Callboys von Stoechbiene (ZoxRo (LyxKa, SaxNa)) ================================================================================ Kapitel 29: Hinter der Fassade ------------------------------ 29. Zorro Hinter der Fassade Die Flucht aus dem Leben, das man vor wenigen Augenblicken noch geführt hat. Verkleidet wie jemand, der etwas zu verbergen hat. Aber das habe ich ja auch. Die Rolle des Callboys ist beendet, nun gilt es unbemerkt die Bühne des Geschehens zu verlassen, denn für die sensationsgierigen Reporter soll die Illusion aufrecht erhalten bleiben, dass Sina Catrell sich mit drei attraktiven Männern amüsiert, ihre Spielchen treibt; als ob zwei dafür nicht ausreichen würden. Doch nun spiele ich eine neue Rolle, weniger schillernd und am besten unsichtbar. Bandana auf dem Kopf, Rucksack lässig über eine Schulter geworfen; wer vermutet hinter dieser Fassade ein bezahltes Frauenspielzeug? Hoffentlich niemand. Immerhin wurde an alles gedacht, soll doch keine Frau behaupten können Alvida würde nicht sämtliche Hebel in Bewegung setzen, um ihren Kundinnen jeden Wunsch zu erfüllen, egal welcher Art er auch sein mag. Zum Glück bin ich heute nicht mehr Teil eines solchen Wunsches. Mihawk und Ace dagegen…. Nun ich denke, sie werden noch eine lange Nacht vor sich haben. Und ich? Fest umschließen die Finger meiner linken Hand den Tragegurt meines Rucksacks, suchen Halt in einer Angelegenheit, in der ich auf mich allein gestellt bin. Kein Sanji der mir hilft, keine Kaya, kein Lysop. Unruhig wandert mein Blick zur digitalen Anzeige des Fahrstuhls, die langsam die Etagen abwärts zählt. Zu meinem Pech bin ich nicht allein in dem Lift, der eigentlich nur für das Personal oder schwere Lasten bestimmt ist. Zwar scheinen mich die beiden Zimmermädchen zu ignorieren, dennoch bevorzuge ich es, dass mich beim Verlassen einer Kundin so wenig wie möglich Menschen sehen. Hinzu kommt heute allerdings, dass ich nicht nur unbemerkt von hier verschwinden muss, sondern auch die bange Frage, ob gleich noch jemand auf mich warten wird. Als ich heute Abend mit Ace und Mihawk zu Sina in die große Limousine gestiegen bin und wir zu ihrer Ausstellung fuhren, da ahnte ich noch nichts davon, dass mir wenige Augenblicke später das Herz in die Hose rutschen sollte. Doch als das zwar alte, aber dennoch sehr gepflegte Haus in Sichtweite kam, vor dem ich schon so oft mit Diego stand und er sich wegen seines Lieblingsbildes die kleine Nase plattdrückte, betete ich, dass Robin nicht anwesend sein würde, sondern sie lediglich die Räumlichkeiten ihrer Galerie zur Verfügung gestellt hatte. Leider besaß ich soviel Glück nicht. Den ganzen Abend über musste ich sie ansehen, wann immer sich mir eine Gelegenheit dazu bot. Sah wie sie litt, weil sie der Situation offensichtlich ebenso wenig gewachsen war wie ich. So freuten sich zwar meine Augen sie zu sehen, doch mein Herz zog sich schmerzlich zusammen, weil mein Verstand ihm verbot nach Robin Ausschau zu halten, oder gar zu ihr zu gehen, um die ganze Angelegenheit aufzuklären. Nur zu gern hätte ich ihre Sorgen und Befürchtungen zerstreut, die Sina in ihr hervorgerufen hatte. Dennoch, oder gerade deswegen habe ich mich dazu hinreißen lassen Robin indirekt um ein Treffen zu bitten, mir eine Möglichkeit zu geben ihr zu zeigen, dass ich sie nicht belogen habe, sondern lediglich die Rolle von Sina’s Liebhaber spielte. Ob sie den kleinen blauen Stern auch als Einladung verstanden hat? Betrübt starre ich auf das kleine weiße Blechschild, dessen schwarze Buchstaben darauf hinweisen, dass Aufzüge im Brandfall nicht benutzt werden dürfen. Wie oft habe ich dieses Schild in den letzten Sekunden nun schon angestarrt, um mich selbst von meinen eigenen Gedanken abzulenken? Zwanzigmal? Ein Rumpeln, knarrende Türen, endlich bin ich angekommen! Dennoch zwinge ich mich zur Geduld, denn die beiden Frauen scheinen eindeutig im Tratschen schneller zu sein als beim Laufen. Außerdem würde ich nur ihre Aufmerksamkeit auf mich lenken, was ich tunlichst zu vermeiden versuche. Die Luft im Keller ist schwül und erfüllt vom Geruch aus Waschmittel, Schweiß und Heizöl. Selbst in einem Luxushotel gibt es also stinkende Ecken. Ein weiterer Beweis dafür, dass kein Extrem ohne das andere leben kann. Ein letzter Blick zurück, ehe ich durch den Lieferanteneingang ins Freie trete und über eine kleine Treppe hinauf zur Straße gelange. Tief atme ich die warme Sommernachtsluft ein, werfe noch schnell einen Blick auf meine Uhr, um die verbleibende Zeit abzuschätzen bis der Bus Richtung West-Downtown fährt. Wesentlich entspannter als noch vor wenigen Minuten gehe ich die Straße entlang, überquere selbige zügig als sich mir die Gelegenheit dazu bietet, um zur Bushaltestelle zu gelangen. Wenn der Bus pünktlich abfährt, brauche ich nur knapp zehn Minuten bis zum Stars, womit ich in etwa zum gleichen Zeitpunkt wie Robin ankommen müsste. Sie soll nicht unnötig auf mich warten müssen, sofern sie sich denn gerade auf dem Weg ins Stars befindet. Ich richte meinen Blick nach vorn, versuche zuversichtlich zu sein, denn Erfolg hat primär etwas mit der inneren Einstellung zu tun. Steht da etwa schon der Bus? Kann eigentlich gar nicht sein. Trotzdem überlege ich nicht lange und renne los, dränge mich an Fußgängern vorbei, doch das Glück scheint es heute wirklich nicht gut mit mir zu meinen, denn der Bus fährt ohne mich davon. Verdammt! Wütend werfe ich meinen Rucksack vor mir auf den Bürgersteig und würde am liebsten laut dazu fluchen. Womit habe ich es nur verdient, dass das Pech an meinen Fersen zu haften scheint? Und wieso ist dieser blöde Bus eigentlich schon losgefahren? Nach meiner Uhr hätte ich noch fünf Minuten Zeit gehabt. Der Blick auf meine Armbanduhr ist gleichsam ernüchternd wie ärgerlich, haben sich ihre Zeiger offensichtlich das letzte Mal vor über einer Stunde bewegt. Dieses Schrotteil! Wütend zerre ich an ihr herum, nur um sie im nächsten Moment in den nahegelegenen Mülleimer zu pfeffern. Die Uhr war eh vom Flohmarkt und nicht einmal die Batterie in ihr wert. Doch so schnell werde ich nicht aufgeben, Pech hin oder her, auch wenn es von Minute zu Minute unwahrscheinlicher wird, dass Robin noch auf mich wartet, doch ich will keinen Versuch ungenutzt lassen. Und falls sie mich versetzt hat muss ich ohnehin meinen Frust in Alkohol ertränken und wo wäre ich dafür besser aufgehoben als im Stars? Ein letzter Blick die Straße hinab, an deren Ende langsam die Rücklichter des Busses im Straßenverkehr untertauchen. Entschlossen schultere ich meinen Rucksack und begebe mich auf den Weg. Im gleichmäßigen Schritt Richtung Innenstadt, immer schneller, bis ich eher jogge als gehe. Doch der Weg ist weit, denn das Stars liegt gut versteckt in einer Seitenstraße und nicht wie das Hotel mitten im Herz der Stadt. Taxis fahren an mir vorbei und nur zu gern würde ich jetzt den Arm ausstrecken und mir eines heranwinken, damit ich möglichst schnell mein Ziel erreiche. Doch wovon soll ich den Fahrer bezahlen? Klar, das Geld in meiner Tasche würde ausreichen, um bis zum Stars chauffiert zu werden, allerdings brauche ich mein Geld für wichtigere Dinge, wie Essen und Kleidung. Diego wird sicherlich bald ein paar neue Hosen brauchen, so schnell wie der Kleine wächst und wovon soll ich die bezahlen, wenn ich mein Geld zum Fenster rauswerfe? Zügig laufe ich weiter, kürze den Weg ab, indem ich durch Fußgängerzonen gehe, doch mein rasches Vorankommen wird durch eine Gruppe junger Menschen gestoppt, die sich dicht vor dem Eingang eines Nachtclubs drängen und vergeblich versuchen hineinzugelangen. Einige von ihnen halten Plakate hoch, doch ich ignoriere sie weitestgehend. Vermutlich ist irgendeine Berühmtheit in dem Club abgestiegen, was in L.A. nun wirklich keine Seltenheit ist. Nur mühsam komme ich voran, kämpfe mich durch den Treibsand aus Menschen, bis ich am Ende der Menschentraube meine Freiheit wieder zurückerlange. Der ein oder andere dieser Fans wollte mich auch erst gar nicht passieren lassen, wohl aus Angst, ich würde ihm seinen Platz streitig machen wollen. Als ob ich nichts Besseres zu tun hätte. Die Stimmen werden leiser je weiter ich laufe und je näher ich dem Wolkenkratzer komme, in dessen obersten Etage das Stars thront. Wird auch Zeit, schließlich ist es beim Joggen nicht gerade von Vorteil einen Rucksack mit sich herumzutragen. Doch irgendwo musste ich ja meine Kleidung lassen, die ich zuvor auf der Ausstellung getragen habe, schließlich hätte ich ja wohl kaum in Designerkleidern heimlich durch den Lieferanteneingang verschwinden können, ohne dass ein Reporter auf mich aufmerksam geworden wäre. Eine alte Jeans und ein Shirt sind hierfür besser geeignet. Endlich, der Eingang liegt direkt vor mir. Ich weiß, eigentlich dürfte ich nicht hier sein, dürfte Robin nicht treffen, denn sollte Alvida von unserer Begegnung erfahren, dann ergeht es mir vermutlich wie Luke. Er muss nun als Second arbeiten, bekommt aber für ein ganzes Jahr nur das Gehalt eines Third. Dabei kann er von Glück reden, unsere Chefin schien Mitleid mit ihm gehabt zu haben. Im Grunde wäre es auch besser wenn ich weiterhin meiner Pflicht nachgehen würde, bis ich endlich Alvida die volle Summe zurückerstattet habe, die ich ihr schulde. Als Third wird das noch ein paar Jahre dauern, aber ich verkaufe meinen Körper nicht, auch wenn das bedeutet, dass ich weiterhin Alvida’s Sklave bin. Doch ich kann und will mir die Chance Robin zu treffen nicht entgehen lassen. Sie bringt mein Herz zum schlagen, schenkt mir Freude und Zuversicht. Dinge, die ich vor unserer ersten Begegnung aus meinem Leben verbannt hatte. Doch ganz so prekär ist die Lage nun auch nicht, immerhin hat meine Chefin im Stars absolutes Hausverbot. Jessy und June würden sie keine Sekunde in ihren Räumlichkeiten dulden, schon gar nicht nachdem was die beiden in der Vergangenheit erdulden mussten. Der Türsteher begrüßt mich mit einem Handzeichen, kennt er mich doch seit der Eröffnung des Stars und ich bin nicht gerade selten Gast hier. Zudem hat June mir uneingeschränktes Asyl eingeräumt, sollte ich je vor Alvida und ihren Männern fliehen müssen. Ich kann bloß hoffen, dass es nie soweit kommen wird. Der Aufzug ist da und wieder lasse ich mich von so einem elektrischen Blechkasten an einen anderen Ort bringen. Ob Robin bereits damit nach oben gefahren ist? Aber ich kann ihr Parfum nicht riechen, nur Zigarettenrauch und diesen typischen Geruch, wenn die Luft in einem Raum schon etwas verbraucht ist. Ob sie da ist? Und wenn ja, wird sie sich freuen mich zu sehen? Schenkt sie mir ein Lächeln? Dieses schüchterne Lächeln, das soviel Ehrlichkeit mit sich bringt, dass ich jedes Mal wenn ich es sehe kämpfen muss, um meine Fassade aufrechtzuerhalten. Robin bringt mich seit einiger Zeit immer wieder an diesen Punkt wo ich kurz davor bin ihr alles über mich zu erzählen. Weshalb ich diesen Job ausübe, was mit Kuina geschah und welche Lücke sie durch ihren Tod in meinem Leben hinterlassen hat und wie sehr es mich freut nun ihr begegnet zu sein, mich mit ihr unterhalten kann ohne dabei das Gefühl zu haben, dass sie es im Grunde nur auf ein Abenteuer in einem kleinen Hotelzimmer abgesehen hat. Inzwischen weiß ich auch recht viel über sie, habe sogar in meiner Freizeit ein wenig auf der Homepage der U.C.L.A. nachgeforscht, ob sie dort als Dozentin arbeitet. Für Archäologie und Völkerkunde, wie sie es mir bei unserem ersten Treffen erzählte. Und als ich ihr Bild auf dieser Homepage sah, mein Herz sich freute wie ein kleines Kind, ist mir zum ersten Mal bewusst geworden wie sehr ich von ihr fasziniert bin. Aber dabei blieb es ja nicht. Inzwischen freue ich mich so sehr auf unsere Treffen, dass ich ihnen regelrecht entgegenfiebere. Bei jeder anderen Kundin ist es eine Qual für mich zu den Treffen zu gehen, sträubt sich jede Faser in mir, doch bei ihr kann ich es kaum erwarten. Nach dem warum wage ich mich selbst nicht zu fragen, auch wenn die Antwort auf diese Frage wie ein Damoklesschwert über mir schwebt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)