You are not a man! von xxNico_Robinxx (Nami x Robin) ================================================================================ Kapitel 1: Extrusion -------------------- + Für diejenigen unter euch, die mich kennen, wissen, dass das vorkommende Pairing bei mir ziemlich untypisch ist. Aber in letzter Zeit habe ich viele solcher FFs gelesen, wodurch sich in meinen Kopf die nette kleine Szene am Schluss eingenistet hat ;D Womit ich aber nicht gerechnet habe, ist das viele Geschreibsel bis zur besagten Szene, denn als ich einmal damit anfing in die Tasten zu hauen, konnte ich irgendwie nicht mehr aufhören. Deshalb hege ich auch die Hoffnung, dass sich die Handlung für euch nicht so hinzieht. Die FF ist ursprünglich als One-Shot geplant, weshalb ich es auch erst einmal bei diesen einem Kapitel belasse. Doch wenn es mehrfach gewünscht wird, werde ich noch ein weiteres hinzufügen XD + Drei Leuchter, scheinbar willkürlich an der Decke angebracht, verbreiten ein angenehm gelbliches Licht, das normalerweise ausreichen würde, um den Großteil des Schankraums zu erhellen. Doch graublauer Dunst, der so dicht ist, dass man die Schwaden quasi mit einer Handbewegung schneiden könnte, dämpft das Licht erheblich und erweckt den Eindruck in einer Nebelbank zu sitzen. Besonders in dieser kleinen Nische, in der ich eingezwängt zwischen Sanji und Zorro sitze, ist es recht dunkel, was zu meiner Laune nicht gerade beiträgt sich zu heben, während die Musik - ein Gekreische aus Flöte, Geige und Ziehharmonika - meine Ohren einer qualvollen Schinderei aussetzt. Lustlos nippe ich an meinem Orangen-Cocktail, den Sanji mir zuvorkommend bestellt hat, wobei ich langsam einen gelangweilten Blick durch den übermäßig gefüllten Raum schweifen lasse. Doch wohin ich auch schaue, überall nur betrunkene Kerle mit fettigen Haaren, zotteligen Bärten, ungewaschener Kleidung und einem Schweißgeruch, der einem die Tränen in die Augen treibt, und die sich mit lauten, grölenden Stimmen unterhalten und sich ständig kameradschaftlich auf die Schultern klopfen oder sich gegenseitig einen Stoß in die Rippen verpassen. Zwischen diesem ganzen Haufen blitzt ab und zu immer wieder etwas Rotes, Gelbes oder Blaues auf - ein Hinweis darauf, dass die Schankmädchen in ihren farbenprächtigen Kleidern, die gerade eben noch so das Nötigste bedecken, fleißig darauf bedacht sind, dass Rum, Bier, Whiskey und andere alkoholische Getränke auch fleißig fließen. Und wahrscheinlich kümmern sie sich auch noch um die primitiven Bedürfnisse der Männer, wenn ich ihre koketten Augenaufschläge und ihre lasziven Lächeln richtig deute, die sie ihren Gästen schenken. Unbewusst drehe ich mein Glas zwischen den Fingern, wobei ich die kleinen Wassertropfen mit abwische, die sich bei der erdrückenden Hitze im Raum am Glasrand gebildet haben, während ich mir zum wer-weiß-wievielten Male die Frage stelle, warum ich hier überhaupt noch sitze. Obwohl wir nach sechs Wochen endlich wieder Land unter den Füßen spüren, und die Jungs das natürlich auch sofort mit einem Saufgelage in einer Bar feiern müssen, verspüre ich nicht die geringste Lust mich ebenfalls zu amüsieren. Im Gegenteil! Dieser ganze Tumult geht mir ganz gewaltig auf die Nerven und ich würde am Liebsten aufspringen und zurück zu unserem Schiff laufen. Doch wenn ich das tue, läuft mir Sanji garantiert hinterher, um mich dann mit besorgten Fragen zu bombardieren. Und darauf habe ich noch weniger Lust, weiß ich doch ganz genau, dass das Gespräch dann darauf hinauslaufen würde, warum wir schon seit mehr als drei Wochen nicht mehr miteinander geschlafen haben. Was sollte ich ihm auch schon darauf antworten? Automatisch wandert mein Blick zur schlanken, sportlichen Gestalt Robins hinüber, die sich vor einer geraumen Weile einen Platz am Tresen gesucht hatte, und jetzt mit irgend so einem versoffenen Kerl flirtet, der zwar einen saubereren Eindruck als die anderen Kerle macht, aber auch nicht so viel besser ist. Es wundert mich, dass Robin sich so ungezwungen geben kann, denn mit ihrer eleganten Erscheinung und ihrer Aura aus Stolz und Überlegenheit ist sie unter dieser Meute von grobschlächtigen Kerlen doch völlig fehl am Platze. Ich bin mir sicher, wäre ich an ihrer Stelle, würde ich mich richtiggehend unwohl unter all den Blicken fühlen, die die Kerle ihr von Zeit zu Zeit zuwerfen. Und seltsamerweise beneide ich sie trotz allem um ihre Wirkung auf die Männerwelt, obwohl ich weiß, dass es eine kindische Reaktion von mir ist. Denn es mangelt mir auch nicht gerade an männlichem Interesse, wie man bei unserem Betreten der Bar gut sehen konnte. Doch Sanji, der die Reaktion der Männer mit seinen Argusaugen genauestens beobachtet hatte, hat jeden möglichen Annäherungsversuch sofort im Keim erstickt, indem er demonstrativ seinen Arm um meine Taille gelegt hatte, um den triebgesteuerten Hormonen zu signalisieren, dass ich ihm gehöre. Und genau das ist der Punkt, der mich stört! Ich wecke bei den Männern stets nur das Verlangen mit mir ins Bett steigen zu wollen, während Robin neben der Begierde auch eine gewisse Faszination und Zurückhaltung - ja, fast schon Furcht, könnte man dazu sagen- auf sie ausübt. Als wenn sie genau wüsste, dass ich sie beobachte, schauen ihre eisblauen Augen zu mir herüber, während das leise Lächeln auf ihren Lippen, dass sie diesem schmierigen Kerl neben sich schon die ganze Zeit über schenkt, sich kaum merklich vertieft. Und wie immer, wenn dieser undurchschaubare Blick auf mir ruht, steigt eine nervöse Anspannung in mir auf, die mich unruhig auf meinem Sitz hin- und herrutschen lässt, was mir zusätzlich einen fragenden Blick von Seiten Sanjis einhandelt, da ich ihn unabsichtlich mit meinem Ellenbogen angestoßen habe. Und noch während ich leise eine Entschuldigung murmle, schaue ich hastig auf mein Glas hinab, das mehrere verwischte Wasserringe auf dem Tisch hinterlassen hat, um damit nicht nur Sanjis Blick zu entgehen, sondern in erster Linie dem von Robin. Ihre Augen vermitteln mir immer den Eindruck, dass sie bis in mein Innerstes blicken können und genau wissen, was in mir vorgeht. Es bereitet mir Unbehagen, wenn ich mir vorstelle, dass dem wirklich so wäre, weil Robin dann dadurch auch wissen würde, wie ihre Nähe auf mich wirkt. Ich habe sie nie wirklich als Person wahrgenommen, sondern immer nur als eine hilfreiche Informationsquelle oder auch als eine geschickte Diebin, die ab und an unsere mageren Finanzen aufstockt. Doch seit unserem letzten Inselaufenthalt, bei dem ich einen ganzen Tag lang nur allein mit ihr verbracht habe, hat sich meine Denk- und Sichtweise über Robin auf eine beängstigende Weise verändert. Seit diesem Tag sehe ich in ihr nicht mehr die kühle berechenbare Schönheit, die sie der Welt zeigt und die ihr Herz hinter den Mauern eines Eispalastes gesperrt hat. Sie kann auch Gefühle zeigen, die sich hinter der kalten, unnahbaren Maske verstecken. Ihr herzhaftes Lachen und ihre sichtliche Freude im Gesicht, als ich eine wenig schmeichelhafte Bemerkung über eine griesgrämige Verkäuferin gemacht habe, kamen so unvorbereitet und überraschend, dass ich mich völlig überrumpelt fühlte und mir vorkam, als sei ich vom Blitz getroffen worden. Ihre Nähe, in der ich mich sonst immer wie ein naives, unbeholfenes Fohlen fühle, könnte ich seitdem so richtig genießen, ohne diesen Anflug von Unsicherheit gegenüber dieser so erwachsenen Frau zu verspüren, wenn da nicht dieses eigenartige warme Gefühl wäre, das sich aus der Tiefe meines Herzens bemerkbar macht, und dieses seltsame Kribbeln im Bauch, das einer nervösen Unruhe gleicht. Noch nie habe ich solche Gefühle verspürt, die auf der einen Seite sehr angenehm sind, aber auf der anderen eine merkwürdig gereizte Anspannung in mir entstehen lassen, die nach etwas verlangen. Aber wonach? Vorsichtig werfe ich unter meinen gesenkten Lidern hervor einen erneuten Blick auf Robin und stelle fest, dass sie sich wieder ihrem möglichen Geliebten-für-eine-Nacht zugewendet hat. Froh darüber, dass ihre Augen nun nicht mehr länger auf mir ruhen, stoße ich einen erleichterten Seufzer aus, der in der grölenden und ausgelassenen Menschenmasse völlig untergeht, und daher auch nicht von meinen beiden Sitznachbarn gehört wurde. Aber andererseits macht es mich auch wütend, dass sie sich so schnell wieder von mir abgewendet hat. Sie muss doch was gemerkt haben! Sanji weiß doch auch, dass etwas nicht mit mir stimmt. Warum kommt sie dann also nicht zu mir und stellt mir besorgte Fragen? Gute Freundinnen tun doch so was! Allmählich wird mir bewusst, dass meine Gedankengänge denen eines verwöhnten Kindes ähneln, das nach etwas Unmöglichem verlangt. Und meine Reaktion auf ihre Ignoranz ist nun wirklich mehr als albern, weshalb ich auch leicht beschämt den Kopf über mich schüttle. Ich weiß doch selbst, dass Robin eine unabhängige Frau ist, die eine große Distanz zur Nähe hält, was wohl mit auch ein Grund dafür ist, warum sie keine langfristigen Beziehungen zu Männern führt. Und zum ersten Mal wird mir klar, dass Robin in sexueller Hinsicht völlig ungezwungen ist, währenddessen mich das Gefühl eines Déjà-vu überkomme, als ich den Kerl neben ihr dabei beobachte, wie er seine fettige Pranke auf ihr Knie legt und sich mit einem dreckigen Grinsen näher zu ihr beugt. Ich habe den Eindruck, dass dieser Flirt eine Wiederholung von ihren vielen vergangenen Flirts ist. Denn jedes Mal, wenn wir nach langer Zeit wieder einen Hafen angesteuert haben, hat die erste Nacht stets damit geendet, dass Robin allein in der jeweiligen Stadt zurückblieb und ihre Bedürfnisse mit irgendeinem zwielichtigen Typen stillte. Solche Liebschaften – wenn man diese überhaupt so nennen kann – kann ich bei mir nicht vorstellen. Doch das liegt wahrscheinlich daran, dass ich meine recht dürftigen Erfahrungen auf diesem Gebiet bislang nur mit Sanji gemacht habe. Wenn ich später Robins derzeitiges Alter erreicht habe, denke ich vielleicht ganz anders darüber. Oder vielleicht auch nicht, bin ich doch ganz anders als sie. Während sie ruhig, gelassen und zurückhaltend ist, bin ich aufbrausend, zickig und extrovertiert. Wieder muss ich seufzen, aber nicht aus purer Erleichterung, sondern wegen meiner konfusen Gedanken, die so sprunghaft wie ein junges Reh sind, anstatt die Problematik meiner Situation auf einen Punkt zu bringen. Doch wie soll das gehen, wenn meine Gedanken seit dem gemeinsam verbrachten Tag mit Robin ganz und gar von ihr und ihrem rätselhaften Wesen beherrscht werden? Seitdem ist alles so seltsam und verwirrend geworden. Ich will nur noch in ihrer Nähe sein. Ich will sie zum Lächeln bringen … sie glücklich machen. Ich will, dass sie mir von all ihren geheimen Gedanken und Gefühlen erzählt. Ich will wissen, was sie bewegt … was sie liebt. Und ich will sie vor allem und jeden beschützen … sie vor jeglichen Schaden bewahren. Dies alles sind Gefühle und Regungen, die weit über Freundschaft hinausgehen … die ich nicht einmal in einer solchen Intensität Sanji gegenüber empfinde. Aber vor allem dürfen sie nicht sein, denn schließlich ist Robin eine Frau! In rhythmischen Bewegungen tippen meine Finger auf der rauen, abgenutzten Tischplatte herum, die mit ihren hervorstehenden Holzsplittern eine Gefahr für jeden Arm darstellt, als ich aus den Augenwinkeln heraus bemerke, dass Zorro mich aufmerksam, und mit einem leicht neugierigen Glanz in den Augen, beobachtet. Sofort halten meine Finger in ihrer Bewegung inne, während ich ganz demonstrativ zu den Musikern blicke, die in Ruffy, Lysop und Chopper ein begeistertes Publikum gefunden haben. Die Drei haben es nicht einmal für nötig befunden sich mit zu uns zu setzen, sondern haben sich sofort nach unserer Ankunft einen Tisch direkt vor der improvisierten Bühne ergattert, die nur aus ein paar spärlichen Brettern und einigen Holzkisten besteht. Dass wir anderen auch noch da sind, scheinen sie völlig vergessen zu haben. „Soll ich dir noch einen holen, Nami-Maus?“, höre ich Sanjis Stimme an meinem Ohr fragen, wobei er sich ganz nah zu mir herüberlehnt, so dass sich unsere Schultern berühren. Der verschleierte Glanz in seinen azurblauen Augen, die so sanftmütig über mein Gesicht gleiten, verrät mir, dass die Frage nur dem einen Zweck dienen soll, mit mir auf Tuchfühlung zu gehen. Anders, als es seine äußerliche Coolness und sein Machogetue vermuten lassen, ist Sanji in Wirklichkeit ein anhängliches Schoßhündchen, das kaum eine Gelegenheit auslässt, um mit mir zu schmusen. Doch in letzter Zeit lasse ich es kaum noch zu, dass er mich berührt oder mich gar küsst. Und obwohl es von meiner Seite her keine Liebe ist, die mich mit ihm verbindet, habe ich seine Aufmerksamkeit und sein Interesse, die sich mit Beginn unserer Beziehung verstärkten, genossen. Aber jetzt verspüre ich nur noch den einen Wunsch ganz weit von ihm wegzurücken, weshalb ich die Fluchtmöglichkeit annehme, die mir seine Frage ermöglicht, und halte ihm bereitwillig mein leeres Glas hin, das er mit einem Hauch von Enttäuschung, der für einen kurzen Moment über sein Gesicht zieht, entgegennimmt, bevor er dann zögernd vom Tisch aufsteht und sich einen Weg zum Tresen bahnt. Sofort meldet sich mein schlechtes Gewissen, denn es ist einfach nicht fair von mir, ihn so hinzuhalten. Nicht fair von mir eine Beziehung mit ihm zu führen, wenn diese nur einseitig ist. Bereits von dem Augenblick an, als Zweifel in mir aufgekommen sind, hätte ich einen Riegel vor all dem hier schieben müssen. Aber andererseits, warum hätte ich das denn tun sollen? Sanji ist schließlich ein Mann, der mich auf Händen trägt und mir jeden Wunsch von den Augen abliest, während Robin eine Frau ist, für die ich nichts weiter als Bewunderung … eine kleine Schwärmerei wegen ihrer reifen und überlegten Art … hege. Um mir selbst den Beweis zu liefern, dass ich mit meiner Überlegung auch Recht habe, suchen meine Augen nach der hochgewachsenen, schlanken Gestalt Sanjis, wobei mein Blick jedoch wieder auf Robin fällt, die mit einem langen, zierlichen Finger spielerisch über den bloßen Arm ihres Gegenübers streicht, während sie ihm dabei ein einladendes Lächeln zuwirft. Diese Szenerie, die sich vor meinen Augen abspielt, ist der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, denn auf einmal wird mir das ganze Theater um mich herum einfach zu viel. Die Musiker, die mit ihren Instrumenten keinen Ton halten können, geschweige denn, es überhaupt mal schaffen einen zu treffen. Die zwielichtigen Typen, die mit ihrem versoffenen Gelaber ein vernünftiges Gespräch unmöglich machen. Das helle, aufgesetzte Lachen der Barmädchen, die mit der Aussicht auf ein anständiges Trinkgeld alle Hemmungen fallen lassen. Und vor allem Robin, die sich lieber mit einem dreckigen Versager amüsiert, anstatt sich mit mir zu unterhalten, besitze ich schließlich einen wesentlich höheren IQ als dieser nichtsnutzige Bastard. Mit steifen, angespannten Muskeln stehe ich vom Tisch auf, wobei ich einige leise Abschiedsworte an Zorro richte, der mich mehr neugierig als fragend mustert, bevor ich mir rücksichtslos einen Weg durch die Meute von Männern und vorbei an Tischen und Bänken suche. Meine Augen sind dabei ganz gezielt auf die dunkle, morschwirkende Eingangstür gerichtet, hinter der sich die Freiheit von meiner Gefangenschaft befindet, die Robin für mich darstellt. Und obwohl ich mit einer eisernen Entschlossenheit sämtliche Geräusche und Personen hinter mir ausschließe, empfängt mich hier draußen auf der Straße eine fast ähnliche Atmosphäre. Die tiefschwarze Nacht, die nur von dem hellen Licht der Schenke ein wenig erhellt wird, knistert förmlich vor Anspannung, während irgendwo in der Ferne ein leises, dumpfes Grollen ertönt. Doch nicht nur an der nach Regen schmeckenden Luft erkenne ich, dass ein Unwetter aufzieht, das ironischerweise mein inneres Chaos widerzuspiegeln scheint, sondern ich fühle es auch in meinen Knochen. Aber das passt mir ganz gut, wird der Regen mir neben der kühlen Feuchtigkeit womöglich dabei helfen wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Um die friedliche Stille der Nacht noch ein wenig zu genießen, die eine entspannende Wirkung auf meine Nerven ausübt, betrete ich die schmale Seitengasse neben der Bar, in der ich sofort von einer allumfassenden Dunkelheit eingehüllt werde. Doch kaum dass ich mich an die kühle Hauswand gelehnt habe und zu dem schwarzen Nichts des Firmaments hinaufblicke, höre ich, wie sich die Tür der Schenke erneut öffnet, die auch schon nach wenigen Sekunden die ausgelassene Stimmung aus dem Inneren wieder aussperrt. In der Annahme jeden Augenblick einen besorgten Sanji an der Gasse vorbeilaufen zu sehen, wende ich meinen Kopf der Straße zu, während sich leise Schritte nähern. Aber die fast schon nur aus Schatten bestehende Gestalt, die dann in mein Blickfeld tritt und zu meinem Schrecken auch noch am Eingang stehen bleibt, stimmt so gar nicht mit der von Sanji überein. Und dass nicht nur, weil die Person ein gutes Stück größer ist als er, sondern auch, weil ihre weiße Hose trotz der nächtlichen Dunkelheit wie ein Signalfeuer hell aufleuchtet. „Ist alles in Ordnung?“, erklingt Robins sanfte Stimme in der Dunkelheit, in der ein Hauch von Sorge mitschwingt, während sie langsam auf mich zukommt, fast schon zögernd, als befürchte sie eine Zurückweisung von mir. Doch ich bin zu keiner Regung fähig. Wie festgefroren blicke ich ihr entgegen, derweil ich mich wundere, wie sie wissen konnte, dass ich es bin, denn die Schwärze in der kleinen Gasse macht es ja schon mir selbst fast unmöglich die eigene Hand vor Augen erkennen zu können. Aber am Allermeisten stört es mich, dass ich nur die perfekten Umrisse von Robin erblicke, als sie vor mir zum Stehen kommt, wo ich doch viel lieber ihre asketischen Gesichtszüge mit den so exotischgeformten Augen sehen will, auch wenn diese mir keinen Blick in das Innere ihres Herzens gewähren. Nur das kalte Blau ihrer Iris hebt sich hell von den übrigen Schatten ab, in die ihr Gesicht getaucht ist. „Ist es wegen Sanji?“ Wie von selbst legen sich meine Arme um ihren schwanengleichen Hals, als ihre leise, mitfühlende Stimme meine Sinne wie ein sanfter Hauch umweht und mir einen wohlgefälligen Schauer über den Rücken laufen lässt. Als wenn ich die Kontrolle über mich selbst verloren hätte, schmiege ich mich eng an Robins festen und doch nachgiebigen Körper, während ich mit einer Hand ihren Kopf zu mir herabbeuge, um dann meinen Mund auf ihre weichen Lippen zu legen. Aber es vergeht keine Sekunde, als ich unter meinen sensibilisierten Fingerspitzen das leichte Zusammenzucken ihres Körpers spüre und mich wieder zur Besinnung bringt. Über mein eigenes Handeln mehr als entsetzt, löse ich mich mit einem hastigen Satz von ihren Lippen, wobei ich schmerzhaft hart gegen die Hauswand pralle, während Robin aufgrund meiner plötzlichen Bewegung um ihr Gleichgewicht bemüht ist und einen Schritt zurückstolpert. Am Liebsten würde ich jetzt die Beine in die Hand nehmen und das Weite suchen … einfach nur noch weg von ihr. Aber stattdessen blicke ich sie aus weiten kugelrunden Augen entsetzt an und warte gespannt und voller Nervosität auf irgendeine Reaktion von ihr, die mir verraten würde, was sie von meinem hirnrissigen Überfall hält. „So ist das also“, höre ich sie schließlich nach einer endlos scheinenden Minute murmeln, wobei ihre sinnenden Worte mehr an sich selbst gerichtet sind als an mich. Doch sie reichen aus, um mich vor Furcht noch mehr erstarren zu lassen, zumal mir die Erkenntnis in ihrer Stimme nicht entgangen ist. „Nein!“, rufe ich laut aus, wobei ich über die fast kreischende Lautstärke meiner eigenen Stimme erschrocken zusammenzucke, derweil ich gleichzeitig in einer hilflosen Geste meine Hände hebe und verzweifelt nach einer plausiblen Erklärung meines vorherigen Tuns suche. „Nein, so … so ist das nicht! Ich meine, ich … ich … also, du …“ Mit jedem Wort meines sinnlosen Gestammels wird meine Stimme schwächer und schwächer, um schlussendlich ganz zu verklingen, während ich Robin dabei beobachte, wie sie einer Raubkatze gleich näher an mich herantritt, bis sie so dicht vor mir steht, dass ich ihren warmen Atem auf meiner erhitzten Haut fühle. Im nächsten Moment, und für mich völlig unvorhergesehen, spüre ich auch schon mein Gesicht von ihren weichen, kühlen Händen umrahmt. Stockend nach Luft ringend und wie gelähmt vor dem, was mich gleich erwartet, kann ich nur tatenlos zusehen, wie sich ihr Gesicht quälendlangsam dem meinen nähert. Aus lauter Nervosität schließe ich meine Augen und befeuchte mir, trotz meines staubtrockenen Gaumens, mit der Zunge meine Lippen, als mich dann sekundenspäter einige ihrer Haarsträhnen kitzeln und mir wieder ihr lieblicher Duft von Flieder in die Nase steigt. Doch das sinnliche Gefühl ihrer Lippen auf den meinen bleibt aus. Stattdessen spüre ich ihre samtene Wange sich an meiner schmiegen, während ihr Atem mit den Härchen an meinem Ohr spielt. „Ich kann warten“, ist alles, was sie mir zuflüstert. Ist alles, was sie tut, bevor sie mit einer streichelnden Bewegung mein Gesicht wieder freigibt und sich von mir abwendet, um dann lautlos die schmale Gasse zu verlassen, während ich ihr nur stumm und verwirrt hinterher blicke. Kapitel 2: Confusion -------------------- Was mache ich hier eigentlich? Warum sitze ich nicht in meiner gemütlichen Kajüte und arbeite an meinen Landkarten? Ich könnte dabei einen warmen Tee trinken, während ich meine Skizzen und Notizen durchgehe und einige Verbesserungen an den Karten vornehme. Ich könnte in meiner Arbeit völlig aufgehen, so dass ich meine Umgebung gar nicht mehr wahrnehme und an nichts mehr denke. Irgendwann würde ich dann völlig überrascht feststellen, dass der Morgen fast anbricht, und würde mit einem Recken und Strecken meiner Muskeln todmüde ins Bett fallen. Doch was mache ich stattdessen? Ich wandere ziellos in den zahlreichen Gassen und Straßen der Stadt umher, während der kalte Regen meine Kleidung durchdringt und der eisige Wind mir um die Ohren peitscht. Warum setze ich mich also dieser rauen Naturgewalt aus? Weil ich es auf der Flying Lamb einfach nicht mehr aushalte; weil ich Sanjis nervende Fragen nicht länger ertrage; weil ich nur noch an den Kuss denken kann; weil ich von nichts anderen mehr träume als von IHR … und das seit drei Nächten! Drei endlos erscheinende Nächte, in denen ich mehrfach mit wild klopfenden Herzen und einem schweißbedeckten Körper erwache, der stumm nach erlösender Befriedigung schreit. Drei Nächte, in denen ich mich in meinem Bett in lustvoller Begierde winde und mich nach ihren verheißungsvollen Lippen verzehre. Doch es ist nicht richtig, was ich fühle … was ich träume … was ich mir insgeheim wünsche. Es ist nicht richtig und darf nicht sein! Und doch … ihre Worte gehen mir nicht mehr aus den Kopf. Immer und immer wieder, wie eine endlose Litanei, höre ich ihre sanfte flüsternde Stimme an meinem Ohr und spüre ihren heißen Atem auf meiner Haut, die in mir eine unerwünschte Hoffnung auslösen. Robin weiß, was in mir vorgeht … wie ich für sie empfinde. Verbotene Gefühle, die ich nicht zulassen darf … aber die sie akzeptiert … sie scheinbar sogar willkommen heißt. Bedeutet das, dass sie genauso empfindet? Dass sie ebenfalls tiefe Gefühle für mich hegt, wie ich für sie? Aber das kann nicht sein! Wir sind beide von gleichem Geschlecht. Wir sind beide Frauen, zwischen denen es einfach keine Liebe geben darf. Oder vielleicht doch? Ist es möglich, dass sich zwei Frauen lieben können? Es sogar dürfen? Gibt es irgendwo auf der Welt Frauen, die andere Frauen lieben … ihre Zuneigung offen zeigen? Seufzend vergrabe ich meine Hände tiefer in die Taschen meiner Jacke, unterdrücke das aufstrebende Gefühl von Hoffnung, während ich nur betrübt den Kopf angesichts der sich ständig im Kreis drehenden Fragen schüttle, ohne auch nur die Antworten zu erhalten. Der Regen hat mittlerweile ein wenig nachgelassen und fühlt sich nicht länger mehr wie spitze Nadelstiche auf meinem Gesicht an. Doch der Wind bläst nach wie vor mit ungehemmter Stärke über die Stadt hinweg und reißt die welken Blätter von den Bäumen, die knarrend und ächzend der gewaltigen Kraft nachgeben und sich leicht biegen. Und zum ersten Mal, seit ich die Flying Lamb – vor Minuten oder gar Stunden – verlassen habe, nehme ich meine Umgebung erstmals wieder so richtig wahr. Auf der hastigen Flucht vor der verzehrenden Rastlosigkeit meines Inneren habe ich überhaupt nicht darauf geachtet, wohin ich gelaufen bin. Und jetzt stehe ich hier … mitten auf einer morastigen Straße … umringt von nah beieinander stehenden Häusern, deren Fassaden von zickzackförmigen Rissen überzogen sind; umgeben von tiefschwarzen Schatten, die sich zu unförmigen und grotesken Fratzen verziehen. Eine kalte Furcht breitet sich in mir aus und umfängt mein Herz, während ich mit einer Hand nach meinen Stöcken greife, die ich mir vor dem Verlassen des Schiffs – und in einem kurzen Anflug rationalen Denkens – vorsorglich um den Oberschenkel gebunden habe. Langsam drehe ich mich um die eigene Achse, in der Hoffnung irgendwo ein helles Licht hinter einem Fenster zu sehen, das das finstere Nichts um mich herum durchdringt. Doch alles ist dunkel, und selbst die schmale Sichel des Mondes bleibt von den regenschweren Wolken verdeckt. Im Augenblick wünschte ich, ich könnte mir für meine törichte Gedankenlosigkeit in den Hintern treten. Nicht genug, dass der Himmel seine Schleusen geöffnet hat – und wohl auch nicht gedenkt sie in nächster Zeit wieder zu schließen – und ich bis auf die Haut durchnässt und durchfroren bin, befinde ich mich auch noch mitten in der Nacht irgendwo in den Straßen einer fremden Stadt. Ich bräuchte mich jetzt also nicht zu wundern, wenn man mich angreifen würde, da meine Unvorsichtigkeit ja geradezu danach schreit. Angestrengt lausche ich daher dem stetigen Prasseln des Regens zu, ob sich nicht vielleicht noch ein anderes Geräusch hinzu gesellt, mir einen Hinweis von Geschäftigkeit liefert. Doch die einzigen Laute, die ich vernehmen kann, sind das plätschernde Rauschen des Regens und das dumpfe Ploppen der Tropfen auf Holz. Und auch in den Schatten scheint sich nichts zu bewegen, wodurch mich mit einem Mal das Gefühl des Alleinseins überkommt. Das schwarze Nichts um mich herum, in dem nichts Lebendiges zu sehen ist, erdrückt mich … kommt immer näher … lässt mich wieder die trostlose Einsamkeit verspüren, die ich ertragen musste, als ich noch für Arlong gearbeitet habe. Sofort verdränge ich vehement die grausamen Erinnerungen aus meinem Kopf und versuche mir einzureden, dass ich alles andere als alleine bin. Dies ist schließlich eine Stadt! Und egal, wo man ist, so ist es doch üblich, dass in jeder Stadt und in jedem Dorf selbst bei Nacht noch ein gewisses Treiben herrscht – selbst wenn es sich dabei um herumstreunende Hunde oder Katzen handelt … oder um Ratten, die im stinkenden Abfall wühlen. Doch bei diesem regelrechten Sauwetter sollte es mich eigentlich nicht wundern, dass sich nicht einmal die Tiere auf die Straßen trauen. Ich selbst spüre allmählich die Kälte in meinen Knochen, so dass ich kaum noch das unkontrollierbare Zittern unterdrücken kann. Und auch meine nassen Sachen, die mir unangenehm am Körper kleben, werden mir mittlerweile bewusst. Ein deutliches Zeichen dafür, dass es an der Zeit wird zum Schiff zurückzukehren, auch wenn mein Kopf nach wie vor noch voller Fragen ist. Doch damit kann ich mich auch am helllichten Tage noch befassen. Viel dringender ist es jetzt für mich den Weg zur Lamb zurückzufinden. Leider habe ich in meiner Unachtsamkeit nicht auf den Weg geachtet, so dass ich nicht einmal sagen kann, aus welcher Richtung ich gekommen bin. Mein Wissen darüber, dass der Hafen – und damit auch das Schiff – irgendwo in nördlicher Richtung liegt, hilft mir leider auch nicht viel, da mir selbst ein Blick hinauf zum schwarzen Firmament keine Antwort darauf geben kann. Der grautobende Sturm verdeckt gänzlich den Nachthimmel. Ich kann nicht einmal einen kleinen Riss in den Wolken erkennen, durch den ein Stern mir den Weg hätte weisen können. Seufzend muss ich mir eingestehen, dass ich keine andere Wahl habe, als mich auf meine Intuition zu verlassen und zu hoffen, dass ich auch den richtigen Weg einschlage. Doch das dürfte sich als recht schwierig erweisen. Bereits am Tage musste ich feststellen, dass diese Stadt aus einem einzigen komplexen Labyrinth besteht, was mich an den Rand der Verzweiflung gebracht hat. Überall und an jeder Ecke zweigen Straßen und Gassen vom üblichen Weg ab, die entweder in einer Sackgasse enden oder wieder einen dorthin bringen, von wo aus man gestartet ist. Und während ich mich zu entscheiden versuche, welche dieser Straßen ich folgen soll, schießt mir die lächerliche Frage durch den Kopf, ob die Bewohner jeden Tag mit einer Straßenkarte in der Hand durch die Stadt laufen. Ein leises Kichern entringt sich mir bei dieser Vorstellung, das allerdings im nächsten Augenblick auch schon wieder verebbt, angesichts meiner etwas trostlosen Situation. Aber dann muss ich mich fragen, wie zum Teufel ich mich bei Nacht zu Recht finden soll, wenn ich es schon bei Tage nicht geschafft habe? Während ich also zögere, welchen Weg ich einschlagen soll, bemerke ich aus den Augenwinkeln ein kurzes helles Aufflackern. Schnell blicke ich hinüber, doch da war es auch schon wieder weg, und ich frage mich, ob ich es mir nur eingebildet habe. Vielleicht war es nur eine Reflektion eines Blitzes? Aber bereits im nächsten Augenblick sehe ich es wieder. Für einen kurzen Moment ist das Ende einer Gasse in ein sehr dunkles Licht getaucht, so dass ich nur die schemenhaften Umrisse einer Mauer erkennen kann. Angetrieben durch die neuangefachte Hoffnung renne ich auf das Licht zu, ungeachtet dessen, dass ich auf meinem Weg jede noch so kleine Pfütze mitnehme und mir das Regenwasser an meinen Waden hinunter rinnt. Am Ende der Gasse beschreibt der Weg eine Rechtskurve, aus der die Lichtquelle herrührt. Ohne dass ich jetzt überrascht wäre, bestätigt mir ein Blick um die Ecke auch sofort meine Vermutung. Im böigen Wind schaukelt leise quietschend eine kleine Sturmlaterne, die an einer Halterung eines Verandapfostens hängt. Auch aus den dahinter liegenden Fenstern, bestehend aus dicken Milchglas und in gleichmäßig angeordneten Rechteckfeldern, durch die man hindurch nichts erkennen kann, dringt dunkles Licht, was mich vermuten lässt, dass dies die einzige Schänke ist, die in der gesamten Stadt noch geöffnet hat. Kaum, dass mir dieser Gedanke durch den Kopf geht, befinde ich mich auch schon unter dem Verandadach, meine Hand um den kühlen Griff des Türknaufs geschlossen, den ich in der nächsten Sekunde drehe und den dahinter liegenden Raum betrete. Ich muss ein ziemlich lächerliches Bild abgeben, wie ich so dastehe und mit einem offen stehenden Mund und weit aufgerissenen Augen auf das Treiben vor mir blicke. Im Grunde genommen habe ich mit allem gerechnet – unflätige Bemerkungen, anzügliche Witze, Hände, die nach meinem Körper grapschen – aber nicht, dass sich halbnackte Männer und ebenso halbnackte Frauen auf irdengroßen Kissen am Boden in eindeutigen Umarmungen räkeln. Meine Anwesenheit nimmt nur einen Sekundenbruchteil ihrer Aufmerksamkeit in Anspruch, so dass sie für einen Augenblick zu mir herüberschielen, ohne dabei von ihrem Treiben abzulassen, bevor sie sich wieder voll und ganz auf ihren Partner konzentrieren. Schnell schließe ich die Augen, als mein Blick auf zwei Männer fällt, die einen weiblichen Körper mit ihren gierigen Händen überall streicheln und deren Münder den wohlgeformten Busen mit Küssen übersäen. Krampfhaft versuche ich meine Augen geschlossen zu halten und meine Ohren vor den quietschenden und lang gezogenen Stöhnen zu verschließen, die mehr als nur vergnügliches Wohlwollen zum Ausdruck bringen, während ich gleichzeitig mit fahrigen Fingern nach dem Türknauf hinter mir suche. Ich bin so mit meinem Wunsch beschäftigt, diesen Ort so schnell wie möglich zu verlassen, dass ich fast die raue melodische Stimme überhöre, die scheinbar zu mir spricht. Langsam – und mit dem Schlimmsten rechnend – öffne ich meine Augen zu einem winzigen Spalt. Als sich die verschwommenen Linien dann zu einem klaren Bild geformt haben, sehe ich vor mir eine Frau von exotischer Schönheit stehen. Langes nachtschwarzes Haar, das zu einem einzigen geflochtenen Zopf über ihrer Schulter liegt, umschmeichelt ein ovalgeformtes Gesicht, deren dunkle Haut mich ein wenig an die Farbe von Haselnüssen erinnert. Braune mandelförmige Augen, umrahmt von schwarzen Kajal, blicken mich verständnisvoll an, während der Mund mit seinen vollen blassen Lippen zu einem freundlichen Lächeln verzogen ist. Im Gegensatz zu den anderen Anwesenden im Raum, sind die weiblichen Attribute dieser Frau verhüllt. Über dem smaragdgrünen BH-artigen Oberteil trägt sie einen weißen durchsichtigen Schleier, der an den Trägern auf der Schulter befestigt ist. Nur zu gut kann ich mir vorstellen, dass dieses Kleidungsstück die Fantasie der Männer anregt, da der Schleier ihr Dekollete nur verschwommen darstellt. Das Gleiche gilt aber auch für das Unterteil, dass ich in meinen Gedanken nur als ein „Etwas“ bezeichne, da ich mir nicht sicher bin, was es genau darstellt. Ist es nur ein recht kurzes Höschen? Oder vielleicht doch nur eine neumodige Art eines Rockes? Die gazellengleichen Beine liegen für jeden Betrachter völlig offen dar und nur zwei ellenlange Schöße bedecken sowohl vorne als auch hinten gerade mal das Nötigste. Gerade als ich fragen wollte, was sie zu mir gesagt hat, legt sich eine schlanke Hand um meinen Unterarm. Die goldenen Armreifen um ihr Handgelenk geben dabei ein leichtes Klimpern von sich. Mit einem sanften Druck gibt mir die unbekannte Frau zu verstehen, dass ich ihr folgen soll. Überwältigt von dem Geschehen um mich herum, kann ich nichts anderes tun als nur sprachlos mit dem Kopf zu nicken, um dann anschließend, leicht stolpernd und an den Liebenden vorbei, weiter ins Innere des Hauses geführt zu werden. Zu viele Eindrücke schwirren mir im Kopf herum, als das ich irgendwie auch nur auf meine Umgebung achte, so dass ich es kaum bemerke, wie wir durch mehrere Türen gehen, bis ich schließlich inmitten eines kleinen Raumes stehe, der scheinbar als Garderobe dient. Überall, wohin ich auch blicke, sehe ich einen bunten Wirrwarr von Kleidern, die an den Wänden auf Bügeln hängen; Regale voller Hüte in den unterschiedlichsten Größen und Farben, die mit Federn oder Pailletten geschmückt sind; reichverzierte Gürtel, die gebunden oder umgeschnallt werden können; Schuhe und Stiefel, flach oder mit Absätzen, in den verschiedensten Ausführungen. Allmählich werde ich mir meiner Sprachlosigkeit bewusst, während ich meine Umgebung mit riesigen, staunenden Augen betrachte. Mir innerlich einen Ruck gebend, wende ich mich daher meiner Gastgeberin zu – wenn ich sie denn so bezeichnen darf? –, denn schließlich soll sie nicht glauben, ich sei stumm oder könne ihre Sprache nicht sprechen. „Es … es tut mir Leid, dass ich einfach so bei ihnen reingeplatzt bin“, stottere ich dann endlich, wobei ich mir meiner etwas kratzigen Stimme bewusst bin, so dass ich mich ein wenig räuspere. „Das macht doch nichts“, winkt sie mit unbekümmerter Stimme ab. „Ich heiße Tanara und bin die Besitzerin dieses Etablissement.“ „Nami.“ „Nami …“, wiederholt Tanara mit sinnierender Stimme, fast so, als wollte sie sich meinen Namen auf der Zunge zergehen lassen. „Du hast dich wohl verirrt?“ „Oh .. ähm, ja“, dränge ich mich zu einer Antwort, wobei ich meine anhaltende Sprachlosigkeit allmählich verfluche. Ich weiß nicht, was es ist oder woran es liegt, dass ich scheinbar zu keiner vernünftigen Kommunikation fähig bin, aber so langsam sollte ich mich nun doch ein wenig zusammenreißen. „Lasst euch durch das, was ihr draußen gesehen habt, nicht beeinflussen“, meint Tanara, während sie sich geschmeidig auf einen kleinen Hocker setzt, die gertenschlanken Beine übereinander schlägt und mich fast schon mütterlich ansieht. „Schließlich ist nichts Schlimmes passiert.“ Ihre Worte hören sich beinahe wie ein Tadel an und sorgen dafür, dass ich mich seltsamerweise schuldig fühle, obwohl ich überhaupt nichts getan habe. Ich spüre, wie ein leichter Groll in mir aufsteigt und ich mich in die Offensive gedrängt fühle, so dass ich auch gleich sofort zum Angriff übergehe. „Es kommt nun einmal nicht oft vor, dass ich einen Raum betrete, in dem irgendwelche Leute ihrem primitiven Trieb nachgehen und übereinander herfallen.“ Zunächst bekomme ich auf meine schnippische Bemerkung eine fragendhochgezogene Augenbraue zur Antwort, bevor Tanara dann leise zu lachen anfängt, das allerdings zur Folge hat, dass mein Groll nur noch mehr ansteigt. Die Lippen fest zusammen gekniffen, blicke ich Tanara aus schmalen Augen an, wobei ich hoffe, dass mein Blick auch wirklich böse ist. „Meine Mädchen und die Männer dort“, weist sie mit einer Hand zur Tür und völlig unbekümmert angesichts meiner angesäuerten Miene, „gehen sicherlich ihren Trieben nach. Aber in erster Linie frönen sie ihrer Liebeslust und haben Spaß mit dem, was sie tun. Oh, ich weiß schon“, hält sie mich mit erhobener Hand von einer passenden Erwiderung ab, „du gehörst zu der Sorte Frau, die Sex hinter verschlossener Tür und abgedunkelten Fenstern hat. Aber darf ich dich fragen, warum?“ Völlig überrumpelt, angesichts der plötzlichen Wendung dieses Gespräches, bin ich zunächst zu keiner Antwort fähig. Wie kommt es, dass wir jetzt über mein Sexleben reden? Haben wir nicht gerade noch darüber gesprochen, dass ich mich ein wenig Unwohl in diesem Haus fühle? Dass ich – zu recht! – geschockt über das vorhin Gesehene bin? Und überhaupt – was bildet sich diese dämliche Zicke ein mir irgendwelche Vorhaltungen zu machen? Nur, weil ich in dem Irrglauben war, dass es sich hierbei um ein Gasthaus handelt, hat sie noch lange nicht das Recht mich wegen meiner Ansichten zurechtzuweisen! Jeder hat das Recht sich seine eigene Meinung zu bilden, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, ob man damit vielleicht jemanden vor den Kopf stößt – basta! „Es tut mir Leid“, höre ich Tanara mit leiser Stimme sagen, als ich gerade vorhabe mich zur Tür zu wenden, um diesen unseligen Ort an Ausschweifungen zu verlassen. Mich innerlich dafür verfluchend, dass ich dem entschuldigenden Ton nachgebe, bleibe ich mit dem Rücken zu ihr stehen, meine Hände dabei zu Fäusten geballt. „Wir haben beide unterschiedliche Ansichten über Sex, und das sollte ich akzeptieren. Obwohl mich die Engstirnigkeit der Menschen so verdammt wütend macht.“ „Warum Engstirnigkeit?“ Jetzt habe ich es doch getan! Anstatt ihre Entschuldigung höflich anzunehmen und dann zu verschwinden, bin ich so blöd und gehe auf diese Unterhaltung ein, und das auch noch mit neugierigem Interesse. Dabei habe ich doch überhaupt keine Lust über dieses Thema zu reden. Und davon mal abgesehen, habe ich doch ganz andere Probleme, wie zum Beispiel, dass ich irgendwie zur Flying Lamb zurückkehren muss. „Weißt du“, beginnt Tanara zu erklären, „in den Köpfen der Leute hat sich eine Moralvorstellung manifestiert, die einen in seinem Freiheitsdrang einschränkt. So gilt der Geschlechtsakt als auch der männliche und weibliche Körper in der Gesellschaft zu einem Tabuthema. Man redet nicht darüber. Aber warum das so ist, kann keiner sagen. Man nimmt es einfach als Gegeben an. Und dabei ist nichts Beschämendes daran.“ „Du meinst also, wenn ein Mann und eine Frau Lust auf Sex haben, dann sollen sie ihrer Lust an Ort und Stelle nachgeben?“ Meine Wut auf Tanara ist längst verraucht, und stattdessen höre ich ihr ganz interessiert zu. Ihre Denkweise ist faszinierend und erfrischend zugleich. Irgendwo im hintersten Teil meines Kopfes kann ich das Gesagte verstehen. Und ich erkenne auch, dass ihre Worte eine Menge Wahrheitsgehalt beinhalten. „Oh, nein“, lacht Tanara laut auf, und wieder bin ich verwirrt. Habe ich ihre Worte doch falsch verstanden? „Wenn das jeder machen würde, würde es nur zu einem völligen Chaos führen. Stell dir nur mal vor, was eine solche Tat für Aufsehen erregen würde. Man hätte dann etliche Zuschauer, die einen begaffen. Und du könntest dich nicht mehr auf deine Lust konzentrieren. Nein, ich meine damit, wenn du einen Partner hast, dann zeige ihm ganz ungeniert deinen Körper. Sag ihm, wie er dich streicheln oder küssen soll. Das Gleiche gilt natürlich auch umgekehrt. Der Geschlechtsakt ist ein ständiges Geben und Nehmen. Und du und dein Partner sollen Spaß daran haben.“ Ein tiefes Schweigen legt sich über uns, während Tanara mich seelenruhig über das eben Gesagte nachdenken lässt, während ich langsam und völlig vertieft durch den Raum wandere. Und ich denke wirklich über ihre Worte nach. Denn wenn ich so an den Sex mit Sanji denke, so muss ich erkennen, dass ich stets diejenige war, die gegeben hat. Und Sanji war immer derjenige, der genommen hat. Zwar hat es auch Momente gegeben, die wirklich sehr schön für mich waren, aber das, was Tanara gesagt hat, lässt mich vermuten, dass es noch mehr gibt. Ich fühle mich mit einem Male wie elektrisiert. Es juckt mir in den Fingern herauszufinden, was dieses „mehr“ ist – und wie es sich anfühlt. Plötzlich entsteht vor meinem inneren Auge ein Bild, das mich mit Robin in einer leidenschaftlichen Umarmung zeigt. Erschreckt zucke ich zurück, wodurch ich einen Schritt zurückstolpere, da ich noch zusätzlich einen Stich von unerfüllter Sehnsucht verspüre. Erneut muss ich an Tanaras Worte denken und unwillkürlich stellt sich mir eine Frage. Abschätzend blicke ich zu ihr hinüber, die völlig gelassen auf dem Hocker sitzt, das Kinn auf eine Hand abstützend. Sie hat eine offene, ehrliche Art, wie es mir erscheint. Und ihre Worte bezeugen, dass sie eine von vielleicht einer handvoll Leuten ist, die auch ganz offen ihre Meinung vertritt. Ob ich es also wagen kann? Im schlimmsten Falle würde Tanara mich hinauswerfen, und mich vielleicht auch beschimpfen. Meinen gesamten Mut zusammennehmend, wende ich mich ihr gänzlich zu. Mein Mund ist staubtrocken und meine Zunge fühlt sich seltsam pelzig an, während mir eine heiße Röte ins Gesicht schießt. Dennoch straffe ich meinen Rücken, gewappnet für das, was kommen mag. Und bevor ich es mir noch einmal anders überlegen kann, stelle ich Tanara mit geschlossenen Augen die wohl mit Abstand wichtigste Frage meines Lebens. „Ist es möglich, dass zwei Frauen sich lieben können?“ ++ Ehrlich gesagt, noch nie hatte ich solche Probleme gehabt ein Kapitel zu schreiben wie bei diesem hier. Zeitweise habe ich mich mit einer Schreibblockade rumärgern müssen, wodurch ich mich einfach nicht in den Charakter hinein versetzen konnte. Etliche Handlungen habe ich geschrieben und wieder verworfen, weil ich einfach nicht zu dem von mir gewünschten Ausgangspunkt kam. Und ehrlich gesagt, habe ich es auch jetzt noch nicht so wirklich geschafft - womit ich mir auch ein Eigentor geschossen habe. Es wird noch ein drittes Kapitel geben - supi :( Und das, hoffe ich, wird dann auch das Letzte sein ++ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)