Kannst du es fühlen? von -Ayla- (Atemu x Yugi) ================================================================================ Kapitel 4: Fußball - oder: Kann ein Lehrer zu nett sein? ------------------------------------------------------------- Vorbemerkung: Mir war und ist vollkommen bewusst, dass gerade die Küchenszene aus Kap 3 ein Double ist. Wollte die Spaghetti auch erst durch Miso-Suppe ersetzen, damit es nicht ganz soo~ auffällig ist, aber es gibt ein paar kleinere Gründe, weshalb ich es nicht getan habe. Erstmal wäre Atemus Aussage bezüglich der Single-Haushalte nicht möglich gewesen und die Info ist nunmal sehr wichtig für Yu. Zum anderen wird Atemus Tante und die selbstgemachte Tomatensoße noch eine Rolle spielen. Ach ja, Atemus Mutter nicht zu vergessen...aber dazu später. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ kursiv = Gedanken 4. Fußball - oder: Kann ein Lehrer zu nett sein? Yugi saß an seinem Computer und besah sich die Bilder von den Projekttagen, die Téa ihm auf CD-Rom gebrannt hatte. Er wählte ein bestimmtes Bild aus und betrachtete es lange. Wider Erwarten sah er auf den Bildern gar nicht mal so verkrampft aus. Doch fröhlich wirkte er auch nicht. Aber das Bild, auf dem nur Atemu und er abgebildet waren, mochte er irgendwie. Vielleicht sollte er es sich vergrößert ausdrucken und als Poster aufhängen. Oder nur ausdrucken und einrahmen. Er seufzte schwer. Beides wäre natürlich auch möglich. Dann stellte er den Drucker auf farbig um und wartete ungeduldig darauf, dass der PC das Foto ausdruckte. Als er es schließlich in den Händen hielt, war er schon fast erleichtert. Denn nun musste er wenigstens nicht mehr den PC hochfahren, um sich Atemu anzusehen, sondern hatte ihn gleich zur Hand, wenn die Sehnsucht ihn wieder überrollte. Yugi schaltete den Computer aus und setzte sich wieder dorthin, wo er vor zwei Wochen schon einmal gesessen hatte: auf den Boden. Mit dem roten Notizbuch in der Hand. Wenn es ihm schon schwer fiel, seine Gedanken in ganze Sätze zu fassen, so doch wenigstens in lose Worte, die er vielleicht zu einem Gedicht würde zusammenfassen können. Sein erster Versuch war schon mal gänzlich fehlgeschlagen: Der Himmel ist blau, Die Luft ist lau, In meinem Magen wird’s flau, bei diesem schlimmen Reim, Drum lass’ ich das Reimen sein! Yugi lachte leise über sich selbst und schrieb dann die Worte Test 1 darüber. Er hatte noch nie ein Gedicht geschrieben, aber er hatte es sich jetzt in den Kopf gesetzt, irgendwann wenigstens ein anständiges in dem Notizbuch aufgeschrieben zu haben, selbst wenn es erst auf der letzten Seite sein würde. Und vermutlich würden alle Versuche insgeheim an Atemu gerichtet sein. Als Yugi zur nächsten Geschichtsstunde kam, war er überrascht, dass Herr Shimizu hinten im Klassenraum saß und sich offensichtlich Herrn Yamitos Unterricht ansehen wollte. Hauptsache, er hielt nicht selbst den Unterricht. Vielleicht war die Klasse, die er sonst um diese Zeit unterrichtete, auf Klassenfahrt. Da es auf den Sommer zuging, war das gut möglich. Herr Yamito kam kurz nach den letzten Schülern und begann seinen Unterricht wie immer. Er ging mit den Schülern den Stoff durch und beantwortete Fragen knapp und präzise, aber dennoch verständlich. Wie immer fertigten sie das Tafelbild zusammen an und die Mitarbeit der Schüler war auch ganz gut. Herr Shimizu meldete sich nicht zu Wort und beobachtete alles stumm. Herr Yamito selbst schien seinen betreuenden Lehrer komplett zu ignorieren. Er schenkte ihm nur wenige Blicke sondern konzentrierte sich auf die Schüler. Nach der Stunde ging Herr Shimizu zu Herrn Yamito. „Ihr Unterrichtstil gefällt mir gar nicht“, zischte er. „Sie sind viel zu nett zu den Schülern, sind nicht autoritär genug und sollten mehr Distanz aufbauen. Sie sind nicht jedermanns Kumpel, auch wenn sie nur um einige Jährchen älter sind.“ Der Referendar sah den Lehrer nicht an, sondern starrte auf Yugi, der seitlich hinter Herrn Shimizu stand und zwangsläufig alles mitbekam. Wahrscheinlich wollte er den Anderen damit darauf aufmerksam machen, dass sie nicht alleine waren. Doch Shimizu fuhr fort. „Sie sind der Lehrkörper. Sie können Noten nicht nach Sympathien verteilen. Sie sollten Ihren Unterrichtsstil schleunigst ändern, oder ich sehe schwarz für die nächste Prüfung. Die Schüler können bei Ihnen nicht genug lernen und werden Ihnen bald auf der Nase herumtanzen. Sie könnten diesen Kurs definitiv nicht durch ihr Abitur bringen.“ Er wandte sich um ohne auf eine Antwort von Herrn Yamito zu warten und rannte Yugi dabei fast um, um den Raum zu verlassen, denn er hatte scheinbar die nächste Stunde doch noch eine andere Klasse zu unterrichten. Herrn Yamitos Gesichtszügen war nicht zu entnehmen, wie er mit dieser Schelte umgehen würde. Stattdessen richtete er seine Aufmerksamkeit ganz auf Yugi, der ihm eigentlich nur einen neuen Essay abgeben wollte. Er nahm den Essay stumm entgegen und drehte sich dann um, um die Tafelanschrift wieder abzuwischen, denn sie hatten ja noch eine Stunde. Auch während der nächsten Stunde ließ er sich nicht anmerken, ob und wie er darauf reagieren würde. „Was ist denn los, Yugi? Du tust so geheimnisvoll!“ Téa sah ihn neugierig an. Yugi hatte sie zu sich nach Hause eingeladen, weil er mit ihr reden wollte – alleine, ohne die beiden anderen Freunde. „Willst du etwas zu trinken?“ fragte Yugi statt eine Antwort zu geben. Téa seufzte. „Ich kenne dich ja. Wenn ich ablehne, um dem Geheimnis schneller auf die Spur zu kommen, holst du dir was zu trinken und ich bin auch nicht weiter.“ Yugi grinste trotz der ernsten Situation. Er hatte einen Entschluss gefasst, an dem nicht mehr zu rüttelten war. „Also gut, ein Mineralwasser wäre ganz nett“, meinte Téa und setzte sich schon mal auf den Boden. Yugi verschwand kurz in einem der angrenzenden Zimmer und kam dann mit zwei Gläsern und einer Flasche Wasser zurück. „Was willst du denn so dringend mit mir besprechen?“ kam Téa gleich wieder zum Punkt, nachdem Yugi ihre Gläser gefüllt und sie einen ersten Schluck getrunken hatte. „Eigentlich hatte ich ja eher das Gefühl, dass du mir aus dem Weg gehst.“ Yugi nickte, denn er wollte das nicht leugnen. Téa sah ihn erstaunt an. Hatte sie sich also nicht getäuscht und er gab es sogar zu. „Wenn ich mit meiner Erklärung fertig bin, dann wirst du mich vielleicht verstehen“, begann er. „Ich weiß nur nicht so recht, wo ich anfangen soll.“ Yugi schloss nachdenklich die Augen und atmete tief durch. Er hatte lange mit sich gerungen, bis es zu diesem Entschluss gekommen war. Und dieses Gespräch immer und immer wieder in Gedanken durchgespielt. Aber dennoch konnte er nicht sagen, wie Téa auf einen bestimmten Aspekt reagieren würde. „Du … bist doch in Atemu verliebt.“ Der Junge sah Téa forschend an. Diese nickte zögerlich. „Naja…“ Sie konnte sich nicht vorstellen, worauf er hinaus wollte. „Und ihr habt euch doch schon mal … geküsst.“ Es war eigentlich keine Frage, aber er musste es zur Sprache bringen. „Aber allem Anschein nach seid ihr trotzdem nicht zusammen.“ Téa wich zurück. „Geküsst? Nein! Wann soll das denn gewesen sein?“ wehrte sie ab. War er etwa eifersüchtig auf Atemu? „Na damals als…“ Das brachte Yugi jetzt aus seinem Konzept. Sie hatten sich nicht geküsst? „Das war einen Tag vor dem Vortreffen für die Projekttage!“ platzte es aus ihm heraus. Wieso leugnete sie es, er hatte es doch gesehen! „Einen Tag vor dem Vortreffen?“ Téa legte nachdenklich die Hand unters Kinn und den Zeigefinger an die Wange. „Nein. Aber war das nicht der Dienstag, als du gefehlt hast?“ Sie sah ihn scharf an. Yugi wurde rot im Gesicht und wandte den Blick auf den Boden. Er fühlte sich ertappt. Der Junge schwieg eine Weile und auch Téa sagte nichts. „Ich muss … dir etwas gestehen“, fuhr er schließlich fort. Téa sah ihn erwartungsvoll an. „Ich … bin ebenfalls verliebt.“ Er hasste es, wenn er so herumstotterte. Téa lächelte auf dieses Geständnis hin. „Oh, Yugi…“ „In Atemu“, setzte er hinzu, ohne Téa weiterreden zu lassen. Téas Lächeln verschwand augenblicklich, doch konnte Yugi es gar nicht sehen, da er noch immer den Blick abgewandt hatte. „Ich bin wohl … schwul.“ Jetzt war es raus. Er hatte es endlich jemandem anvertraut. Und es war eine ungeheure Erleichterung. Auch, wenn es ausgerechnet Téa war, die es nun wusste. Der Junge atmete tief durch. Als Téa schwieg, er konnte sie noch immer nicht ansehen, redete er weiter. „Ich habe einen Entschluss gefasst. Da es sehr unwahrscheinlich ist, dass er ebenfalls … auf Männer steht …“ Puh, war es schwer, das auszusprechen „…möchte ich dir helfen, ihn für dich zu gewinnen.“ Endlich richtete er den Blick wieder auf Téa und wartete unsicher auf eine Reaktion, doch sie schwieg noch immer, schien erst alles verarbeiten zu müssen. Yugi trank hastig ein paar Schlucke aus seinem Glas. „Yugi…“ begann Téa schließlich mit leiser Stimme. „Wieso willst du das tun? Ich meine, natürlich wäre ich glücklich, wenn du mir helfen würdest, aber doch nicht, wenn du ihn … selbst liebst! Ich verstehe dich nicht, wieso willst du nicht um ihn kämpfen? Es steht doch gar nicht fest, dass er …“ Sie zögerte. „… hetero ist!“ Yugi starrte Téa an. Ihre Reaktion war für ihn unverständlich und nicht zu begreifen. Wieso redete sie so? Er wollte ihr doch nur einen Gefallen tun! „Ich kann dieses Angebot, wenn man es denn so nennen will, nicht annehmen“, fuhr Téa fort. „Der Preis wäre mir zu hoch. Weil du dadurch unglücklich wirst! Ich werde es höchstens selbst versuchen.“ Yugi sah Téa noch immer ungläubig an. „Aber…“ „Kein aber!“ unterbrach sie ihn scharf. „Wenn du mir helfen würdest, würdest du dir nur selbst Leid zufügen. Es wird schon schwer genug für dich sein, falls er irgendwann eine Freundin hat.“ Téa krabbelte auf ihn zu und umarmte ihn schließlich. „Ich will das nicht, OK? Du bist mein bester Freund, ich kann dir einfach nicht wehtun! Nicht auf diese Weise.“ Es schien ihr nichts auszumachen, dass ihr bester Freund schwul war. Yugi starrte über ihre Schulter und nickte kaum merklich. Aber insgeheim würde er an seinem Entschluss festhalten und auch Téa würde ihn nicht davon abhalten. Er wollte doch einfach nur, dass Atemu glücklich war. Selbst wenn das für ihn bedeutete, todunglücklich zu sein. War das denn zu viel verlangt? Die nächste Geschichtsstunde begann Herr Yamito ungewohnt pünktlich, quasi auf die Sekunde. Und er ermahnte alle, die zu spät kamen, was sich sonst erübrigt hatte, da er noch nie auf den Gongschlag angefangen hatte. Herr Shimizu war wieder anwesend und beobachtete alles skeptisch. Und der nächste Paukenschlag seitens des Referendars folgte sogleich, indem er, statt den Stoff gemeinsam zu wiederholen, wie sonst üblich, einen der Zuspätkommenden zur Strafe abfragte und benotete. Die Schüler warfen sich unverhohlen erstaunte Blicke zu. Bisher hatte Herr Yamito bei allen als umgänglich und fair gegolten. Doch was war wohl der Grund für diesen Umschwung? In dieser Doppelstunde überhäufte er sie mit Arbeitsblättern und er ging den Stoff ungewöhnlich schnell und stramm durch. Seine Erklärungen wurden noch knapper und dadurch unverständlicher. Schließlich gab er ihnen auch noch einen Berg an Hausaufgaben auf, was allgemeines Stöhnen und Murren auslöste. Yugi konnte sich denken, was passiert war: Herr Shimizu setzte Herrn Yamito unter Druck und hatte ihm sicherlich Änderungsvorschläge oder vielmehr –richtlinien auferlegt. Nach dem Unterricht, Shimizu hatte gerade den Saal verlassen, sackte Atemu auf dem Stuhl hinter dem Pult regelrecht zusammen. Er wandte sich den Fenstern zu und betrachtete scheinbar die wenigen weißen Sommerwolken, die langsam über den Himmel zogen. Yugi trat ans Pult. Er machte sich ein wenig Sorgen um seinen alten Freund. Selbst wenn er immer so stark erschien, er war es nicht in jeder Situation. „Herr Yamito?“ fragte er leise. Es dauerte eine Weile, bis eine ebenso leise Antwort kam. „Ich will eigentlich nicht Lehrer werden, um die Schüler zu tyrannisieren.“ „Das wissen wir“, erklärte eine zaghafte weibliche Stimme. Blitzartig war Herr Yamito wieder aufgestanden und hatte eine Vierteldrehung Richtung Klassensaal absolviert und sah sich dem gesamten Kurs gegenüber. Er war sprachlos. Offenbar hatte er angenommen, nur Yugi seinen Kummer mitzuteilen. „Wir werden Ihnen helfen“, versprach Reiko, die Herrn Yamito zuvor schon geantwortet hatte. „Ich…“ Der Referendar wusste nicht, was er sagen sollte und wandte verlegen den Blick ab. „Es tut mir leid. Ich kann euch noch nicht einmal die Hausaufgaben erlassen, ich muss den Schein wahren“, erklärte er schließlich. „Ich weiß auch gar nicht, wie ihr mir helfen könnt. Ich kann nichts daran ändern, dass er mein betreuender Lehrer ist.“ Er sprach noch nicht einmal seinen Namen aus. Jetzt war klar, was Yugi schon am Wandertag geahnt hatte: die beiden waren sich sehr unsympathisch. „Aber dennoch danke.“ Endlich hob er seinen Blick und richtete ihn auf Yugi. „Du hast Post bekommen, Schatz!“ wurde Yugi mittags von seiner Mutter empfangen. „Mama! Hör auf mit diesem ‚Schatz’! Dafür bin ich mittlerweile zu alt!“ erklärte Yugi genervt. Das predigte er ihr nun schon, seit er im Mai volljährig geworden war. Also seit bald zwei Monaten. „Das ist so, als würde ich zu dir ‚Frau Muto’ sagen!“ Das war zwar etwas übertrieben, aber manchmal kam es ihm so vor. „Ist ja schon gut!“ wehrte seine Mutter sich und machte eine kleine Pause. „Schatz!“ Sie betonte es extra, grinste und zwinkerte ihm zu. Dann händigte sie ihm den Brief aus. Yugi verdrehte die Augen und nahm ihr den Brief aus der Hand. Er drehte ihn neugierig in der Hand. Von wem mochte er wohl sein? Doch es stand kein Absender darauf. Sein Magen grummelte. Der Brief musste also bis nach dem Mittagessen warten. Der Junge setzte sich zu seiner Mutter an den Tisch, aber seine Gedanken waren noch immer bei dem geheimnisvollen Brief. Die Adresse war zwar handschriftlich verfasst, aber er kannte sie nicht. Dennoch war deutlich zu sehen, dass sie von einem Erwachsenen stammte und wenn er tippen müsste, von einem Mann, denn es war ein zackiges und enges Schriftbild. Nach dem Essen zog er sich mitsamt dem Brief auf sein Zimmer zurück. Er nahm seine Schere und schnitt ihn der Längsseite nach auf. Dann nahm er ein Blatt Papier heraus und entfaltete es. Als erstes richtete er interessiert den Blick auf die Unterschrift. Pegasus! schoss es ihm durch den Kopf. Was wollte der denn von ihm? Er begann, den Brief zu lesen. Hallo, Yugi! Er konnte förmlich Pegasus’ Stimme in seinem Kopf widerhallen hören. Hiermit möchte ich Dich, als amtierenden Weltmeister, zu einem neuerlichen Duell im Königreich der Duellanten einladen. Ich will ehrlich zu Dir sein: Das Turnier hat vor allem den Zweck, von mir neu kreierte Karten im Duell zu testen. Jeder Teilnehmer erhält im Voraus eine davon, die in jedem Fall bei den Duellen im Deck sein und nach Möglichkeit auch gespielt werden muss. Anbei Deine neue Karte. Der jeweilige Gewinner des Duells erhält die von mir in den Einladungen verschickte Karte des Verlierers. Um zu gewährleisten, dass der Verlierer auch diese Karte und keine andere abgibt, haben wir in jeder Karte eine Art Chip installiert, mit dem verfolgt werden kann, ob alles mit rechten Dingen zugeht. Alle gewonnen Karten müssen im nächsten Spiel verwendet werden. Der Preis für den Gewinn dieses Turniers ist somit ein komplett neues Deck mit Karten, die erst ein halbes Jahr später auf den Markt kommen. Ich hoffe, das ist Ansporn genug, für Dich als Weltmeister, daran mitzuwirken. Die Duelle finden in der zweiten Hälfte der Sommerferien statt, damit auch alle Eingeladenen teilnehmen können. Ich freue mich darauf, Dich wieder zu sehen. Mit freundlichen Grüßen, Maximillion Pegasus P.S.: Ich selbst werde nicht teilnehmen, obwohl ich mir natürlich sicher bin, dass du mein Cartoon-Deck schlagen würdest. P.P.S.: Du kannst deine Freunde natürlich mitbringen. Und noch was: Es wäre angenehmer, wenn du auf die Götterkarten verzichten könntest. Yugi legte den Brief zur Seite. Er sah nachdenklich sein Deck an, das er auf seinem Schreibtisch liegen hatte. Es wäre das erste Turnier, an dem er teilnehmen würde, seit Atemu nicht mehr bei ihm war. Natürlich wäre es schön, dabei zu sein. Es ging ihm ja jetzt wieder besser. Jedenfalls in gewisser Hinsicht. Bis auf die Tatsache, dass er unglücklich verliebt war. In Atemu. Es hatte lange gedauert, bis er es überhaupt vor sich selbst hatte zugeben wollen. Er hatte immer nur an Atemu gedacht, er war durch seine Träume gegeistert, doch er hatte es zunächst anders interpretiert. Yugi hatte gedacht, er würde ihn einfach noch immer oder wieder vermissen. Denn er war so oft ganz nah bei ihm, in Ägyptisch saßen sie sogar nebeneinander, aber sie waren sich doch so fern. Atemu war fast unerreichbar für ihn. Vielleicht war es besser so, er würde Atemu gewiss nur in Verlegenheit bringen, wenn der etwas von seinen Gefühlen wüsste. Atemu war sicherlich nicht schwul. „Na, hast du auch so einen Wisch von Pegasus gekriegt?“ fragte Joey am nächsten Tag in der großen Pause. Yugi nickte. „Zeig mal deine neue Karte!“ wurde er sofort von seinem besten Freund aufgefordert. Da Yugi schon so was geahnt hatte, hatte er sie eingesteckt und nun präsentierte er sie dem Blonden. „Oh Mann, war ja klar, dass du gleich wieder ein Monster abgesahnt hast!“ stöhnte Joey. „Für mich hatte der Olle nur eine Zauberkarte übrig.“ Er reichte seine Karte an Yugi weiter. Yugi nahm sie in die Hand und besah sie sich mit Kennerblick. „Es scheint so, als hätte er Karten für uns ausgesucht, die auch in unser Deck passen.“ Er gab Joey seine Glücksspirale zurück und nahm seinen Sternenzauberer wieder entgegen. „Beide sind irgendwie schön bunt“, stellte Téa, die neben Yugi stand, fest. Sie hatte sich wohl bisher an ihre Abmachung gehalten und den beiden Jungs nichts von Yugis ‚Andersartigkeit’ erzählt. „Das wird aber wahrscheinlich nicht bei allen Karten der Fall sein, denn um nachher ein Deck zu bilden, müssen die Karten sehr ausgewogen sein“, meinte Yugi nachdenklich. „Bist du nicht schon ganz heiß darauf, dich endlich wieder zu duellieren?“ wollte Joey wissen. Er selbst duellierte sich so gerne, dass er sich gar nicht vorstellen konnte, über ein dreiviertel Jahr auszusetzen. Und bis zum Turnier wäre es ein ganzes Jahr, in dem Yugi sich nicht duelliert hatte. „Hm, naja, es wird wohl nicht dasselbe sein. Ohne Atemu“, erklärte Yugi. Er hatte sich ja bisher erst drei Mal ohne Unterstützung duelliert. „Wenn man vom Teufel spricht“, bemerkte Tristan und sah zwischen Yugi und Téa hindurch. Yugi wandte sich um. Atemu! Er packte Téa am Arm und schleifte sie mit sich in Richtung des jungen Referendars, der gerade das Schulgebäude vom Pausenhof her betreten wollte. „Herr Yamito!“ rief er noch bevor sie richtig bei ihm angekommen waren, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. „Yugi!“ zischte Téa und versuchte, sich hochrot aus Yugis ziemlich festem Griff zu befreien. Doch dieser ließ von selbst los, als Herr Yamito stehen blieb und ihnen entgegenblickte. „Wie werden Sie denn nun in Zukunft ihren Unterricht gestalten?“ fragte Yugi, als sie bei ihm angekommen waren. Er hatte allerdings nur am Rande mitbekommen, dass nicht nur Téa, sondern auch die beiden Jungs ihm gefolgt waren. Der Junge hatte ihnen natürlich erzählt, was sich am Vortag während der Geschichtsstunde abgespielt hatte. Herr Yamito betrat das Schulgebäude in der Erwartung, dass die vier ihm folgen würden. „Ich werde den Unterricht ganz normal weiterführen. Es sei denn…“ Er sah sich schnell prüfend um, um sicher zu gehen, dass die Person, die er erwähnen würde, nicht in der Nähe war. „… er beehrt uns wieder.“ Yugi lächelte. „Ja, das ist wahrscheinlich eine gute Idee.“ Sie verfielen eine Weile in Schweigen, in der sich die anderen drei aus der Clique nach und nach verabschiedeten. „Übrigens, er hat mich dazu gezwungen, ihm eure letzten Essays zu geben“, erklärte der Referendar als sie alleine zum Geschichtsraum weitergingen. „Seiner Meinung nach ist dein Essay leider ungültig.“ „Was?“ rutschte es Yugi etwas verwirrt heraus. Wenn sie beide alleine zusammen waren, hatte er meistens Probleme damit, seine Gedanken zusammenzuhalten. Er lauschte jedem seiner Worte andächtig, aber eher, um dem Klag seiner Stimme zu huldigen, als das, was er sagte, klar zuordnen zu können. „Da er nicht zum durchgenommenen Thema gehört, soll er nicht bewertet werden“, erläuterte Herr Yamito. „Du kannst noch froh sein, dass er mich nicht gezwungen hat, ihn mit einem Minus zu bewerten. Er rät dir dringend, einen Essay über den Stoff zu schreiben.“ „Dann war die ganze Arbeit also für die Katz“, seufzte Yugi und sah auf den Boden. Er gab sich für seine Essays immer besonders viel Mühe, um Eindruck bei Atemu zu hinterlassen und sich nicht bei ihm zu blamieren. Außerdem war er wahrscheinlich der einzige, der so viele Essays abgab. „Na, das würde ich nicht sagen. Er kann nicht unterscheiden, welches Plus im Notenbuch für welchen Essay steht. Ich werde das Plus einfach irgendwann nachtragen“, meinte Atemu. Yugi wurde leicht rot im Gesicht und ein glückliches Lächeln huschte über sein Gesicht. Er sagte besser nichts dazu, sonst würde es sich der Referendar vielleicht noch mal anders überlegen. Der Junge warf Herrn Yamito einen Seitenblick zu, doch dessen Gesicht war gerade dabei, sich zu verfinstern. Dies veranlasste Yugi, den Blick wieder nach vorne zu richten und auch ihm gefror das Blut in den Adern. Von den anderen Treppenaufgängen her kam ihnen Herr Shimizu entgegen, aber nicht nur das, er hatte auch den Rektor und zwei weitere Lehrer im Schlepptau. Und es war eindeutig keine Prüfungskommission, denn die wäre angekündigt gewesen und Atemu hätte die Schüler darauf vorbereitet. Herr Yamito sah auch nicht im Geringsten so aus, als hätte er von irgendwas gewusst. Das verhieß nichts Gutes. Nacheinander betraten sie den Klassenraum. „Unterrichten Sie einfach so wie immer. So, wie Sie es für richtig halten“, konnte Yugi die Stimme des Rektors hinter sich noch hören. Im Saal wurde es augenblicklich still bei dieser Lehrerprozession. Herr Yamito hielt sich strikt an die Anweisung des Rektors und gestaltete den Unterricht genauso, wie die ganzen Wochen zuvor, Shimizus Anweisungen strikt ignorierend. Es gab nicht allzu viele Arbeitsblätter und die Erklärungen waren wieder zu verstehen. Die Schüler waren ruhiger als sonst und gaben sich noch mehr Mühe, mitzuarbeiten. Yugi drehte sich ab und an um, um zu sehen, was die Lehrer taten. Kamekura unterhielt sich meistens mit der Lehrerin an seiner Seite, die, soweit Yugi wusste, ebenfalls Geschichtslehrerin war. Der Lehrer zu Kamekuras anderer Seite war ein sehr netter Lehrer, der Mathematik und Physik unterrichtete. Er war sogar Vertrauenslehrer und sah Herrn Yamito aufmerksam zu. Herr Shimizu selbst saß eher etwas abseits und betrachtete das Geschehen grimmig. Eine Viertelstunde vor Schluss meldete er sich zu Wort. „Wenn ich Sie hier unterbrechen dürfte.“ Herr Yamito schrieb noch das Wort an der Tafel zu Ende, drehte sich dann um und sah die anderen Lehrer abwartend an. Auch die drei Lehrer, die Shimizu mitgebracht hatte, wandten sich nun ihm zu. „Ich möchte gerne das Wissen Ihrer Schüler testen. Deshalb würde ich gerne einen davon zu dem aktuellen Thema abfragen“, erklärte ihr Geschichtslehrer und sah sich unter den Schülern um. Doch sobald er den Namen Ikumi ausgesprochen hatte, war Yugi klar, dass Shimizu ein abgekartetes Spiel spielte, denn er hatte sie sicherlich nicht zufällig gewählt. Da ihre Noten immer schlecht gewesen waren, dachte er wohl, leicht an sein Ziel zu gelangen, denn er wollte Herrn Yamito eindeutig eins reinwürgen. Yugi riss die Augen auf. Nein! Das durfte nicht sein! Atemu war doch so ein guter Lehrer! Dieser hatte den Blick auf das Pult vor sich gerichtet und drehte nervös das Stück Kreide in seinen Händen. Er hatte scheinbar den gleichen Schluss gezogen, wie Yugi. Yugi musste ihm unbedingt helfen. Wenn er… Ebenso wie Ikumi stand er auf. „Ich möchte mich ebenfalls abfragen lassen.“ Er hatte nicht viel Zeit zum Nachdenken gehabt und hoffte, dass seine Stimme einigermaßen fest geklungen hatte und er nicht unter Atemus Blick, den er eindeutig auf sich spüren konnte, rot wurde. Wenn Herr Shimizu seine Bitte abschlagen würde, wäre jedem offensichtlich, was er vorhatte, denn im Gegensatz zu Ikumi hatte Yugi jetzt immer sehr gute Noten. Herr Shimizu sah Yugi giftig an, doch bevor er etwas sagen konnte, ergriff der Rektor das Wort. „Ja, das ist eine gute Idee. Fragen Sie beide ab.“ Herr Shimizu warf Yugi einen wütenden Blick zu. Wenn Blicke töten könnten, wäre Yugi jetzt tot umgekippt. Yugi presste die Lippen zusammen, um sich ein triumphierendes Grinsen zu verkneifen. Er hatte dem Lehrer ganz schön in die Suppe gespuckt. „Gut“, stimmte Shimizu eher widerwillig zu. „Aber du antwortest erst, wenn Ikumi die Antwort nicht weiß oder wenn die Frage direkt an dich gestellt ist.“ Er begann seine Befragung, doch er wurde schon wieder enttäuscht, denn Ikumi war offensichtlich sehr gut vorbereitet und beantwortete alle Fragen ausführlich und vor allem richtig, so dass Yugi zu Anfang nichts zu tun hatte, bis Shimizu schließlich ein paar Fragen direkt an ihn stellte, doch er antwortete ebenfalls korrekt, was Shimizu sichtlich verstimmte. Ein leichtes Grinsen umspielte die Lippen des Lehrers, als er sich wieder Ikumi zuwandte und eine Frage zu einem Thema stellte, das eigentlich schon seit über zwei Wochen abgeschlossen war. Statt wie bisher wie aus der Pistole geschossen zu antworten, schwieg Ikumi eine Weile und Shimizus Grinsen erweiterte sich schon, als sie dann doch noch genauso einwandfrei antwortete, wie zuvor. Was sich natürlich auf Shimizus Laune niederschlug. „Ich denke, das reicht jetzt“, meldete Kamekura sich wieder zu Wort. Der Rektor hatte sich alle Fragen und Antworten auf Richtigkeit von seiner Nachbarin bestätigen lassen, schließlich war er kein Geschichtslehrer. Dann nahm er noch die Meinung des anderen Lehrers ein. „Ihr könnt euch setzen“, wandte er sich an die beiden Prüflinge und richtete den Blick dann auf Herrn Yamito. „Tragen Sie bitte beiden Schülern eine 15 ins Notenbuch ein.“ Herr Yamito nickte bestätigend und nahm schnell das Notenbuch zur Hand. Währendessen kamen die vier Lehrer nach vorne, denn die Stunde würde jeden Augenblick zu Ende sein. „Führen Sie Ihren Unterricht einfach so weiter, wie bisher. Es gibt nichts daran zu beanstanden.“ Herr Kamekura lächelte den Referendar freundlich an und die Lehrer folgten ihm aus dem Klassensaal. Shimizu warf Herrn Yamito einen unfreundlichen Blick zu. Sobald die Tür geschlossen war, klingelte es zur Pause. Diesmal wartete Herr Yamito, bis die Schüler den Saal verlassen hatten, ehe er sich auf den Stuhl hinter dem Pult setzte. Er schloss die Augen und atmete tief durch. Erst jetzt war ihm anzusehen, unter welchem Stress er in den letzten 45 Minuten gestanden haben musste. „Herr Yamito?“ Wieder war es Yugi, der hinter ihm stand. Diesmal aber alleine. Wie gerne würde er ihm jetzt tröstend eine Hand auf die Schulter legen. Es war sicherlich nicht einfach zu verkraften, dass Shimizu versucht hatte, ihn bloßzustellen, vor dem Rektor. Atemu hob den Kopf und sah Yugi an. Er wirkte gestresst und erschöpft. Dennoch huschte ein leichtes Lächeln über sein Gesicht, als sich sein Blick auf Yugi heftete. „Ich muss mich wohl bei euch beiden bedanken“, erklärte er schließlich. „Und mich bei euch revanchieren. Es war wahrscheinlich Glück für mich, dass ihr zwei abgefragt wurdet, ihr wart gut vorbereitet.“ Yugi schüttelte den Kopf. „Nein, ich denke, alle anderen hätten ähnlich abgeschnitten.“ „Meinst du?“ Herr Yamito stand auf und packte seine Sachen zusammen. „Wir haben Ihnen doch gesagt, dass wir Ihnen helfen“, erinnerte Yugi. „Sicher, aber ihr konntet ja schlecht ahnen, was passiert. Ich jedenfalls hätte das nicht für möglich gehalten“, entgegnete Atemu. Sie verließen den Klassensaal. „Wieso bist du eigentlich noch hier?“ Er sah Yugi an. „Ähm… Ich weiß nicht… Sie haben so… niedergeschlagen gewirkt“, erklärte Yugi und fühlte direkt die Hitze in seine Wangen schießen. Er richtete den Blick auf den Boden. „Du wolltest mich wieder aufbauen? Wie nett von dir.“ Atemu lächelte mild. „Es war nur die Anspannung, damit verbunden, dass ich versucht habe, sie zu verbergen. Aber jetzt geht es mir wieder besser.“ Heute war der letzte Schultag vor den Sommerferien. Dieser begann für die Schüler erst zur zweiten Stunde, bevor es direkt zur Zeugnisausgabe ging. Die 12.klässler versammelten sich alle in dem großen Musiksaal, um ihre Zeugnisse aus den Händen von Rektor Kamekura entgegenzunehmen. Dieser rief alle nacheinander nach vorne. Was aber allgemeines Grummeln hervorrief, war die Tatsache, dass er die Namen genauso vorlas, wie ihre Eltern sie damals zur Einschulung eingetragen hatten, das hieß, dass er auch die Zweinamen nannte, die vielen nicht so gefielen und es ihnen daher peinlich war, dass es so jeder erfuhr. Yugi selbst hatte damit keine Probleme. Er hatte keinen Zweitnamen. Der Junge fand die Tatsache viel interessanter, dass auch einige Lehrer anwesend waren und so achtete er gar nicht auf den Rektor und die vielen Namen bzw. Zweitnamen, sondern beobachtete viel lieber Atemu. Da der Rektor die Zeugnisse scheinbar alphabetisch geordnet hatte, war es auch nicht sonderlich schwer, den Faden nicht zu verlieren. Wenn Yugi nur daran dachte, dass er Atemu voraussichtlich die nächsten sechs Wochen nicht sehen würde, wurde ihm regelrecht schlecht. Wie sollte er das nur aushalten? Das war fast unmöglich. Deshalb wollte er ihn heute so viel wie möglich beobachten. Obwohl Frau Nakamori ihn in ein Gespräch verwickelt hatte, konnte Yugi erkennen, dass Herr Yamito Herrn Kamekura und die Schüler beobachte. Ab und an nickte er zu den Sachen, die Frau Nakamori ihm erzählte, aber ansonsten ließ er sich von ihrer Meinung kommentarlos zudecken. Er fand es scheinbar viel interessanter, die Reaktionen der Schüler auf ihre Zeugnisse zu sehen. Yugi richtete seine Aufmerksamkeit auf den Rektor, gerade rechtzeitig, um mitzubekommen, dass dieser schon bei M angekommen war. Als er dann schließlich aufgerufen wurde, kam er sich sehr beobachtet vor. Was aber nicht so sehr von seinen Mitschülern herrührte, die sich sowieso viel lieber untereinander unterhielten, als die Übergabe der anderen Zeugnisse zu verfolgen, sondern vielmehr daher, dass Herr Yamtio die ganze Zeit ein solch hohes Interesse an dieser Zeremonie gezeigt hatte. Yugi nahm sein Zeugnis entgegen und warf einen kurzen Blick darauf. Für ihn gab es keine Überraschungen, alles war zuvor schon ersichtlich gewesen. Er ging zu seiner Clique zurück, es vermeidend, Atemu anzusehen. „Zeig mal her!“ Joey nahm seinem Freund dessen Zeugnis aus der Hand und überflog es. „War ja abzusehen.“ Er selbst hatte für seine Verhältnisse auch ganz gut abgeschnitten und Téa und Tristan waren sowieso schon immer kleine Streber gewesen, also nichts Besonderes. Joey hatte bei den Zeugnissen von ihnen vier schon immer am schlechtesten abgeschnitten. Als das bei den letzten Zeugnissen dann einmal nicht der Fall gewesen war, war er auch nicht damit zufrieden gewesen, weil sein bester Freund sich so hatte gehen lassen. Aber seit Atemu wieder aufgetaucht war, war alles wieder OK, denn er übte scheinbar einen guten Einfluss auf Yugi aus. Nach der Zeugnisausgabe strömten die Schüler aus dem Saal. Jetzt stand erst einmal das an, was immer am letzten Schultag stattfand: das Fußballspiel 12.klässler gegen Lehrer. Auch Yugi und Joey waren in dieser Mannschaft. Wer genau allerdings ihre Gegner waren, wussten sie nicht. Die Sportlehrer natürlich auf jeden Fall. Aber sie hatten ja keine 11 Sportlehrer. Die Schüler mussten sich also zwangsläufig in den Umkleiden umziehen, die normalerweise den Mädchen vorbehalten waren, da die Lehrer die andere Kabine für sich beanspruchten. Nachdem die Schüler umgezogen waren, liefen sie hinaus auf den Sportplatz, um sich warm zu machen. Da diese Spiele immer sehr beliebt waren, war der Rand des Sportplatzes von zuschauenden Schülern ganz eingenommen. Hier und da konnte man sogar Plakate ausmachen, die die Schülermannschaft anfeuerten. Selbst der Schiedsrichter war ein Schüler, der aber dennoch neutral bleiben musste. Die vorherigen Spiele waren allerdings für die Schüler eher nicht so berauschend gelaufen, was ja bei einer gewissen Anzahl an Sportlehrern auch nicht verwunderlich war. Dafür waren die Lehrer allesamt viel älter, manche dadurch auch durchaus langsamer. Dadurch, dass die Lehrer jedes Jahr zusammen spielten, während ihre Gegner je nach Klassenstufe wechselten, hatte sich schon etwas Routine eingestellt. Dennoch waren die Spiele meist unentschieden ausgegangen, da die Schüler sich meist durch enormen Kampfgeist ausgezeichnet hatten. Aber es galt allgemein hin als äußerst schwierig, gegen die Lehrer überhaupt ein Tor zu schießen, weshalb es jedes Jahr aufs Neue oberstes Ziel der Schüler war, überhaupt ein Tor zu erzielen. Nachdem Yugi und die anderen ein paar Runden gelaufen und sich auch sonst warm gemacht und gedehnt hatten, rief sie der Rektor, der als Kommentator fungierte, zum Spielfeldrand. Sie räumten das Feld eigentlich nur, um es kurz darauf wieder zu betreten, denn nun wurde jeder Schüler gemäß seiner Position aufgerufen und joggte dann unter frenetischem Jubel der Mitschüler auf seinen Platz. Nachdem alle Schüler die zugeteilte Stellung bezogen hatten, kamen auch langsam die Lehrer, die sich in der Turnhalle warm gelaufen hatten, zum Spielfeldrand und warteten geduldig auf ihren Aufruf. Yugi hatte Herrn Kamekura den Rücken zugedreht, da Téa genau in der entgegengesetzten Richtung stand. Téa gestikulierte wild mit den Armen, aber Yugi verstand nicht, was sie wollte. Er lächelte nur und wandte sich dann dem Torwart zu. Kamata war nicht gerade der Schnellste, aber im Vorjahr hatte er viele gute Chancen pariert und zwei Jahre zuvor sogar einen Elfmeter gehalten. Ihn galt es, zu überwinden. Erst als die Nummer drei, linker Innenverteidiger, die Lehrer hatten sogar vor Jahren einen Satz blau-weiß gestreifter Trikots erhalten, von welchen Geldern auch immer, Schulen waren eigentlich notorisch knapp bei Kasse, wurde ihm klar, was Téa gemeint hatte: sein direkter Gegner als rechter Stürmer war kein geringerer als Herr Yamito. Yugi fühlte sich augenblicklich in dieser Situation sehr unwohl. Herr Yamito hatte gelächelt, als er auf ihn zugetreten war, doch nun schnellte seine Augenbraue hoch. Der Junge wandte sich verlegen ab. Er hatte den anderen mit offen sichtbarem Entsetzen angestarrt. Yugi tat so, als würde er interessiert die anderen Verteidiger und das defensive Mittelfeld betrachten. In welche Lage hatte er sich selbst mit dieser Teilnahme nur gebracht? Er schluckte hart. Es brachte nichts, er musste alle Gefühle abstellen und sich nur auf das Fußballspiel konzentrieren. Schließlich würden es ihm seine Kameraden nie verzeihen, wenn er sich irgendwelche grobe Schnitzer leisten würde, nur weil der Referendar sein direkter Gegner war. Außerdem wollte er noch immer gewinnen. Unsicher warf er einen Blick auf seinen Sturmpartner. Wenigstens hatte er mit Bakura auch schon in dem Fußballkurs gut zusammen gespielt. Und er hatte es sicherlich nicht nur der Flinkheit dank seiner kleinen Statur zu verdanken, dass er überhaupt in dieser Mannschaft war, denn er und Bakura harmonierten einfach. Joey hinten in der Verteidigung war auch nicht zu verachten. Einige Zeit nach dem Anstoß starteten die Schüler einen guten Angriff. Yugi wurde aus dem Mittelfeld heraus angespielt und hatte sofort Atemu auf der Pelle sitzen. Er blockte den Ball mit dem ganzen Körper ab, wurde aber von seinem Gegenspieler immer mehr vom Tor weg und zum Spielfeldrand hin gedrängt. Mist! Wieso war der Referendar bloß so hartnäckig? Warum war der Körperkontakt so eng? Das ließ Yugis Gefühle immer wieder hoch schwappen und er hatte einige Mühe, sich zu konzentrieren. Schließlich gelang es ihm, sich für Sekunden von Atemu zu lösen und mit Hilfe einer Drehung schoss er den Ball auf Bakura zu. Doch Bakura verfehlte das Tor nur knapp. Verdammt! Jetzt hatte Yugi sich solche Mühe gegeben und dann das! Er hatte beide Hände wütend zu Fäusten geballt. „Hey, jetzt schau doch nicht so verkniffen!“ tauchte plötzlich Atemus Stimme neben ihm auf. Yugi wandte sich um und konnte sehen, dass der Referendar ihn anlächelte. Nachdem er den Älteren eine Weile angestarrt hatte, öffnete er seine Hände wieder und seine Gesichtszüge wirkten weniger verkrampft. Eigentlich hatte er Recht. Atemu hatte ihn nur auf das hingewiesen, was er ihm früher auch schon immer gepredigt hatte: er sollte Spaß am Spiel haben, egal ob das nun Duell Monsters oder Fußball war. Yugi lächelte Atemu dankbar an. Diese Geste hatte ihn so sehr an früher erinnert, als alles noch OK war und er noch keine Probleme mit Atemus Nähe gehabt hatte. Dann wandte er sich wieder dem Spiel zu. Er war als einzige Sturmspitze noch vorne geblieben, während die anderen Schüler hinten waren und ihr Tor verteidigten. Geduldig wartete er auf einen Konter. Aus der Entfernung sah er zu, wie Joey ihren Sportlehrer aus dem Vorjahr bedrängte und es ihm schließlich gelang, den Ball ins Aus zu befördern. Während des gesamten Spiels standen die Lehrer sehr viel häufiger vor dem Tor der Schüler, aber von einem guten Spiel konnte nicht die Rede sein, das sah selbst der ungeübte Laie. Plötzlich ging alles ganz schnell und noch ehe Yugi sich versah, hatte er den Ball wieder. Und natürlich war auch wieder sein Lieblingsverteidiger zur Stelle. Aber diesmal würde Yugi sich nicht mehr so von ihm bedrängen lassen und er spielte den Ball relativ schnell zu Bakura rüber, der diesmal sogar traf. Yugi wollte gerade die Arme jubelnd hochheben, als auch schon ein gellender Pfiff ertönte. Oh nein! Abseits! Wenn sie schon mal in Ballbesitz waren, dann ging aber auch alles schief! Die Lehrer starteten gleich zum Gegenangriff und diesmal war es Yugi, der mit nach hinten ging, um den Ball zurückzuerobern, während Bakura in der Nähe des Tores lauerte. Sobald die Abwehr geklärt hatte, wurde der Ball mit einem weiten Pass zu Yugi gespielt, der sofort wieder auf das gegnerische Tor zustürmte. Ein schneller Doppelpass mit Bakura und der Ball zappelte erneut im Netz – kein Abseits. Yugi sprang jubelnd mit aller Kraft in die Höhe. „Jaaaaaah!“ Kaum hatten seine Füße den Boden wieder berührt, lag Bakura auch schon in seinen Armen und kurze Zeit später war er auch vom Rest der Mannschaft umgeben. Feiern konnten sie jedenfalls wie die Profis. An seinen Mitspielern vorbei konnte Yugi einen Blick auf Atemu erhaschen. Dieser starrte mit undefinierbarem Blick den jubelnden Schülerpulk an. Das wird euer einziges Tor bleiben! Yugi war, als könne er Atemus Gedanken lesen. Er reckte trotzig das Kinn vor. Das werden wir ja sehen! Ich werde es verhindern! Atemu wandte den Blick ab und Yugi war es, als würde die kurzzeitige telepathische Verbindung damit abreisen. Aber Yugi war Realist genug, um zu wissen, dass es keine echte Telepathie gewesen war und er einfach nur die Körpersprache des Referendars gedeutet hatte. Und es war ja auch ganz anders gewesen, als zu der Zeit, in der sie wirklichen telepatischen Kontakt miteinander gehabt hatten. Nach einer Weile löste sich die Zusammenkunft wieder auf und das Spiel konnte weitergehen. Lange Zeit nach der Halbzeitpause stand es noch immer 1:0 und die Schüler in ihren roten Oberteilen starteten einen erneuten Angriff. Kaum war Yugi wieder in Ballbesitz, schon war auch Atemu wieder herangeeilt und versuchte, ihm den Ball abzunehmen. Plötzlich ging alles so schnell, dass Yugi nur noch etwas Hartes an seinem Knöchel spürte und es ihn von den Füßen riss. Als er auf dem Boden saß, sah er, dass er nicht der Einzige war, der unsanft auf dem Hintern gelandet war. „Hast du dir wehgetan?“ fragten Yugi und Atemu wie aus einem Munde und Yugi realisierte noch nicht einmal, dass er den Referendaren, den er eigentlich hätte siezen müssen, geduzt hatte. „Nein“, erklärte Atemu und auch Yugi schüttelte den Kopf. „Dann ist es ja gut.“ Atemu stand auf und hielt Yugi die Hand hin, um ihm aufzuhelfen. Dieser griff danach und zog sich daran hoch. Doch sobald er das Gewicht auf den rechten Fuß verlagerte, knickte er weg und landete in Atemus Armen. „Aah!“ Eine Welle heißen Schmerzes überflutete ihn und alle Farbe wich aus seinem Gesicht. „Ich habe dich wohl doch erwischt!“ stellte Atemu fest und sah besorgt auf Yugi herunter, dessen Kopf noch immer an seiner Brust lehnte und der schmerzerfüllt die Augen geschlossen hatte. „Ich bringe dich wohl besser vom Feld.“ Er legte sich einen Arm von Yugi um seine Schultern und stützte Yugi, während dieser langsam dem Spielfeldrand entgegenhumpelte. Hinter der Spielfeldbegrenzung setzte er Yugi auf eine Kiste, die dort herumstand. Sofort kam Téa, die bei dem Spiel als Sanitäterin im Einsatz war, herangefegt und reichte Yugi ein Gelpack zu Kühlen, während dieser seinen Schuh und Strumpf ausgezogen hatte und der Referendar seinen Fuß und den Knöchel abtastete. „Du solltest dich besser ins Krankenhaus fahren lassen“, bemerkte er. Yugi schüttelte abwehrend den Kopf. „Ich glaube nicht, dass es so schlimm ist.“ Er versuchte ein Lächeln. Herr Yamito musterte Yugi prüfend. „Herr Yamito, wir brauchen Sie hier!“ versuchte der Mathelehrer, den Kamekura damals zu Herrn Yamitos Unterricht mitgeschleppt hatte, dessen Aufmerksamkeit zu erlangen. Herr Yamito sah ihn an. „Komme schon!“ Er warf Yugi noch einen abschätzenden Blick zu, bevor er wieder das Spielfeld betrat und zu seinem Posten trottete. Erst als Atemu wieder weg war, ging Yugi auf, dass er in dessen Armen gelegen hatte und er wurde nun nachträglich flusskrebsrot im Gesicht. Zwischenzeitlich war Tristan für Yugi eingewechselt worden. Aber das Spiel würde sowieso nicht mehr lange andauern, denn im Gegensatz zu den Profispielen dauerte ihr Spiel keine 90 Minuten, sondern sie spielten zwei Mal 30 Minuten. Nach dem Spiel, in dem nur noch ein Tor für die Lehrer gefallen war, das die Schüler auch der letzten Illusionen beraubt hatte, zum ersten Mal seit Ewigkeiten wieder gewinnen zu können, führte Atemus Weg als aller erstes wieder zu Yugi. „Wie geht’s dem Fuß?“ „Tut höllisch weh!“ erklärte dieser und verzog das Gesicht. „Dann bringe ich dich gleich ins Krankenhaus“, meinte der Referendar. Yugi schüttelte den Kopf. „Ich will erst noch duschen.“ Als er Herrn Yamitos skeptischen Blick sah, setzte er hinzu: „Joey und Tristan helfen mir sicherlich.“ „Natürlich!“ bestätigten die beiden Freunde wie aus einem Munde. Herr Yamito musterte die drei nachdenklich. „Also gut“, gab er widerwillig nach und stapfte davon. Joey und Tristan brachten Yugi im Schneckentempo zu den Umkleiden. „Du weißt ja, dass wir erst nach den Lehrern duschen können?“ erkundigte Tristan sich. „Die Mädchenduschen werden umgebaut, deshalb müssen wir warten, bis die Lehrer fertig sind.“ „Die Lehrer scheinen aber schon fertig zu sein“, bemerkte Joey, als sie an den Umkleidekabinen ankamen. Sie hatten unterwegs noch Glückwünsche für Yugis Tor entgegengenommen genauso wie Besserungswünsche, so dass sie noch langsamer vorangekommen waren, als mit Yugis Verletzung eh schon. „Dann können wir dich ja gleich in die Jungenumkleide setzen, wir packen dann deine Sachen zusammen und bringen sie dir mit“, erklärte Tristan und Yugi nickte. Was blieb ihm auch anderes übrig. Er setzte sich auf eine der Holzbänke entlang der Wände der fast leeren Umkleide und wartete. Doch der erste, der nun die Umkleide betrat, war kein Schüler, sondern es war Atemu, der nur mit einem weißen Handtuch um die Hüften bekleidet aus dem Duschraum kam. Yugi riss die Augen auf. Er sah aus wie ein schöner Adonis. Atemu Yamito war gut gebaut, erst jetzt war zu sehen, dass er durchaus sehr sportlich und daher trainiert war. Aber im Gegensatz zu anderen Männern hatte er es nicht übertrieben, daher hatte er weder unnatürlich dick wirkende Oberarmmuskeln noch Sixpack am Bauch. So mochte es Yugi sowieso lieber. Er wurde wieder rot im Gesicht. „Yugi!“ Herr Yamito hatte den Schüler bemerkt. Er ließ das andere, ebenfalls weiße Handtuch, mit dem er sich die Haare getrocknet hatte, sinken. Dann schritt er auf Yugi zu. Er legte das Handtuch neben Yugi auf die Holzbank und ging dann vor dem Jungen in die Hocke, um nach seinem Fuß zu greifen, den er wieder abtastete. Der Anblick war fast zu viel für Yugis ohnehin schon rote Gesichtsfarbe; wenn es noch möglich war, so wurde er noch röter im Gesicht. Denn als Atemu in die Hocke gegangen war, hatte sich das Handtuch um seine Hüfte an der Stelle, wo die beiden Enden ineinander verschlungen waren, auseinander geschoben. Doch zum Glück hatte er es seitlich gebunden, so dass sich nur sein braun gebrannter muskulöser Oberschenkel einen Weg durch den Schlitz gebahnt hatte. „Ganz schön angeschwollen“, bemerkte Atemu ohne aufzusehen. „Wird wohl doch etwas ernsteres sein.“ Bevor einer der beiden noch etwas sagen konnten, standen die Schüler in der Tür, die nun endlich auch duschen wollten. „Oh, Entschuldigung.“ Herr Yamito war schnell aufgestanden. „Kommt doch herein!“ forderte er sie auf. Es war zwar nicht angemessen, dass Schüler einen Lehrer nackt sahen, aber er konnte sich auch flink unter seinem Handtuch anziehen. Zwischen den ganzen Schülern verlor Yugi Atemu aus den Augen, aber als er ihn wenige Augenblicke später wieder entdeckte, war er schon komplett angezogen, hatte sich seine Sporttasche über die Schulter geworfen und war gerade im Begriff, die Umkleide zu verlassen, während Yugi sich schon mal sein rotes Shirt ausgezogen hatte, bevor die beiden Freunde ihm bei dem Rest helfen würden. Als Yugi frisch geduscht und umgezogen zwischen Joey und Tristan, die sich beide jeweils einen von Yugis Armen um die Schultern gelegt hatten, die Umkleide wieder verließ, standen Téa und Atemu an die Wand zwischen dem Gang zu den Umkleiden und der Turnhalle gelehnt und schienen auf sie zu warten. Dieses Szenario versetzte Yugi einen Stich ins Herz. Die beiden standen schon wieder so dicht beisammen. Er wandte den Blick ab. Téa stürzte sofort auf Joey zu, um ihm Yugis Sporttasche abzunehmen, schließlich hatte er schon seine eigene zu schleppen. Auch Atemu stieß sich von der Wand ab und griff nach seiner Sporttasche, die er zuvor auf dem Boden abgestellt hatte. Yugi hüpfte die ganze Zeit nur auf seinem gesunden Fuss umher. Der Referendar ging voraus und hielt den Jungs sämtliche Türen auf. Sie überquerten den Schulhof und erreichten dann den Lehrerparkplatz. Endlich stellte Yugi die Frage, die ihn schon die ganze Zeit beschäftigte: „Wollen Sie mich wirklich mit dem Motorrad ins Krankenhaus fahren?“ Das Motorrad hatte sicherlich keinen Platz zusätzlich für zwei so große Sporttaschen. Außerdem musste er gerade daran denken, was Téa von ihrer Fahrt mit Herrn Yamito erzählt hatte. Ob er jetzt so was noch durchhalten konnte, hielt er für fraglich. „Motorrad? Nein, ich bin mit dem Auto hier“, erklärte Herr Yamito und hielt neben einem roten zweisitzigen Cabrio. Zunächst öffnete er die Beifahrertür, damit die beiden Jungs ihre Last absetzen konnten, bevor er den Kofferraum öffnete, um die beiden Sporttaschen zu verstauen. Yugi bedankte sich bei seinen Freunden und verabschiedete sich dann. Herr Yamito bog gleich auf die Hauptstraße ein. Währendessen betrachtete Yugi die vielen Zigarettenkippen, die nicht nur den Aschenbecher überquellen ließen, sondern sogar auf dem Boden herumlagen. Er bemühte sich krampfhaft, dass sich sein Gesicht nicht angewidert verzog. War Herr Yamito etwa Kettenraucher? Er hatte nie den Geruch von Zigaretten an ihm wahrgenommen und auch seine Wohnung hatte damals nicht den Anschein erweckt; er konnte sich jedenfalls nicht erinnern, bei ihm zu Hause auch nur einen Aschenbecher gesehen zu haben. Aber eigentlich ging ihn das auch gar nichts an. Jeder musste selbst entscheiden, was er mit seiner Gesundheit anstellte. Abgesehen von dem Gestank. Nur hatte jetzt das Bild, das er von Herrn Yamito bisher gehabt hatte, einen kleinen Knacks bekommen, da er strikter Nichtraucher war und den verursachten Geruch einfach nur als bestialisch empfand. „Tut mir Leid, dass der Wagen so eingesaut ist“, erwähnte Atemu beiläufig. „Ich hatte ihn am Wochenende meinem Bruder geliehen und den ganzen Mist hier erst heute Morgen, als ich schon viel zu spät dran war, entdeckt. Ich hatte keine Zeit mehr, aufzuräumen.“ Er hielt an einer Ampel und warf erst Yugi, dann den Zigarettenstummeln einen Blick zu. Atemu schüttelte den Kopf. „Ich weiß auch gar nicht, was er am Rauchen findet. In meinen Augen hat das doch nur Nachteile.“ Er seufzte und fuhr dann wieder weiter. Yugi atmete erleichtert ein. War er also doch Nichtraucher. Welch ein Glück. Er mochte es gar nicht, wenn sie beide so stumm nebeneinander saßen und er suchte nach einem Gesprächsthema. „Haben Sie ihr Motorrad verkauft?“ „Nein, wieso?“ Atemu warf Yugi einen flüchtigen Blick zu. „Ach so, du meinst, weil ich mir beides von meinem Gehalt sicherlich nicht leisten kann?“ Er ließ sein warmes Lachen ertönen. „Nein, das ist wahr.“ Er konzentrierte sich kurz auf den Verkehr, bevor er weiterredete. „Mein Vater hat mir das Cabrio geschenkt. Auf dem Papier gehört es ihm. Das Motorrad hab ich mir wirklich selbst gekauft, wovon mein werter Herr Erzeuger alles andere als begeistert war. Ein Motorrad ist zu gefährlich und zu wild. Aber für mich bedeutet es Freiheit. Deshalb auch das Cabrio: es war wohl als eine Art Bestechung gedacht, damit ich das Motorradfahren freiwillig aufgebe.“ Atemu lachte wieder. „Aber es hat nichts genützt. Jetzt fahre ich eben beides.“ Yugi saß im Untersuchungszimmer und wartete auf die Ergebnisse seiner Untersuchung. Nach einer Weile kam der Arzt wieder herein. „Es sieht ganz danach aus, dass Sie operiert werden müssen. Allerdings müssen wir noch etwas warten, bis die Schwellung zurückgegangen ist“, erklärte er freundlich. „Am Besten, Sie lassen sich für morgen einen Termin geben.“ Yugi seufzte und nickte. Atemu hatte also von Anfang an Recht gehabt. Es war doch etwas Ernsteres. Er nahm die mintgrünen Krücken entgegen und verließ den Untersuchungsraum. Auf dem Gang sah er sich schon fast enttäuscht um. Da Atemu noch auf den grauen Plastiksitzen entlang der weißen Wände gesessen hatte, als man ihn in seinem Rollstuhl, den Atemu besorgt hatte, um ihn vom Auto in die Notaufnahme zu bringen, zum Röntgen gebracht hatte, hatte er wohl irgendwie gehofft, dass er auch noch nach den ganzen Untersuchungen da sein würde und auf ihn gewartet hätte. Aber das wäre wohl zu viel verlangt gewesen. Immerhin hatte der Referendar vermutlich besseres zu tun, als auf ihn zu warten. Doch was sollte er jetzt tun? Herr Yamito hatte ihn hierher gebracht und er konnte schlecht mit Krücken und mit den vielen Schmerztabletten, mit denen er voll gepumpt war, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Er würde wohl seine Mutter anrufen und sie von dem Spieleladen loseisen müssen. „Hey, Yugi“, tauchte plötzlich eine vertraute Stimme hinter ihm auf. „Schau mal, wen ich dir mitgebracht habe.“ Yugi versuchte, sich samt den Krücken einigermaßen zu dem Sprecher hindrehen zu können, doch wenn er sein Gewicht nur auf dem linken Fuß beließ, war das gar nicht so einfach. Neben Atemu stand seine Mutter. „Mama!“ Diese kam gleich auf ihn zu und nahm ihn tröstend in den Arm. „Was machst du denn für Sachen, Schatz?“ Nicht schon wieder dieses ‚Schatz’! Und dann ausgerechnet auch noch vor Atemu! Er wäre am Liebsten im Erdboden versunken. „Er hat gar nichts getan, Frau Muto. Ich bin daran schuld“, erklärte Atemu und hielt ihrem Blick stand. Frau Muto musterte den jungen Referendar. „Ja, so was meinten Sie schon am Telefon.“ Yugi stockte der Atem. Telefon? Woher hatte Atemu ihre Telefonnummer? Aber wahrscheinlich hatte er einfach im Telefonbuch nach Großvaters Laden gesucht. Sie wandte sich wieder ihrem Sohn zu. „Aber wie genau ist es denn passiert? Beim Fußball?“ Yugi nickte. „Ja, At… hm…“ Er biss sich auf die Zunge. Fast hätte er Atemu beim Vornamen genannt. Der Junge warf Atemu einen Blick zu, aber dieser schien nichts bemerkt zu haben. „Herr Yamito war mein direkter Gegenspieler. Er wollte mir nur den Ball wegnehmen.“ Der Junge kannte seine Mutter und wollte sie beruhigen. Außerdem konnte er es schlecht so stehen lassen, dass Atemu alleine schuld war. Er selbst hätte ja auch besser aufpassen können. „Und wie steht es jetzt?“ erkundigte Atemu sich und klang etwas besorgt. Yugi warf ihm einen Blick zu. „Vorläufig kann ich nach Hause, aber morgen soll ich wieder kommen. Ich muss aber operiert werden.“ Atemu nickte beklemmt. Er schien sich wirklich schuldig zu fühlen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Noch abschließend was zu den Kapitellängen: die werden sicherlich nicht länger^^ Kdf? ist sogar die Fic, mit den längsten Kaps, die anderen tendieren eher zur Kürze^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)