Callboys von Stoechbiene (ZoxRo (LyxKa, SaxNa)) ================================================================================ Kapitel 18: Erinnerungen: Gefangen ---------------------------------- 18. Zorro Erinnerungen: Gefangen Das Pochen wird stärker, besonders rechts. Eigentlich ist es fast schon ein Stechen. Penetrant, bohrend, quälend. Nahezu blind taste ich mit meiner Hand danach, befühle die schmerzhafte Stelle an meiner Schläfe. Doch recht schnell beende ich mein Tun, denn dadurch wird es nur noch schlimmer. Tief atme ich durch, was sich eher wie ein leidvolles Stöhnen anhört, ist meine Kehle doch einfach zu trocken. Mein Arm fällt zurück auf die Matratze, streift dabei aber eher unbeabsichtigt eine andere Person. Wo bin ich? Noch völlig benebelt öffne ich die Augen, blinzle, bis ich etwas erkennen kann. Grau. Um genau zu sein, eine graue Wand. Ich drehe meinen Kopf nach links, aber keine zehn Zentimeter vor meinem Gesicht der selbe Anblick. Was ist nur passiert? Doch ein ebenfalls gequältes Seufzen reißt mich aus meiner Starre und erinnert mich an die ominöse Gestalt, die neben mir liegt. Hektisch drehe ich meinen Kopf nach rechts, was ich aber sogleich bereue. Der Schmerz in meinem Kopf verwandelt sich augenblicklich in einen scharfen Speer, der sich dort fest zu bohren scheint. Verflucht! „Zorro?…Wo sind wir?“ Trotz meines wenig erfreulichen Zustands erkenne ich Sanji, der nicht weniger fertig aussieht, als ich mich fühle. Dabei waren wir doch gestern gar nicht aus um etwas zu trinken, lediglich spazieren mit Diego… Diego! Panisch richte ich mich auf, klettere trotz meiner dröhnenden Kopfschmerzen über Sanji, um aufstehen zu können, nur um im nächsten Augenblick wie ein nasser Sack beinahe hinzufallen. Angenehm kühl fühlt sich die Betonwand an, an die ich mich mit der Stirn gelehnt habe, bevor ich zusammenklappen konnte. Vor meinen Augen tanzen bunte Lichter, explodieren wie tausend Glühbirnen, befindet sich mein Kreislauf doch noch immer im Keller. Trotzdem habe ich keine Zeit auszuruhen, ich will zu Diego. Wieso ist er nicht bei mir? Ich drehe mich um, so dass ich nun mit dem Rücken an der Wand lehne und mich besser umsehen kann. Aber bis auf ein altes Waschbecken und das schmale Bett, auf dem Sanji noch immer wie ein Häufchen Elend liegt, ist nichts zu sehen. Gut, die geschlossene Stahltür, aber ob mich das beruhigen sollte? Wie sind wir nur hierher gekommen? Sanji und ich waren spazieren, wobei ich Diego im Easyrider sitzen hatte; eine Art Tragegurt für Babys. Kinderwägen sind mir zu unpraktisch, außerdem wird man ständig von irgendwelchen Leuten in der Stadt angerempelt und das wollte ich mir ersparen. Momentan bin ich eh sehr leicht reizbar, denn Kuina’s Tod raubt mir nach wie vor jede Nacht den Schlaf, auch wenn sie bereits seit fast vier Monaten nicht mehr lebt. Die Bank hat mich aus dem Haus geworfen, schließlich war der Kredit noch nicht bezahlt und nach dem Tod meines Schwiegervaters hat sie eben ihr Recht gefordert. Seitdem stehe ich vor dem Nichts. Letzte Woche konnte ich zwar damit anfangen Bewerbungen zu schreiben, da mein Abschlusszeugnis vom College endlich eingetroffen ist, aber bis jetzt habe ich noch keine Antwort erhalten. Doch im Grunde kann ich froh sein, dass Sanji mich und den Kleinen bei sich aufgenommen hat, auch wenn er selbst nur in einer einfachen Zweizimmerwohnung lebt. Aber wo befindet sich mein Sohn im Moment? Ich muss ihn finden, sonst… Unruhe durchzieht meinen Körper, so dass ich mich trotz der Schwindelgefühle von der Wand abstoße. Mein Weg führt mich zu dem Waschbecken, an dem ich erst einmal den Wasserhahn aufdrehe und etwas trinke. Tut das gut! „Lass mich auch mal...“ höre ich Sanji murmeln, so dass ich zur Seite rücke. Jetzt geht es mir besser, zumindest körperlich. Aber ich muss etwas unternehmen, Diego finden, denn ohne ihn ist mein Leben keinen Pfifferling mehr wert. Außerdem braucht er mich doch, ich bin schließlich sein Vater und er ein kleines, hilfloses Baby! Angespannt tastet mein Blick die Wände ab, sucht eine Fluchtmöglichkeit, bis ich etwas entdecke. Ein wenig unsanft schiebe ich Sanji meinen Ellenbogen zwischen die Rippen, was ihm ein deutlich hörbares Fluchen entlockt. „Man, mir geht’s schon beschissen genug, also hör auf mit dem Scheiß!“ Doch anstatt ihm zu antworten, hebe ich lediglich kurz meinen Arm und deute an die Zimmerdecke. Sichtlich genervt folgt er meinem Blick, bis auch er meine Entdeckung sieht. Eine Kamera. „Wo sind wir hier nur gelandet?“ murmelt er, während er sich mit einer Hand durch die Haare fährt. Gebannt starren wir auf das blinkende Aufnahmegerät, aber wohl keiner von uns beiden verspricht sich davon wirklich eine Antwort. „Sie haben uns also doch erwischt.“ „Wer?“ „Diese Typen, denen wir im Park begegnet sind. Hast du das etwa vergessen, Grüner?“ Nachdenklich sehe ich ihn an, aber ich weiß wirklich nicht mehr, was geschehen ist. Wir waren doch nur spazieren, liefen durch diese kleine Grünanlage… Diego hat geschrien! Ich wollte ihn beruhigen, aber…Sanji rief, ich solle weglaufen, was ich auch tat und auf einmal…nur noch Schmerz. Nachdenklich fasse ich mir an den Hinterkopf, doch was ich dort fühle, irritiert mich nur noch mehr. „Sanji, was ist das?“ Kritisch beginnt er in meinen Haaren herumzuwühlen, bis er kurz scharf die Luft zwischen den Zähnen einzieht. „Du hast eine Platzwunde, die aber genäht wurde.“ „Erinnere ich mich vielleicht deshalb nicht?“ „Möglich.“ Er beginnt auch seinen Kopf abzutasten, aber er scheint unverletzt zu sein. „Was hast du da am Arm?“ Ich kann gar nicht so schnell reagieren, wie er mich packt und an meinem linken Arm herumzerrt. „Lass los!“ „Findest du es etwa nicht merkwürdig, dass deine Reflexe im Moment schlechter sind als die eines alten Mannes? Man hat uns sicherlich Schlafmittel oder ähnliches verabreicht. Sieh dir nur deinen Arm an, der Arzt muss ein absoluter Dilettant gewesen sein.“ Tatsächlich, ich habe einen riesigen Bluterguss, aber Sanji auch. Doch das hält ihn keineswegs davon ab weiter an mir herumzuzerren, bis er auf einen weißen Verband an meinem rechten Fuß stößt. An sich kann es schon mal passieren, dass man umknickt, wenn man vor seinen Verfolgern fliehen will, aber dass Sanji den gleichen Verband an der absolut gleichen Stelle hat, ist schon mehr als verdächtig. Niedergeschlagen gehe ich wieder zum Bett, auf das ich mich fallen lasse. Es riecht modrig. Aber was interessiert mich der Gestank eines alten Bettes, die Platzwunde an meinem Kopf, wenn das wichtigste in meinem Leben nicht mehr bei mir ist. Diego darf einfach nichts passiert sein! Kleine Tränen versammeln sich in meinen Augen, doch ich zeige sie nicht, verbiete ihnen das zu tun, was sie in den vergangenen Monaten zu oft getan haben; meine Hilflosigkeit zeigen. So drehe ich mich auch auf die Seite, als Sanji neben mir auftaucht, will ich doch mit meinem Schmerz und meiner noch viel größeren Sorge allein sein. Aber wie es für ihn nun mal so typisch ist, gönnt er mir diese kleine Auszeit nicht, sondern umarmt mich einfach. „Sei nicht so stur“, flüstert er in mein Ohr, so dass ich weiß, dass er mich mal wieder durchschaut hat. Gibt es jemanden, der mich besser kennt? Ich glaube nicht. „Ich hab genauso viel Angst um Diego wie du, aber bis jetzt haben wir noch jede Situation gemeistert und auch bei dieser wird es nicht anders sein. Ich lass dich nicht im Stich, das weißt du genau, also gib dir einen Ruck und versuch das Beste daraus werden zu lassen.“ Ich nicke und drehe mich wieder auf den Rücken, so dass wir uns ansehen können. „Niemand wird dir den Kleinen wegnehmen, das verspreche ich dir.“ Er lächelt mir aufmunternd zu und auch ich bemühe mich dieses zu erwidern. Und mit dem Lächeln beginnen die ersten Tränen zu fließen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)