dass er mit dieser Kuh zusammen war, aber wie sie über ihn redeten, sie dachte jeden Moment zu platzen. „Wie kannste mir ins Gesicht sagen, dassde ihn betrügst?!“ Und sie machte sich Gedanken, was ihm wohl an dieser Kudō gefiel, wahrscheinlich nichts weiter als ihr Aussehen, ihren Charakter konnte er unmöglich toll finden, da hätte sie ja nie eine Chance bei ihm gehabt – so ein Miststück. „Reg dich ab – ich hatte sowieso vor, ihn zu verlassen“, kam gleichgültig von Katsumi, „ich habe mir eingebildet, er wäre schon ein Mann, aber es hat sich deutlich gezeigt, dass er fast zwei Jahre jünger ist als ich.“ Wie gefühllos sie klang, geradezu als sei ihr Heiji vollkommen egal. „Was haste mit ihm gemacht?!“ Kazuha war so außer sich, dass sie Katsumi anschrie, die konnte doch nicht mit ihm rummachen – sie befürchtete, dass sie das getan hatte - und ihn dann behandeln, als sei er Luft. „Hey, ihr Zicken!“ mischte sich Sonoko ein und versuchte Kazuha zu beruhigen, da diese total auf Katsumi losging. „So was passiert eben, nicht aufregen, Kazuha! Außerdem kann dir das nur Recht sein, oder? Also, wenn die beiden sich offensichtlich trennen werden.“ Sie verhinderte, dass das Mädchen aus Kansai Katsumi noch eine klebte für ihre Frechheit, indem sie sie festhielt. „Ich warte eigentlich nur noch, dass er sich mal erbarmt, mich anzurufen oder herzukommen, wobei es natürlich einfacher wäre, wenn er mich anruft.“ „Das wagste zu sagen? Ruf ihn doch selber an, Miststück!“ Die Tochter von Tōyama war kaum zu beruhigen, sie versuchte sich immer wieder von Sonoko loszureißen – wahrscheinlich hätte Ran genauso reagiert, wenn man Shinichi versuchte ihr wegzunehmen und ihn dann verließ, ohne dass es einem was ausmachte. „Ach je, ihr seid vielleicht kindisch – es ist NUR ein Kerl, davon gibt’s noch mehrere auf der Welt, außerdem sollten wir uns sputen, wenn wir rechtzeitig bei der Halle sein wollen – und du Katsumi wolltest dich ja am Keyboarder versuchen. Und dass ihr mir ja den Sänger in Ruhe lasst, der gehört mir.“ Geschockt blickten Sonoko und Kazuha einander an, selbst Sonoko hatte keine Ahnung wovon sie sprachen. Dass sie sich wirklich auf die Bandmitglieder stürzen wollten, hatte sie bisher nicht mitgekriegt. „Als du sagtest, dass du die Band kennst, hast du das am Ende wirklich ernst gemeint, Aiko?“ Shiori lachte, Aiko hatte es doch ständig mit solchen Typen, sie war eben Stylistin, was es ihr leicht machte, an sie heranzukommen. „Natürlich meinte sie das ernst, wir gehen natürlich auf die Aftershow-Party, das ist sowieso mit das Beste an einem solchen Konzert, natürlich nur, wenn man eingeladen ist – was denkst du, wieso wir uns schick machen?“ „Ich und Shiori sind mit Juu befreundet, er freut sich sehr, mal ein paar neue Leute kennen zu lernen, du solltest es genießen, Sonoko, solch eine Gelegenheit kriegst du selten, vielleicht ist einer von den Jungs auch nicht abgeneigt, es mit dir zu versuchen.“ Sie bekam einen Schock – was zum Teufel meinte die denn mit versuchen? ‘Hoffentlich geht das gut… Ich glaube mehr und mehr, dass Ran nicht umsonst was gegen Aiko hat…’ Es war ja schön und gut, dass sie Kontakte zur Prominenz hatte, aber es gleich so breitzutreten, war alles andere als wirklich sympathisch. Wahrscheinlich mochten sie alle nur, weil sie eben diese Kontakte hatte. „Wakana ist spät dran, dabei ist sie ja wohl der schlimmste Freak von uns“, meinte Shiori, als sie erneut auf die Uhr gesehen hatte und sich dann Sonoko und Kazuha zuwandte. „Na kommt, wir machen euch etwas schick und schminken euch, ihr werdet sehen, die Männer liegen euch zu Füßen – und Katsumi hat sicher nichts dagegen, dass du Heiji etwas anbaggerst, dazu brauchst du aber erst mal die richtigen Klamotten und ein bisschen Make-up, der wird Augen machen!“ „Ich will ihn gar nich’ anbaggern“, verteidigte sich Kazuha hochrot, doch wurde sie schon von Sonoko vorwärts geschoben. „Die beiden können das wirklich gut, du wirst unglaublich aussehen und dann kannst du ins Präsidium fahren, dort wirst du sicher fündig, Heiji ist nämlich dort, habe ich von Ran gehört – sie wollte es noch Conan sagen, die beiden sind fast wie Brüder, aber der Kleine spielt gerade mit seinen gleichaltrigen Freunden!“ ‘Ich würde mich schämen, mich aufzudonnern…’ Mit Sicherheit würde sie sich nie trauen, ihm in einem solchen Aufzug unter die Augen zu treten… Der Boss verarbeitete gerade die Fakten, die über Hiroya Tokorozawa ermittelt worden waren; einige Dinge, die er erfahren hatte, bereiteten ihm noch Kopfschmerzen. Nicht nur, dass dieser Mann in halb Japan Freunde bei der Polizei hatte – das stufte er noch als harmlos ein – er kannte die Yasuakis und die Kanōs, zwei Familien, die in den Yakuza-Reihen sich einen Namen gemacht hatten. Und durch diese hatte er noch weiter reichende Verbündete im Untergrund, was dem Boss gar nicht passte. Um ihn zu kriegen, würden sie erst einmal einige Yakuza loswerden müssen. Es gab eben auch Dinge, die seine Leute nicht so witzig finden würden. Mit den Yakuza kamen sie ohnehin nicht so gut aus, sie waren ein Clan, der wie Pech und Schwefel zusammenhielt, was ihm noch nicht gelungen war. Seine Leute tanzten ab und zu noch immer aus der Reihe… So eine hinterhältige Type, da musste er ja richtig aufpassen lassen, dass er nicht auch so wurde, wie einige, die er fast täglich bestrafen lassen musste, weil sie taten, was ihnen gefiel. Hiroya schien sich selbst irgendwo zu betrügen. Der Polizei traute er jedenfalls nicht, jetzt wusste der Boss leider auch, warum das so war. Wenn er Kontakt zu den Yakuza hatte, war eigentlich längst alles klar. Er hinterging seine eigenen Leute, mit anderen Worten: Er war ein Verräter und der Boss müsste nicht einmal fürchten, dass er bei der Polizei petzen würde. Er wusste so viel und doch hatte er seine Kollegen und Vorgesetzten niemals vor der Gefahr gewarnt. Aber es war ein Spiel mit dem Feuer, solche Aktionen fand der Boss seit eh und je spannend und aufregend, da er sich sowieso im Hintergrund hielt und das Ganze andere Leute bewerkstelligen ließ. Viel konnte ihm da ja nicht passieren. Wenn dabei einige seiner Leute draufgingen, war es ihm das wert. Die besten Ideen, so wie jetzt, hatte der Boss beim Schach spielen, seine Schachzüge waren gut durchdacht und nur selten machte der mächtigste Mann in der Organisation einen Fehler. Nur ab und zu gingen bei seinen Aktionen die eigenen Leute drauf, was ihn nicht kümmerte, da er immer wieder Ersatz hatte. Menschen, die scheiterten, waren es ihm nicht wert. Es waren ja immer wieder welche da, die Versager ausmerzten, Leute wie sein Gin und Jami zum Beispiel. Nur wenige waren so krank im Kopf, dass sie wagen würden, Yakuza zu ärgern, aber sie existierten. Doch selbst Gin dachte reiflich darüber nach, ob er einen Yakuza verärgern wollte, es kam ganz darauf an, wie mächtig sie wirklich waren. Je höher sie standen, umso gefährlicher war der Versuch sich in deren Angelegenheiten einzumischen. Es war eigentlich wie bei ihnen auch, ein falscher Fußtritt und es versaute einem zunächst das Leben, bis man die erlösende Strafe – den Tod – bekam. „Ich glaube Carpano wird begeistert sein, wenn er erfährt, dass der Kerl Kontakt zu Yakuza hat“, meinte eine junge Frau, die gerade ein Glas Sekt mit ihm trank. „Wir sagen es ihnen nicht, dass es Yakuza sind, ganz einfach, Schätzchen – sie sind unsere Untertanen, es geht sie nichts an“, kam aus einer dunklen Ecke, wo nur ein wenig Kerzenlicht flackerte, um ihm die Sicht auf sein Brettspiel zu ermöglichen. „Und Schachmatt!“ Er hatte noch nie gegen jemandem in diesem Spiel verloren – wie langweilig. Auch dieses Mal hatte er sein Opfer besiegt. Man sagte ihnen, wen sie töten sollten und basta, ihre Vergangenheit hatte seine Leute nicht zu interessieren, es reichte, wenn er wusste, worauf er sich einließ. Und Fragen stellen war nur den wenigsten erlaubt. Er fand seine Bande viel besser als die der Yakuza, er würde sich jeder Zeit mit ihnen anlegen und ihnen so viele Leute schicken, wie ihm möglich war um dieses Pack loszuwerden. Meistens waren sie arme Leute, ohne Zukunft, ohne Zuhause, die versuchten zu überleben, die unterste Schicht der japanischen Menschheit; sie waren ihm zuwider, fast noch mehr als die Polizei. Dass sie es wagen würden, unter ihn zu kommen, hätte er nie zu glauben gewagt, aber dem war so. Er würde jeden von denen kreuzigen lassen, wenn sie es wagten, ihn auch nur ansatzweise zu hintergehen. Würde – als Beispiel – Saperavi auch nur in die Richtung eines Yakuza gucken, würde er den so körperlich züchtigen lassen, dass er es nicht noch einmal wagte… Währendessen versorgte Shannen Jamie mit den neusten Informationen. Er hatte sie darum gebeten, sich schlau zu machen und ihm dann alles zu erzählen, da er das Krankenhaus noch lange nicht verlassen durfte. Sie hielt es für etwas früh, dass er sich den Kopf zerbrach, aber man konnte ihn eh nicht davon abhalten. Er wollte die bittere Wahrheit in all ihrer Grausamkeit und keine Märchen hören; nicht das, was er gerne gehört hätte; nicht das, was sie für schonend empfunden hätte. „Man hat Johnny meinetwegen aus dem Weg geräumt, nicht wahr?“ Man merkte an seiner Art direkt zu fragen, dass er Detektiv war. „Am gleichen Tag, wie sie es mit mir vorhatte, ist es nicht so?!“ „Ja…“ Ihre Stimme klang bedrückt, sie glaubte nicht, dass sie Jamie hätte belügen können, dafür war er viel zu scharfsinnig. Die unverschleierte Wahrheit, mehr wollte Jamie ja gar nicht, auch wenn er sie bereits zu kennen glaubte. „Er ist meinetwegen nach Japan gereist?“ „Ja…“ „Aber seiner Kollegin geht’s noch gut?“ „Ja“, Shannen seufzte, da er das noch geradezu teuflisch betonte. Es war nur natürlich, dass er vom Schlimmsten ausging, es wäre nahezu ein Wunder, würde man die Dame so davon kommen lassen, dafür hatten Valpolicella und der Boss viel zu großes Interesse daran, dass nicht zu viel über sie beide bekannt wurde – im Mordbefehle erteilen, waren sie schneller als jede Eisenbahn. „Was hat man mit ihr vor?“ war keine verwunderliche Frage seinerseits, da er ohnehin wusste, dass sie auch in die Sache verwickelt war. „Valpolicella übernimmt das – mehr weiß ich nicht“, es klang bedauernd, sie wusste sowieso, dass er es würde verhindern wollen, und wenn er sich selbst entließ, was sie aber niemals zulassen würde. „Was zum Henker wissen die über uns, dass man so drastisch reagiert hat? Wusste Johnny von meinem Geheimnis?“ Er war ein totaler Schnüffler gewesen, der in den USA über ihn und seinen besten Freund recherchiert hatte, durch ihn waren sie in die bekannteste Zeitung gekommen – die New York Times. „Die reine Vermutung, sie könnten mit dir unter einer Decke stecken, reicht schon!“ So etwas war sicher nicht das, was er hören wollte, aber er hatte sie ja förmlich angefleht, ehrlich zu sein, da hatte er nun den Salat. „Dann sollte Cognac nicht wagen ums Krankenhaus herumzuschleichen, am besten vergisst er mich möglichst schnell und macht sich nichts draus, dass ich beinahe gestorben wäre. Es war dumm von ihm, herzukommen – ich hoffe, dass Vermouth wenigstens dazu was taugt, dass man ihn nicht auch noch wegen eines Verdachtes umbringt.“ Die bedrückte Stimmlage des Detektivs, der Menschenleben auf dem Gewissen hatte, klang im Raum wider. Er gab sich an allem die Schuld, auch wenn er es nicht selbst verschuldet hatte, sondern die Ranghöchste, die mal wieder übertrieben hatte in ihrer Vorsorge, dass sie auch ja unentdeckt blieben – wenn die wüsste, was so manchem über die Organisation bekannt war, hätte sie denen aber sehr wehgetan… „Die interessiert sich doch am Ende eh nur für sich, ich bin nicht sicher, ob sie es schon mitbekommen hat, welch großen Groll Valpolicella gegenüber Cognac entwickelt hat – ich werde ihm gut zureden, damit er keinen Blödsinn macht, das verspreche ich dir.“ Sie lächelte Jamie an, was normalerweise eine ansteckende Wirkung auf den Blonden hatte, doch diesmal schien diese verfehlt. Er blickte noch immer total bekümmert drein, was sie dazu brachte, seinen Kopf gegen ihre Brust zu drücken. „Wird schon alles gut werden“, versuchte sie ihm Mut zu machen. Es war wie ausgestorben, rund um das Haus hatte sich eine Aura der Einsamkeit ausgebreitet. Draußen mochte Trubel herrschen, doch das Mädchen bekam von all dem nichts mit. Jeder Laut wurde von ihr im Keim erstickt. Die Türen und Fenster waren fest verriegelt und ließen nichts in das Haus hineindringen. Obwohl es so ruhig war, wusste sie, dass die 17-jährige sich wieder im Zimmer eingesperrt hatte. Die Wohnung war viel zu groß für sie, natürlich fiel der Schülerin die Decke auf den Kopf. Die letzten sechs Jahre hatte sie hier mit ihrem Bruder alleine gewohnt, doch dieser war vor kurzem an einer Überdosis gestorben – wie konnte dieser Dreckskerl seiner kleinen Schwester so etwas bloß antun? Sie war nun ganz alleine – in einem riesigen Haus, das sie von ihren Eltern geerbt hatten. Die Person mit ihrem schwarzen Minirock und dem im Gegenzug viel zu viel Haut bedeckenden Oberteil, klingelte, da sie sich langsam Sorgen machte. Ihre Freundin war laut Sonoko seit dem Tod ihres Bruders nicht zur Schule gekommen und hatte auch auf Anrufe nicht reagiert, also hatte sie heute früh schon bei ihr angerufen – mehrmals vergebens. Nun war sie hier, obwohl sie eine Verabredung mit Sonoko und den anderen hatte und war natürlich mittlerweile viel zu spät dran. Wakana (20) Suzuki; Schülerin an der Musikhochschule Nach fünf Mal Klingeln rührte sich noch immer nichts, andere Menschen wären nun gegangen, aber sie würde nicht aufgeben, sie wusste, dass sich diejenige nur tot stellte… Wenig später konnte eine junge Frau im gegenüber liegenden Haus das Mädchen an der Dachröhre hochklettern sehen und bekam einen Schrecken – sofort griff sie zum Hörer und wollte die Polizei rufen… Wakana hatte es bis zum Fenster des Zimmers ihrer Freundin geschafft und blickte hinein; sie lag auf dem Bett, sich nicht einmal bewegend. Die 20-jährige klopfte hart gegen das Fenster und hoffte, man reagierte auf sie. „Miho, mach endlich auf, ich weiß, dass du da bist!“ Die aufsteigende Panik war kaum zu verhindern, sie lag dort wie tot… Welch grausames Verhalten, sie weiter auf die Folter zu spannen und sich nicht einmal zu rühren. Je länger sie ins Fenster reinguckte und dagegen hämmerte wie eine Irre, umso mehr hatte sie das böse Gefühl, dass sich das Mädchen nicht nur so tot stellte. Mit mächtig klopfendem Herzen und zitternden Händen entschied sie etwas Verbotenes zu tun; ihrer Ansicht nach war dieses Verbot sowieso ein total bescheuertes, weshalb sie ausholte und mit dem Ellenbogen die Fensterscheibe kaputtschlug. Um sie herum flogen Splitter und sie wurde sogar von einem am Hals gestreift, was ihr eine klitzekleine Schramme beibrachte, bevor sie hineingriff und von innen das Fenster öffnete, um hineinsteigen zu können. Nun, da sie mehr sah, hatte sie ihre weibliche Intuition doch nicht getäuscht, wie sie leider befürchtete. „Miho! Sag was!“ Sie kletterte rein und stürzte zu dem Mädchen hin, auf den ersten Blick wirkte sie, als würde sie schlafen. Ihr Blick huschte zum Nachtisch – Schlaftabletten… Nachdem sie ihren schwachen Puls gefühlt hatte, zückte sie ihr Handy und rief den Notarzt, den das Mädchen bitter nötig zu haben schien. Es waren zwei Päckchen… Unterdessen betrachteten Aiko und Shiori ihr gemeinsames Werk – in ihrem Fall Kazuha – und waren mit sich mehr als zufrieden. „Also wäre ich Heiji, würde ich dich sofort abschleppen.“ „Seid doch nicht immer so drastisch!“ warf Sonoko auf Aikos Worte ein. „Also ich finde, dass es dir steht, egal was der Heinie dazu sagt! Der hat anscheinend eh keine Ahnung von dem, was er redet! Man muss schon sehr irre sein, um mit einem Kind über die Brüste von Chris Vineyard zu sprechen, das sind eh nur Sprüche, der würde sich im Leben nicht trauen, irgendetwas mit Kazuha anzufangen.“ „Ich lass mich doch von dem nich’ abschleppen!“ Kazuhas Gesicht färbte sich rot, als sie sich im Spiegel betrachtete, fiel ihr nur ein, dass man jemand völlig anderen aus ihr gemacht hatte, was aber jetzt nicht negativ gemeint war, sie hatten wirklich gezaubert, es war nicht so, dass sie sich gerade abstoßend fand. „Na, was sagst du?“ „Nicht schlecht – aber so ungewohnt“, meinte sie und grinste im nächsten Moment ein wenig fies. ‘Damit kann man Heiji sicher ‘n bisschen erschrecken…’ Die Sirenen jaulten an diesem Abend ganz besonders laut – viele Menschen fragten sich, welche Tragödie sich nun wieder ereignet hatte. So oft hatte man sie in letzter Zeit in Tōkyō aufheulen hören, meistens waren schwere Unfälle der Fall gewesen. Auch der junge Mann im Bett klammerte sich unweigerlich in seine Decke hinein. Eine Nacht wie vor kurzem, man hatte den Krankenwagen so deutlich gehört. Er wollte sie nicht mehr hören, sich nicht mehr daran erinnern, am liebsten hätte er all das vergessen, was in den letzten zwei Jahren in seinem Leben passiert war. Eigentlich hatte man sie angerufen, um einen Raub zu melden. Bei den Kitamis, wo nur noch eine 17-jährige wohnte, würde eingebrochen werden. Wenn sich die Leute doch nur so sehr für dieses arme Mädchen interessiert hätten, statt für einen elenden Einbrecher. Wataru machte das furchtbar traurig, sie war so alleine, in einem riesigen Haus, ihre Verwandten scherten sich einen Dreck um sie, besuchten sie ja nicht einmal. Es war als sei sie alleine auf der Welt. Wenig später, als er in der Nähe des Hauses sein Auto parkte, erkannte er das Gefährt eines Kollegen. Er hatte fast direkt vor dem Haus der Kitamis geparkt, was den Kriminalist doch nachdenklich stimmte. In dem Moment, als er aus dem Auto stieg, sah er die junge, verängstigte Frau, die hinter ihrem Vorhang hervorlugte und ihn heimlich beobachtete. Watarus Blick zum Fenster verriet ihm, dass der Täter die Scheibe eingeschlagen hatte, trotzdem war es furchtbar ruhig. Zu ruhig, wenn man annahm, dass das Mädchen auch zu Hause war. Sich anschleichend, war die Tür nur angelehnt, weshalb er sie leise aufdrückte. ‚Eingeschlagenes Fenster und offene Tür, das passt gar nicht zusammen, seltsam.’ Er hörte nun Stimmen – zwei bekannte sogar und atmete auf – es schien kein Täter hier zu sein, weswegen er seine Knarre erst einmal wegsteckte. Das was sie redeten, verstand er nur bedingt, nur Wortfetzen wurden an seine Sinne getragen. ~Sie lag schon so da~ ~Die Sanitäter haben sie schon mitgenommen~ ~Ich bin hier eingebrochen, werd ich nun bestraft?~ Wataru lief die Treppe hoch, er konnte sich denken, was vorgefallen war, anhand der Worte, wie er sie aufschnappen konnte. Als er die Tür öffnete, drehten sich beide herum, sahen die fragenden Augen des Mannes. „Tamura, was machen Sie denn hier?“ Das interessierte ihn schon – und wo um Gottes Namen war Heiji nun schon wieder? Hatte er ihm nicht gesagt, er sollte auf ihn aufpassen? „Ich hab ihn angerufen“, erwiderte die 20-jährige, welche einen besorgten Ausdruck im Gesicht hatte. „Und Sie, Takagi?“ „Uns wurde ein Einbruch gemeldet, die Frau von gegenüber, Frau Tanekawa hat uns alarmiert, weil sie jemanden zum Fenster hinein steigen sah, ich nehm an, dass es Wakana-san war! Also, was ist hier vorgefallen?“ Es war außer Wakana Suzuki und Kei Tamura niemand anwesend. „Ja, sie war es, sie hat das Fenster eingeschlagen, weil sie besorgt um ihre Freundin war, nicht ohne Grund, wie ich erfahren musste. Der Krankenwagen ist gerade weggefahren, als ich kam. Es sieht ganz so aus, als hätte sich Miho Kitami vorhin versucht das Leben zu nehmen, Takagi. Ich nehm an, sie hat den Tod ihres Bruders wohl nicht verkraftet.“ „Sie kam laut meiner Cousine nicht mehr zur Schule“, kam ganz geistesabwesend von der 20-jährigen, sie blickte auf den Boden, wirkte gedankenverloren. „Sie hat auch auf Anrufe nicht reagiert, ich habe zigmal hier angerufen, ohne Erfolg. Deswegen bin ich heute meiner Intuition gefolgt, ich hatte das Gefühl, dass sie Probleme hat, jemanden an sich heran zu lassen, seit ihr Bruder tot ist. Als ich zum Fenster hineinschaute und klopfte, sie aber nicht antwortete, da ergriff ich die Selbstinitiative und schlug das Fenster ein. Mir war egal, ob es ein Verbrechen ist. Wie wir erfahren mussten“, ihre Stimme wurde gegen Ende leise und brüchiger, bevor man die Tränen aus ihren Augen quellen sah, „nicht unbegründet“, und sie sich kurz darauf die Hand vor den Mund hielt, um sich zu beruhigen. Kei blickte zu Wataru, eine stumme Botschaft. Er wusste genau, was sein Kollege dachte, ohne dass er es äußerte. Sie beide hatten eine Schwester und konnten diesen Kerl nicht verstehen, der sich und damit auch seiner Schwester das Leben versaut hatte. „Beruhig dich, Wakana!“ meinte Kei und legte einen Arm um sie, sie hatte ihn nicht umsonst angerufen, weil es ihr zu viel gewesen war. Wenn das Mädchen überlebte, hatte sie aber einen großen Anteil daran, was er ihr auch sagen musste. „Es war geistesgegenwärtig von dir, die Scheibe einfach so einzuschlagen, das hätte nicht jeder gewagt. Nun trockne deine Tränen, bestimmt wird alles gut.“ Wataru kannte Wakana, aber bei weitem nicht so gut wie Kei es tat. Sie war eine enge Bekannte seiner Familie, er musste sie also besonders gut kennen, während Wataru sie von seiner Schwester kannte, da sie eine Weile zusammen in die selbe Schule gegangen und sogar fast gleich alt waren. „Aber… wieso bin ich nicht eher… auf die Idee gekommen“, schluchzte sie, „herzukommen… Ich hätte sie davon abhalten können, überhaupt irgendwas zu nehmen! Ich wusste, dass sie labil ist und ohne ihren Bruder nicht kann, er ist doch das einzige, das sie hatte, seit dem Unfall ihres Vaters! Ihre Mutter hätte sich damals doch am liebsten einfach erhängt…“ „Sie hat es ihrer Tochter vorgelebt, das erinnert mich fast an unsere Mutter, wobei sie uns gezeigt hat, wie man sich von einem Mann abhängig macht, ich hoffe, Riina wird nicht genauso enden. Sie neigt auch dazu viel zu viel mitzumachen.“ Wataru musste natürlich gleich wieder seine privaten Sachen mitbringen, er sollte lernen seine Gefühle abzuschalten. „Kannst du aufhören, den Fall hier mit deiner Schwester zu verbinden, danke!“ Kei war nie sonderlich nett zu ihm, ob das nur an Miwako lag oder eher an Shiratori, war eigentlich egal – vielleicht konnte er seine Art auch einfach nicht ausstehen. Mittlerweile war es Wataru wirklich egal, was die anderen von ihm dachten, solange Miwako darauf nichts gab. Es war schon dunkel, als der junge Polizist aus seinem Auto stieg, er trug eine Sonnenbrille, ebenso wie die Frau hinter und der jüngere Mann neben ihm. Dass sie zur Tarnung dienen sollten, bemerkte man an dem ebenso pechschwarzen Auto. Auf den ersten Blick wirkten sie verdächtig, dabei sollte genau das nicht so sein. Gut, es war mehr so, dass sie nicht erkannt werden wollten. In die Kreise, in welche sie verschwinden würden, passte es wie die Henne zum Ei. Um sie herum waren fast nur schwarze Autos, ihres fiel also überhaupt nicht auf. Auch als sie ausstiegen – Menschen in schwarzen Klamotten – passten sie hierher. Die schwarzhaarige Frau hatte ihre Haare über ihren Schultern hängen, die wenig Stoff aufwiesen. Es war eigentlich nicht ihre Art sich so zu geben, aber ihr Job an der Seite der beiden Männer war eindeutig weiblich. Sie wollte so passend aussehen, dass sie sogar ihre roten Haare verbarg. Während ihr Kollege auf sein grünes Hemd nicht hatte verzichten wollen, dieses aber weitest gehend unter seinem Jackett verbarg. „Wisst ihr wie heiß so ein Jackett ist? Ich werd gleich flüssig!“ „Benimm dich bitte! Die Person, die wir besuchen, ist aus gutem Hause und eine gewisse Klasse gewohnt, also stellt euch darauf ein.“ Was an diesem Treffen so wichtig war, wussten sie noch nicht, weswegen sie sich fragend ansahen und dann ihrem Boss folgten. Das Haus war groß, angemessen für eine Frau wie diese. Zumindest wenn man wusste, welche Position sie in ihren Kreisen hatte, fand man das. Sie klingelten und nicht gar die Hausherrin öffnete den Dreien, sondern ein Dienstbote. „Sie wünschen?“ „Guten Abend, Hiroya Tokorozawa ist mein Name, die gnädige Frau erwartet mich. Ich habe allerdings noch zwei Freunde mitgebracht – ich bitte um Erlaubnis, dass sie mit eintreten dürfen.“ Wie er sich auf einmal ausdrückte, ließ nicht nur der weiblichen Begleitung eiskalten Schauer über den Rücken laufen, sondern auch dem Dunkelbraunhaarigen. „Einen Augenblick bitte.“ Die Tür schloss sich wieder und man ließ sie zunächst stehen. Man hörte von oben, wie ein Streit entbrannte und das Dienstmädchen einen regelrechten Anpfiff bekam, da sie es wagte Hiroya die Tür vor der Nase zuzumachen, sie wüsste doch längst, dass er ein und ausging. Mit gesenktem Haupt öffnete sie wenig später die riesige Tür und trat zur Seite. „Die gnädige Frau erwartet Sie, bitte treten Sie doch ein“, ihre Stimme war dünner und ehrfürchtiger geworden, man merkte, dass sie ausgeschimpft worden war. Der große Eingangsbereich ließ nun Kotomi ein „Wow“ entfahren. „Muss Tantchen reich sein!“ „Sei still, Kotomi, so was sagt man nicht!“ belehrte sie nun Kazuo und hielt ihr den Mund zu. Wie konnte sie das Wort Tantchen wählen? Nur weil Hiroya sie so nannte, hieß das nicht, dass sie es hier tun sollte. Es stimmte zwar, dass Hiroya sie als seine Tante bezeichnete, aber verwandt waren sie nicht, das wäre ja noch schöner gewesen. Es war ihm nicht geheuer, was hier lief – der Name am Tor hatte ihn mit dem Gedanken spielen lassen, ganz schnell wieder abzuhauen. Es war für ihn in etwa das, was für Kinder das Haus einer Hexe wäre. „Nun macht euch mal locker, sie ist eine total nette Frau! Nur nicht so steif, sie wird euch ja nicht fressen…“ Er begann zu lachen, weil er ihre Furcht lustig fand, sie war überhaupt nicht Furcht einflößend. Er spürte Kotomis und Kazuos Atem in seinem Nacken, sie schnauften so heftig, dass er sich herum drehte. „Jetzt kriegt euch ein, sie ist wirklich nett…“ „Bitte hier entlang“, wies sie das Dienstmädchen an, die Treppe hinauf zu gehen, Kotomi musste sich den Nacken verrenken, um das Ende der Treppe zu entdecken, sie ging geradeaus nach oben, wie viele Stufen es wohl waren? Bestimmt hundert. ‚Wie viel von ihrem Vermögen wohl erschlichen ist? Kein normaler Mensch kann so luxuriös wohnen, ohne andere abzuzocken.’ Sie blickte zu Kazuo und hielt sich an seinem Arm fest, sie war froh, dass er bei ihr war, obwohl sie wenig später merkte, wie er zitterte. ‚Das beruhigt mich jetzt wirklich, dass er auch so viel Angst hat… Warum will er uns unbedingt dieser alten Frau vorstellen?’ Sie folgten ihrem Boss, was er sagte, war Gesetz für sie. Man führte sie direkt zu der Hausherrin, welche in einem riesigen Zimmer ein Buch las, wie sie sehen konnten, als das Dienstmädchen gegen die Tür klopfte und wenig später ein „Herein“ ertönte und sie die Tür öffnete. „Tokorozawa-san, Gnädige Frau!“ Sie verbeugte sich tief und ließ sich die Angst vor ihrer Macht nicht anmerken, bevor sie dem Genannten den Weg frei machte. „Hallo Kioko – es ist eine Ewigkeit her, dass wir uns gesehen haben.“ Überrascht über seine Wortwahl blinzelten Kazuo und Kotomi ein paar Mal. Nicht nur, dass er sie beim Vornamen nannte, er sprach mit ihr, wie mit jedem anderen normalen Menschen auch, sie hatten anderes erwartet. „Hallo Hiroya, freut mich sehr, dich zu sehen.“ Sie legte augenblicklich ihr Buch weg. Ihr Schmuck musste einige Millionen Yen kosten und ließ vor allem Kotomis Augen glänzen. Man sah ihr sämtlichen Reichtum an, nicht nur das Haus war eine Villa schlechthin, auch ihre Kleidung war aus reiner Seide und ihr Schmuck, der Teuerste, den sie je gesehen hatte. Dass die beiden sich sehr vertraut waren, wurde beiden ein weiteres Mal bestätigt, als sie sich in die Arme schlossen, sie hatten Hiroya nie so erlebt, mit keiner Person, schon gar nicht mit seinen Eltern. Trotzdem fehlte hier irgendwas – die Frau schien ganz alleine hier zu wohnen, zumindest wirkte es so, man hörte nirgendwo andere Personen. Und kein Mann bisher war ihnen begegnet. „Ich habe auch gleich zwei sehr enge Freunde mitgebracht, auf sie kann ich mich verlassen.“ Er drehte sich leicht zu beiden, die wie angewurzelt stehen geblieben waren und wie gebannt alles verfolgten, als sei es die größte Sensation. „Jetzt steht hier nicht wie die Ölgötzen! Kommt her und sagt Kioko guten Abend, ihr habt vielleicht Manieren!“ Erschrocken verbeugten sich beide, es ertönte ein „Konban wa“ im Chor, weshalb die alte Frau zu lachen begann. „Jag den Kindern doch nicht so einen Schreck ein, lieber Hiroya.“ ‚Lieber Hiroya??’ „Ja und jetzt kommt endlich her, also wirklich, ihr benehmt euch wie die allerersten Menschen!“ Doch etwas eingeschüchtert schritten sie an beide heran. „Ist das Naru-chan?“ „Ähm…“ Hiroya seufzte und wich ihrem Blick aus. „Was, etwa nicht? Und wann willst du mir deine zukünftige Frau bitte vorstellen?“ „Ich glaube, das ist das falsche Thema…“ „Kazuo!“ Kotomi konnte nicht glauben, dass er das gesagt hatte, es war ja wie wenn er ihr das Thema vorschreiben wollte. „Ach schon gut – sagen wir doch so, so bald wirst du sie nicht kennen lernen, Kioko, wir hatten nämlich einen großen Streit, aber das ist eine andere Geschichte, ich wollte eigentlich was nettes essen, ich weiß doch wie hervorragend euer Küchenchef ist.“ „Du weichst mir aus – was ist passiert?“ Sein Wohl lag ihr sehr am Herzen, wie man eindeutig hörte und auch spürte. Wie ausgerechnet der Sohn des Polizeichefs von Kyoto an so eine Freundschaft kommen konnte, fiel ihnen nicht ein. „Ach…es ist… nur mal wieder Kenichi Ashida.“ Seine Worte zogen beiden förmlich die Schuhe aus. Was war das für eine Frau, der Hiroya sogar diese Sorgen anvertraut hatte? Ausgerechnet einer wie ihr, einer Frau, die skrupellos andere ausbeutete, das lag doch wohl auf der Hand?! „So eine Frau, die diesem Scharlatan hinterher läuft ist sowieso nicht die richtige Frau für dich!“ versuchte sie ihn aufzuheitern, was er natürlich sofort berichtigen musste. „Nein, nein, Naru ist nicht so, sie ist noch nie auf ihn geflogen, auch wenn er es bei ihr versucht hat, sie hat mich nicht mit ihm betrogen, sie nicht…“ Stattdessen hatte sie ihn mit einem anderen betrogen, ein Seitensprung mit Kenichi hätte er wohl auch kaum überlebt. „Was ist es dann? Du hast so offen erwähnt, dass es an ihm liegt.“ „Ach, der Kerl kann es nicht ertragen, dass sie nicht auf ihn hereinfällt, er befürchtet, dass er noch weiter geht, um seine Ziele zu erreichen… Dass er sie vergewaltigt, schwängert und sie mittels des Kindes an sich bindet zum Beispiel – oder er sie einfach kurz und schmerzlos ermordet, nur damit es ihm schlecht geht.“ „Musst du das so sagen, Kazu?“ seufzte Hiroya, es war wie seine Gedanken bloßlegen. Was aber eigentlich sowieso egal war, da sie seine Gedanken meistens erkannte und ihm dann versuchte zu helfen, er musste nur aufpassen, dass ihre Art zu helfen nicht zu weit ging. Sie hatte ihm ja schon einmal aus der Patsche geholfen, das würde er bestimmt niemals vergessen. „Ich bin dir sehr dankbar, wie lautet dein Name?“ fragte sie den Dunkelbraunhaarigen, da sie sich noch nicht persönlich vorgestellt hatten. „Ähm… mein Name ist Kazuo Takanami“, er hatte für einen Moment darüber nachgedacht, ob er seinen richtigen Namen sagen sollte, doch er entschied sich dafür, es bei einem Geheimnis zu belassen. „Und meine Begleitung ist Kotomi Okamoto!“ „Oh Okamoto…Du bist durch die Heirat deiner Tante mit den Kanōs verwandt, das ist wirklich interessant.“ „Was daran soll interessant sein? Außer, dass die Kanōs eine Verbrecherfamilie sind?“ „Bitte nicht – bitte fangt nicht dieses Thema an, das führt nur zu Streit. Weißt du, Kioko, Kotomi studiert Kriminologie und will nichts mit den Verbrechen ihrer Familie zu tun haben. Bitte sei ihr deswegen nicht böse. Ihr Onkel ist nicht gerade ein Held sozusagen, sein Bruder allerdings noch weniger. Lasst uns das Thema wechseln, zum Beispiel dazu, dass Kazuo natürlich nicht sein richtiger Name ist. Du weißt doch, er hat auch Probleme mit der Schwarzen Organisation. Er ist Kōji Miura.“ ‚Vielen Dank, dass du es rumerzählst… Ich traue ihr nicht! Sie ist zu 99% keine unschuldige Person, ich würde es auf das Grab meiner Mutter schwören.’ „Kōji Miura? Der Detektiv? Ich habe schon viel von dir gehört, mein Junge – du bist viel rumgekommen. Man erzählt von einem Detektiv, der von einem Ort zum anderen reist, um die Polizei zu unterstützen. Und dass er der Rivale von Ryochi Akaja ist.“ „Oh, DER RIVALE!“ Ein Grinsen breitete sich auf Kōjis Gesicht auf, er wusste noch gar nicht, dass er als DER EINZIGE RIVALE von Akaja galt, das machte ihn ja richtig stolz. Auch Hiroya musste grinsen, er hatte Ryochi schon seit einiger Zeit gefressen – der Kerl mischte sich in Dinge ein, die ihn nichts angingen. „Ach, dieser Angeber kann es nicht mit dir aufnehmen, Kōji!“ Es musste raus, da er es sowieso dachte. „Er ist nur das Söhnchen des Polizeipräsidenten, nicht mehr!“ „Das könnte man bei dir auch sagen“, neckte Kotomi ihn, immerhin hatte er auch die Bürde aufgelastet bekommen, dass sein Vater der Polizeipräsident war und ihm deswegen alles in den Schoß fiel. „Da täuschst du dich, sein Vater sieht ihn als seine Marionette an, die zu tun hat, was man ihm sagt. Einen eigenen Willen hat er ihm nie erlaubt. Seinen Trotzkopf hat man ihm schon früh ausgetrieben, was ich schade finde, da seine Begabung eindeutig der Kunst gehört.“ „Bitte, Kioko, sprich nicht darüber, ich bin lange darüber hinweg, ich finde es auch viel wichtiger Menschen zu helfen, als etwas zu tun, was wirklich Spaß macht. Leider ist die Polizei total unfähig, ich kann mich nur auf meine Leute verlassen.“ Er meinte natürlich niemand anderen als Kōji, Kotomi und Tomoko, wobei er diese besonders ins Herz geschlossen hatte. „Die Polizei ist in vielerlei Hinsicht unfähig, Hiroya – die Yakuza musste ihnen schon so oft unter die Arme greifen.“ „Stimmt! Weil Kenichis Familie so unfähig war, ist er einer der am meisten gefürchteten Mörder Japans geworden. Weil sein Vater ihm nicht helfen konnte, musste seine ältere Schwester eingreifen und ihr Leben lassen“, es standen Tränen in Hiroyas Augen, was ihm einfach selten passierte, aber auch daran lag, dass sie eine Freundin seiner älteren Schwester gewesen war, die auf ähnliche Weise ums Leben gekommen war. „Sie war eine bewundernswerte Frau, so wie meine Schwester, es fehlte ihnen einfach der Mann, der sie beschützte. Ich hatte mehr Glück als er, was ich dir zu verdanken habe, Kioko, ich werde es niemals vergessen, immer werde ich in deiner Schuld stehen. Dir und deiner Familie, die auf mich aufpasste, als meine Eltern nie Zeit für mich hatten.“ Allmählich kam Licht ins Dunkel. Daher rührte also diese Freundschaft, sie hatte Hiroya gerettet, wahrscheinlich war es damals gewesen, als man die beiden Kinder versucht hatte, von den Eltern zu trennen. Bei einem waren sie erfolgreich, beim anderen nicht. „Was ist dir eigentlich widerfahren, dass du deinen Namen geändert hast, Kōji Miura? Welche Probleme hattest du mit der Organisation?“ Kioko interessierte sich sehr für Hiroyas Freunde, all jene, die ihm böses wollten, waren ihre Feinde, der größte Abschaum war jedoch Kenichi, aber das war in ihren Reihen bereits bekannt, weswegen dieser auch immer wieder Ärger mit ihnen hatte. „Meine Freundin saß mittendrin im Pulverfass und einer meiner Verwandten meinte, er muss sie abknallen…“ Dass er sich hatte rächen wollen, klang durch die lange Pause durch, auch ohne dass er es sagte, seine Gesichtszüge sprachen Bände. ‚Warum trauerst du immer noch um sie? Sie hat sich deinem Cousin an den Hals geworfen… Diese Hure, zum Glück ist sie tot! Bestimmt ist Shina ihretwegen in Schwierigkeiten geraten…’ Sie zeigte ihre Eifersucht nicht, doch sie bestand noch intensiver als zu Schulzeiten, sie hatte Akemi sowieso immer als Störfaktor angesehen, sowohl bei Shina, als auch bei Kōji. „Das tut mir Leid für dich. Hast du viele Freunde?“ „Momentan nicht – nur Hiroya, Tomoko Minazuki und Kotomi. Shina Kudō ist seit einiger Zeit verschwunden, mit ihr bin ich eigentlich auch gut befreundet. Akemi und sie hatten ständig Ärger mit dem Kerl, der Akemi dann auch ermordet hat. Er ist ein blutrünstiges Monster, der Frauen als schwach ansieht, es machte ihm die größte Freude eine Frau wie Akemi eine war, zu erschießen, Akemi war eine sehr toughe Frau, Shina ist Akemi in dem Punkt sehr ähnlich. Für eine Frau hat sie sehr viel Kraft, ich mag solche Frauen.“ Noch weniger verstand er, wie eine so tolle Frau mit einem Idioten wie Akaja verlobt sein konnte, er war ein totaler Weichling, dabei hatten sie das gleiche Sternzeichen, er konnte den Typen einfach nicht verstehen, wie man so drauf sein konnte. Shina hier, Shina da – dabei bemerkte Kōji gar nicht, dass Kotomi schon schlechte Laune bekam, weil sein letzter Satz so viel Akemi beinhaltete, dass es schon beängstigend war, wie oft er ihren Namen gesagt hatte. Dass Kōjis Blickfang, nun da Akemi nicht mehr lebte, Shina war, wusste Kotomi leider noch nicht. Nur in Akajas Träumen würde er Shina heiraten, wenn er es auch verhindern konnte. Er würde ihr schon klar machen, dass Ryochi nicht der richtige Mann für sie war. Nur sie war ein würdiger Ersatz für Akemi, keine sonst. Sie hätten nicht umsonst Zwillinge sein können, zumindest von ihrer Art. Bis auf die Tatsache, dass Shina etwas gegen seinen Cousin hatte. Er träumte ja noch davon, dass Akemis Seitensprung damit zu tun hatte, dass Shina so eine schlechte Meinung von Shūichi hatte. Er dachte sowieso, dass Akemi ihr davon erzählt hatte, mit wem sie da anbändelte, Shina hatte immer gewusst, was in ihrer Freundin vor sich ging. „Dann solltest du besser nicht auf die Idee kommen, alleine etwas gegen diesen Mann zu unternehmen. Die Mitglieder dieser Organisation sind… mhm wie soll ich sagen? Sie neigen dazu, alles zu schaffen, wenn man keinen hat, der einem den Rücken stärkt. Ich bin froh, dass Hiroya Freunde hat, auf die er sich verlassen kann. Wäre er auch so alleine wie der Cousin meines Enkels, das möchte ich mir nicht vorstellen, schrecklich!“ Sie hielt sich nun den Kopf, als würden sie fürchterliche Gedanken quälen, Gedanken daran, wie es wäre, wenn Hiroya nicht mehr da wäre, keiner würde sie mehr besuchen. „Passt mir nur gut auf ihn auf, er ist ein Hitzkopf und lehnt sich gerne zu weit aus dem Fenster.“ Wie oft schon hatten ihre Leute Killer aus der Organisation, die etwas gegen Hiroya hatten, beseitigen müssen, damit sie sich nicht an ihm vergriffen? Sie wollte die Taten gar nicht zählen. Er war fast so etwas wie ihr Sohn und in ihren Kreisen war es normal andere auf eine solche Weise zu beschützen. „Keine Sorge – ich bin nicht so dumm, mich alleine an denen zu versuchen! Ich bin auch kein Freund von Waffen. Dass Hiroya mich mal wieder beschützen muss, ist nahe liegender, als dass ich auf ihn aufpasse.“ Er schloss die Augen, schon seit Jahren beschützte man ihn, er musste ihnen wirklich dankbar sein, dass sie sich so sehr für ihn interessierten, um sich mit der Organisation seinetwegen anzulegen. Doch, obwohl sich Shūichi so sehr bemüht hatte, auf Kōji aufzupassen, hatte er es am Ende nicht geschafft. Wie auch, wenn seine Gedanken bei Jodie waren und er erstmal sie retten musste. Da war Kōji gefundenes Fressen für Gin; der Mann musste Hiroya entsetzlich hassen dafür, von ihm angeschossen worden zu sein. Als Kōji nämlich mit dem Rücken zur Wand stand, war niemand außer Kotomi da gewesen, die natürlich gegen Gin nichts ausrichten hatte können, war er auf einmal aufgetaucht und hatte Gin schöne Grüße von Shūichi ausgerichtet, die in einem halben Blutbad geendet hatten. Auch Hiroya war aus diesem Gefecht nicht unbeschadet entkommen. Dass er es trotzdem getan hatte, obwohl es so schlecht für ihn ausgesehen hatte, rechnete er ihm hoch an. Kōji war schwer verletzt worden, da er als Mann natürlich Kotomi beschützen musste, und im Krankenhaus offiziell verstorben; danach war er bei Hiroya geblieben, er schuldete ihm schließlich etwas für sein Leben. Da er wenig zu verlieren hatte, hatte er sich entschlossen, es ihm irgendwann zurückzugeben, irgendwann wenn er mit dem Rücken zur Wand stand, würde Kōji ihn auch retten – und wenn es ihn das Leben kosten sollte… Ein weiterer Grund war auch Tomoko, bei ihr war er doch überrascht gewesen, sie wieder zu sehen, nachdem sie auf Nimmer Wiedersehen verschwunden war. Es lag irgendwie auf der Hand, dass es sich um einen Fall mit der Organisation handelte, das tat es bei Detektiven fast immer. Es war geradezu ein riesiges Wunder, dass sie Hiroya nicht erneut versucht hatten, zu kriegen… Natürlich hatte Hiroya gleich sie beide bei sich behalten. Kotomi war seiner Meinung nach denen ohnehin ausgeliefert, sie musste untertauchen, was ihr aber Recht war, da sie so mit Kōji zusammenwohnen konnte. „Der Cousin Ihres Enkels, ist das zufällig Saki Niizas Bruder?“ Kōji fragte es so unscheinbar, dass man keine Fangfrage dahinter vermutete, es war die Frage eines Detektivs. „Yoshio Okita, ja!“ „Oh, sorry – mir kommen die Tränen! Dass er tot ist, ist das Beste, was Saki passieren konnte.“ Er dachte, dass es ihm gleich hoch kommt. Kōji war ein Mensch, der stets seine Meinung sagte, auch wenn diese Frau hier viel Macht genoss, würde er nicht davon ablassen. „Okita war ein Schwein, keine Ahnung, wie sein Vater war, aber der Mistkerl hat es verdient, tot zu sein. Bestimmt hat er sich auch zu weit aus dem Fenster gelehnt.“ „Yoshio war ein guter Junge, seine Schwester nur nicht ganz normal“, meinte sie ihm widersprechen zu müssen, was Hiroya gar nicht gut fand, dass ihre Meinungen so weit auseinander drifteten, er wusste auch, was sie gegen Saki auszusetzen hatte, zumindest glaubte er es. „Sie hat ihm doch hemmungslos den Kopf verdreht. Vergiss nicht, Hiroya, auch mit dir hat sie geflirtet, bis sie dann an Kenichi geraten ist…“ Sie hatte es sehr darauf abgesehen, dass Hiroya Saki ja nicht zu sehr mochte. „Bitte lass das! Sie ist kein schlechter Mensch, sie hat sich eben in ihn verliebt, er kann ja auch ein total netter Mensch sein, scheinbar.“ Kōji fühlte sich fast ausgeschlossen, da sie nun diskutierten, wollte er sich nicht noch einmal einmischen, er sah schon, dass es keine Diskussion für sie gab, aber er kam noch nicht darauf, dass Saki so richtig mit Hiroya angebändelt hatte. „Du findest immer Entschuldigungen für das Verhalten solcher Frauen – nicht nur, dass sie versucht hat, dich deiner damaligen Freundin auszuspannen, ihr war jedes Mittel Recht. Sie hat versucht einen Keil zwischen euch zu treiben, nur um dann mit diesem Halunken ins Bett zu hüpfen. Sie hat sich gegen dich verschworen, sie ist auf seine Seite übergelaufen. Es würde mich nicht wundern, wenn sie es gewesen wäre, die ihm erzählt hat, mit wem du liiert bist.“ Kotomi schwieg, während Kōji total geschockt von dieser Geschichte war. „Das glaube ich ehrlich gesagt nicht. Das eine hat doch nichts mit dem anderen zu tun, ich bin ein Mensch, der andere für unschuldig hält, bis die Schuld klar erwiesen ist.“ „Unschuldig? Reden wir auch von derselben Saki? Sie war auch mit einem meiner Enkelkinder zusammen. Sieh sie dir heute an! Wohnt in einem halben Schloss und hat nichts dafür getan.“ ‚Mit anderen Worten, sie hat rumgehurt!’ Kotomi wurde sowieso immer schlecht, wenn sie daran dachte, dass ihre Cousine und Saki mal eine Nacht mit Toshizo und Takahashi verbracht hatten – gemeinsam, das war widerlich. Seitdem stand sie im Clinch mit ihrer Cousine, da sie Takahashi ja angeblich total hasste… Sie hatte aus Prinzip etwas gegen Kerle, wie ihn, zumal er Shina besitzen wollte, gegen ihren Willen. „Ich will nicht über seine Exfrau reden, bitte, danke“, meinte Hiroya, diese alten Geschichten aufzuwärmen, fand er unpassend, außerdem bekam er dann nur wieder das Hirngespinst, dass es besser gewesen wäre, Saki festzuhalten, statt zuzulassen, dass sie mit diesem Kerl etwas anfing. Dass sie jetzt in ihrem riesigen Haus versauerte, war nur Jamis Schuld. Sie war nicht ganz darüber hinweg gekommen, was er getan hatte. Trotz der etwas unschönen Themen wurde es noch ein relativ schöner Abend, das Essen war gut, sie unterhielten sich über Dinge, die nichts mit der Organisation zu tun hatten, aber wie Kioko Yasuaki Hiroya damals gerettet hatte, darüber fiel kein Wort mehr, obwohl es Kōji sehr interessiert hätte, was sie gemacht hatte, um ihm zu helfen. Sie saßen eine Stunde beisammen und gingen dann auch wieder, im Grunde war Kōji froh, als sie dieses Haus wieder verlassen hatten. Sie hatte mit Sicherheit unzählbare Leichen im Keller, von denen sie nichts ahnten. Im Auto kam dann jedoch die erwartete Frage von Kōji, sie waren kaum eingestiegen: „Nun sag, was hat sie getan, um dir zu helfen?! Das interessiert mich jetzt wirklich, du scheinst ja ihr Liebling schlechthin zu sein… Außerdem ist es nicht normal, dass der Sohn eines Polizeikerls von Yakuza gerettet wird… Das ist sehr merkwürdig, es ist doch bekannt, dass die Yakuza die Polizei nicht abkönnen… Und dieses geschwollene Reden, mannoman, das war vielleicht anstrengend…“ Er öffnete sich das Jackett und warf es hinter sich auf den Sitz, woraufhin Kotomi es fein säuberlich zusammenlegte. „Ach, halt den Rand! Sie ist eine nette Frau, das sagte ich bereits! Und lass bloß diese Yakuza-Vorurteile weg, ok? Die musste ich von meinem Vater früher immer anhören… Und das obwohl er seine Tochter mit dem Enkel einer Yakuza-Frau verheiraten wollte. Das war plötzlich okay, sie waren auf einmal Partner… Ich brech gleich!“ Natürlich hatte sein Vater einen Vorteil daraus geschlagen. „Das beantwortet meine Frage leider nicht! Also, was hat die TANTE gemacht?!“ Wie schlimm war es wohl gewesen, er würde wieder auf das Grab seiner Mutter wetten, dass es übel gewesen sein musste, dass Hiroya die Sache unter den Tisch kehren wollte. „Ich dachte, du wärst anders als die 0815-Leute, die jedes Klischee glauben und alles verallgemeinern. Ich weiß, dass sie ein Yakuza ist, sie ist sogar eine in diesen Kreisen hoch angesehene Frau – ihr Mann ist der Boss von vielen anderen Clans! Sie ist wie eine Hoheit für sie…“ Ein Seufzen kam von ihm, natürlich redete er nicht gerne darüber, das trübte das Bild, welches er von ihr hatte vermitteln wollen unweigerlich. Sie war kein Engel, eigentlich war Kioko alles andere als das. Wie denn auch, wenn sie mit einem mächtigen Yakuza verheiratet war? Das färbte nun einmal ab. „Kioko ist viel alleine, ihre Kinder sieht sie selten, denn die meisten wollen mit den Machenschaften ihrer Eltern nicht viel zu tun haben, um nicht zu sagen, gar nichts, sie hassen es, in einer Yakuza-Familie geboren zu sein und vertuschen es, wo sie nur können. Einer ihrer Enkel ist Mitglied der Organisation, sie weiß nichts davon, was ich auch als gut empfinde, solange er nicht auf die Schnapsidee kommt, ihrer Familie was zu tun… Er ist durchgeknallt, mehr als so mancher Verbrecher unseres Landes, er spielt mit Messern und hat seine eigene Frau getötet, er ist eigentlich genauso schlimm wie Jami, nur dass er es alleine geschafft hat! So einer ist-!“ „Du driftest ab, Hiroya! Komm jetzt zum Punkt! Dass Yasuaki einen Schaden hat, wissen wir beide schon gut genug!“ Er fand es nicht witzig, wie wütend Hiroya nun wirkte, er wurde ja richtig laut. Dass sie ihn gerettet hatte, trübte seinen Verstand, da war er sicher. „Ich war knapp 12 und eine leichte Beute für diese Kerle. Aber ich habe es geschafft, ihnen zu entwischen. Da ich aber nicht so schnell laufen konnte, wie sie, hatten sie mich bald. Es gab keinen Ausweg, und da sie mich gegen meinen Willen mitnehmen wollten und nicht mit sich reden ließen…“, sein Kopf sank auf das Lenkrad, er konnte es kaum aussprechen, „hat Kioko alle 5 Männer erschossen. Einen nach dem anderen…“ Es überraschte keinen von beiden, dass es sich so abgespielt hatte, man sagte über Yakuza, dass sie keine Skrupel kannten, aber warum sie es getan hatte, war ihnen noch schleierhaft. „Bleibt nur die Frage, warum sie es getan hat.“ „Vielleicht hatte sie einfach etwas dagegen, wenn man kleine Kinder entführt, oder es reichte die Tatsache, dass die Yakuza und die Organisation nicht gerade befreundet sind, in den meisten Fällen jedenfalls können sie nichts miteinander anfangen.“ „Dass du sie so sehr magst, liegt doch nicht etwa daran, dass sie etwas gegen die Organisation hat, oder? Mensch, Hiroya, das macht sie auch nicht zu einem guten Menschen! Sie hat Leute abgeknallt, geht das in deinen Schädel rein??“ Kōji war stinksauer, er hatte Prinzipien, das schloss aus, dass er einfach so eine Mörderin mögen konnte. Nicht einfach so… „Natürlich nicht, was denkst du denn von mir? Sie war immer so nett zu mir… Wenn ich Probleme hatte, konnte ich zu ihr gehen. Wenn meine Eltern mich wegschickten, bin ich zu ihr gegangen, sie hatte immer Zeit für mich. Sie ist mehr eine Mutter für mich, als meine eigene, zumindest gab sie mir das Gefühl, es sei so… Sie tut alles für mich. Nicht, dass ich begeistert davon bin, zu wissen, dass sie jederzeit wieder für mich töten würde, oder ihre Leute schicken würde, dass sie mir helfen… Aber es ist eben eine Tatsache. Ohne sie wäre ich jetzt wahrscheinlich wie Jami oder bereits tot, weil ich nie so grausam sein könnte, wie er zu handeln… Wer weiß schon, was geschehen wäre…“ „Ich glaub’s nicht, es verschlägt mir doch echt die Sprache…“ Kōji ließ sich in den Sitz fallen, er musste sich gleich noch einmal etwas das Hemd öffnen. Er wusste nicht, ob er es so prickelnd gefunden hätte, wäre Shūichi auch so gewesen und hätte einfach so Leute umgebracht, in der Regel brachten die sich ja selber um, wenn er sie bewegungsunfähig gemacht hatte, oder Dergleichen. „Was verschlägt dir die Sprache? Dass ich ihr für meine Rettung dankbar bin?! Na komm, ich bezweifle, dass sie es mit gutem Zureden geschafft hätte. Die Kerle waren das Schlimmste, sie hätten sie umgebracht, hätte sie die nicht gleich erschossen. In dem Fall war es so.“ Obwohl er wusste, wie grausam sie sein konnten, war es ihm oft noch unmöglich zu erkennen, warum manche Leute aus der Organisation einfach töten mussten. Menschen wie Cognac oder Chardonel. Wenn er nicht direkt darin verwickelt war, erkannte er diese simple Tatsache nicht, oder er wollte sie einfach nicht sehen. Es kam ihm gerade Recht, dass sein Handy klingelte und er noch einmal aus dem Auto aussteigen konnte. So entkam er der Situation, sie verstanden ja sowieso nicht, was ihn bewegte, in dem Fall konnte Kōji ihn nicht verstehen, er spürte das und verschleiern tat er es ja sowieso nicht wirklich. Er legte viel zu offen dar, dass er es falsch fand, wahrscheinlich waren sie jetzt enttäuscht von ihm – in ihren Augen hatte er sich auch mit den Verbrechern verbündet, dabei war dem gar nicht so. Sie half ihm automatisch, da musste er nicht drum bitten. Kotomi und Kōji beobachteten, wie Hiroya ausstieg – es hatte etwas von Heimlichtuerei, es gab also etwas, was er vor ihnen vertuschte. Dabei hatte er vorhin noch gemeint, sie seien die einzigen, denen er wirklich vertrauen konnte… „Was ist?“ Sie bemerkte, wie er versuchte zu lauschen, da er besonders still war. „Psst… mach mal das Fenster einen Spalt auf, will wissen, was er da Geheimes zu bereden hat.“ „Das gehört sich nicht, Kazuo“, meinte Kotomi, doch er schien es ernst zu meinen. Da sie ihm kaum einen Wunsch abschlagen konnte, öffnete sie das Fenster, es war nur ein klitzekleiner Spalt, aber sie konnten seine Stimme hören. „Schön, dass du anrufst, das wollte ich nachher eh tun. Es ist noch so früh und ich will noch nicht ins Bett gehen. Wollen wir zusammen was trinken gehen? Würd mich freuen… Was, die Idee hattest du auch? Das trifft sich ja gut – wo treffen wir uns?!“ Es war ein Wortwechsel, den er auch im Auto hätte führen können, jedenfalls nichts so furchtbar Weltbewegendes, um auszusteigen. Da blieb natürlich die Frage übrig, mit wem er da so telefonierte, auf den ersten Ton klang es nach einem guten Kumpel, aber sie beide befürchteten wohl, dass er sich mit irgendeiner Frau treffen wollte, wovon sie natürlich nichts mitkriegen sollten – aber warum? Was war das bitte für eine Frau, dass es ihm peinlich ihnen gegenüber war? Vielleicht wollte er auch einfach den Eindruck erwecken, er wäre stark und könnte alleine klarkommen, hatte sich aber längst irgendeine Tussi geschnappt, um sich nicht alleine zu fühlen. Als er dann zurück ins Auto kam, wurde er mit neugierigen Blicken gestraft. Kotomi kam von hinten an und umarmte ihn halbwegs, bevor sie ihm ins Ohr flüsterte: „Na, was gab’s denn so Geheimnisvolles zu bereden, das wir nicht wissen dürfen, mhm?!“ Dass sie fragen würden, war ja irgendwie klar gewesen, er sah nach hinten. „Etwas sehr Privates, ihr wollt ja auch nicht bei euren Privatgesprächen von jedem belauscht werden, oder?“ „Ahh ja“, meinte sie und gab sich damit zufrieden, jedenfalls wussten sie nun, dass der Jemand ein großes Geheimnis war, also irgendwas Verbotenes, aber wozu waren sie Detektive? Sie würden schon rauskriegen, um wen es sich handelte. Es kam kurzzeitig zu einem Platzregen und das natürlich genau dann, als man sie vor der Halle stehen ließ. Schlimm genug war eigentlich, dass man sie nun bereits seit einer Stunde versauern ließ. Das Konzert hätte schon längst anfangen sollen, aber die Band schien Leute gerne auf die Folter zu spannen – doch noch nie war es zu einer derartigen Verspätung gekommen. Sie wurden klatschnass, Sonoko wünschte, sie wäre zuhause geblieben. Und wie ihre Schminke nun aussah, wollte sie eigentlich gar nicht wissen, als Aiko dann einen riesigen Schirm auspackte und diesen nur über Shiori und sich hielt, fand sie das alles andere als komisch, sie rückte näher ran und wurde dann von Shiori an sich gedrückt, so dass sie weniger nass wurde. Aiko interessierte sich überhaupt nicht dafür, ob Sonoko krank wurde. Auf einmal klingelte Sonokos Handy und sie kramte in ihrer Tasche rum, was Aiko sehr störte, da sie ihr einmal den Ellenbogen übergebraten hatte. „HALLO?!“ Sonoko schrie nun auch noch rum, um sie herum waren kreischende Mädchen und Frauen, sie verstand kaum ein Wort. „OH, HI! WANN KOMMST DU, WAKANA?! WIE? DU KOMMST NICHT?? WARUM?? WIR STEHEN NOCH VOR DER HALLE! ES IST NOCH NICHT ZU SPÄT!“ Sie verstand nicht das Geringste, auch als ihre Cousine in Tränen ausbrach, sprach sie nur vom Konzert, weil sie kein Wort von den wichtigen Dingen, die man ihr versuchte zu erzählen, enträtseln konnte. „Nun hör mir mal zu, Sonoko Suzuki!!! Hast du noch andere Gedanken, als irgendwelche Typen?! Miho hat versucht sich umzubringen, wie kannst da immer noch denken, dass ich kommen werde? Du hast jawohl einen Knall! Na dann, viel Spaß!“ Es wurde aufgelegt und Sonoko wusste nicht, weshalb sie so wütend geworden war, sie hatte nur den Namen Miho verstanden und umbringen. „Was ist denn nun wieder passiert?“ fragte Wataru, der in Wakanas errötetes Gesicht sah und ihre triefende Nase erblicken konnte, sie hatte in der letzten halben Stunde so viel geweint – er war froh gewesen, als sie endlich aufgehört hatte und nun ging das Ganze von vorne los. „Ach, Sonoko ist zu diesem beschissenen Konzert von IRON KISS gegangen – mit zwei Freundinnen! Als ich… sagte, was Miho versucht hat… dachte sie doch tatsächlich, ich will jetzt noch kommen. Die hat doch einen Schuss… Bei der piept es!“ Wataru konnte nicht glauben, dass Sonoko jetzt auch schon so abdrehte, er war ja froh, wenn Riina davon verschont blieb. „Oh… das tut mir Leid… Vielleicht hat sie es nur falsch verstanden?!“ „Nein, die findet Aiko nur total toll… Ich muss kotzen… dieses Weib!“ Dass sie sich nicht besonders gewählt ausdrückte, wenn sie wütend war, wusste er, aber gerade war sie noch schlimmer, als er sie in Erinnerung hatte. „Aiko?!“ „Ja, Aiko Misae…“ „WAS?!“ Wataru packte Wakana an den Schultern, während seine Augen weit aufgerissen, sie anstarrten. Der Name hatte ihn nun ziemlich erschreckt… „Das Miststück macht aus allen willenlose Marionetten – sie tun, was sie will. Und das nur, weil sie ein bisschen beliebt ist. Sie und ihre drogenabhängige Freundin. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass wir gemeinsam zu einem Konzert gegangen wären… Das letzte Mal endete in einer wilden Orgie und damit, dass ich und Natsumi das Weite gesucht haben.“ „Das passt ganz und gar zu Aiko“, meinte er ein wenig bedrückt, er war ja auch mehr als einmal in Aikos Spiele mit hineingezogen worden. Bei ihm war es jedoch eher der Triumph gegenüber ihrer Cousine Shina gewesen, sie wollte ihr beweisen, dass sie auch Wataru haben konnte, der damals unsterblich in seine beste Freundin verknallt gewesen war. Sie hatte nichts unversucht gelassen, sogar Schlafmittel hatte sie für ihre Zwecke benutzt, um ihn müde zu machen, so dass er sich weniger zur Wehr setzen konnte… Er dachte wirklich nicht gerne an diese Zeit zurück, schließlich war er sowieso schüchtern und dann rückte ihm so ein Weib auf die Pelle… So schnell hatte sie damit nicht gerechnet, einen von ihnen wieder zu sehen, sie dachte, es sei vorbei. Nun, da sie ihm gegenüberstand und in sein grinsendes Gesicht blickte, wusste sie, es war kein Zufall gewesen, dass sie sich hier begegnet waren. Bestimmt hatte er sie die ganze Zeit auf dem Weg verfolgt. Die Laternen waren das einzige Licht in dieser vollmondlosen Nacht. Die Sterne zeigten sich hier nie wirklich, sie lebten in der Großstadt Tōkyō. Man würde mit ihr schimpfen – eine junge Frau hatte sich um diese späte Uhrzeit nicht draußen rumzutreiben – wie oft hatten Leute das zu ihr gesagt? Sie war ein waghalsiges Mädchen gewesen, das kein Risiko scheute, so wie mit einem erwachsenen Mann ins Auto zu gehen, auch wenn sie wusste, dass er ziemlich angetrunken war und alles Mögliche mit ihr machen könnte. Sie, die Männer gut unter Kontrolle hatte, war es nicht gewohnt, von einem in die Enge getrieben zu werden, aber dieser hier, der war ein anderes Kaliber. „Es überrascht mich, dass du so verblüfft bist, mich zu sehen… Hast du mich etwa schon vergessen? Böses Mädchen! Seinen Retter vergisst man nicht!“ Dass er sich als Held fühlte, konnte man an seiner Stimme erkennen, die nur so strotzte vor Überheblichkeit. Er kam sich furchtbar toll vor. „Ich hätte eigentlich damit gerechnet, dass du mich mit offenen Armen empfängst, meine Kleine, und nicht mit einem solchen Blick.“ Es war einer Raubkatze ähnlicher Blick. Ihre Augen funkelten ihn herausfordernd an, so einen Blick kannte er sonst nur an Frauen wie Cinzano, Cencibel oder Vermouth. Sie gefiel ihm – zweifellos, auch wenn er mehr auf unscheinbare Frauen abfuhr, sie war eine kleine Sünde wert. „Was hätte alles passieren können, wenn ich nicht gekommen wäre? Bestimmt wärst du nie mehr glücklich und dein Verlobter hätte dich längst verlassen – ist es da zuviel verlangt, dass du mir ein wenig entgegen kommst?!“ Er rückte an sie heran, packte ihre Handgelenke und versuchte sie an sich heran zu ziehen. „Jetzt reicht’s!“ Ihre Hand landete klatschend auf seiner Wange, was in einem brennenden Schmerz endete, welcher ihm durch die Glieder fuhr. Es entsprach nicht der Regel, dass die Frauen ihm eine knallten, nachdem er so nett gewesen war, sie zu retten. „Hey, du Miststück!“ Er riss sie an sich heran und drückte sie gegen einen Baumstamm. „Lass mich sofort los, sonst schrei ich, dass alle Lichter angehen, du Mistkerl!“ „Oh ja – schrei doch – Wildkatze, das macht mich ganz besonders an! Glaubst du echt, dass es sich mit einem kleinen Gefallen getan ist, na? Ich hab sie erschossen – alle – nur für dich. Was denkst du, was deinem Verlobten blüht, wenn du nicht spurst!?“ Kontrolle über Frauen zu haben, war herrlich. „Ich geh zur Polizei, das ist Erpressung! Mein Vater ist ein angesehener Anwalt, der bringt dich hinter Gitter, darauf kannst du-!“ Er hielt ihr den Mund zu, seine Hand presste sich fest gegen ihre Lippen, so dass sie nicht weiter zetern konnte. Seine Lippen scheinbar hämisch zu einem Lächeln verziehend, lachte er sie belustigt an. „Es wäre nicht das erste Mal, dass ich Bullen, Anwälte und sonst was töte, meine Kleine. Du steckst mit drin, du entkommst mir so schnell nicht. Du gefällst mir, du würdest es zu viel bringen… Bei uns.“ Ein kleines bisschen Angst konnte man doch in ihren Augen entdecken, auch wenn sie sonst furchtlos war. Ein tollkühnes Frauenzimmer, das vor Männern alles andere als kuschte. „So weit mir bekannt ist, hast du auch noch ein paar Geschwister. Du möchtest in nächster Zeit auf viele Beerdigungen gehen, so kommt es mir vor. Das alles kannst du haben. Ich habe damit keine Probleme, sie alle zu töten, dein Cousin, der Bulle ist auch kein Problem. Wie schnell so was gehen kann…? Eins, zwei, drei und es ist vorbei.“ Er lachte erneut hämisch auf, während in ihren Augen Tränen aufkamen. Sie hatte keine gute Zeit vor sich, auch ohne seine Existenz, wäre es so gewesen. Dass sie Kummer hatte, reichte doch, ihm anscheinend nicht, er wollte ihr ins Leben reinpfuschen – was hieß wollte – er tat es ja bereits. Der Dreckskerl schien sie besser zu kennen, als ihr zunächst bewusst gewesen war. Er kannte ihre Familie – zumindest gab er dies vor. „Bist du jetzt brav und gibst deinem kleinen Retter ein Küsschen und steigst in sein Auto ein, damit wir das andere, was mir zusteht, auch noch erledigen können? Ich verspreche dir, es wird nicht wehtun. Und es macht mir auch nichts aus, wenn du dabei an ihn denkst…“ Bei ihr war es ihm egal, er wollte nur endlich mal wieder eine Nacht mit einer Frau verbringen, um das zu erreichen, hätte er so ziemlich jede Schandtat begangen. “Findest du das nicht auch armselig, einer Frau zu drohen, nur um sie in die Kiste zu kriegen,Jami-chan?“ Er hörte die männliche Stimme hinter sich und ließ seinen Blick die Gasse entlang schweifen – ihn nicht sehend, sondern nur hörend, wusste er nicht einmal, wohin die Stimme gehörte, er hatte sie noch nie gehört. „Wer bist du, mich so zu nennen? Was fällt dir ein?!“ Er war erbost über die Verniedlichung eines gefürchteten Namen, wie seinen. „Und wer bist du, dir herauszunehmen, eine Frau auf diese Weise zu behandeln, Ratte?!“ Die Wut in der Stimme des anderen war nicht ausschlaggebend, dass er die Schwarzhaarige nun losließ, diese atmete schnell und angstvoll, ihr Herz klopfte bis zum Hals, so große Angst hatte sie noch nie gehabt und das Auftauchen des anderen linderte es nicht im Geringsten. Es war im Grunde die gleiche Situation. Würde der Mann sich am Ende auch als so ein fadenscheiniger Hund entpuppen, der es nur darauf abgesehen hatte, ihr an die Wäsche zu gehen? Männer waren doch nun wirklich hirnrissige Idioten – es gab nicht viele, mit denen sie auskam. Bei den meisten bekam sie das Kotzen, deswegen war sie lange alleine gewesen. Ihr Vater war auch nicht gerade das Bild von einem Mann, was sie sich als Frau wünschte. Er war abschreckend in seiner Diktatur, die er ausübte, aber so musste ein Anwalt wohl auch sein… Jami war wenig begeistert und Missstimmung schlug bei ihm sehr schnell in kleine Wutausbrüche um, die verheerend sein konnten. Sein Gegenüber schien nicht viel von ihm zu wissen, sonst hätte er sich fein rausgehalten – und überhaupt, der Kerl... Vielleicht war es Einbildung, aber er erinnerte ihn – ganz zum Leidwesen desjenigen – dummerweise an Carpano. Alleine dieser Umstand ließ ihn im nächsten Moment aus der Haut fahren und nach ihm brüllen. „Zeig dich, Feigling! Zeig mir deine verdammte Visage!“ Ein amüsiertes Lachen war zu hören. „Du siehst mich nicht, aber ich sehe dich, löst das Unbehagen in dir aus, du mieser Schwächling?!“ Es machte ihm die größte Freude solche miesen Kerle wie ihn zu ärgern, schon aus Prinzip stichelte er dahin, wo es ihm besonders missfiel. Schwächling – dieses Wort aus dem Mund eines Mannes – da ging der Kerl immer so wunderschön auf die Barrikaden. Es war wie eine Zigarette ins Benzin zu werfen, obwohl man mit einem Feuer rechnen musste… „Schwächling? Das sagt mir ein Feigling, der sich in den Schatten versteckt!“ Der Plan des anderen trug Früchte, er lockte Jami erfolgreich von der Frau weg, das war ihm im Moment auch am wichtigsten. Solche Köder wurde er immer schlucken, denn er war nicht sonderlich helle, schien es dem Mann. Dass er seine Waffe bereits gezogen hatte, verdeutlichte nur zu gut, wie vorsichtig Jami doch war, wenn es um sein eigenes beschissenes Leben ging. „Ich weiß, du hattest eine fürchterliche Kindheit! Manchmal geht’s dir so dreckig, dass du auf anderen rumhackst, das alles kann ich einsehen, aber nicht die Helden-Masche, das ist arm und absolut widerwärtig. Schaffst du es nicht unter normalen Bedingungen? Deine Komplexe lass mal zuhause, das Mädchen kann nichts dafür, dass du bei einer bestimmten nicht landen kannst, sie ist bei Verstand – nur eine ohne Verstand könnte dich lieben, Mörder – weißt du, Frauen sind sensible Wesen, zumindest wenn sie normal im Kopf sind. Vielleicht solltest du zu Vermouth gehen, die wäre verrückt genug dazu, dich zu lieben. Sie gehört in eine Anstalt, da wohin du auch gehörst, deinen Charakter hast du längst verloren. Und das weißt du eigentlich…“ Jemand, den er selbst nicht einmal kannte, wie konnte er ihn so gut kennen? Es war beängstigend. Wer zum Teufel war dieser Mensch, er hörte sich an wie ein Psychologe, er war doch nicht total übergeschnappt, dass man so mit ihm reden musste. „Halt’s Maul! Wag’s nicht mehr über meinen Charakter zu urteilen, was weißt du denn schon? Dein bester Freund hat dich nicht im Stich gelassen!“ „Och, armer kleiner Jami – du möchtest bemitleidet werden. Und so einer wie du nennt sich Killer – alles, was du tust, ist Angst.“ „Sei ruhig, sei endlich ruhig!“ Jamis Stimme wurde immer zorniger und als Außenstehender würde man sogar denken, er redete mit sich selbst, als sei er wütend auf sein eigenes Ich. Während der 28-jährige noch eifrig der Stimme nachging, um denjenigen aufzuspüren, hatte dieser sich längst von hinten an Jamis Opfer herangeschlichen und hielt ihr nun den Mund zu, was sie zusammenzucken ließ. Doch alles war besser, als von diesem Kerl bedrängt zu werden – von dem Kerl, der ihr androhte, ihre Familie zu töten. Gerade als Jami sich herumdrehte, konnte er in die Waffe desjenigen sehen und war geschockt darüber, dass er es geschafft hatte, sich an sie heranzuschleichen. Und er hatte sich nicht getäuscht… Eine gewisse Ähnlichkeit mit Carpano schien ihm vorhanden, er sah auch kaum etwas durch die Dunkelheit. Aber alleine die Tatsache, dass er in grüne Augen blickte und diese Gesichtszüge, so viel mehr Mann als er selbst war er. Sein Arm hatte sich um die Frau geschlungen, er hatte sie ihm weggenommen. Es war kein Wunder, dass wenig später ein Schuss fiel, doch weniger wie erwartet, hatte die Kugel Jami böse an der Hand gestreift und ihm eine kleine Verletzung zugefügt. „Na warte, dich krieg ich!“ Es war Zeit zum Türmen, weshalb sich der Mann mit der Frau mit einem Satz nach hinten entfernte, weshalb der nächste Schuss ins Leere ging und keiner von beiden getroffen wurde. Alles erinnerte Jami an Hiroya und Carpano, das machte es nun wirklich nicht besser, - eine nahezu teuflische Mischung zweier Männer, die er nicht leiden konnte, weil sie in verschiedenen Aspekten einfach besser waren - er tobte, schrie und rannte wie wild hinter ihnen her. Wenn sie nun nicht schnell verschwanden, wer wusste, was passieren würde… Er hatte sich weit aus dem Fenster gehängt, als er ihn so provoziert hatte… Währenddessen spielte sich ein vorprogrammiertes Szenario ab. Es war so offensichtlich, dass man schon sehr naiv sein müsste, um als Mann nicht dahinter zu steigen. Er dachte ja nichts Schlimmes, auch bemerkte er die Blicke der schwarzhaarigen Frau nicht, die sich fast schon gierig wie ein Geier um ihn herumbewegte. Ihre Blicke klebten an ihm, voller Faszinierung, man sagte, dass man Blicke auch spüren konnte, aber er hatte keinen Kopf für Frauen, die weit außerhalb seines Beuteschemas lagen. Sie war um einiges älter als er, doch schämte sich die um die 40 Jahre alte Frau nicht, den Mann mit ihren Augen regelrecht zu fressen. Einige Augen sahen es, dieses sündhafte in ihrem Blick; man sah, was sie gerne mit dem jungen Mann tun wollte. Es wunderte daher keinen der Besucher, als sie gegen ihn stieß und ihr Getränk über seinem Hemd vergoss. „Oh, ich bin untröstlich – das schöne Hemd!“ Sofort fingerte sie an ihm herum, drängte sich total auf. Sie nutzte jede Chance, ihm nahe zu kommen, was ihm ein etwas nervöses Lächeln gab. Sie sah nicht alt aus, aber eben älter – wobei sie ihm wirklich gut gefiel. Leider war er seit Jahren in einer Beziehung und gerade dabei zu gehen, als sie ihn zu unterhalten begann, drauf losredete wie ein Wasserfall. „Ähm…“, meinte er nur und ließ nur widerwillig zu, dass sie ihn antatschte. „Nicht schlimm, ehrlich… Also…“ Ihre Finger fassten ihn immer wieder an, sie schien nicht genug davon zu kriegen. „Warte, ich mach das sauber!“ „Ääääh…“ Ihre Finger wurden immer aufdringlicher, ehe er sich versah, hatte sie ein paar Knöpfe offen. Übertrieben gesagt, fühlte er sich von dieser Frau sogar belästigt, er hatte sie ja nicht darum gebeten… Er nahm ihre Hände und entfernte sie von seinem Hemd. „Da ist jetzt nichts mehr zu machen, reiben macht es nur schlimmer“, bei dem flotten Spruch hörte man hinter ihnen eine Frau kichern, es klang so durchtrieben, wenn er das sagte. Der junge Mann guckte der Schwarzhaarigen auf direktem Blick in die Bluse – das was sie da hatte, fand er interessanter als ihr Gesicht, wobei sie überdurchschnittlich gut aussah und – etwas jünger – total sein Typ gewesen wäre. „An einem gut aussehenden Mann reibe ich doch gerne“, ihre Worte ließen Personen hinter ihnen doch heftigst aufhusten – war die Tante ein bisschen pervers? Der Kerl könnte ja ihr Sohn sein. Entrüstung belegte den Raum mit Tuscheln. Dass sie wild war, sah man ihr an, genau sein Typ, aber garantiert mindestens 10 Jahre älter als er. „Ich bin leider spät dran…“ „Ach, für einen Drink wirst du doch noch Zeit haben, Süßer.“ „Äh… nee…“ Sie ergriff seinen Arm und zwang ihm ihren Willen auf, ihr Handgriff war fest und man spürte deutlich, dass sie nicht zu der Art Frau gehörte, die sich so leicht abwimmeln ließen. „Du erinnerst mich da an wen.“ Er war Meister im Flirten – er kannte sie alle, jeden Spruch hatte er an den Damen ausprobiert. Dass man es nun mit ihm probierte, ließ ihn fast verlegen werden. Sie war eine reife Frau, da bekam selbst ein Kerl wie er rote Ohren. Sie machte keinen Hehl daraus, was sie am liebsten mit ihm treiben würde, sie verspeiste ihn ja fast bei lebendigem Leibe. Und wieder hörte man es hinter ihm kichern, jemand amüsierte sich wirklich sehr darüber, wie er auf die Anmachversuche von Mami reagierte. ‚Sie weiß was gut ist… Das beste Alter… Oh so ein böser Junge, wo guckst du mir hin?!’ Dass er ihr Dekolleté so bestaunte, ließ ihr Ego um einiges wachsen, in der Hinsicht war sie schlimmer als die meisten Männer. „So ein junger, hübscher Kerl wie du, sag, was treibt dich mutterseelenallein hierher?! Was ist das für eine irre Frau, die dich alleine unter die Leute lässt?!“ „Diese irre Frau – würde sie deine Blicke sehen, hätte sie dir längst die Augen ausgekratzt!“ warf er ihr entgegen, diese unverschämten Blicke, er fühlte sich von ihr ausgezogen. „So eifersüchtig? Man kann keinem Mann trauen, es würde ihr sicher auch weniger gefallen, wenn sie deinen Blick in meine Bluse gesehen hätte, Herzchen.“ Dieses überhebliche in der Stimme, ließ ihn rot werden, aber nicht weil sie ihn damit in Verlegenheit brachte. „Ich find dich lecker, lass uns in ein Hotel gehen!“ Sie legte frech die Arme um ihn. „Moooooment mal“, er entfernte ihre Arme, die unverschämter nicht werden konnten. „Ach komm, sei doch nicht so, ich weiß, dass du es willst. Ein Mann, wie du einer bist, lässt doch keine schöne Frau abblitzen, das passt nicht ins Schema, in das ich dich gesteckt habe.“ „Ich kann es nicht leiden, in irgendwelche Schubladen gesteckt zu werden! Wir kennen uns nicht und noch nie hat man mich so frech und unverschämt angemacht, so offen mir angeboten, dass ich naschen darf. Was tust du, wenn ich nicht an dir naschen will, weil zu Hause mein ganz besonderer Leckerbissen wartet?!“ „Ich kann dir einiges beibringen. Dinge, von denen deine Kleine keine Ahnung hat. Eine kleine Amateurin, die noch nie in ihrem Leben mit einem anderen Mann geübt hat. Du hast doch Angst, deine versauten Fantasien mit ihr zu teilen, weil sie Angst vor dir kriegen könnte. Das, was sie vielleicht mit dir tut, ist wie unschuldiges Kuscheln mit einem kleinen Schulmädchen…“ „Was bildest du“, er stellte ruppig sein Glas Alkoholisches auf der Theke ab, während er sie scharf anfuhr, „eigentlich ein? Wir kennen uns nicht, ebenso kennst du sie nicht!“ „Oh glaub mir, ich kenn sie sehr gut – sie hat einen leckeren Verlobten, an dem ich nur zu gerne genascht hätte, du weißt ja nicht, was du verpasst.“ „Bist du irgendwie pervers, dass du fremde Leute beobachtest?“ Es war ihm längst zu bunt geworden, weshalb er sich sein Glas hektisch gönnte, das Glas zurück stellte, dem Barkeeper einige Scheine hinwarf, was natürlich zu viel war und dann auf dem Absatz kehrt machte. Sie lief ihm nach, bis jemand grob nach ihrem Handgelenk griff und sie daran hinderte, ihm nachzulaufen. „Es reicht, du Miststück! Er hat keinen Bock auf dich, leb damit!“ „Was geht dich das an, Kleine?!“ Sie sah in braune Augen, die sie hell anstrahlten. „Weil er mehr als deutlich gezeigt hat, wie er deine Anmachversuche findet! Lässt du ihn nicht in Ruhe, verklickere ich ihm, wer du wirklich bist! Was würde er dann von dir denken? Du alte Schachtel!“ „Lehn dich nicht zu weit aus dem Fenster, meine Süße! Es kann sehr schnell gehen, dass du einen Unfall hast.“ „Es haben schon andere Kaliber versucht, mich zu bedrohen, mit einem billigen Weib wie dir, komme ich geradeso noch klar! Man merkt, wo du herkommst! Die Kleine kann froh sein, dich nicht zu kennen, ihr würde schlecht werden! Pfui!“ Wie sie das aufregte, zum Glück hatte er mittlerweile das Weite gesucht. An seiner Stelle hätte sie das auch getan, wäre sie ein Mann. Bei der Tante musste man ja als Mann echt Angst haben, dass die einen vergewaltigte. Inzwischen hatte sich Hiroya erfolgreich von seinen Aufpassern gelöst und war mit einer anderen Person unterwegs. Zusammen zu sein mit ihr, gefiel ihm, sie war eine trostvolle Gesellschaft, die auch sein gebrochenes Herz kitten konnte. Nach ein paar Gläsern Alkohol wurde auch er, der sonst oft zu ernst war, lockerer. „Nun sag es schon, du machst mich neugierig! Es gibt da sicher einen Mann, dem du dein Herz geschenkt hast. Einen, der dich auffängt, wenn du fällst.“ Schweigen war alles, was den 29-jährigen erreichte – entweder hatte sie keine Antwort darauf, oder wollte ihm keine geben. Sie schauten von der Brücke aus hinab in die Stadt, alles war hell erleuchtet, um sie herum war jedoch mehr eine bedrückende Schwärze, sie war sehr ruhig gewesen, heute Abend, er hatte sie unterhalten, dabei war es sonst eher umgekehrt. „Was hast du? Habe ich irgendwas Falsches gesagt? Du bist so still…“ „Nein, nichts Falsches – aber deine Vorstellungen von diesem Abend passen wohl nicht ganz zu meinen. Hier und da ist da mal ein Mann, aber von Auffangen kann nicht die Rede sein. Es gibt keinen, der im Weg wäre“, ihr Blick wurde auf den Schwarzhaarigen gerichtet, während sie sich ihm seitlich näherte, so dass sich fast ihre Arme berührten. „Was soll das denn heißen? Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass du mir gerade ein unmoralisches Angebot machen willst.“ „Du fühlst dich einsam, das passiert jedem Mal, deswegen bin ich ja da. Ich bring dich auf andere Gedanken, Hauptsache, du denkst mal an was Schöneres, als daran, dass du betrogen wurdest. Weißt du, Hiroya, ich bin ein ganz schön böses Mädchen. Als ich in einer festen Beziehung war, habe ich den Mann meiner Träume betrogen – damit habe ich alles kaputtgemacht. Deine Schwester war weniger begeistert von meiner Leichtfertigkeit mit so etwas umzugehen. Sie lebte in der Welt, in der Mann und Frau sich für die Ewigkeit lieben und an niemanden anderen denken, in dieser Illusion, die im wahren Leben nicht existiert. Kein Mensch ist perfekt, Menschen machen Fehler, die einen mehr, die anderen weniger. Die einen machen sie früher, die anderen später. Was mich nervt, sind die Ansichten solcher Leute, die naiv, wie sie sind, sagen: SIE oder ER würden das niemals tun! Sie glauben felsenfest daran, solche Leute sind am meisten geschockt, wenn sie ihr Partner dann hintergeht. Bist du schon einmal fremdgegangen?“ „Nein, bin ich nicht, aber ich bin wohl auch einer jener Träumer, die dachten, es ist für immer. Sie hat mir immer das Gefühl gegeben, ihre Liebe sei vollkommen. Aber ich gebe ihr auch gar nicht die Schuld, schuld ist nur ER, der sie verführt hat. Sicher hat er ihr kompletten Schwachsinn über mich erzählt, bis sie sich auf ihn eingelassen hat, unter normalen Umständen hätte er das niemals geschafft!“ „Befriedigt das sein Ego, wenn du dir einredest, dass es seine Schuld war? In solchen Fällen sind immer zwei Personen schuld, sie trägt 50% der Schuld genauso, wie er. Diese Ausflüchte mögen dich beruhigen, aber warum willst du dieser Person treu sein, die dich so hintergangen hat? Wie lange willst du traurig sein? Wie lang sie vermissen? Sie hat dich verlassen und das mein Lieber ist die nackte Realität!“ Ihr Arm legte sich um seine Schulter und sie holte ihn näher an sich heran. „Du denkst daran, doch beißt du dich noch zu sehr an dem Gedanken fest, keine andere als sie zu lieben! Weil du auf sie warten willst. Du bist ein Träumer, der noch an die wahre Liebe glaubt. Du denkst, ihr seid füreinander bestimmt. Was wirst du tun, wenn sie diese Ansicht nicht mit dir teilt? Wenn sie nie mehr zu dir zurückkommt? Willst du dann alleine bleiben?“ Man redete auf ihn ein, kein Wunder, dass er die Augen schließen und tief seufzen musste. „Ach sag so was nicht… Das klingt, als wär ich schwachsinnig.“ „Es ist schwachsinnig zu warten und auf Wunder zu hoffen, während man sich der Alternative, die sich einem bietet, immer wieder verwehrt. Dir wird’s schlecht damit gehen, zu denken, dass Sex außerhalb einer Beziehung etwas Böses ist. Und ich weiß, dass du daran gedacht hast.“ Das böse Mädchen, was sie erwähnt hatte, zeigte sich in ihren Worten, er fand es unmöglich… „Du bist mit mir weggegangen, weil du mir DAS anbieten willst? Der Person, welcher ich dann ähneln würde, möchte ich nicht ähneln. Sein Verhalten finde ich zum Kotzen, er hat nichts als Sex und Frauen in seinem verdammten Schädel!“ „Du hast Angst davor, ihm zu ähneln? Keine Sorge, so verdammt tief kannst du niemals sinken, dazu gehört schon was.“ Dass er beunruhigt und verunsichert war, machte ihn auch süß, er dachte zumindest noch darüber nach, bevor er so tief sank, sich auf irgendwelche Frauen einzulassen, die er nicht liebte, denn das war sein eigentliches Problem. „Keine Sorge – es ist ganz simpel! Ich bin nicht verliebt in dich, ich werde nichts von dir verlangen. Ich werde nicht, wie andere Frauen eifersüchtig sein und dir nichts vorschreiben. Ich bin einfach DA…“ Er verhinderte schon mal nicht, dass sie ihn umarmte, das war ein Fortschritt. „Ich bin da und sorg dafür, dass es dir wieder besser geht.“ Es war schlimm genug, dass er sie wirklich mit nach Hause nahm, dass er sie nach der Sache, mit in seine Wohnung nahm. Keine andere Frau hatte je dieses Haus betreten. Es war die Wohnung, die er bewohnt hatte, bevor er mit Naru zusammen gezogen war. Wenn er daran dachte, wurde er jetzt noch fuchsteufelswild. Dass sie mit Juro in IHREM gemeinsamen Bett gelegen hatte. Ihm war schlecht. „Mein Loch zum verkriechen. Eigentlich ist es mehr ein Unterschlupf, wunder dich bloß nicht. Hier habe ich zusammen mit meiner Schwester immer sehr viel gearbeitet, bis Jami sie umbrachte. Jeden Tag ist’s hier stiller geworden. Wir waren ein eingespieltes Team, oft hat sie mich hier getröstet, gerade dann, wenn er sich wieder damit beschäftigt hat, mir das Leben zu ruinieren. Ich vermisse sie ganz schön, gerade jetzt. Die Mitte zu sein, ist ein bisschen von allem. Einerseits habe ich beschützt, es wurde aber auch auf mich Acht gegeben. Als sie weg war, war es für mich, als hätte sich ein schwarzes Loch geöffnet und ich wäre hineingezogen wurden, als hätte dieses Loch mich verschluckt. Immer wenn ich Probleme hatte, war sie da. Schon als ich noch ein kleiner Junge war. Es scheint mir unendlich lange her, dabei sind’s kaum 2 Jahre. Ich habe jeden Kerl gehasst, der ihr wehgetan hat und das war’n nicht wenige.“ Dass es bei ihnen ein ähnliches Gefühl war, erwähnte er nicht, denn es war nicht das, was sie gerne hören wollte. „Du musst unzählige Mordgedanken in deinem Kopf gehabt haben, immerhin war es Jami, der sie dir weggenommen hat“, sie strich mit einer Hand durch seine Haare und schaute in seine Augen, er wich ihrem Blick deprimiert aus. „Das Schlimme ist, ich könnte es nie selbst tun. Nicht, dass ich ihm den Tod nicht wünschen würde, aber durch meine eigene Hand… Ich will nicht, dass er mit all den Taten so davon kommt. Er gehört nur nicht auf die Straße. Er ist eine Gefahr für sich selbst und andere. Natürlich ist es immer noch besser, wenn man ihn tötet, aber dann wird er nie erfahren, was in seinem Leben kaputtgegangen ist. Und weißt du was? Am liebsten wäre es mir noch, wenn er seine Fehler erkennt.“ „Du solltest nicht so viel träumen, das ist nicht gut“, meinte Katori leise, darüber konnte sie nur den Kopf schütteln. Jami dachte doch, er war im Recht, niemals würde er erkennen, dass es falsch war, wie er handelte. „Dieser Mann lebt nur dafür, dir wehzutun, warum fällt es dir so schwer? Es ist nichts einfacher, als jemanden aus Hass zu töten! Willst du ihn denn nicht tot sehen? Vergeltung?!“ „Solche Worte aus dem Mund einer Frau, das ist auch nicht gut!“ Er umarmte sie fest, als wolle er sie vor all diesen bösen Gedanken beschützen. Sie war eine Mörderin, sie verstand das natürlich nicht. Wie konnte sie das verstehen, wenn sie Leute aus dem Weg räumte, die ihr im Weg waren? „Ich wünschte, du würdest das alles nicht schön reden“, er sprach in ihre Haare hinein, was leicht erstickt an ihre Ohren getragen wurde. „Mord ist schlecht und wird schlecht bleiben, niemals wird er gut werden. Und gerade du als Frau solltest aufpassen, dass du dir die Finger nicht zu schmutzig machst. Die Drecksarbeit gehört den Männern. Ich weiß, du hast kaum eine Wahl, aber ich wünschte, es wäre so. Ich hoffe, dass du niemals auf die Idee kommst, es auch meinetwegen zu tun. Ich werde alles ertragen… Jede Schikane. Versprich es mir bitte.“ Sie wollte ihn aufmuntern, nicht deprimieren. Mit reden kam sie jedenfalls nicht viel weiter. ‚Das ist nichts, was ich versprechen kann, nicht unter den gegebenen Umständen. Ich glaub nicht, dass Yuichi da mitspielen will – schuld ist doch bloß wieder nur Kir. Da sieht man doch wieder, wie sehr sie doch stört. Er hat sicher keinen Spaß an dieser Sache, aber sie macht ihn erpressbar… Wo soll das enden?’ Nach schier unendlich wirkender Zeit hatte Hiroya sie wieder losgelassen, sich an sie zu klammern, würde er ziemlich schwach finden. „Irgendwas tief in ihm ist noch der Mensch von damals, er hat das leider nur noch nicht bemerkt. Ich wollte ihn da rausholen, aber er hat sich für dieses Leben entschieden. Ein verhunztes Leben, wie ich finde.“ „Du kannst ihn nicht retten!“ Sie packte ihn an den Schultern, diese Hirngespinste wurde er lieber ganz schnell los. Es gab keine Hoffnung mehr, da war sie sich vollkommen sicher. „Er will nicht gerettet werden, alles, was er will, ist Macht! Und dafür tut er alles!“ „Er kann nicht vergessen haben, dass ich sein Freund war. Alles, was er tut, macht er, um das Gefühl seiner eigenen Einsamkeit zu bekämpfen. Er hat niemanden, obwohl er Macht hat, ist er doch alleine. Wenigstens bringt ihn das nicht dazu, Frauen zu vergewaltigen. Zumindest davor konnte man ihn retten...“ „Sei still!“ Sie hatte ihre Hände auf seine Wangen gelegt. „Es tut dir nicht gut, seine Taten zu entschuldigen und dir einzubilden, dass er irgendwann schon versteht, dass du ihm helfen wolltest. Ich kann es dir sicher nicht ausreden, dass du es versuchst, aber ich kann dich auf andere Gedanken bringen. Auch ich brauche heute mal ein bisschen mehr als Freundschaft. Ich nenne es fairen Kompromiss: Du lenkst mich ab und ich dich.“ Dass sie mehr als Freundschaft von ihm wollte, hatte er schon längst bemerkt. Die Art, wie sie sich ihm gegenüber verhielt, zeigte ihm zur Genüge, dass ihr viel an ihm lag. Eigentlich konnte sie nicht mehr tiefer abstürzen, sie war ein gefallener Engel und somit bereits ganz unten angekommen. Obwohl Hiroya das durchaus bewusst war, ignorierte er es jedes Mal, wenn er sie sah. „Ich fühle mich schäbig, dich auszunutzen. Wenn du mir wenigstens sagen könntest, dass du mich liebst, würde ich mich nicht so schlecht dabei fühlen. So was ist überhaupt nicht meine Art… Kimiko war eher der Wildfang von uns… Sie ließ sich von Moral und dergleichen nur wenig beeindrucken. Sie konnte einfach so, sich auf Männer einlassen. Für mich sind Frauen aber kein Mittel zum Zweck.“ „Sie flog wie ein kleines Vögelchen von einem zum anderen. Dass sie’s zum Spaß gemacht hat, ist falsch. Die Männer haben sie nur immer als Spaß nebenher angesehen. Sie war eben ein Naivchen. Jedes Mal aufs Neue. Selbst von ihrem besten Freund ließ sie sich ausnutzen und das nur, weil sie es jedes Mal als was Besonderes angesehen hat. Weit weg von der Vorstellung, wie Männer wirklich sind. Tief in dir kennst du das Bedürfnis, doch du lässt es nicht zu. Deine Aggressionen hängen vielleicht auch damit zusammen, dass du deine eigenen Bedürfnisse verdrängst. Dein Kummer, den sie dir zugefügt hat, statt ihn zuzulassen, lässt du andere deine Wut spüren. Wärst du weniger anständig, könntest du deinen Frust im Sex vergessen.“ „Oh mein Gott…“ Eine Frau so reden zu hören, war für ihn ungewohnt, selbst wenn Naru auch keine Angst davor zu haben schien und wesentlich schlimmer drauf war als er. In den meisten Fällen war es von ihr ausgegangen, er war dafür einfach zu defensiv. Ihre Hände vergriffen sich an seinem Hemd und sie schob ihn durch die Tür in sein Schlafzimmer, sie hatte keinerlei Hemmungen dabei, ihm den Weg zu zeigen. „Du bist ganz schön draufgäng-“, weiter kam der 29-jährige nicht, da ihre Lippen seine gefangen hatten und ihn am Weiterreden hinderten. Ein kleines bisschen rutschte ihm ja schon das Herz in die Hose, als sie ihn so zum Bett dirigierte und ihm dann einen Schubs gab, der ihn aufs Bett beförderte… Zur etwa gleichen Zeit saß ein total übermüdeter Ryochi in einem Café und unterhielt sich mit ein paar Leuten. Irgendwann wartete er abwesend auf seine Bestellung; es war das am meisten angesagte Café hier weit und breit, doch zog es ihn nicht aus diesem Grund hierhin. Es war einer der Orte, wo man Shina das letzte Mal gesehen hatte. Dass er die Tage kaum geschlafen hatte, sah man an den dunklen Rändern unter den Augen. Nicht bloß, dass er in letzter Zeit viel Kummer hatte, er kümmerte sich ja auch noch um Conan – Shina konnte ja nicht mehr auf den Jungen aufpassen. Ihm lag viel daran, dass ihm nichts zustieß und er NORMAL blieb. Als er aufblickte, da man ihn ansprach und ihm einen Espresso brachte, schaute er unwillkürlich auf die Straße, die von hellem Licht erleuchtet war. Hellbraune Haare, leicht rötlich angehaucht, mittellang… Gerade lief sie vorbei… In dem Moment hastete er von seinem Platz zur Tür der Person hinterher. Sie verschwand um die Ecke, in eine dunkle Sackgasse und holte gerade ihr Handy heraus, da sie wohl telefonieren wollte. Verwirrt schaute die Bedienung ihm nach, er hatte doch so sehnsüchtig auf seinen Kaffee gewartet und nun rannte er einfach so davon… Erschrocken fuhr die junge Frau herum, als Ryochi einfach so ihren Arm packte und sie zurückzog. Ihre Blicke trafen sich und sie löste sich recht schnell von ihm, sah ihn verblüfft, aber auch etwas verstimmt an. „Shina?!“ „Wer?“ Jetzt, da er ihre Stimme hörte, machte sich Traurigkeit in seinem Blick breit. „Oh – das tut mir Leid – ich hab Sie mit jemandem verwechselt!“ Er nahm gleich Abstand zu der fremden Frau und fühlte sich total komisch, sie so an sich gezogen zu haben; eine vollkommen unbekannte Frau, die er noch nie in seinem Leben gesehen hatte, aber sie sah ihr so verdammt ähnlich. Sie sah ihn mit ihren strahlend blauen Augen an, ein klein wenig mitleidig. „Es tut mir auch Leid…“ Die Hellbraunhaarige drehte sich von ihm weg, er sah ihr ziemlich lange nach, wie sie sich immer mehr von ihm entfernte. Es kam ihm beinahe vor, als wenn sie erneut von ihm ging. Ihn beschlich das schreckliche Gefühl, dass die Vorstellung, sie wieder zu sehen, das einzige war, was ihn noch aufrechterhielt, die immer geringer werdende Hoffnung, die er immer mehr verlor. Ryochi hörte sie nicht mehr, aber er hatte sie nachdenklich gemacht. „Der war ja ganz verstört… Wer wohl Shina ist? Seine Geliebte? Armer Kerl…“ Das penetrante Klingeln des Handys ließ sie zusammenfahren, sie hob es vom Boden auf und blickte auf das Display. „Ryochi….“ Sie ließ es lange noch klingeln, er war hartnäckig, wahrscheinlich brachte ihn seine eigene Liebe zu dieser Frau endgültig um den Verstand, so dass er schon wieder Trost suchte. Wann er wohl aufhörte, ihr nachzutrauern und sich eine andere suchte, oder wollte er immer alleine bleiben? Sie hatte ihn ja längst verlassen… Als sie das Handy ausschaltete, öffnete der junge Mann die Augen, er sah ziemlich benommen aus, etwas orientierungslos raffte er sich halb an der Wand auf und starrte ihr entgegen. „Finger weg von meinem Handy! Sag nicht, du…“ Er klang schon sehr jähzornig, weshalb sie die Hand sinken ließ. „Es war Ryochi! Ihr könnt euch ja gegenseitig trösten! Manche Männer kapieren nicht, wenn sie etwas verloren haben, dass es eben weg ist! Du solltest ihm das mal klarmachen!“ „Hast du sie noch alle? Wie kalt kann man sein??“ „Ich halte wenig von Schonung, das solltest du wissen! Irgendwann findet er’s raus!“ „Ach! Hast du bei ihr auch nachgeholfen??!“ Sêiichî hatte es nun geschafft, wieder halbwegs Luft zu bekommen, auch wenn er mehrmals noch husten musste, da sein Hals trocken geworden war, seit ihrer Attacke. „Mach dich nicht lächerlich, ich will keinen Ärger mit den Akajas haben, außerdem wäre Yuichi der erste, der dafür sorgt, dass ich mich aus diesem Thema heraushalte. Du suchst doch bloß nach Gründen… Wenn du gehen willst, geh einfach! Da ist doch die Tür! Solange du wegen einer Sängerin stänkerst, die dir anscheinend so viel bedeutet hat, kannst du mir gestohlen bleiben. Mach deinen Scheiß doch alleine!“ Sie warf ihm das Handy förmlich hin, so dass er zuckte. Dass sie ihn vor einiger Zeit nicht hatte gehen lassen, davon war nicht die Spur übrig geblieben – sie hatte ihn gewürgt, ihm richtig den Hals zugedrückt, wie bei jemanden, den sie hasste und dabei war, zu erdrosseln. Gerade fühlte sie sich als Gefahr für ihn. „Mach ich auch! Und komm nicht auf die Idee, mir ins Handwerk zu pfuschen!“ „Keine Sorge, wir haben so unterschiedliche Ziele, dass sich das ausschließt, will ich meinen!“ Sêiichî schnaubte, es klang wie ein Pferd, das gerade wütend geworden war. „Was hast du mir noch verschwiegen??“ Er kam ihr näher und packte sie so grob am Arm, wie er es noch nie in seinem Leben bei einer Frau gemacht hatte. Einmal schüttelte er sie. „Ich will jetzt Details! Was macht dich so sauer, dass du tatenlos dabei zuguckst, wie man sie umbringt! Dass du mich liebst, ist jawohl total absurd, wie du mich doch immer behandelst, bin ich nicht mehr als ein Fußabtreter!“ „Findest du nicht, es ist Grund genug, dass sie mich eine Hure nannte??!“ „Vielleicht hat sie ja Recht, mit Männern lässt du ja nichts anbrennen!“ „Lass mich los, jetzt drehst du wohl durch!“ „Ich will die Wahrheit hören und zwar die Ganze!“ Sein Griff brannte um ihr Handgelenk wie ein heißes Eisen. „Du kannst es ja wie Ryochi machen und der Sache als Detektiv nachgehen, oder traust du dir das nicht zu?“ Sie weigerte sich, ihm die ganze Story zu unterbraten, er würde es nicht verstehen. „Ich warne dich! So entkommst du mir nicht! Was macht dich diesmal zu diesem rachsüchtigen Biest, das sich über das Unglück anderer freut? Mit viel Pech könnten wir das sein, ist dir das klar?!“ „Ja klar, wir! Er ist kein Bulle und nicht so krank im Kopf uns beizutreten, wie du! Und du würdest dich wohl kaum von deiner Freundin beschützen lassen, wenn du genau weißt, dass du eh nicht gewinnen kannst. Ich hoff nur, du kommst niemals in ihre Lage! Sei froh, dass du NUR einen verkorksten Bruder hast und nicht der Sohn eines hohen Polizeitiers bist. Alleine diese Tatsache ruiniert dir sämtliches Leben.“ „Was?“ Etwas verwirrt blickte er sie an, eigentlich war er nämlich genau das. Er hatte Geschwister und war der Sohn eines Polizisten – oder war ihr nicht ganz klar, wohin er gehörte? „Was hat sie verbrochen?“ „Die Frage kannst du dir selbst beantworten. Glaubst du, Jami lässt ihr durchgehen, dass sie ihn belügt und ihm auch noch die Hilfeleistung untersagt? Du weißt doch, für ihn gibt’s nur ihren Bruder. Dieses egozentrische Weibsstück wollte eben nicht hören, dafür hat man sie bestraft. Sie war sich zu schade für die Aufgaben, die man ihr zugeteilt hat. Es wundert, denke ich keinen, dass es ihr wie Akemi ergangen ist. Wieso sollte ich für diese unbedeutende Person irgendwas riskieren? Dann wäre ich jetzt tot… Es wurde vom Boss so entschieden – ob man ihm dazu geraten hat, sie abzuschießen, weiß ich nicht, aber er war’s letztendlich, der ihr diesen Schubs verpasst hat, wenn auch indirekt. Wir sind in der Schwarzen Organisation, Sêiichî Iwamoto! Wann kapierst du, dass wir schnell fallen können? Und oft dazu gezwungen sind, Dinge zu tun, die wir hassen?! Das wollte sie ja nicht einsehen! Trotzige Frauen hat er gar nicht gern. Und Valpolicella noch weniger…“ ‚Soll das heißen, sie hatte was damit zu schaffen….?! Ist das eine Ausrede, um mich zu besänftigen? Dann ist es eine hinterhältige, aber das würde ja zu dir passen…’ ‚Wärst du dabei gewesen, hätte es mit Sicherheit einige Tote gegeben, danach wärst du an der Reihe gewesen, selbst wenn du aus der Situation entkommen wärst, in Dinge, die der Boss und SIE anordnen, mischt man sich besser nicht ein, wenn doch, Kopf ab!’ Sie traute ihm leider auch noch zu, dass er es hätte verhindern können, ihm fiel ja so schwer, bei solchen Schweinereien, die von der Organisation kamen, zuzuschauen. Rena hatte bei weitem Schlimmeres mit angesehen, als er, ihm war wohl noch nicht die wirkliche Grausamkeit begegnet. Cencibel konnte davon ein Lied singen, genauso wie Cinzano, sie alle hatten mehr Ahnung, nur klein Sêiichî war mal wieder naiv. „Valpolicella und Jami bekämpfen sich, statt sich zu unterstützen, allein der Umstand hätte ihn dazu getrieben, ihr zu helfen.“ „Jami versucht so wenig Ärger wie möglich zu machen! Denkst du da wirklich, er würde sich selbst damit konfrontieren, gegen sie zu agieren? Wegen einer Frau, die ihn abgewiesen hat, um mit einem anderen ihre Zeit zu verbringen, der auch noch schuld daran war, dass er sie nicht rumkriegen konnte? Deine Meinung von Jami lässt zu Wünschen übrig. Ist er in seinem Ego gekränkt, schaut er gerne weg, nur macht er sich ungern die Finger an so was schmutzig. Und wenn du darüber nachdenkst, wollte er mit ihr im Boot nur seinem schlimmsten Feind eins reinwürgen. Ich kann nicht fassen, dass du so naiv bist! Du bist naiver als Jami, selbst er hat erkannt, dass Hiroyas Hass nur Show ist, um ihn davon abzuhalten, seiner Schwester was anzutun. Das ist mit Verrat gleichzusetzen. Sie hat ihren Mund gehalten, aber hätte wohl kaum mitgespielt, wär’s darum gegangen, ihn ans Messer zu liefern. Wenigstens in dem Punkt konnte er sich auf sie verlassen. Ansonsten hat sie ihm ja nur Ärger gemacht. Es war ja ihre Schuld, dass seine ältere Schwester umgebracht wurde.“ „Es ist ein Schauspieler an ihm verloren gegangen, selbst Ryochi glaubt es und der ist nicht blöd.“ Für eine angeblich Außenstehende wusste sie verdammt viel über diese Sache, dass Jami sie aufgeklärt hatte, glaubte Sêiichî nicht. Er dachte zwar nicht, dass sie eine Verräterin war, kannte ihre Gedanken nicht, zumindest glaubte er das, aber seine Rachegefühle mit ihr zu teilen, so weit ging sein Vertrauen sicher nicht. „Ryochi ist nicht blöd, aber er kann Hiroya nicht leiden – ich übrigens auch nicht! Kein bisschen, ich will nicht, dass dieser Kerl auch noch bei uns einsteigt! Der Gedanke widert mich an, auch wenn er sicher sofort auf der Seite der Verräter wäre.“ „Kannst ja Jami einspannen, der will ihn lieber umbringen“, Sêiichî wollte lieber nicht davon reden, was er von Hiroya hielt, am Ende war sie noch enttäuscht von ihm, weil er nicht ihrer Meinung war. „Nein, nicht ihn – seine Leute.“ Hiroya direkt angreifen, war ihm ja auch verboten worden – nicht dass sie glaubte, er könnte es alleine schaffen, dazu brauchte er schon ein paar mehr Mitwirkende. „Der ist doch viel zu feige, um es wirklich mit ihm aufzunehmen. Feige Ratte Jami eben.“ Sêiichî holte tief Luft, in ihren Gesprächen rund um Jami waren sie stets anderer Meinung, aber das war in der Regel bei so ziemlich jedem, den er mochte, so. War er wirklich naiv? „Sicher wünscht sich nun der liebe Jami, dass Kimiko noch leben würde – dann hätte er etwas, womit er seinen neuen Freund erpressen kann, denn dann könnte er wunderbar Hiroya aus dem Weg räumen. So gesehen, ist es gut so. Ich kann dir jede Menge Gründe geben, dass auch du irgendwann einsiehst, dass sie nichts als ein Störfaktor war. Außerdem gibt’s da noch Shiraz und Raki, erstere ist sicher furchtbar traurig, nun kann sie Hyde nicht mehr vor ihren Augen erschießen, dafür hat zweitere nun endlich mal Ruhe, ist doch auch was.“ „Pfui! In deinem kranken Schädel geht manchmal ziemlich viel rum, was? Woher willst du wissen, dass Shiraz so etwas wollen würde?“ „Ach, sie ist das, was Jami für Hiroya ist – der Untergang. Sie langweilt sich unendlich – außerdem habe ich sie gelehrt, wie man so etwas macht, ich kann also sagen, ich durchschaue sie.“ Nun brachte sie den Leuten noch bei, wie man besonders gezielt abdrückte. „Aber eines ist sicher, sie findet die Idee, Hiroya in die Organisation zu holen, besser als Jami, das wird ein Problem werden, vielleicht sind wir die auch bald wieder los, weil sie Jami verärgert. Momentan findet er sie noch furchtbar toll, immerhin lässt sie ihn ab und zu spielen… Wie Hiroya das wohl finden wird? Ich brenne darauf, wenn sie sich über den Weg laufen und Jami ihm sagt, dass er die Kleine genagelt hat. Sie müsste Jami töten, um das je wieder gut zu machen. Und dann haben wir noch den lieben Mezcal, weißt du, was dieser kleine Scheißkerl neulich gemacht hat? Schau dir diesen Kratzer an!“ Sie zeigte auf die Stelle, wo man ihr neulich erst eine dicke Schramme beigebracht hatte. „Warum erzählst du mir davon? Hat sich der Boss diesmal nicht dafür interessiert?!“ Es kam alles wieder hoch, sie hatte ihm ja ordentlich etwas vorgeheult. „Ich hasse diesen Kerl, ich habe das Gefühl, er hat sich in die Organisation geschlichen, aber der Boss empfindet mein Urteilsvermögen wohl als nicht gut genug, um sich reinreden zu lassen. Er hat mit seinem Messer ziemlich genau in mein Gesicht gezielt, das war pure Absicht!“ ‚Du wirst es verdient haben…’ Er ließ sich den Gedanken nicht anmerken. „Hast du versucht ihn in die Enge zu treiben? Ich bin nicht begeistert, dass er wieder hier auftaucht, ich hoffe ja, er hat vergessen, was damals passiert ist. Noch mehr Verbündete von Pinot kann ich nicht brauchen, Saperavi reicht vorerst.“ Er griff sich an die verletzte Stelle, die er diesem Mistkerl, der auch mit Teran befreundet war, zu verdanken hatte. „Keine Angst, ich glaube, es gibt Leute, die Mezcal mehr hasst, als dich, Sêiichî.“ „Oh toll, davon gibt’s eine Steigerung?? Als Saperavi, der übrigens sein Cousin ist, auf mich losging, war alles, was man sehen konnte, das schadenfreudige Grinsen.“ „Würde er dich richtig hassen, würde er mehr tun, als zusehen… Da bin ich sicher, du kannst also ganz beruhigt schlafen.“ Sicher hatte Yuichi ihn schon total aufgewühlt, als er ihm bestimmt erzählt hatte, wer der Kerl war und woher sie sich kannten. Carpano machte Cognac doch gerne mal ein bisschen Angst… Mezcal schien ihr ziemlich gehässig und sogar ganz schön sadistisch zu sein, er liebte es, bei Saperavis Spielchen zuzusehen, oder er gab vor, dass es so war. Sie war sich in seinem Fall nicht sicher, wo er hin gehörte. Aber GUT war er mit absoluter Sicherheit nicht. „Wenn er wirklich so ist, wieso gibt sich Cinzano mit ihm ab?“ Die Frage quälte ihn die ganze Zeit, er wusste noch genau, was Yuichi neulich gesagt hatte: ‚Gefällt mir genauso gut wie Cognac auf Vermouth!’ Was sein Freund von ihnen hielt, wusste er, und langsam begann er zu begreifen, warum das so war… Immer wieder wurden diese Schüsse auf sie abgegeben, und wenn man bisher keine Angst gehabt hatte, dann hätte man sie spätestens jetzt bekommen. Dieser Irre jagte sie wie ein Jäger seine Tiere. Und im Moment hatte sie wenig zu befürchten, solange der unbekannte Mann hinter ihr war. Sie war heilfroh, als sie in einem Auto saßen, er hatte sie reingeschoben und die Türen verriegelt – so gesehen saß sie wie eine Maus in der Falle, eine Situation wie sie ihr keinesfalls behagte. Ihr Verlobter war ein wahres halbes Hemd im Gegensatz zu diesem Mann, und er schaffte es mit Leichtigkeit sie zu überwältigen, wenn er wollte… „Wer zum Teufel bist du, dass du mir geholfen hast?!“ Sie hörte das schwere Schnaufen des Mannes, was ihr sagte, dass er wohl von den Kugeln getroffen worden war. Es war nicht die Aktion eines normalen Menschen. „Los rede, was hat dich dazu bewogen?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)