Broken Trust von Cigamina ================================================================================ Kapitel 3: ----------- Die nächsten Wochen über verbrachte Ran viel Zeit mit Youji. Sie trafen sich mehrmals die Woche und dann unternahmen sie was miteinander, gingen Essen oder ins Kino, oder manchmal auch einfach nur was trinken und ein bisschen reden. Der Rotschopf genoss das sehr, er freute sich jedes Mal schon den ganzen Tag darauf, und nichts konnte diese Vorfreude trüben, auch wenn Brad ihn manchmal auf der Arbeit drangsalierte. Oder, noch schlimmer, Ran ihn und Ken zusammen irgendwo sah… es versetzte ihm immernoch Stiche ins Herz… es tat ihm weh, das zu sehen… Doch wenn er sich dann mit Youji traf, vergaß er so ziemlich alles andere. Der Autor lenkte ihn jedes Mal ab, und ihm wurde nie langweilig. Seine Gedanken schweiften nicht mehr ab, er war voll auf Youji konzentriert. Und er zwang sich nicht einmal dazu, der Blonde hatte seine Aufmerksamkeit ganz einfach indem er bei ihm war… Das mit ihren vielen Treffen war nur möglich, weil Schu im Moment so viel zu tun hatte… Er schrieb demnächst Prüfungen und musste natürlich viel lernen, hatte deshalb meistens nur einen bis zwei Abende in der Woche Zeit für Ran… An diesen war der Ältere dann bei ihm, oder Ran oben bei Schu, und sie machten so was zusammen. Schu schaffte es sogar ein paar Mal, seinen jüngeren Freund mit ins Kino zu schleppen, und war deshalb ziemlich zufrieden mit sich. Ran genoss auch diese Zeit, er war immernoch gerne mit Schu zusammen, daran änderte seine neue Freundschaft mit Youji gar nichts… doch früher hätte es ihn vielleicht traurig gemacht, dass Schu so wenig Zeit hatte. Jetzt aber hatte er den Autor, der anscheinend gerne Zeit mit ihm verbrachte… da blieb ihm recht wenig Zeit, um seinen sonst so häufigen Treffen mit Schu nachzutrauern. Er spürte, wie Youji in dieser Zeit immer wichtiger für ihn wurde. Er sprach mit Schu schon über viel, aber lange nicht über alles, und dieser wusste nur viel über ihn, weil er seit frühester Kindheit schon Rans Freund gewesen war. So hatte er alles, was im Leben des jüngeren Rotschopfes vorgefallen war, mitbekommen. Der Blonde hingegen… dem erzählte Ran hin und wieder ein bisschen was. Youji verstand ihn einfach besser als Schu… der ältere Rotschopf hörte ihm zwar zu, konnte aber nicht wirklich viel machen außer Ran zu trösten, wenn dieser fertig war. Youji hingegen *sprach* richtig mit ihm darüber, erzählte ihm ebenfalls ein bisschen was von sich, seinen Erfahrungen, sie diskutierten darüber, und das war es, was Ran half… er hatte das alles nie richtig verarbeitet, doch er spürte, dass er jetzt damit anfing. Weil er jetzt jemanden hatte, dem er vertraute, der ihn verstand, ihn nicht einfach nur ansah und später in die Arme zog, um ihn zu trösten… Aber er spürte noch etwas… und das machte ihm Angst. Mit der Zeit begann ein Gefühl in ihm aufzusteigen, wann immer er Youji sah… und dieses Gefühl kannte er ganz genau… Er hatte es zwei Jahre lang für Brad empfunden, bis dieser ihn einfach fallen gelassen hatte… und er hatte es noch bis darüber hinaus gespürt, egal wie schlecht der Amerikaner ihn damals behandelt hatte, das Gefühl hatte einfach nicht aufgehört… Seine Liebe für den Älteren war immernoch in ihm, und das machte Ran am meisten zu schaffen… weil er immernoch an dem Schwarzhaarigen hing, es nicht schaffte ihn völlig zu vergessen… Und dieses Gefühl… diese Liebe… begann er nun, langsam aber sicher, auch für Youji zu fühlen… Er bekam leichtes Herzklopfen, wenn er an dem Blonden dachte, an sein Lächeln, an seine funkelnden Augen… an seine angenehme Stimme und seine sanften Hände, mit denen er Ran immer wieder flüchtig berührte, mehr zufällig als sonst etwas, doch manchmal strich er dem Jüngeren auch sanft über die Wange oder dessen eigene Hand… Es gefiel Ran, er fühlte seine Haut kribbeln, immer wenn diese mit Youjis in Berührung kam… und doch… Er hatte solche Angst davor wieder verletzt zu werden… es hatte das letzte Mal so wehgetan… und damals hatte er Brad auch vertraut, war sich so sicher gewesen, dass der Amerikaner ihn wirklich mochte und ihn nie verletzen würde… und war dann so betrogen worden… Youji war zwar anders als Brad, komplett anders, aber die Gefühle waren dieselben… Der Autor war freundlicher, umgänglicher von seiner Art her… er war lustig und offen, ging auf Ran ein und passte sich an dessen Stimmung an, einfach so… Er konnte unheimlich einfühlsam sein, im nächsten Moment dann wieder lustig, auf seine eigene, oftmals sarkastische Art, doch genau damit konnte er Ran leicht zum Lachen bringen. Er ließ ihn vergessen, ließ ihn seinen Schmerz vergessen, in dem er manchmal, wenn er allein zu Hause war, fast ertrank. Und nicht nur wegen Brad… Und doch… er fürchtete sich vor seinen Gefühlen… er erzählte auch niemandem was davon, weder Schu noch Youji… Bei beiden hatte er Angst vor ihrer Reaktion. Schu würde Youji sofort kennen lernen wollen und mit Ran diskutieren, ob Youji auch wirklich jemand für Ran war, und das wollte der Rotschopf auf gar keinen Fall. Er wollte Schus Meinung dazu nicht hören… beim letzten Mal hatte der Rotschopf Recht gehabt, und Ran wollte nicht zu hören bekommen, dass er seine Gefühle schon wieder an die falsche Person verloren hatte… Und bei Youji… hatte er keine Ahnung, wie dieser reagieren würde… Vielleicht würde er lachen, vielleicht würde er sich vor Ran zurückziehen, weil dieser ihn liebte und er die Gefühle nicht erwiderte… Vielleicht würde er den Rotschopf dann so benutzen wie Brad, ihm weiß machen, er würde die Gefühle erwidern und ihn dann nur für ein paar Nächte haben wollen, bevor er ihn wieder fallen ließ... wie Brad… Ran machte sich wenig Hoffnungen, dass Youji seine Gefühle erwiderte… und das machte ihm genauso viel Angst, fast noch mehr als der Gedanke daran, wieder benutzt zu werden… Auch deshalb hütete er sich davor, seine Gefühle für Youji diesem zu zeigen. Es wäre furchtbar für ihn, die Person, die er liebte, sehen zu können, aber doch zu wissen, dass sie sich niemals näher kommen würden… zu wissen, dass der Blonde seine Gefühle niemals erwidern würde… Oder vielleicht würde Youji den Kontakt zu ihm abbrechen, weil er sich in Männer verliebte… er hatte mit dem Autor noch niemals über sowas gesprochen und wusste nicht, wie Youji dazu stand… Vielleicht würde er es abartig finden, wenn er wüsste, dass Ran schwul war… Es machte dem Rotschopf zu schaffen, diese ganzen Zweifel, gepaart mit ein bisschen Hoffnung, wann immer Youji ihn anlächelte oder ihn flüchtig berührte… und danach schimpfte er sich selbst aus, weil er wirklich gedacht hatte, dass der Ältere etwas anderes als Freundschaft für ihn empfinden könnte. Es machte ihm zu schaffen und wirkte sich sogar auf seine allgemeine Stimmung aus. Youji bemerkte das natürlich, der Autor war sensibel für sowas, und fragte Ran auch, warum er öfters so traurig aussah. Er fragte sogar, ob es an ihm lag, was der Rotschopf dann immer schnell verneinte und zu lächeln versuchte, was Youji nie richtig überzeugte, doch er fragte nicht weiter nach. Auch Schu fiel seine gedämpfte Laune auf, und auch er fragte, doch selbst zu ihm sagte Ran kein Wort, tat es mit einfach nur schlechter Laune ab. Schu glaubte ihm natürlich nicht, doch der Rotschopf fand immer wieder neue Entschuldigungen. Mit der Wahrheit rückte er nicht raus, weder bei Youji noch bei Schu. Beide begannen sich langsam Sorgen zu machen, das spürte Ran, und das ließ ihn sich noch elender fühlen als auch so schon… Er begann seine schlechte Laune zu verstecken und schien auch einigermaßen Erfolg zu haben, zumindest bei Youji. Dieser kannte ihn noch nicht lange genug, als dass er hätte genau sagen können, ob Ran wirklich gut drauf war oder nicht, und entschied sich dann einfach so mit Ran umzugehen wie es dessen vorgehaltener Laune entsprach. Schu hingegen machte sich weiterhin Sorgen, weil er durch die Schauspielerei des Jüngeren hindurch sah, doch er sagte nichts mehr. Er wusste, dass wenn Ran nicht reden wollte, er auch den Mund halten würde, da konnte Schu rein gar nichts dran machen… Der junge Übersetzer konnte verdammt stur sein, wenn er wollte, und vor allem, wenn ihm etwas wehtat. Er würde von alleine reden wollen müssen, denn Schu würde nur deswegen keinen Streit mit dem Rotschopf anfangen. Er kannte Ran und wusste, dass dieser entweder bald über die Schlecht-Laune-Phase hinwegkommen oder mit ihm reden würde, und deshalb würde er einfach mal warten, was von beidem eintreten würde. ~*~*~*~*~* Auch an diesem Abend waren Youji und Ran wieder zusammen weggegangen. Sie saßen in einem traditionell japanischen Restaurant, in einem abgetrennten kleinen Raum, und waren gerade beim Dessert angelangt. Sie saßen auf Sitzkissen auf dem Boden und aßen von einem niedrigen Tisch, der noch bis vor kurzem mit allerlei leckeren Sachen beladen gewesen war. Doch statt, wie sonst, sich gegenüber zu sitzen, hatte sich Youji heute zum ersten Mal an die Schmalseite links von Ran gesetzt. Das Essen, von dem Ran allerdings nicht unheimlich viel runter bekommen hatte, war gut gewesen und auch ihre Laune war es, oder zumindest Youjis, denn Ran fühlte sich so elend wie immer. Er warf dem Autor immer wieder verstohlene Blicke zu, wenn dieser gerade abgelenkt war, schaute sehnsüchtig auf die großen Hände, versuchte sich vorzustellen, wie es wäre, sie auf seinem Körper zu spüren… diese vollen Lippen auf seinen eigenen, wie sie ihm zuflüsterten, dass Youji ihn liebte, ihm niemals wehtun würde… Doch das taten sie nicht, stattdessen wurde ein Glas Sake an sie gesetzt und der Blonde trank ein paar Schlucke, und Ran blickte mit leicht geröteten Wangen wieder auf sein Eis. Was dachte er da bloß? Das würde niemals geschehen… „Ran?“ Er schreckte aus seinen Gedanken auf und blickte zu Youji hoch, setzte sofort das schon so vertraute, gespielte Lächeln auf, versuchte somit von seinem Gesichtsausdruck davor abzulenken. Er ließ es entschuldigend aussehen und versuchte sich nicht davon entmutigen zu lassen, dass Youji leicht eine Augenbraue hochzog. „Tut mir Leid, ich war in Gedanken… was sagtest du gerade?“ Er war sich bewusst, dass seine Wangen immernoch gerötet waren, und dass die grünen Augen sich für einen Moment genau auf diese Höhe fixierten, was ihn nur noch ein bisschen röter werden ließ, doch dann richteten sich die wunderschönen Augen auf seine eigenen. Youji sah ihn leicht stirnrunzelnd an und legte dann seinen Löffel bei Seite, seine Augen schienen ein kleines bisschen traurig zu werden. „Du bist in letzter Zeit öfters mal gedanklich abwesend… langweile ich dich?“ Rans Augen weiteten sich leicht und er schüttelte sofort heftig den Kopf, sah Youji erschrocken an. „Nein! Nein, überhaupt nicht! Es tut mir Leid, ich bin wohl abgedriftet…“ Der Ältere schien ein wenig erleichtert und lächelte dann schwach, doch als sein Blick flüchtig Rans Eis streifte verschwand selbst dieses wieder. Erneut sah er den Rotschopf besorgt an, bevor er eine Hand ausstreckte und diese zögerlich auf die linke des Jüngeren legte, sie sanft drückte und mit seinem Daumen Rans eigene streichelte. Der Rotschopf starrte darauf und spürte wie sein Herz schneller zu schlagen begann, allein durch diese leichte Berührung… Youjis Hände waren so sanft, so warm… Er zwang sich wieder aufzublicken, in die grünen Augen des Autors, welche ihn immernoch besorgt ansagen. „Du hast dein Essen kaum angerührt, auch vorhin schon nicht… schmeckt es dir nicht?“ Erneut schüttelte er den Kopf, fühlte sich ein wenig schuldig, weil Youji ihn in dieses Restaurant, das nicht gerade sehr billig war, eingeladen hatte und nun Essen bezahlen musste, das höchstwahrscheinlich weggeschmissen wurde… „Nein, es ist sehr gut… ich bin nur nicht besonders hungrig…“ Der Blonde nickte leicht und schob sich dann seinen letzten Löffel Eis in den Mund, schluckte dieses hinunter und blickte Ran dann wieder an. „Hm… trotzdem stimmt was nicht mit dir… Ist irgendwas passiert?“ Der Rotschopf senkte den Blick, schüttelte den Kopf und sah auf sein Eis, das langsam aber sicher vor sich hinschmolz, weil es jetzt schon seit gut 20 Minuten hier herumstand und Ran immernoch nicht wirklich angefangen hatte es zu essen… „Nein, nichts… ich weiß auch nicht, was im Moment mit mir los ist…“ Das war gelogen und er wusste es, aber er konnte Youji nicht einfach sagen, was los war… Er hatte panische Angst davor… wieder auf Ablehnung zu stoßen, wieder verletzt zu werden… Er schrak leicht zusammen, als sich eine große, warme Hand an seine Wange legte, diese sanft zu streicheln begann und seinen Kopf ohne Gewalt ein bisschen anhob, bis er dem Autor in die Augen sehen konnte. Er blickte in dessen Gesicht, die grünen Augen ganz sanft, genauso wie seine Stimme, als er ein paar Augenblicke später sprach. „Hm… ich hoffe, dass es bald vorbeigeht… ich will dich nicht so traurig sehen, Ran… du bist noch um einiges schöner, wenn du lächelst… ich würde das gerne wieder sehen…“ Der Rotschopf starrte ihn einen Moment lang nur an, bis er spürte, dass seine Wangen knallrot wurden. Schnell senkte er den Blick, starrte auf den mit Tatamimatten ausgelegten Boden zwischen ihren Körpern. Sein Herz pochte jetzt gegen seine Rippen und er schmiegte sich gegen seinen eigenen Willen in Youjis warme Hand, die an seiner Wange lag. Es fühlte sich so gut an, wenn der Blonde ihm Komplimente machte… und erst recht wenn er ihn berührte… „Ran…“ Der Jüngere blickte zögernd wieder auf, blickte dem Autor in die Augen und war überrascht, diese halbgeschlossen vorzufinden. Doch bevor er sich fragen konnte, was das jetzt sollte, näherte sich Youjis Gesicht auch schon dem seinen und im nächsten Moment verschlossen weiche, volle Lippen seine eigenen. Sie begannen zu kribbeln und sein Herz wild zu pochen, selbst wenn der Kuss nur einen Moment lang andauerte, bevor sich Youji wieder ein kleines bisschen zurückzog, sodass seine Lippen wenige Millimeter von Rans entfernt waren. Der Rotschopf fühlte den warmen Atem auf seinen Lippen und starrte Youji an, immernoch nicht so ganz fähig zu begreifen, was eben passiert war. Und der Autor ließ ihm auch kaum eine Chance überhaupt zu versuchen zu verstehen, was das eben gewesen war, denn er lehnte sich schon wieder nach vorne und küsste Ran erneut auf die Lippen, mit mehr Nachdruck dieses Mal. Ran spürte, wie sich die Lippen sanft gegen die seinen bewegten und seine Augen langsam aber sicher zufielen. Das hatte er sich doch gewünscht… seit Wochen schon... dass Youji ihn küssen würde… Er zögerte nur einen kurzen Moment, als Youjis Zunge gegen seine geschlossenen Lippen stupste, versuchte, ihn dazu zu bringen, sie zu öffnen. Er ließ den anderen ein und seine Arme schlangen sich automatisch um Youjis Hals, eine seiner Hände vergrub sich in den langen, blonden Haaren, während die Zunge des Autors seinen Mund erkundete. Nur einen Moment später schlangen sich starke Arme um seinen Körper und zogen ihn näher an Youji heran. Er spürte seinen Körper völlig entspannen, spürte sich selbst zurückküssen. Zu seiner milden Überraschung ließ der Ältere ihn gewähren, wand seine Zunge um Rans, spielte mit ihr, liebkoste sie. Brad hatte ihn meistens dominieren wollen, und um dem Schwarzhaarigen sein Vertrauen zu zeigen, hatte er ihn machen lassen… doch Youji ließ es zu, versuchte nicht ihn wieder zurückzustoßen. Er mochte das… Youjis Geschmack erfüllte seinen ganzen Mund, eine interessante Mischung aus dem, was sie eben gegessen hatten, dem Eis und Youjis eigenem Geschmack… Er spürte, dass ihm das gefiel, wie er sich gegen den anderen drückte, seine Augen mittlerweile genießerisch geschlossen. Ein Arm löste sich von seinem Körper und wanderte zwischen ihre Körper, Youjis Hand legte sich auf seine Brust, bevor sie zärtlich streichelnd weiter nach unten wanderte. Ran seufzte leise in Youjis Mund, als er die Berührung spürte, selbst wenn er sie nur auf seiner Kleidung fühlen konnte. Das war schön… es war das, was er die letzten Wochen so sehr gewollt hatte, woran er verzweifelt war, weil er gedacht hatte es niemals zu bekommen… Dann ging alles plötzlich ganz schnell, so schnell, dass er gar nicht richtig darauf reagieren konnte. Youji lehnte sich gegen seinen Körper, sodass er hintenüber kippte, und war einen Moment später auf ihm, vertiefte ihren Kuss deutlich. Gleichzeitig fuhr seine Hand unter Rans Pullover, begann über seine nackte Haut zu wandern, seine Bewegungen ein wenig hektisch, zu schnell für Ran. Der Rotschopf keuchte, riss die Augen auf und starrte Youji an, welcher in diesem Moment seine Lippen von Rans löste und zu dessen Hals wanderte, begann die blasse Haut zu küssen. Der Jüngere spürte, wie Unbehagen in ihm hoch kroch, und einen Moment später fluteten Erinnerungen sein Gehirn, brachten ihn erneut zum Keuchen. Erinnerungen von Brad und sich selbst, in ihrer ersten Nacht. Der Schwarzhaarige war ähnlich über ihn hergefallen, auf der Couch in seiner Wohnung in Amerika. Damals jedoch hatten ihn die Gefühle, die Aufregung, Lust und das Vertrauen zu Brad übermannt… Er hatte sich dem Schwarzhaarigen hingegeben, hatte genossen, was dieser mit ihm gemacht hatte, auch wenn es anfangs ziemlich wehgetan hatte… es hatte ihm gefallen, er hatte es wieder machen wollen… und war damit immer tiefer in die Katastrophe hineingerannt… Er spürte die eleganten Hände wieder auf seinem Körper, hörte die harsche Atmung des Älteren neben seinem Ohr, fühlte ihn überall… Brad hatte ihm wehgetan… hatte ihn nur betrogen, benutzt, ihn am Ende einfach fallen gelassen, als er ihm langweilig geworden war… hatte ihn verführt, ihn nie wirklich geliebt… Der Rotschopf wimmerte ein leises ‚Nein!‘ und riss dann seinen Kopf zur Seite, sein Herz schlug wie verrückt gegen seine Rippen. Er begann fast panisch gegen Youjis Schultern zu drücken, wollte den Älteren von sich weg schieben, und versuchte gleichzeitig von Youji wegzurutschen. Er wollte das nicht, nicht so, nicht noch einmal… In seiner Panik bemerkte er im ersten Moment nicht, dass der Autor tatsächlich von ihm abließ und ihn verwirrt ansah, doch im nächsten Moment sprang Ran schon mit einem Satz auf die Beine, spürte dass diese zitterten und sein Gewicht fast nicht halten wollten. Er atmete flach und seine geweiteten Augen starrten Youji an, welcher nun noch perplexer zu ihm hochblickte, bevor Ran sich auf dem Absatz umdrehte, die Schiebetür aufriss und aus dem kleinen Raum stürzte. Er musste hier weg, egal wohin… Hinter sich hörte er Youji seinen Namen rufen, doch er drehte sich nicht einmal um, und als er hörte, dass Youji ihm folgte, lief er nur noch schneller. Ran spürte Tränen in seinen Augen aufsteigen, während er den Flur entlang rannte, bis er eine Tür fand, die nach draußen zu führen schien. Warum…? Warum passierte sowas immer ihm? Immer geriet er an die Menschen, die ihn nur ausnutzen und verletzen wollten… er brachte ihnen Vertrauen entgegen und diese nutzten das schamlos aus… Warum nur…? Er hatte gedacht, Youji würde ihn mögen… doch auch er war wie alle anderen… Ran riss auch diese Tür auf und lief einfach hindurch, die zwei Stufen nach unten und fand sich in einer Art Garten wieder. Kalter Winterwind wehte ihm entgegen und unter seinen Schuhen knirschte der Schnee, der die sonst mit wahrscheinlich Kies bedeckten Flächen überzog. Er begann sofort zu frieren, doch er lief einfach weiter. Bloß weg von dem Restaurant, weg von Youji…wie hatte er nur so dumm sein können… dem Autor zu vertrauen, obwohl er ihn eigentlich gar nicht kannte… „Ran! Ran, bitte warte!“ Die Stimme war ziemlich nahe und Ran bemühte sich noch schneller zu laufen, er wollte nicht, dass Youji jetzt in seine Nähe kam… Doch es hatte keinen Sinn, nur wenige Momente später hörte er schon Youjis beschleunigten Atem hinter sich und eine starke Hand hielt ihn am Handgelenk fest, wollte ihn so zum stehen bleiben bringen. Er wehrte sich gegen den Klammergriff, versuchte seine Hand zu befreien, doch der Blonde ließ ihn nicht los. „Ran… hey, bitte bleib stehen.“ Der Rotschopf kniff die Augen zusammen, spürte, wie Tränen seine Wangen hinunterliefen, doch dann öffnete er sie wieder und drehte sich um, starrte Youji aus verzweifelten, tränenverschleierten Augen an. „Warum? Damit du mich auch benutzen kannst? Damit du mich auch so behandeln kannst wie alle anderen? Ich will das nicht, nicht noch einmal… wenn mein Körper alles ist, was du von mir willst, dann lass mich in Ruhe!“ Seine Stimme klang verletzt, drückte den Schmerz aus, den er in seinem Herzen spürte. Es tat weh, so weh… wieder von jemandem verraten zu werden, von dem er gedacht hatte, dass er ihn mochte, dass er ihm nicht wehtun würde… Youji blinzelte zweimal, die Verwirrung stand ihm auf dem Gesicht geschrieben. Seine Hand hielt Rans schlankes Handgelenk immernoch fest und er trat einen Schritt näher, blieb jedoch stehen, als der Rotschopf vor ihm zurückwich. Er blickte den Jüngeren entschuldigend an und sprach dann, seine Stimme ebenfalls leicht verwirrt. „Ah… wie kommst du denn darauf? Warum sollte ich dich benutzen?“ Ran blinzelte und brachte somit wieder zwei Tränen dazu seine Wangen hinunterzukullern. Er starrte Youji weiterhin an, die Verzweiflung und der Schmerz waren deutlich in den violetten Augen zu lesen. „Und was… was sollte das…? Was sollte das sonst gewesen sein? Du bist über mich hergefallen… Warum...? Warum verraten mich immer die, denen ich vertraue? Warum immer die, die ich mag…? Ich kann nicht mehr… es tut so weh… ich will es nicht mehr…“ Warum wollten alle immer nur seinen Körper… warum war niemand an ihm als Person interessiert? Das hatte er so an Youji gemocht, dass er an ihm interessiert zu sein schien, nicht an seinem Körper, an seinen Fähigkeiten oder sonst etwas, nein, nur an ihm… Und nun brach auch das in sich zusammen… auch der Autor war wie alle anderen… Es brach ihm das Herz, das zu denken… war er denn so langweilig und abartig, dass niemand lange Interesse an ihm haben konnte? Es tat weh… Ran wand sein Handgelenk aus Youjis mittlerweile wieder ein wenig lockerer gewordenem Griff und hob dann seine Hände, um sein Gesicht darin zu vergraben. Er konnte es nicht mehr zurückhalten, er schluchzte einfach los. Sie übermannte ihn erneut, der Kummer, seine Enttäuschung und das Gefühl der Minderwertigkeit, der Wertlosigkeit, das er schon so oft in seinem Leben gespürt hatte, erfüllte ihn vollkommen, drohte ihn zu ersticken. Er kniff die Augen zusammen und weinte einfach, seine Schultern zitterten und sein dünner Körper wurde von den Schluchzern geschüttelt. Er fror… es hatte wohl gerade wieder angefangen zu schneien, denn er fühlte dicke Flocken auf seine Hände und in seinen Nacken fallen, doch das war ihm egal… Er fühlte sich so elend wie seit dem Ende seiner Beziehung mit Brad nicht mehr… Er schrak heftig zusammen, als sich plötzlich zwei starke Arme um seinen Körper schlangen, ihn an Youjis eigenen drückten, so stark und warm… so verheißungsvoll… Trotzdem wehrte er sich, er wollte es nicht… wollte nicht wieder benutzt, verletzt werden… Doch die Arme ließen ihn nicht los, drückten ihn eher noch fester an Youji und eine Hand strich beruhigend seine Haare, die andere seinen Rücken. „Shh… hey, ist ja gut… es tut mir so leid, Ran…“ Der Rotschopf wehrte sich noch ein paar Augenblicke, doch dann erschlaffte sein Körper. Er konnte nicht mehr… er wollte nur noch nach Hause in sein Bett, sich die Decke über den Kopf ziehen und dort bleiben, am besten für immer… dann würde ihn nie wieder jemand verletzen, nie wieder ausnutzen können… Youji flüsterte ihm weiterhin sanfte, sinnlose Worte ins Ohr und streichelte ihn beruhigend, seine Berührungen nicht hektisch oder bedrängend wie zuvor… Ran spürte, wie er sich entspannte, sich schließlich sogar an Youji lehnte. Es war gewiss falsch, doch es fühlte sich trotzdem gut an, hier in den starken Armen zu sein, sich von Youji trösten zu lassen… er war so fertig… Er brauchte das jetzt, auch wenn Youji selbst der Grund war, warum er nicht mehr konnte… Der Blonde hörte nicht auf, bis Rans Tränen langsam versiegten, und selbst dann nicht, als er völlig aufgehört hatte zu weinen. Er schob Ran nicht von sich, ließ ihn dort, wo er war, verweilen, sein Gesicht in der Halsbeuge des Älteren vergraben und seine Hände in den dunkelblauen Pullover verkrallt. Ran wusste nicht, wie lange sie einfach nur so dort gestanden hatten, ohne ein Wort zu sagen. Irgendwann hörte er den Autor dann tief Luft holen und kurz darauf erklang dessen sanfte, entschuldigend klingende Stimme, dicht an seinem Ohr. „Ran… es tut mir Leid wegen eben… es war nicht richtig von mir, dich so zu bedrängen… ich habe für einen Moment die Beherrschung verloren... entschuldige…“ Der Rotschopf spürte, wie der Ältere ihn sanft ein wenig von sich schob und gleich darauf eine warme Hand an seine Wange legte, die seinen Kopf ein wenig anhob. Halb dachte er schon, dass Youji ihn wieder küssen würde, eben hatte dieser ja auch so angefangen, doch stattdessen blickte Ran nur in sanfte, grüne Augen. Der Autor sah ihn ganz leicht lächelnd an, seine Augen waren so unheimlich warm... Und da war noch etwas... Ran wusste nicht genau, was es war… Er konnte es nicht genau beschreiben, ihn hatte noch niemals jemand so angesehen… Der Daumen des Blonden streichelte ihm zärtlich über die Wange, ließ ihn sich erneut gegen seinen Willen an die fremde Handfläche schmiegen. Als Youji dann schließlich weitersprach, war seine Stimme leise, ganz weich… „Ich will dich nicht benutzen, Ran, ich will dich nicht verraten oder dir wehtun… Wenn der Kuss von eben dich das denken lässt, dann tut es mir sehr Leid, doch es war nicht so gemeint…“ Der Jüngere starrte ihn aus immernoch feuchten Augen an, verstand nicht so ganz, was Youji damit sagen wollte… Der Blonde jedoch sah ihn nur sanft an, während er weitersprach. „Der Grund dafür, dass ich dich überhaupt geküsst habe, ist… Ran, ich liebe dich…“ ~*~*~*~*~* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)