Kannst du es fühlen? von -Ayla- (Atemu x Yugi) ================================================================================ Kapitel 11: Frohe Weihnachten! ------------------------------ kursiv = Gedanken 10. Frohe Weihnachten! In der großen Aula war es ziemlich laut. Yugi und seine Freunde waren extra etwas früher gekommen, um sich noch einigermaßen gute Plätze zu sichern, immerhin stand das einzige Mädchen der Clique heute auf der Bühne. Sie hatten sich auch gleich Karten für die Premiere besorgt. Yugi und Tristan hatten ja schon ein paar Einblicke in das Theaterstück gehabt, aber allzu aufschlussreich waren die dann doch nicht gewesen, vor allem für Yugi nicht, der nur bei einer Probe dabei gewesen war und sich mehr auf die Kussszene mit Atemu konzentriert hatte. Auf der Bühne waren schon einige Requisiten vor dem braunen Samtvorhang zu sehen. Vor der Bühne waren Stuhlreihen aufgestellt worden. Als Yugi sich zuvor einen Überblick verschafft hatte, hatte er festgestellt, dass er kaum einen der Zuschauer kannte, bis auf einige Lehrer. Andere 13klässler zogen es wahrscheinlich vor, jetzt schon für die Abiturprüfungen zu lernen. Während Joey von seinen Küssen mit Mai erzählte und Tristan ihm im Gegenzug von den seinigen mit Téa berichtete, hörte Yugi nur mit halbem Ohr zu und er konnte sehen, dass es Bakura auf der anderen Seite ihrer Viererkette nicht anders ging. Was interessierte es ihn, ob Mai es lieber hatte, wenn sie Joeys Mundhöhle erkunden durfte, oder umgekehrt? Es war nur etwas seltsam, das Ganze dann auch über Téa zu hören, mit der er ja auch befreundet war. Unterdessen sah Yugi sich lieber etwas um. Dennoch bemerkte er erst gar nicht, wie Atemu sich plötzlich auf den leeren Stuhl neben ihm Fallen ließ. Er hatte sich nämlich gerade zu seinen Freunden hinübergebeugt, die jetzt dazu übergegangen waren, zu diskutieren, ob Duellantinnen besser küssen konnten als andere oder eben nicht. Natürlich hatte Yugi keinen Vergleich, aber er hörte Bakura interessiert zu, der sich nun in das Gespräch eingeschaltet hatte. Was Bakura zu sagen hatte, war für Yugi sowieso immer das Interessantere gewesen. Deshalb zuckte er leicht zusammen, als er etwas an seinem Bein spürte und erst recht, als er sah, wer ihn gestreift hatte. Doch Atemu hatte die Augen geschlossen, die Beine von sich und unter den Stuhl vor sich gestreckt und sich nach hinten gelehnt. Yugi machte sich sofort wieder Sorgen. „Haben Sie nicht gut geschlafen? Sie sehen so müde aus!“ Atemu öffnete langsam die Augen und lächelte Yugi dann leicht an. „Nein, habe ich tatsächlich nicht!“ Der Ältere setzte sich wieder aufrecht hin, ohne Yugi dabei aus den Augen zu lassen und fuhr fort: „Ich habe meiner Tante den Gefallen getan und zwei Tage auf ihre Kinder aufgepasst. Die Älteste ist sieben, der Junge ist fünf und das Baby 15 Monate.“ Er seufzte. „Du kannst dir wahrscheinlich gar nicht vorstellen, wie anstrengend so was ist. Die Kleine brauchte dauernd ihr Flächchen, auch nachts und die anderen wollten abends nicht schlafen und sind heute Morgen um sieben wieder auf mir rumgeturnt. Und dann haben sie mir tagsüber auch keine Ruhe gelassen, weil ständig einer von ihnen meine Aufmerksamkeit beansprucht hat. Zum Glück habe ich mich für Gymnasiallehramt entschieden und nicht für die Grundschule. Ich bin froh, dass ich es überhaupt noch rechtzeitig hierher geschafft habe. Ich hatte schon befürchtet, erst anzukommen, wenn das Stück schon angefangen hat.“ Yugi grinste ihn an. „Und Ihre Tante und Ihr Onkel haben sich bestimmt zwei schöne Tage gemacht.“ Atemu zog die Augenbrauen hoch und nickte kräftig. „Oh ja. Aber wenn ich bedenke, dass die beiden jetzt schon sieben Jahre im Dauerstress sind … sie haben sich zwar gegenseitig, aber auf der anderen Seite haben sie es doch sicherlich mal verdient, zwei Tage alleine zu sein, oder?“ Es war zwar offensichtlich, dass er keine Antwort erwartete, aber Yugi tat es trotzdem. „Ja sicher. Aber Babys sind doch süß.“ Atemu stöhnte. „Aber nur solange man weiß, dass man sie bald wieder weggeben kann. Ich habe irgendwann angefangen, die Minuten zu zählen. Die Älteste konnte sich ja noch damit beschäftigen, wieder meinen Terminkalender anzumalen.“ Als Atemu das erwähnte, lief Yugi im Gesicht knallrot an. Ja, das hatte Yugi schon so einige sorgenvolle Momente beschert. Er konnte sich noch allzu gut an die Blumenranken und Luftballons erinnern. „Kinder sind schon was besonderes“, murmelte Yugi vor sich hin, konnte Atemu aber nicht mehr ansehen. Bevor dieser noch etwas erwähnen konnte, ging das Licht in dem Saal aus und der Vorhang schob sich auseinander. Dahinter waren einige Schüler, noch unbeweglich, zu sehen. Als Téa dann schließlich auf dem improvisierten Drachenfelsen saß und auf ihren Ritter wartete, warf Yugi Atemu einen kurzen Blick zu. Da Atemu im gleichen Moment den Kopf zu ihm drehte, wandte Yugi sich schnell und mit rotem Gesicht wieder der Handlung zu. ** „Wie kommst du denn darauf?“ Yugi sah sein Gegenüber entsetzt an. „Stell dich nicht so an!“ rief Joey. „Mai hat mich nun mal auf ihre Geburtstagsparty eingeladen. Aber da ich da niemanden außer ihr selbst kenne, hab ich mir gedacht, dass ich dich mitbringe.“ „Ja, aber wie ich dich kenne, wirst du die ganze Zeit mit ihr knutschend in einer Ecke hocken, während ich zusehen kann, wo ich bleibe!“ Der Kleinere funkelte ihn an. „Falls sie sich wirklich mal um die anderen Gäste kümmern sollte, kannst du ja Kontakte mit deinen Sitznachbarn knüpfen. Du weißt doch, dass mir das viel schwerer fällt, wenn sie ständig auf deinem Schoß sitzt und du mich keines Blickes würdigst!“ Da er wütend war, feuerte er die Spielepackung in seiner Hand fester ins Regal, als beabsichtigt. Joey folgte jedem seiner Schritte durch den Laden, um ihn doch noch zu überzeugen. „Aber ich habe Mai schon fest zugesagt, dass ich dich mitbringe!“ erklärte er. Der Blonde schien bereit zu sein, wenn nötig den ganzen Tag zu diskutieren. „Na und? Das ist doch nicht mein Problem!“ Nicht nur, dass Joey bereit war, den Rest des Tages damit zu verbringen, auf ihn einzureden, nein, die andere Hälfte des Tages war er schon dabei. Er war früh, also was für seine Verhältnisse an einem Samstagmorgen früh bedeutete, gekommen, war dann nach dem Mittagessen wiedergekommen und wartete kurz vor Ladenschluss noch immer auf eine positive Antwort. „Bitte, Yugi!“ Joey setzte seinen Dackelblick auf. Es war das erste Mal heute, dass Joey das Wort ‚Bitte’ benutzt hatte und bei diesem Blick war Yugi schon versucht, nachzugeben. Aber wenn er sich nicht auf einen verdammt langweiligen Abend einlassen wollte, musste er hart bleiben. „Nein!“ „Du bist doch mein bester Freund!“ jammerte Joey. „Das Eine hat doch nichts mit dem Anderen zu tun! Frag Tristan!“ Yugi stöhnte genervt. „Das hat sehr wohl was miteinander zu tun! Wenn du mein Freund bist, kommst du mit“, erklärte Joey herausfordernd, alles Gejammer wieder aus seiner Stimme verschwunden. „Also erpressen lasse ich mich schon mal gar nicht!“ Yugi war mittlerweile, immer mit Joey im Schlepptau, ins Lager gegangen und nahm einen großen Stapel Spiele auf den Arm. „Du würdest mir besser mal helfen, als mir doof hinterher zu dackeln!“ „Wenn du am Freitag mit mir mitkommst!“ Joey setzte ein süffisantes Grinsen auf. Yugi verdrehte die Augen. „Nein, dann mache ich es lieber alleine!“ „Na komm schon!“ Joey klang wieder flehentlich, nahm Yugi den oberen Teil seines Stapels ab und gemeinsam bugsierten sie die Spiele in den Laden und räumten sie ein. Joey hatte noch nie wirklich widersprechen können, wenn sein kleiner schmächtiger Freund ihn um Hilfe gebeten hatte. Das gab ihm ein gewisses Maß an Selbstwertgefühl. Und er half ihm im Grunde auch gerne. Aber diesmal blieb sein Freund stur. „Nein, nein und nochmals nein! Du kannst ja wohl nicht ernsthaft von mir verlangen, dass ich mich dort fünf Stunden hinhocke und mich langweile!“ „Na, selbst wenn es so wäre, dann könntest du deine Gedanken zu Atemu schweifen lassen!“ grinste Joey. Yugi starrte Joey an. Das durfte doch nicht wahr sein! Er kniff die Augen leicht zusammen. „Joey!“ Seine Stimme war messerscharf. Dieser bemerkte, dass er offenbar zu weit gegangen war und hob beschwichtigend die Hände. „Ist ja schon gut! Aber überleg es dir noch bis Freitag!“ Dann stürmte er aus dem Laden. OK, er hatte nicht wirklich Angst vor seinem Freund, aber dieser konnte ganz schön ungemütlich werden, wenn er wütend war und eine Woche von Yugi ignoriert zu werden war für ihn viel schlimmer, als sich mit Tristan, Bakura und Duke gleichzeitig zu prügeln. Nicht, dass er das schon mal getan hätte, aber Yugis Strafe tat ihm immer wieder weh, da er doch sein bester Freund war, vor allem, wenn es ihm wegen seinem Vater wieder so richtig mies ging. Da war Yugi sein einziger Trost, seine einzige Stütze und er wusste, dass er in diesen Fällen um jede Zeit bei ihm vorbeikommen konnte. Yugi sah dem Blonden seufzend nach. Er wusste, dass er seine Meinung in der einen Woche nicht ändern würde. Nachdem sein Freund schließlich verschwunden war, schloss er den Laden ab, zehn Minuten später, als auf den Öffnungszeiten angegeben. Aber weil er wegen Joey sowieso noch länger im Laden geblieben war, hätte es ihm auch nichts ausgemacht, noch einen kurz entschlossenen Kunden zu bedienen. Vermutlich wäre er sogar über die Ablenkung froh gewesen. Kurz blieben seine Gedanken tatsächlich an Atemu hängen, bevor er sie abschüttelte, das Licht löschte und geschwind die Stufen zu ihrer Wohnung hoch rannte. ** „Und, weißt du jetzt, was du anziehen willst?“ wollte Joey neugierig wissen. „Nein, keinen blassen Dunst.“ Yugi stand grübelnd vor seinem weit offen stehenden Schrank. „Wie meine Mutter jetzt zu mir sagen würde: Ich habe einen Schrank voll nichts anzuziehen.“ Joey stand von Yugis Drehstuhl auf. „Das kann doch nicht so schwer sein!“ Er steckte seinen blonden Wuschelkopf in den Kleiderschrank. „Um noch einkaufen zu gehen, haben wir definitiv keine Zeit mehr. Aber zum improvisieren. Ich nehme mal an, du willst Atemu beeindrucken?“ Yugi nickte hinter Joeys Rücken, das verstand sich ja von selbst. „Und wie war die Party gestern?“ Joey grummelte. „Mai hat meistens bei den Leuten aus ihrem Tanzkurs gesessen. Ich hätte dich echt gebrauchen können.“ Er zog den Kopf aus dem Schrank und sah Yugi leicht vorwurfsvoll an. Dieser lächelte dennoch. „So schlimm wird’s ja wohl nicht gewesen sein!“ Dafür kannte er ihn zu gut. „Naja, eine Freundin von ihr hatte ihren Freund dabei und wir haben uns erst unterhalten und dann beschlossen, uns zu duellieren. Aber so gut war der Typ nicht.“ Joey kniff leicht die Augen zusammen und musterte Yugi von oben bis unten. „Wenn du eine andere Statur hättest, könnte ich dir ja was leihen“, meinte er schließlich. Yugi tat es Joey gleich und musterte nun seinen Freund. „Du willst mir doch nicht sagen, dass das was du trägst, was Gescheites ist?“ „Nein, aber ich bin ja auch vergeben, also brauche ich auch nicht aufzufallen!“ Joey zwinkerte ihm zu. Yugi wurde leicht rot im Gesicht und verdrehte die Augen. Der Blonde wandte sich wieder den Kleidern im Schrank zu. „Sag mal, wo ist eigentlich das rote Hemd, das du beim Rockkonzert angehabt hast? Das hat dir gut gestanden.“ „Das hab ich in die Untiefen des Schrankes verbannt.“ Yugi trat neben Joey. „Außerdem kann ich schlecht zweimal das Gleiche anziehen.“ Joey nickte verständnisvoll. „Hey, was ist denn das?“ rief er plötzlich aus und griff in den Schrank. „Das ist ein rotes T-Shirt“, erklärte Yugi trocken. „Oder vielmehr war es das, meine Mutter hat es aus Versehen mit der schwarzen Wäsche gewaschen.“ „Sieht ja scharf aus!“ Joey schien richtig begeistert. „Das ziehst du normalerweise wahrscheinlich nicht mehr an?“ Er wartete ein Nicken von Yugi ab. „Hast du eine kräftige Schere da?“ Was hatte Joey denn nun vor? Dennoch kramte er bereitwillig eine große Schere hervor. Wenn Joey das Shirt verunstalten würde, würde er eben doch was anderes anziehen. Nachdem er von unten bis zu den Rippen Fransen hinein geschnitten und die Arme ganz abgeschnitten hatte, hielt Joey das Shirt hoch. „Na, wie findest du dein neues Muskelshirt?“ Yugi musterte das Shirt skeptisch. „Sieht arg kalt aus. Wir haben Winter, Joey!“ „Ach, wer schön sein will, muss leiden!“ winkte Joey ab. „Na schön, nehmen wir mal an, dass ich es anziehe. Was noch dazu?“ fragte Yugi. „Na deine schwarze Lederhose. Hm …“ Joey überlegte. „Und wenn dir das zu kalt ist … hast du schwarze Armstulpen?“ „Wie sieht denn das aus? Ich will doch nicht als Clown im Zirkus auftreten!“ Yugi sah seinen Freund mit runden Augen an. „OK, dann nicht. Aber einen schwarzen Glitzergürtel hast du?“ wollte Joey wissen und wühlte wieder im Schrank herum. „Naja … ja.“ Yugi ging in die Hocke und kramte nach dem Gürtel. „Hey, da sind doch schwarze Stulpen!“ rief Joey aus und hielt sie Yugi unter die Nase. „Also ich weiß nicht … sollte man um zu beeindrucken nicht gerade viel Haut zeigen?“ fragte er skeptisch. „Doch, aber das geht doch weniger die Unterarme an. Du musste nur die erregenden Zonen so bedecken, dass man trotzdem noch was sieht“, erklärte Joey. „Also, wenn du zum Beispiel das Shirt nimmst, das ich gerade geschnitten habe, dann sieht man ja deine Haut noch durch die Fransen, aber dein Körper ist dennoch bedeckt, wenn du verstehst, was ich meine.“ „Öhm, naja, so ungefähr.“ Yugi stellte sich bewusst doof und grinste dann, als Joey ihn ansah. „OK. Wie steht’s dann mit Schmuck, Accessoires etc.?“ fuhr Joey fort. „Hm, ich hab nur das blaue Halsband“, antwortete Yugi. „Wie? Willst du das etwa schon wieder anziehen?“ Joey schien entsetzt. „Du weißt genau, weshalb ich es immer trage!“ entgegnete Yugi. „Es ist das Einzige, das ich habe! Das Schwarze … naja, das hab ich nicht mehr …“ „Ist ja schon gut! Aber im Dunkeln sieht man es eh nicht, du kannst doch heute mal ohne gehen.“ Joey war wie immer hartnäckig. „Aber wenn ER es sieht …!“ jammerte Yugi. „Wird er schon nicht. Du behauptest doch immer, dass er nichts für dich empfindet, also wird er da schon nicht so genau hinsehen.“ Joey blieb bei seinem Standpunkt. „Wahrscheinlich hast du Recht und ich sollte überhaupt nicht hingehen.“ Yugi ließ den Kopf hängen. Joey legte tröstend seine Arme um seinen Kumpel. „So habe ich das nun auch wieder nicht gemeint.“ Seine Stimme klang ganz sanft und er drückte den kleinen Körper an sich. „Außerdem kommt das gar nicht in die Tüte!“ Jetzt klang er wieder herrisch. „Kneifen gilt nicht!“ Er drückte dem verdutzten Yugi die ausgesuchten Kleider in die Hand. „Los, zieh dich um!“ Yugi kuschelte sich in den langen Ledermantel und sah an dem Schulgebäude empor. Bevor sie hierher gekommen waren, waren sie noch bei Tristan vorbeigegangen. Und sowohl Tristan, als auch Joey und Téa waren der Ansicht gewesen, dass Yugi Tristans schwarzen Ledermantel, der diesem gerade bis zu den Knien ging, bei Yugi aber bis zu den Knöcheln reichte, anziehen und seine eigene Jacke bei Tristan zu Hause deponieren sollte. Dann hatte Téa ihrer aller Haare noch im Bad mit Glitzerspray eingesprüht. Trotz des langen Ledermantels fühlte Yugi sich nackt. Denn er hatte tatsächlich nun kein Halsband um. Und das war das erste Mal seit 12 Jahren. Das war kurz nach der Einschulung gewesen. Obwohl es schon drei Jahre zuvor passiert war. Deshalb hatte er auch den Kragen des Mantels schützend hochgeschlagen. Da die Christmas-Party von der Klassenstufe 13 organisiert worden war, brauchten sie keinen Eintritt zu bezahlen. Aber dafür hatten sie Garderobe- oder Getränkeverkaufsdienst. Die Clique betrat die Vorhalle und Yugi sah sich um. Kein Atemu in Sicht. „Hey, wartet mal!“ rief ihnen plötzlich Masayo nach. Sie war eine der Organisatorinnen und reichte jedem der neu angekommenen 13ern einen roten Aufkleber mit dem jeweiligen Vornamen darauf. Sie sollten für jeden sichtbar und ansprechbar sein. Yugi hatte den Mantel vorne schon geöffnet und pappte sich das Schild nun links auf die Brust. Dann folgte er den anderen nach oben zum Musiksaal, der improvisatorisch in eine Garderobe umgewandelt worden war. Sie legten ihre Mäntel auf den Tischen ab, die nicht als Garderobenständer genutzt wurden und stiegen dann die Treppe wieder hinab und betraten die abgedunkelte Aula. Yugi ging den anderen nach, weiter in die Halle hinein, in der die Schüler in Grüppchen standen, aber tanzen wollte scheinbar keiner. An der Decke hingen rote und schwarze Luftballons, die Wände waren mit ebensolchem Papier beklebt. Zufällig fiel sein Blick auf das DJ-Pult, an dem in Augenhöhe ein giftgrünes Plakat hing, auf dem in großen silbern glitzernden Buchstaben DJ Yami draufstand. Yugi schluckte und ließ die Augen nach oben wandern. In dem kleinen gelben Licht, das dem DJ zur Orientierung diente, stand genau er: Atemu. Er hielt eine CD in den Händen, die Kopfhörer hatte er im Nacken liegen und er studierte eingehend die Trackliste. Als sich das gerade laufende Lied dem Ende näherte, griff Atemu mit beiden Händen nach etwas, das Yugi nicht sehen konnte, dann ertönte das nächste Lied und der Referendar war damit beschäftigt, die CD zu wechseln. „DJ Yami?“ Joey hatte es inzwischen auch bemerkt und folgte Yugis Blick. „Oh“, brachte er schließlich nur heraus. „Er ist DJ?“ Ungläubigkeit in der Stimme. „Sieht so aus“, erwiderte Tristan nicht minder erstaunt. Bakura legte einen Arm um Yugis Schultern. „Dann kannst du dir ja deine Lieblingslieder wünschen.“ Trotz der Dunkelheit konnte die ganze Clique die Röte in Yugis Gesicht sehen. „Nur nicht so schüchtern“, stimmte nun auch Joey zu und lächelte seinen Kumpel an. Yugi nickte. „OK, später.“ Erstmal Mut sammeln. Yugi biss sich auf die Unterlippe. Er hatte beobachtet, wie sich schon einige Mädchen bei DJ Yami ein Lied gewünscht hatten. Doch er wusste nicht, was er sich wünschen sollte. Eher was schnelles, was gemächliches, etwas weihnachtliches? Außerdem durfte der Wunsch nicht allzu ungewöhnlich sein, wenn er nicht riskieren wollte, dass Atemu es ablehnte, weil er das Lied nicht kannte oder die entsprechende CD nicht mithatte. Hinzu kam noch, dass er sich vor Atemu nicht blamieren wollte, indem er sich ein unmögliches Lied wünschte. Vielleicht sollte er es mit ‚Last Christmas’ versuchen? Das Lied ging ihm zwar meistens nach einiger Zeit auf den Keks, da es in allen Geschäften und auf den Radiostationen in der Adventszeit rauf und runter gespielt wurde und morgen war ja immerhin schon der 3. Advent. Aber hier war es noch nicht gelaufen. Zögerlich ging er auf das DJ-Pult zu. Wie sollte er denn auf sich aufmerksam machen? Er stellte sich hinter Atemu und griff nach seinem Hosenbein, um daran zu zupfen. Wenn er seinen Finger in Atemus Bein bohren sollte, käme er sich etwas komisch vor. Doch tatsächlich reagierte Atemu relativ schnell auf die zaghafte Berührung. Er ging in die Hocke und sah Yugi von oben herab fragend an. „Könnten Sie vielleicht Merry Christmas everyone von Shakin’ Stevens spielen?“ schrie Yugi gegen die Musik an. Doch genau in dem Moment hatte irgendjemand die glorreiche Idee, die Nebelmaschine anzuwerfen und Yugis Wunsch ging in einem lauten Zischen unter. Herr Yamito schüttelte bedauernd den Kopf. „Tut mir Leid, ich hab dich nicht verstanden!“ schrie er zurück. Mit halbem Ohr hatte er mitbekommen, dass das Lied gleich zu Ende sein würde und es zu lange dauern würde, Yugi wiederholen zu lassen, also hielt er Yugi die Hand hin. Ohne nachzudenken griff der Junge danach und ließ sich von Atemu auf das Podest ziehen. Kaum stand er oben, bediente Atemu irgendwelche Regler auf seinem Schaltpult und das nächste Lied erklang. Als das erledigt war, zeigte Atemu auf die vielen CDs, die über die ganzen Tische verteilt waren. „Such dir ein paar Lieder aus!“ schrie er dem Schüler zu und widmete sich selbst ein paar CDs zu. Yugi überblickte die vielen CD-Cover. Viele kannte er gar nicht, aber bei den ihm bekannten kamen ihm so viele gute Lieder in den Kopf, dass er auch so nicht wusste, wo er anfangen sollte. Also griff er sich als erstes die Rock Christmas – Best of, um Atemu doch noch das Lied zu zeigen, das er sich ursprünglich gewünscht hatte. Herr Yamito nickte und warf auch gleich als Nächstes besagte CD ins Laufwerk, um Yugis Lied zu spielen. Nach etwas mehr als einer Stunde, in der sie zusammen die Musik ausgesucht hatten und Herr Yamito Yugi erklärt hatte, wie alle Geräte zu bedienen waren, sprang plötzlich Yugis Mitschüler Yuen auf das Podest. Sie hatten sich fast stumm verstanden, denn wenn sie sich die ganze Zeit angeschrieen hätten, wären sie schon längst heiser. „Sie können jetzt Pause machen!“ schrie Yuen Herrn Yamito zu und dieser nickte. Auch Yugi wandte sich um, stand dann aber vor einem kleinen Problem. Er hatte es noch nie sonderlich mit solchen Höhen, seien es Mauern oder Bühnen, gehabt und er fragte sich augenblicklich, wie er das Podest elegant verlassen könnte, ohne umzuknicken. Sein vor einem halben Jahr erst operierter Knöchel bereitete ihm da auch Sorgen, er war sich nicht so sicher, ob dieser noch so stabil war, wie vor der OP. Der Junge richtete den Blick etwas betröppelt auf den entfernten Boden. Er wusste auch nicht so ganz genau, wie er es überhaupt hier hoch geschafft hatte, aber hoch zu kommen war für ihn einfacher, als wieder runter. Doch er könnte sich auch einfach hinsetzen und hinunter gleiten lassen. Aus dem Augenwinkel konnte er erkennen, wie Atemu behände von dem Podest sprang, doch Yugi war noch nie eine Sportskanone gewesen. Plötzlich stand Atemu genau unter ihm und hielt ihm beide Arme entgegen. Wollte er ihn etwa wie ein Kleinkind auffangen? Yugi spürte ein leichtes Kribbeln auf den Wangen, aber was blieb ihm anderes übrig? Und er vertraute Atemu sowieso. Also ließ er sich nach anfänglichem Zögern einfach fallen und kurz darauf spürte er Atemus Hände unterhalb der Achseln und wie er ihn mit seinen starken Armen auffing. Dann setzte Atemu ihn gleich neben sich auf dem Boden ab. „Danke“, murmelte Yugi leise, so dass Atemu wohl Lippen lesen musste und er wandte sich verlegen ab. Hoffentlich konnte man die Röte seiner Wangen in der Dunkelheit nicht so gut sehen. Atemu tippte Yugi mit dem Zeigefinger an und als dieser ihn anblickte, deutete er mit dem Kopf auf die Vorhalle und sah ihn fragend an. Yugi nickte und folgte ihm. Draußen war die Musik nicht mehr ganz so laut und man konnte sich sogar unterhalten. „Sie sind DJ?“ fragte er unvermittelt. „Mehr oder weniger“, lächelte der Referendar. „Als Student habe ich mir so etwas Geld dazuverdient.“ „Werden Sie denn hier auch bezahlt?“ stellte Yugi die nächste Frage. Herr Yamito sah ihn erstaunt blinzelnd an. „Nein, ihr braucht das Geld doch!“ erklärte er. Yugi nickte. „Und wer hat den Namen ausgesucht? Ich meine, ‚DJ Yami’.“ „Naja, erstmal natürlich von meinem Familiennamen. Außerdem passt das Pseudonym ‚Finsternis’ doch ganz gut zu einem DJ. DJs haben ja alle Künstlernamen“, erläuterte Atemu bereitwillig. „Gibt es auch etwas, das Sie nicht können?“ kam es Yugi über die Lippen, ohne dass er es verhindern konnte. Dann biss er sich auf eben jene. Wie hatte er auch ausgerechnet sowas fragen können? Doch Atemu lachte, als er ihm einen Seitenblick zuwarf. „Wie ich dir schon sagte: Naturwissenschaften und Mathematik liegen mir gar nicht. Außerdem kann ich weder zeichnen, noch habe ich je ein Instrument gespielt.“ Erst jetzt fiel Yugi auf, dass Atemu die Treppe zu den Toiletten ansteuerte. Er und Atemu nebeneinander vor dem Pissoir? Nein, da würde er es sich lieber noch etwas verkneifen, schließlich war er nicht an die Arbeits- und Pausenzeiten des DJs gebunden. Yugi ließ Herrn Yamito einfach durchgehen und blieb selbst im Vorraum mit den Waschbecken und Spiegeln stehen. Da die Tür zum nächsten Raum offen stand, versuchte Yugi krampfhaft, nicht doch noch zu Atemu zu schielen. Stattdessen betrachtete er sich im Spiegel. Oh weh, hier war es deutlich zu sehen und Yugi klatschte die Hand drauf. Er wünschte sich ein Halsband herbei, erst recht, als Atemu nun wieder neben ihm stand und sich die Hände wusch. Der Junge traute sich gar nicht, die Hand von der Stelle an seinem Hals zu nehmen. „Ich habe übrigens noch was für dich“, meinte Atemu plötzlich, nachdem er sich die Hände abgetrocknet hatte und griff in die Hosentasche seiner pechschwarzen Jeans. Heraus zog er Yugis schwarzes Lederhalsband. Er band es ihm um, legte dann seine Hände auf Yugis Schultern und lächelte ihn im Spiegel an. Ungläubig sah Yugi im Spiegel, wie Atemu hinter ihm stand und er tastete nach dem kleinen Anhänger. „Eigentlich wollte ich es dir schon früher zurückgeben, aber es hat sich keine Gelegenheit ergeben.“ Atemu zuckte entschuldigend mit den Schultern, bevor er seine Hände von Yugi nahm. „Wie … wo …?“ stammelte Yugi. Er wusste gar nicht, was er als erstes fragen sollte. Atemu lächelte weiterhin. „Ich hab dich doch damals mit dem Motorrad gesucht und das hier hab ich im Park gefunden. In einer ziemlich dicken Pfütze.“ Erst jetzt bemerkte Yugi, dass das schwarze Lederband so sauber war, als wäre es neu. „Ich hatte vorher gesehen, dass du es trägst und war erstaunt, es in diesem Dreckwasser zu finden. Ich habe es aufgehoben und zu Hause sauber gemacht“, fuhr er fort. Yugi lächelte ihn dankbar an. „Danke!“ Atemu nickte. „Gehen wir wieder hoch? Ich würde gerne noch etwas trinken, bevor ich wieder ans Pult muss.“ Yugi folgte Atemu gedankenverloren. Als sie wieder in der Vorhalle waren, nahm Yugi sich ebenso wie Atemu ein Glas Bowle. „Ich dachte, du magst kein Alkohol?“ Atemu sah den Jüngeren amüsiert an. Dieser zuckte nur mit den Schultern. „Irgendwann muss ich mich ja mal abhärten.“ „Na, wie war’s?“ erkundigte Joey sich neugierig. Yugi sah in die Gesichter seiner Freunde und bemerkte ihr ehrliches Interesse. „Super!“ Er lächelte verhalten. Der Junge lauschte der Musik und kam nicht umhin, festzustellen, dass Atemu auch die Musik spielte, die er noch vor der Pause vorgeschlagen hatte. „Ich wünsche dir jedenfalls, dass das zwischen euch mal was wird!“ meinte Téa. „Einen Anfang habt ihr ja schon gemacht“, stimmte Bakura zu. „Ihr habt ja sogar ‚Engelchen flieg’ gespielt!“ Yugi wurde wieder hochrot im Gesicht. War ja klar, dass seine Freunde sehen mussten, wie Atemu ihm von dem Podest runter geholfen hat. „Das wird schon!“ Joey tätschelte ihm aufmunternd die Schulter. „Jetzt müssen wir eigentlich nur noch Ryou-chan verkuppeln.“ Tristan legte den Kopf schief und warf dem Weißhaarigen einen Blick zu. „Danke, aber ich kann für mich selbst sorgen!“ grinste Bakura und ließ sein langes Haar durch eine Hand gleiten. „Bist du dir da so sicher?“ hakte Joey ebenfalls grinsend nach. „’türlich!“ erklärte Bakura selbstsicher. „Ich will einen Partner, der älter ist als ich und die aus unserer Stufe kommen alle nicht in Frage. Also muss ich mich wohl an einen Lehrer ranmachen, der Referendar ist ja schon vergeben.“ Er zwinkerte Yugi zu und auch dieser musste bei dem Geplänkel seiner Freunde leicht grinsen. „Yugi? Yugi!“ Er spürte eine Hand auf seiner Schulter, die ihn sanft rüttelte. Blinzelnd öffnete der Angesprochene die Augen. War er etwa eingeschlafen? Yugi sah in die freundlichen Augen des Referendars, die in die seinigen blickten und sofort war Yugi hellwach. Verschlafen rieb er sich die Augen. „Was ist denn los?“ Er hatte noch gar nicht registriert, wo er war. Atemu lächelte. „Du bist fast der einzige Schüler, der noch da ist.“ „Was?“ Erschrocken sah er sich um und langsam dämmerte es ihm. Nachdem er und seine Freunde ihren Dienst geschoben hatten, waren sie hinunter in die Umkleiden gegangen, da man sich dort sowohl unterhalten, als auch sitzen konnte. Dabei musste er eingeschlafen sein und da sie ihn nicht wecken wollten, waren seine Freunde ohne ihn zurück in die Aula gegangen. Yugi setzte sich ruckartig auf und stellte fest, dass Atemu sich ebenfalls auf die Bank gesetzt hatte. „Nicht so schnell, sonst wird dir schwarz vor Augen“, warnte Atemu. Doch dafür war es zu spät, Yugis Sichtfeld verkleinerte sich und er sah winzige Sternchen. Er fuhr sich mit einer Hand übers Gesicht. „Geht’s wieder?“ Atemu stand auf und hielt ihm die Hand hin, um ihm aufzuhelfen. Aber diesmal griff der Jüngere nicht danach, sondern stand selbstständig auf. Dann gingen sie gemeinsam wieder hoch, wo Joey gerade dabei war, die Vorhalle auszufegen. „Ich nehme ihn mit“, erklärte Atemu knapp, woraufhin Joey nickte. Yugi ließ den Blick zwischen den beiden hin und her schweifen. Was war denn das, eine Art Geheimcode? Er nahm Tristans Mantel, den Joey über einen Stuhl gelegt hatte und folgte Atemu in die Nacht. Dieser schloss sein Cabrio auf und beide stiegen ein. Yugi hatte sich abermals tief in den Mantel gekuschelt, sich zurückgelehnt und die Augen dösig geschlossen. Als er kurz die Augen öffnete, musste er sich erst orientieren. Sie waren auf der Autobahn, aber zwischen der Schule und seinem zu Hause gab es keine Autobahn. Sofort war wieder wacher. „Wohin fahren Sie?“ „Zu mir nach Hause.“ Atemu warf ihm einen Seitenblick zu. „Oder möchtest du lieber nach Hause?“ Er bog gleich auf die Bremsspur der nächsten Ausfahrt. „Nein!“ rief Yugi aus, ohne überhaupt nachzudenken. Als er Atemus Blick auf sich spürte, wurde ihm klar, dass er wohl eine Erklärung abgeben sollte. „Ich meine, von hier aus ist es doch zu Ihrer Wohnung näher, als zu uns“, meinte er schließlich. Atemu wechselte wieder auf die Autobahn und Yugi wandte sich ab und blickte nach draußen, sah zu, wie die Bäume und Häuser an ihm vorbei flogen. Er fragte sich, weshalb Atemu ihn mit zu sich nehmen wollte. Vorhin war er fast am Einschlafen gewesen, aber das konnte er jetzt vergessen. Zu stark war das Kribbeln in seinem Bauch, das Prickeln auf seiner Haut. Wahrscheinlich war er zu erwartungsvoll, das wusste er, aber ihm fiel kein plausibler Grund ein, weshalb der Referendar ihn mit nach Hause nahm. Schließlich sah er wieder an dem Mietshaus empor, das er zuletzt an dem Tag gesehen hatte, als er Atemu den Taschenkalender zurückgegeben hatte. „Wenn du willst, kannst du noch duschen gehen“, meinte Atemu zu Yugi und verschwand in dem einzigen Raum, den Yugi nicht kannte und worin er das Schlafzimmer vermutete. Er folgte dem Älteren, blieb aber im Türrahmen stehen. „Nein, dann werde ich endgültig wach.“ Daraufhin lachte Atemu und verschwand fast ganz im Schrank, als er etwas suchte. Er hielt eine dunkel blaue Hose, die vielleicht bis zu den Knien reichen würde, hoch und reichte sie Yugi. „Die könnte dir passen.“ Dann besah er sich eingehend die restlichen Schlafanzüge in seinem Schrank. Atemu griff hinein und warf Yugi schließlich ein hellblaues Shirt zu. „Das ist mir zu eng.“ Yugi hielt das Shirt von sich und besah es sich genau. Seine Phantasie gehorchte ihm nicht mehr und er stellte sich Atemu darin vor und wie sich seine Muskeln unter dem Stoff abzeichneten. Als der Größere ihn ansah, schüttelte er leicht den Kopf, um diese Bilder zu vertreiben. „Du weißt ja, wo das Bad ist?“ erkundigte Atemu sich und Yugi nickte. Nach kurzer Zeit verließ Yugi das Bad wieder, stellte aber fest, dass der Flur ganz dunkel war. Er orientierte sich an dem Licht, das unter der Wohnzimmertür hindurchsickerte und öffnete diese schließlich. Atemu war gerade damit fertig, die Couch in ein gemütliches Bett umzuwandeln. „So, alles erledigt“, erklärte Atemu, indem er sich zu dem Schüler umdrehte. „Wenn was ist, du weißt, wo sich alles befindet. Küche, Bad … ich bin im Schlafzimmer. Willst du vorher noch was trinken?“ Doch Yugi schüttelte nur den Kopf und mit einem Lächeln war Atemu auch schon verschwunden. Yugi seufzte und legte sich auf die Couch. Er hatte sich das Ganze jetzt anders vorgestellt und zog sich nun die Decke bis zum Hals. Als Yugi am nächsten Morgen aufwachte, musste er sich erst kurz orientieren, doch dann fiel ihm wieder ein, wo er sich befand und ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Dennoch kuschelte er sich in die Decke, hatte einfach keine Lust, aufzustehen. Doch nach einiger Zeit bemerkte er, dass es sinnlos war, zu versuchen, wieder einzuschlafen, mit dem Wissen, dass Atemu ganz in seiner Nähe war. Schließlich setzte er sich doch noch seufzend auf und streckte sich erst noch genüsslich. Wie spät es wohl war? Atemu war sicherlich schon wach, von ihrem Urlaub wusste er ja noch, dass der Ältere ein Frühaufsteher war. Yugi stand auf, zog den Rollladen hoch und öffnete das Fenster. Begeistert atmete er die frische kalte Wintermorgenluft ein. Leise verließ er das Wohnzimmer und betrat die Küche. Dort saß Atemu am Küchentisch und las eine Sonntagszeitung. Als Yugi eintrat, legte er diese beiseite und lächelte den Schüler an. „Guten Morgen.“ „Hallo“, grüßte Yugi ebenfalls und erwiderte das Lächeln. „Hast du gut geschlafen?“ erkundigte Atemu sich. „Wie ein Pharao“, lächelte Yugi. Während er sich an den gedeckten Tisch setzte, direkt neben der Tür und Atemu gegenüber, ließ er seinen Blick schweifen. Bei dem Korb voller Brötchen blieb er hängen. Sie sahen sehr frisch aus und Yugi fragte sich unvermittelt, woher der Referendar diese Sonntagmorgens herhatte, zumal er noch im Schalfanzug war. Ja – im Winter trug Atemu einen Schlafanzug. Was sehr schade war, denn Yugi hätte viel lieber seine nackte Brust betrachtet. Unwillkürlich wurde er leicht rosa im Gesicht, zumal er feststellte, dass sein Blick nun dennoch an Atemus – bedeckter - Brust hängen geblieben war. Schnell wandte er sich wieder dem Frühstück zu. Hastig griff er nach einem der Brötchen und begann, Butter und Marmelade darauf zu streichen. Atemu stand auf. „Was möchtest du trinken?“ „Pfefferminztee, wenn’s geht.“ Yugis Stimme war sehr dünn und er hoffte, der Ältere würde es auf seine Müdigkeit schieben, aber in Wirklichkeit war Yugi manchmal bei seinen eigenen Gedanken mulmig. „Natürlich.“ Atemu drehte sich um, ging zum Herd, um dort Wasser aufzustellen und kramte dann im Schrank darüber nach einem Teebeutel. Während er wartete, dass das Wasser heiß wurde, setzte er sich wieder auf seinen Platz, ergriff mit beiden Händen seine Kaffeetasse, nahm einen tiefen Schluck daraus und betrachtete Yugi eingehend. Dieser kam sich sehr beobachtet vor, versuchte aber, sich nichts anmerken zu lassen. Wieso frühstückte Atemu nicht ebenfalls, oder war Yugi schon so spät, dass der Andere schon fertig war? Wie spät war es denn nun? Yugi warf einen Blick auf die Mikrowellenuhr. 10:30 Uhr. Doch genau in dem Moment griff auch Atemu nach einem Brötchen Er stand auf und sah nach dem Wasser. „Dieses rote Notizbuch.“ Yugis Kopf flog hoch und er starrte Atemus Rücken an. „Die Gedichte waren doch Liebesgedichte, an jemand bestimmtes gerichtet. Hast du ihr deine Liebe denn mittlerweile gestanden?“ erkundigte Atemu sich leise. „Nein …“, antwortete Yugi wahrheitsgemäß und ebenso leise. Wieso fragte der Ältere das so nebenbei? Das tat Yugi irgendwie im Herzen weh. „Ich …“ Es war ja klar, dass Atemu von ‚ihr’ sprach. Immerhin hatte Yugi ihm vor gerade mal einer Woche von Kindern vorgeschwärmt. Er musste ja annehmen, dass Yugi auch selbst welche wollte. „… liebe …“ Also hatte er den Schluss gezogen, dass Yugi heterosexuell war. Obwohl ja für ihn noch die Möglichkeit einer Adoption bestand. „… dich!“ Vielleicht würde er tatsächlich später mit seinem Liebsten Kinder adoptieren. Und er betete, dass Atemu sein Liebster sein würde. Aber noch war es nicht soweit. Noch … Er hielt inne. Hatte er gerade wirklich das gesagt, was er glaubte, gesagt zu haben? Er war etwas in Gedanken gewesen, doch als er nun den Blick von der Tischplatte wieder auf Atemu richtete und dessen Bewegungen wie eingefroren schienen und er sich nicht mehr um das kochende Wasser kümmerte, wusste Yugi, dass er es wirklich gesagt hatte. Vor Schreck sprang er auf. Er konnte gar nicht glauben, dass er es gesagt hatte. Der Junge hatte ihm nie seine Liebe gestehen wollen und schon gar nicht so. So nebenbei, ohne, dass er es selbst richtig mitbekommen hatte. Der Jüngere hatte es sich anders vorgestellt. Romantischer. Wenn überhaupt. Yugi sah zu, wie der Andere sich langsam, wie in Zeitlupentempo, zu ihm umdrehte. „Nein, dreh’ dich nicht um!“ schrie Yugi ihm in Gedanken zu. Er wollte nicht die Antwort in seinem Gesicht erblicken, wollte nicht die Ablehnung in den sonst so schönen violetten Augen sehen, Augen, die auch so kalt und finster sein konnten. Als Atemu ihn schließlich anblickte, hielt Yugi dem Blick keine zwei Sekunden stand. Er wandte sich ab, wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und seine Beine setzten sich in Bewegung. Toll, Yugi, kommt jetzt wieder dein Weglauf-Gen durch? Aber er hatte nicht damit gerechnet, dass sich, kaum, dass er die Hälfte des Flures erreicht hatte, zwei Arme um ihn legen würden und er an den Körper hinter sich gezogen werden würde. „Yugi …“, flüsterte Atemu ihm ins Ohr und diesem lief ein Schauder über den Rücken. Atemu presste den Körper noch enger an sich, das Herz des Jüngeren raste, bevor er noch immer ganz leise fort fuhr: „Mir geht es doch genauso …“ Yugi fühlte sich wie betäubt und ein Kribbeln begann, von seinem Körper Besitz zu ergreifen. „Aber wir dürfen das nicht … ich darf das nicht … ich bin doch dein Lehrer … noch …“ Genauso schnell, wie sie aufgetaucht waren, verschwanden die Arme um Yugi herum und er hörte Schritte, die sich von ihm entfernten. Yugi stand reglos noch genau dort, wo Atemu ihn stehen gelassen hatte. Erst langsam sickerte die Erkenntnis in sein Bewusstsein. Atemu erwiderte seine Gefühle! Ein starkes Glücksgefühl durchströmte ihn. Aber er durfte nicht mit ihm zusammen sein, eine Schüler-Lehrer-Beziehung war tabu. Er drehte sich um und warf einen Blick in die Küche. Atemu saß wieder am Tisch, die Ellbogen darauf abgestützt und die Hände vors Gesicht geschlagen. Er war etwas zusammengesackt. Dennoch, Yugi konnte nicht einfach so tun, als sei nichts gewesen. Leise ging er ins Wohnzimmer, zog seine Klamotten vom Vortag wieder an, legte den geliehenen Schlafanzug sorgfältig zusammen und deponierte ihn auf dem Fußende der Couch. Er warf sich Tristans Mantel über und ging zur Küche zurück. Atemu verdeckte mittlerweile nur noch seinen Mund mit den Händen und starrte gedankenverloren zur Seite und aus dem Fenster hinaus. „Ich gehe jetzt“, erklärte Yugi leise. Er musste erst nachdenken. Musste herausfinden, was das zuvor gesagte für ihn bedeutete. Atemu nickte kurz, wandte den Blick aber nicht vom Fenster ab. Der Junge verließ die Wohnung. Vielleicht hatte er doch insgeheim gehofft, dass der Ältere ihn aufhalten würde, dass er ihm sagen würde, dass sie das schon schaffen würden, dass sie nur zueinander stehen müssten. Doch nichts dergleichen geschah. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)