Callboys von Stoechbiene (ZoxRo (LyxKa, SaxNa)) ================================================================================ Kapitel 17: Mitternachtsschach ------------------------------ 17. Zorro Mitternachtsschach „So. Und nun?“ Wie spät ist es eigentlich? Drei Uhr? Vier Uhr? Ich habe keine Ahnung, aber das ist im Augenblick eh unwichtig. Es ist Freitagnacht, oder Samstag in der Früh? Im Grunde jedenfalls viel zu dunkel für so ein Spiel. Einzig eine Laterne einige Meter von uns entfernt spendet genug Licht, so dass wir nicht über die Spielfiguren stolpern. Schach im Stadtpark. Wessen Idee war das überhaupt? Meine oder Robin’s? Nachdem wir uns im Stars einige Cocktails zu Gemüte geführt haben, mehr als sonst jedenfalls, sind wir durch die Straßen gelaufen und haben uns über Nonsens unterhalten, einfach nur rumgealbert, bis wir im Stadtpark gelandet sind, weil wir uns vor der Polizei verstecken wollten. Von uns beiden hatte nämlich keiner große Lust verspürt die Nacht in der Ausnüchterungszelle zu verbringen. So hockten wir eine Weile im Gebüsch, kicherten vor uns hin und warteten darauf, dass die beiden Cops wieder Leine zogen. Als wir nach unbestimmter Zeit wieder unser Versteck verlassen hatten, sind wir auf dieses übergroße Schachspiel gestoßen. Die Figuren waren alle umgefallen, lagen wild durcheinander, so dass wir still beschlossen hatten das Spiel wieder aufzubauen. Aber als wir uns dann so gegenüberstanden, unsere Reihen fertig formiert, ließen wir es auf eine Partie ankommen. „Ist das Pferdchen nicht süß?“ Robin scheint heute mehr als angetrunken zu sein, denn sie ist ausgelassen wie ein Kleinkind. „Wo hüpfen wir denn jetzt hin, mein Pferdchen? Ja, da lang!“ Sie führt ihren Zug aus, doch ich wage zu bezweifeln, dass sie noch weiß, was sie tut. Aber Hauptsache wir haben Spaß! Auch ich rücke mit meinem Turm vor, was ihr gar nicht in den Kram zu passen scheint. „Nein, das geht nicht!“ Unruhig tippelt sie mit ihrem Fuß, ehe sie die zündende Idee zu haben scheint. Sie eilt auf das Spielfeld, schnappt sich die Dame und ruft: „Schach! In drei Zügen bist du erledigt, Süßer!“ „Ach ja?“ Langsam gehe ich auf sie zu, sehe ihr direkt in die leicht glasigen Augen, ehe ich sie mit dem Zeigefinger ein wenig von mir schubse. „Da gibt es nur ein Problem.“ „So? Aus der Zwickmühle musst du es erst einmal schaffen wieder rauszukommen.“ Sie grinst. „Es sind aber meine Figuren, du bist Weiß.“ Sie glaubt mir nicht. „Das ist doch auch weiß!“ Sie hebt die Figur hoch und schleppt sie zur Laterne. „Ach, Scheiße!“ Gott, ist die Frau süß verplant! Wütend lässt sie die Dame fallen und rennt mir nach. „Du sollst mich nicht auslachen, Ryo!“ Ich renne voraus, aber nicht allzu weit, denn mit ihren hochhackigen Schuhen ist sie wesentlich langsamer als ich. „Bleib stehen!“ „Wieso sollte ich? Ich kann schließlich nichts dafür, dass du dich selbst ausgetrickst hast!“ Wir rennen weiter, mitten über eine große Wiese, umgeben von völliger Dunkelheit. Mein Ziel sind die Laternen auf der gegenüberliegenden Seite, denn es ist nie ungefährlich in diesen Parks, erst recht nicht im Finstern. Aber dennoch ist es schön sich derart frei zu bewegen, die klare Luft der Nacht zu atmen. Es sind diese Albernheiten, die meine Treffen mit Robin so anders sein lassen. Keine Discobesuche, keine Partys, kein wildes Nachtleben im eigentlichen Sinne. Eine wohltuende Abwechslung. Inzwischen ist es heller um mich geworden, spendet die Laterne doch reichlich Licht, um das sich diverse Motten scharen. „Die Schuhe bringen mich um“, meint Robin ein wenig außer Atem, aber sie lächelt. Irgendwie scheint sie heute besonders guter Laune zu sein. Und keine Sekunde später steht sie barfuß vor mir. „Willst du durch das Kneipbecken laufen?“ frage ich sie deshalb. „Ist hier eins?“ „Klar.“ Auch ich entledige mich meiner Schuhe, stopfe die Socken rein, dann packe ich Robin an der Hand. „Das können wir nicht tun, das ist sicherlich verboten“, wispert sie mir zu, zeigt aber keinerlei Anstalten umzukehren. „Aber Schachspielen im Dunkeln ist erlaubt, oder wie?“ Sie kichert. Langsam gehe ich voraus, betrete zuerst das kühle Nass, das zwar kaum bis zu den Knöcheln reicht, aber dennoch seine Wirkung nicht verfehlt. „Das ist ja eisig!“, ruft sie erschrocken aus, aber ich lasse sie nicht zurück. Da muss sie nun durch. Doch im nächsten Moment kichert sie schon wieder. „Wenn Nami mich jetzt so sehen könnte! Sie würde sich totlachen!“ „Noch mehr als du?“ „Bäh!“ Sie streckt mir die Zunge raus, ehe sie aus dem Becken eilt. Verrücktes Huhn. Ich folge ihr, sammle aber noch schnell unsere Schuhe ein, bevor wir sie hier vergessen. Gut, ich bin auch betrunken, aber Robin übertrifft sich heute selbst. Und ihr Alkoholpegel erst! Inzwischen haben wir den Park hinter uns gelassen, doch sie hüpft noch immer summend vor mir her. Was ist nur der Grund für ihre Ausgelassenheit? Am Alkohol allein kann es nicht liegen. „Oh nein!“ Was hat sie denn jetzt schon wieder? „Ich hab meine Schuhe vergessen!“ „Meinst du die hier?“ Ich trete neben sie und halte ihr ihre Schuhe entgegen. „Du bist ein Schatz!“ Sie umarmt mich kurz, dann ist sie wieder quirlig. „Ich hab Hunger. Und das um diese Uhrzeit!“ Sie sieht sich um. „Da gehen wir hin! Los!“ Auf Drogen scheint sie auch nicht zu sein, aber anders kann ich mir ihren Zustand kaum erklären. Doch es ist schön mal etwas unbekümmerter zu sein, nicht Angst haben zu müssen in Bedrängnis zu geraten. Wir betreten, wohl bemerkt noch immer barfuß, eine kleine Snackbar, in der kaum drei Leute sind und nehmen auf einer der Bänke Platz. Ganz schön klein der Laden, aber es riecht schon mal lecker. „Hier gibt es die besten Sandwiches in der ganzen Stadt. Paolo kennt mich, schließlich komme ich fast jeden Tag zu ihm, um etwas zu essen.“ Sie streckt ihren Arm in die Luft, zeigt mit den Fingern eine Vier und eine Fünf, anschließend eine Zwei. Der Typ hinter dem Tresen nickt, ehe er offensichtlich in die Küche verschwindet. Eigentlich eine coole Art, die Bestellung aufzugeben. Wir ziehen unsere Schuhe wieder an, wobei wir fast mit den Köpfen zusammengestoßen wären, weil wir, warum auch immer, nebeneinander am Tisch sitzen, nicht wie sonst uns gegenüber. „Tut mir leid, wenn ich so aufgedreht bin, aber seit heute Mittag bin ich endlich wieder eine freie Frau. Mein Mann ist jetzt zum Glück nur noch mein Ex-Mann und er kann sich nicht mehr in meine Angelegenheiten einmischen.“ Sie strahlt regelrecht vor Erleichterung. „Glückwunsch.“ „Danke.“ Ich frage mich, was für ein Mann das sein muss, der sie nicht mehr haben will. Bloß weil sie keine zwanzig mehr ist? Aber jeder weiß doch, dass Frauen ab dreißig so ihren ganz eigenen Reiz haben und man als Mann ja auch nicht jünger wird. Außerdem gibt es jüngere Frauen als sie, die sich sicherlich wünschten, sie hätten Robin’s Aussehen und Charme. Sanji würde zudem sagen, dass wenn man im Bett ein echtes Erlebnis sucht, man keine Frau unter dreißig dafür in Betracht ziehen sollte, die sind dafür noch nicht erfahren genug. Sanji und seine Weisheiten... „Na, so spät noch unterwegs?“ An unserem Tisch ist dieser Typ erschienen, dem Robin zuvor ihre Bestellung hat zukommen lassen. Paolo, der Name passt nicht, denn er ist blond, wenn auch gefärbt. Und dieses rosa Hemd erst. Obwohl, das ist ja zur Zeit in. Aber ohne mich, in so einen Fetzen kriegt mich Alvida nicht! Robin und dieser Aushilfsmacho reden noch ein bisschen, ehe er sich wieder verdünnisiert. Nett, dass er mich ignoriert hat. Aber besser so, als wenn er den eifersüchtigen Hammel wie viele Männer gespielt hätte, die sich mit einem Callboy konfrontiert sehen. „Los, probier!“ Ich nicke und nehme mir eins der Sandwiches, die in schöne Dreiecke geschnitten sind. „Gut!“ „Sag ich doch.“ Wieder grinst sie, während sie weiter isst. Ein Weilchen schweigen wir, doch je länger dieser Zustand anhält, desto nachdenklicher wird Robin’s Mine. „Stimmt etwas nicht?“, frage ich sie schließlich, denn ich kann ihr ansehen, dass sie etwas auf dem Herzen hat. „Nein,…es ist nichts.“ Sie wendet ihren Blick von mir ab, nimmt sich erneut eines der Sandwiches, beißt aber nicht hinein. Kurz zögere ich noch, ehe ich mich dazu entschließe das Thema wieder aufzugreifen: „Du hast doch was. Erzähl schon, ich verrate es auch keinem.“ Ein wenig lächelt sie wieder. „Na ja, es ist…albern, total albern, aber…“ „Es scheint dich dennoch zu beschäftigen.“ Sie nickt. „Wir vereinbaren einen Deal, okay? Sollte diese Sache wirklich total albern sein, lachen wir einfach darüber und vergessen sie anschließend, aber wenn etwas an der Sache dran ist, reden wir darüber.“ „Na gut.“ antwortet sie zwar, aber sie ringt noch mit den Worten. „Es ist so. Mein Ex-Mann kam vor ein paar Tagen zu mir, keine Ahnung was er wollte, vermutlich mich zur Weißglut treiben, und musste mir sofort unter die Nase reiben, dass er herausgefunden hat, dass ich mich mit einem Callboy treffe, folglich dir. Er konnte wohl irgendwie einen der Bankangestellten dazu überreden, ihn einen Blick auf meine Kontoauszüge werfen zu lassen. Jedenfalls hat er mich deshalb ausgelacht und gemeint, dass einer…alten Schachtel wie ich es bin ja gar nichts anderes übrig bleiben würde und…dir ja auch nicht, weil…weil…man dich dazu zwingen würde. Ich sagte ja, dass es albern ist.“ Fahrig fährt sie sich mit einer Hand durch ihr Haar, denn offensichtlich ist es ihr peinlich. Was soll ich da sagen? Im Grunde weiß sie über mich Bescheid, aber es liegt an mir ihren Verdacht nicht zu erhärten, sondern zu zerstreuen. Die Gründe, weshalb ich diesen Job angenommen habe und ihn noch immer ausübe, gehen niemanden etwas an, keine meiner Kundinnen und schon gar nicht sie. So wie ich Robin einschätze würde sie anfangen sich Sorgen um mich zu bereiten, obwohl es ihr eigentlich egal sein könnte. Doch ich lasse mir meine Gedanken nicht anmerken, lächle ihr stattdessen aufmunternd zu und meine: „Was für einen Grund könnte es schon für jemanden wie mich geben, sich zu diesem Job zwingen zu lassen?“ „Deswegen sag ich ja, dass es total albern ist, denn mir würde kein einziger Grund einfallen, der überzeugend genug wäre, um jemanden zu etwas derartigem zwingen zu können. Aber jetzt bin ich wenigstens beruhigt, denn das hättest du nicht verdient, Ryo.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)