Broken Trust von Cigamina ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Ran stand da wie vom Donner gerührt. Er konnte es einfach nicht fassen… Kudou Youji…? Der Mann, der die Bücher schrieb, die ihn so faszinierten? Den traf er einfach so auf der Straße? Er konnte den Blonden einfach nur anstarren. Der Autor sah den Rotschopf weiterhin an und ließ dann langsam seine Hand sinken, während er Ran traurig ansah. „Scheiße, es tut mir Leid… ich wollte Sie nicht so anfahren… mein Benehmen war lausig, und ich entschuldige mich tausendfach dafür… aber bitte, haben Sie nicht den falschen Eindruck von mir… ich war nur verwirrt… oh Mann, es tut mir so Leid…“ Ran kam bei dieser Flut von Entschuldigungen wieder zu sich und senkte den Blick ein wenig, als er erneut spürte, dass seine Wangen begannen zu glühen. „I-Ist schon gut…“ Der Blonde hörte auf sich zu entschuldigen und Ran konnte ihn aufatmen sehen, bevor sich wieder ein leichtes Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete und er Ran die Blätter hinhielt, die er ja immernoch in der Hand hielt. „Danke, Fujimiya-san… ich habe Sie wirklich nicht erschrecken wollen…“ Ran sah für einen Moment eingeschüchtert darauf, bevor er zögerlich eine Hand ausstreckte und sie dem Autoren vorsichtig aus der Hand nahm, als würde er darauf warten, dass der Größere wieder wütend werden würde, damit er sich schnell wieder zurückziehen konnte. Als er die Blätter in der Hand hatte, steckte er sie hastig zu den anderen in die Mappe und schloss diese, bevor er sich wieder daran festklammerte. „A-Arigatou…“ Was sollte er jetzt tun? Er konnte doch jetzt nicht einfach nach Hause gehen… Der Autor beantwortete die Frage für ihn, als er wieder einen Schritt näher kam und Ran erneut zurückwich, während er seine Mappe fester an sich presste und seine Wangen sich wieder dunkler färbten. Er hatte die Entschuldigung zwar angenommen, aber Kudou-san hatte ihn eingeschüchtert und nun war er lieber vorsichtig mit dem, was er tat. Der Blonde blieb stehen und hob abwehrend seine Hände, während er Rans Blick suchte. Als er ihm dann in die Augen blickte, erkannte der Rotschopf, dass der Größere ihn erneut entschuldigend ansah. „Oh Mann, ich wollte Ihnen keine Angst einjagen… wirklich nicht, und Sie müssen auch keine Angst vor mir haben, ich tue Ihnen bestimmt nichts… ich war aufbrausend eben, ich weiß, und das tut mir Leid… können wir das Ganze vielleicht einfach vergessen?“ Der Rotschopf sah dem Blonden in die Augen und sah dort, wie wichtig es dem Blonden war, dass Ran ihm nicht böse war. Das war er ja auch gar nicht, er hatte sich nur so erschrocken… außerdem erfüllt immernoch dieses Gefühl seinen Körper, dass er nie etwas richtig machen konnte, und das ließ ihn sich schämen… er war einfach nur unfähig, wie sein Vater immer gesagt hatte… Als er diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte, spürte er zu seinem Entsetzen, wie ihm Tränen in die Augen stiegen. Es war alles zu viel… er kam mit seinen ganzen Gefühlen nicht klar, am liebsten würde er sich einfach umdrehen und weglaufen… Ran hob hastig eine Hand und wischte sich damit schnell über die Augen, bevor er den Blick wieder senkte. Und dann zuckte er fast zusammen, als er eine Berührung an seinem Kinn spürte, bevor sein Kopf leicht nach hinten legte wurde, sodass er Youji ansehen musste, der dicht bei ihm stand. Ran hatte ihn nicht kommen sehen und verspannte sich jetzt, wo der Fremde so nah bei ihm stand. Dieser hob eine Hand und Ran kniff leicht die Augen zusammen, erwartete aus alter Erfahrung einen Schlag dafür, dass er weinte, doch stattdessen spürte er nur eine warme Hand, die ihm ganz sanft und vorsichtig die Tränen aus den Augen strich. Der Rotschopf sah hastig hoch in die grünen Augen und fand diese als besorgt vor. „Hey… warum weinen Sie? War ich das?“ Ran starrte ihn an, bevor er hastig den Kopf schüttelte und sich dann befreien wollte, woraufhin der Autor ihn sofort losließ. Auf den blassen Wangen des Kleineren breitete sich erneut Röte aus, als er neue Tränen zurückkämpfte und weiterhin auf den Boden starrte. „G-gomen nasai…“ Er sah, wie Youji einen kleinen Schritt zurückging, bevor er wieder die Stimme des Blonden hörte. „Ihnen muss es nicht Leid tun, Fujimiya-san… übrigens, Sie sind ganz kalt… was halten Sie davon, wenn ich Sie irgendwohin auf eine heiße Schokolade einlade, damit wir uns beide wieder ein wenig aufwärmen können? Mir wird auch langsam kalt… Sie können es als Widergutmachen für alle Unannehmlichkeiten, die ich verursacht habe, ansehen… außerdem würde ich mich gerne ein wenig mit Ihnen unterhalten, Fujimiya-san… ich habe die japanische Ausgabe meines ersten Buches gelesen und war begeistert! Ich fand es um Längen besser als das, was ich da hingeschrieben habe…“ Das ließ Ran aufblicken. Er sah den Autor etwas verschüchtert, aber auch ziemlich verwundert aus seinen violetten, vom Weinen leicht roten Augen an. „Sie… Sie haben es gelesen, Kudou-san?“ Youji lächelte und sah sich dann kurz um, bevor er seinen Blick wieder Ran zuwandte. „Natürlich, Fujimiya-san, und wie gesagt, ich war begeistert… ich hätte mir das Buch auf Japanisch nicht besser vorstellen können… ich habe es kaum wieder erkannt, Sie haben es unheimlich verbessert…“ Der Rotschopf spürte, wie ihn dieses Lob freute, und gleichzeitig bekam er wieder rosige Wangen, doch diesmal senkte er den Kopf nicht, um sein Gesicht hinter seinen Haaren zu verstecken. Er schlug nur den Blick nieder und verbeugte sich leicht vor dem Autoren. „Arigatou, Kudou-san…“ Youji lächelte weiterhin und steckte dann seine Hände in die Taschen seiner Jacke. „Nichts zu danken, es ist die Wahrheit. Und seien Sie bloß nicht bescheiden, Sie haben allen Grund stolz auf sich zu sein. Sie sind ein großartiger Übersetzer, ehrlich.“ Rans Wangen wurden nur noch röter, doch er fühlte, wie er sich wirklich darüber freute, das von Kudou-san zu hören. Es ließ das Gefühl, das er gar nichts richtig machen konnte, ein bisschen weniger stark werden. „Fujimiya-san, darf ich Sie jetzt einladen oder nicht? Dort drüben ist ein Café, dort können wir uns ein bisschen reinsetzen und reden… okay?“ Der Rotschopf zögerte ein wenig mit dem Antworten. Er war nicht mehr gerne länger weg von zu Hause, doch er fror mittlerweile leicht und er wollte ins Warme, und bis nach Hause war es noch ein Stück… außerdem klang heiße Schokolade gut, er mochte das gerne… und noch dazu hatte er jetzt die Chance ein wenig mit Youji Kudou zu reden, konnte ihn einige Dinge zu seinen Büchern fragen… Schließlich nickte der Rotschopf und sah dann auf in die grünen Augen, die ihn leicht anblitzten. Youji schien froh darüber zu sein, dass er die Einladung angenommen hatte, denn er strahlte Ran fast an, bevor er auf ein kleines Café nur einige Häuser entfernt deutete. „Danke, Fujimiya-san, damit tun Sie mir wirklich einen großen Gefallen… sind Sie mit dem Café dort einverstanden?“ Ran kannte das kleine Café, er war selbst schon darin und sehr zufrieden dort gewesen. „Hai.“ Youji lächelte ihm noch kurz zu, bevor er sich in Richtung ihres Zieles umwandte. „Na dann lassen Sie uns gehen… ich könnte einen Kaffee jetzt gut gebrauchen, es ist eiskalt draußen…“ Ran folgte ihm und stimmte ihm still zu. Er fror jetzt richtig und wollte schnell irgendwo rein, und was Heißes zu trinken hörte sich wirklich gut an… Sie betraten das Café gemeinsam und blieben im kleinen Vorraum stehen, wo die Garderoben waren, Der Rotschopf legte seine Mappe auf einer kleinen Kommode ab, die dort auch stand, und begann sich dann aus seinem nassen Mantel zu schälen. Gerade, als er den Reißverschluss geöffnet hatte, spürte er zwei Hände auf seinen Schultern, die sich um den Kragen seines Mantels schlossen und dann leicht daran zogen, um ihn aus dem Kleidungsstück zu helfen. Rans Wangen färbten sich erneut rot, doch er ließ Youji gewähren. Er schien unheimlich höflich und zuvorkommend… Brad hätte das nie für ihn gemacht, und mit dem war Ran immerhin zusammen gewesen… Der Rotschopf schüttelte die Gedanken an seinen ehemaligen Geliebten schnell ab und drehte sich dann zu Youji um, der sich mittlerweile ebenfalls seiner Jacke entledigt hatte und beides aufgehängt hatte. Der Blonde warf Ran einen kurzen Blick zu und deutete dann auf dessen Schal. „Wollen Sie den nicht ausziehen?“ Der Kleinere schüttelte den Kopf, bevor er nach seiner Mappe griff und diese wieder vor seinem Körper festhielt, wie einen kleinen Schutz gegen den Rest der Welt. „Iie… ich hatte erst kürzlich eine Grippe und mein Hals tut noch weh…“ Der Autor blickte ihn verständnisvoll an und nickte dann, bevor er den Rotschopf anlächelte und in Richtung Hauptraum des Cafés deutete. „Okay… gehen wir dann rein? Ich habe schon einen Tisch gesehen, der mir gut gefällt.“ Ran nickte ihm zu ging dann mit Youji zusammen in den kleinen, aber gemütlichen Raum. Es war im Moment nicht viel los, was Ran sehr willkommen war. Der Blonde ging direkt zu einem der Zweier-Tische am Fenster, wo er einen Stuhl vorzog und dann auf Ran wartete, bevor er auf die Sitzfläche deutete. „Setzen Sie sich doch.“ Auf den Wangen des Rotschopfes erschien wieder der Rotschimmer, doch er tat, was Youji gesagt hatte und setzte sich, woraufhin Youji seinen Stuhl anschob und sich ihm dann gegenüber niederließ, ein etwas träumerisches Lächeln auf seinem Gesicht, bevor er leicht den Kopf schüttelte. „Mein Gott, ich hätte nie gedacht, dass Sie so jung sind… ich habe Sie mindestens auf 35 geschätzt, weil ihre Sprache so unglaublich ausgereift ist… ich hätte nie gedacht, dass Sie in meinem Alter wären… wie alt sind Sie genau? Ich bin 25.“ Ran hielt seine Mappe immernoch fest und hatte seine Augen auf die Tischplatte gesenkt, doch er hörte Youji genau zu. Wieder freute er sich über das Lob, das er von dem Schriftsteller erhielt. „23, Kudou-san…“ „Sie können mich Youji nennen. Ich habe nichts dagegen.“ Der Rotschopf hob zögernd den Blick und sah Youji vorsichtig an, bevor er leicht nickte. „Hai… Youji… und Sie können mich… Ran nennen…“ Der Blonde lächelte ihn dafür an, bevor er sich im Café nach einer Bedienung umsah. „Sie können mich auch duzen, wenn Sie wollen. Ich rede lieber auf freundschaftlicher Basis als auf geschäftlicher. Darf ich es auch?“ Ran nickte leicht, bevor er spürte, dass der Klammergriff, in dem er seine Mappe schon eine ganze Zeit lang hatte, sich ein wenig löste. Er fühlte sich irgendwie wohl in Youjis Gegenwart… der Blonde hatte eine offene, nette Art, die Ran jetzt auffiel. In diesem Moment tauchte neben ihrem Tisch eine junge Kellnerin auf, die Youji und Ran freundlich anlächelte. "Guten Abend. Soll ich Ihnen erst die Karte bringen oder wissen Sie bereits, was Sie bestellen möchten?" Der Blonde lächelte die hübsche Frau ebenfalls an, während Ran auf die Tischplatte sah. Er war trotz allem immernoch ein wenig eingeschüchtert von der ganzen Situation. "Ich weiß es schon. Und du, Ran?" Der Rotschopf spürte, wie seine Wangen ein wenig röter wurden, als der Autor ihn bei seinem Namen nannte. Er konnte es einfach noch nicht glauben, dass das *Youji Kudou* war, mit dem er hier saß… "Eine heiße Schokolade bitte…" Der Größere nickte und wandte dann seinen kurzzeitig auf den Rotschopf gerichteten Blick wieder der Kellnerin zu. "Gut, dann bitte eine heiße Schokolade und einen Milchkaffe." Die Schwarzhaarige nickte. "In Ordnung. Ich bringe es gleich vorbei." Mit diesen Worten lächelte sie die beiden noch einmal an, drehte sich dann um und ging davon. Youji lehnte sich daraufhin bequem in seinem Stuhl zurück und lächelte seinem violett-äugigen Begleiter zu, der prompt wieder rot wurde und auf den Tisch starrte. "So… ich finde es prima, dass ich dich getroffen habe… ich wollte mich sowieso nach dir erkundigen, weil ich mich schon lange frage, wer die Person ist, die so wahnsinnig gut schreiben kann… Japanisch ist eine schöne Sprache und wenn ich es könnte, würde ich meine Bücher auf Japanisch schreiben…" Das ließ Ran aufmerken. Er hob seinen Blick und sah Youji schüchtern in die Augen. "Aber… Sie sprechen doch Japanisch… Sie beherrschen die Sprache doch, wozu brauchen Sie dann einen Übersetzer?" Der Blonde lächelte daraufhin und hob mahnend einen Finger, ehe er dem 23-jährigen antwortete. "Du kannst mich ruhig duzen, Ran." Der Rotschopf wurde prompt knallrot und sah hastig zurück auf die Tischplatte. "G-gomen nasai…" Er war es einfach nicht gewohnt, mit Leuten, die er eigentlich überhaupt nicht kannte, so schnell so vertraut zu sein, dass er sie duzen durfte… selbst Brad hatte er eine Weile lang mit 'Sie' angesprochen, auch nachdem sie schon einige Male miteinander geschlafen hatten… Ran verspannte sich, als er an seinen Exfreund dachte. Wie hatte er damals nur so dumm sein können… er hatte den Amerikaner eigentlich gar nicht gekannt… und doch hatte er ihm seine Unschuld gegeben… kaum eine Woche nach ihrem ersten Treffen. Er hatte Brad vertraut, alles, was er gesagt hatte, für bare Münze genommen… wie sehr er es jetzt bereute… "Ran?" Der Rotschopf fuhr heftig aus seinen Gedanken auf und richtete seinen Blick hastig auf Youji, der ihn besorgt ansah. Er registrierte erst, dass sich in seinen Augen Tränen gebildet hatten, als ihm die erste die Wangen hinunterrollte. Ran hob hastig seine Hand, um die salzige Flüssigkeit wegzuwischen, doch der Blonde hatte er schon gesehen. Youji saß einen Moment lang reglos da, doch dann schob er seinen Stuhl zurück, stand auf und lief um den Tisch herum, wo er neben Ran stehen blieb. Der Rotschopf wandte den Kopf, um zu sehen, was der Größere machte, als er auch schon eine warme Hand fühlte, die sich um seine eigene, kalte Hand legte und dann leicht daran zog, während die andere sanft aber bestimmt die Mappe aus seinem Klammergriff befreite und auf die Tischplatte legte. "Komm mal mit, Ran." Der Jüngere tat, was der Blonde gesagt hatte und erhob sich, bevor er dem Autor durch das Cafe folgte. Er hatte seinen Blickt gesenkt und sah nicht, wohin sie gingen, bis er hörte, dass hinter ihm eine Tür ins Schloss fiel. Erst dann sah er hoch und verspannte sich leicht, als er sah, dass sie auf der Toilette waren. Was wollte Youji von ihm? Er wusste, was Brad hier mit ihm gemacht hätte, doch das wollte er jetzt ganz sicher nicht… Bevor er jedoch weiterdenken konnte, zog der Blonde ihn auch schon in Richtung der Waschbecken und ließ dort seine Hand los, bevor seine eigene nach den Papiertüchern ausstreckte, mit denen man nach dem Händewaschen seine Hände trocknete. Er zog ein paar aus der Halterung und drückte sie dem Rotschopf in die Hand, während er den Rotschopf die ganze Zeit über besorgt ansah. "Sorry, aber ich hatte keine Taschentücher. Tut mir Leid, wenn ich unhöflich war oder dich erschreckt habe…" Der Rotschopf sah kurz auf die Papiertücher, bevor er leicht den Kopf schüttelte und diese zu seinen Augen hob. "I-ie…" Er wischte seine Tränen fort und machte sich dann daran, seine Nase zu putzen. Youji sah ihm dabei zu, wie er die Tücher in den Abfalleimer warf und sich dann mit warmem Wasser das Gesicht wusch. Erst dann trat er einen Schritt näher an Ran heran, der immernoch mit leicht geröteten Augen zu ihm aufblickte. Seine grünen Augen sahen den Rotschopf besorgt an, bevor er seine Hände hob und diese auf Rans Schultern legte. "Ist es meine Schuld, dass du geweint hast?" Der Jüngere schüttelte den Kopf und senkte den Blick. Es war allein seine Schuld, dass er dumm genug war um Brad zu vertrauen und ihn jetzt einfach nicht vergessen konnte… und dass es ihm immernoch so wehtat, selbst nach drei Wochen noch… "Möchtest du darüber reden?" Der Rotschopf stand erst einmal einen Moment fassungslos da, bevor er den Kopf hob und den Blonden mit leicht geweiteten Augen ansah. Wie bitte? Er kannte den Älteren noch nicht einmal eine halbe Stunde… was interessierte es ihn, was er für Probleme hatte? Youji schien unheimlich nett zu sein… Brad hatte es nie gekümmert, ob er Probleme gehabt hatte oder nicht, und mit dem war er zwei Jahre lang zusammen gewesen. Und nun bot ihm jemand Wildfremdes an, mit ihm darüber zu reden, obwohl Youji bestimmt bei weitem besseres zu tun hatte, als sich seine Wehwehchen anzuhören… Aber so nett das auch war, er konnte es nicht… er brachte es einfach nicht über sich, jemandem alles zu erzählen… nicht einmal Schu wusste alles, es tat ihm einfach zu weh, darüber zu reden. Ran senkte den Blick wieder auf den Boden und ließ seine Schultern hängen, bevor er mit leicht zitternder Stimme sprach. "G-gomen nasai… aber das k-kann ich ni-nicht…" Er erwartete automatisch, jetzt zurückgestoßen zu werden und bereitete sich schon darauf vor, doch dann spürte er eine warme Hand, die ihm einmal sanft über die Wange strich. "Okay… ich meine, wir kennen uns gar nicht, sorry, wenn ich zu aufdringlich war… aber es muss dir sehr wehtun, hm?" Rans Blick schoss nach oben, als er die sanft gesprochenen Worte hörte und die warme Hand spürte. Er sah Youji unsicher in die Augen. Er schien nicht sauer zu sein, weil Ran ihm nichts gesagt hatte… Brad hatte das *gehasst*… der Rotschopf hatte keine Geheimnisse vor dem Schwarzhaarigen haben dürfen und er hatte Ärger bekommen, wenn dieser doch bemerkt hatte, dass er eins hatte… was nicht oft gewesen war, doch ab und zu war es passiert… und noch dazu zeigte Youji sich sehr verständnisvoll… so war er von Brad nie behandelt worden… "H-hai…" Er sah Youji leicht nicken, bevor dieser ihn langsam losließ. "Sprich mit jemandem darüber, Ran, mit der Person deines Vertrauens oder so. Ich denke, das würde dir helfen. Es hilf mir auch immer, wenn ich mich schlecht fühle…" Ran entging der Hauch von Traurigkeit in der Stimme und auch in den Augen des Älteren nicht, auch wenn er im nächsten Moment von einem Lächeln überspielt wurde. Youji schien seine momentane emotionale Situation nicht ganz unbekannt zu sein… sofort spürte er, dass ihm das Leid tat. Er war der Grund, warum sich der Autor daran erinnern musste und ausserdem sollte sich niemand so fühlen wie er gerade… das hatte niemand verdient… "Hai…" Youji nickte leicht und lächelte Ran dann zu, bevor er seinen Blick durch die Toilette schweifen ließ. "Okay… können wir jetzt wieder rausgehen? Sonst werden die Getränke noch kalt…" Der Rotschopf nickte dem Älteren zu und schob dann alle negativen Gedanken in eine dunkle Ecke seines Verstandes. Das hier war vielleicht seine einzige Chance, mit Youji Kudou zu sprechen… heulen und über alle Fehler, die er jemals in seinem Leben gemacht hatte nachdenken konnte er auch später noch. Er wollte Youji noch einiges fragen… Der Autor lächelte ihn an und ging dann gemeinsam mit Ran wieder hinaus ins Cafe. Ihre Getränke standen schon auf dem Tisch, jedoch dampften sie noch, also waren sie noch heiß. Youji rückte Ran den Stuhl erneut an, woraufhin dieser rot wurde, bevor er sich selbst setzte und den Kleineren erwartend ansah. Der Jüngere errötete noch mehr und griff dann zögerlich nach seiner heißen Schokolade, um einen Schluck davon zu trinken. Die süße, heiße Flüssigkeit wärmte ihn von innen und ließ ihn sich besser fühlen. Er mochte das Getränk gerne, vor allem im Herbst und Winter, wenn er ständig fror. Und da ihm leicht kalt wurde, hatte er letztes Jahr eigentlich jeden Tag nach der Arbeit irgendwo Schokolade getrunken. "Und? Wie ist es?" Ran setzte die Tasse wieder ab und brachte dann ein winziges Lächeln auf seine Lippen. "Sehr gut…" Youji lächelte ebenfalls und griff nun auch nach seiner Tasse, nahm einen Schluck von seinem Kaffee und schien dann etwas zu überlegen. "Hm… wo waren wir…? Ah ja, du wolltest wissen, warum ich nicht auf Japanisch schreibe?" Der Rotschopf nickte leicht und nahm dann seine Tasse in beide Hände, um diese ein wenig zu wärmen, während er auf seine Erklärung wartete. Youji lehnte sich in seinem Stuhl zurück und begann dann zu sprechen, seine Augen auf Rans gerichtet. "Das ist so… ich kann die Sprache zwar ziemlich gut sprechen, ich kann sie auch lesen und schreiben, aber lange nicht so gut wie Englisch. Meine Ausdrucksweise und Wortwahl ist im englischen viel besser und größer. Ich bin Amerika aufgewachsen, deshalb." Der Rotschopf dachte einen Moment darüber nach, doch dann runzelte er die Stirn. "Und woher kannst du dann Japanisch?" Youji lächelte leicht, schloss kurz die Augen und begann dann zu erzählen. "Meine Mutter war Japanerin. Sie reiste einst nach Amerika, um die Sprache dort zu lernen und traf dort auf meinen Vater, der damals schon sehr reich war. Die beiden verliebten sich in einander und heirateten. Da meine Mutter ihren Namen nicht ablegen wollte, nahmen sie beide ihren japanischen Namen an und somit wurde aus ‚Emerson' ‚Kudou'.“ In Rans Gehirn regte sich etwas bei der Erwähnung des Namens ‚Emerson’, doch er kam nicht drauf, woher er ihn kannte. „Und das Resultat ihrer Liebe bin ich. So habe ich von klein auf beide Sprachen gelernt. Ich bin auch ab und zu mit meiner Mutter nach Japan gereist, um ihre Familie zu besuchen, und da konnte ich üben… aber trotzdem kann ich besser Englisch als Japanisch…" Ran hob seine warme Tasse zu seinen Lippen und nahm einen Schluck, während er die Gedanken an seine eigenen Eltern zu den anderen negativen in die dunkle Ecke seines Bewusstseins schob. Wenn er jetzt daran denken würde, würde er wieder anfangen zu weinen… "Ah… deshalb siehst du auch nicht aus wie ein Japaner…" Der Blonde grinste leicht, als er das hörte. "Tja, mein Vater war groß, blond und er hatte gewellte Haare… das einzige, was ich von meiner Mutter habe, sind meine Augen und meine Haut… aber hey, du bist genau der Richtige, um das zu sagen… du hast zwar asiatische Gesichtszüge, aber der Rest… ist ein Teil deiner Eltern auch ausländisch?" Der Rotschopf verkrampfte sich leicht, als Youji seine Eltern und sein abartiges Aussehen so direkt ansprach. Er senkte den Blick erneut und schüttelte dann den Kopf. "Iie…" Der Blonde runzelte leicht die Stirn, als er Rans Reaktion sah. Doch dann begann er wieder zu sprechen, versuchte ein wenig der Spannung in dem Rotschopf zu lösen. "Hm… ist zwar ein bisschen merkwürdig, aber mir gefällt es. Ist nicht so langweilig wie die ganzen gewöhnlichen Japaner hier." Ran hob zögerlich den Kopf, als er das hörte. Youji fand es nicht abartig? Seine komischen Farben? "H-honto ni?" Der Ältere lächelte ihn freundlich an, während er seinen Blick über Rans Gesicht schweifen ließ. "Ja, ehrlich. Deine Augen sind schön… so welche hab ich noch nie gesehen. Und deine Haare sind echt?" Der Rotschopf runzelte leicht die Stirn, als er das hörte. Wenn er diese schreckliche Farbe nicht hätte, würde er seine Haare bestimmt nicht so einfärben… "Hai…" "Cool… du klingst nicht so begeistert… magst du sie nicht?" Ran schüttelte bestimmt den Kopf. Er mochte sein gesamtes Äußeres nicht, angefangen bei seinen Haaren bis hin zu seinem mageren Körper. Aber er konnte nichts dagegen machen, er konnte essen, was er wollte, er nahm einfach nicht zu… eher musste er essen, damit er nicht noch mehr Gewicht verlor… "Nicht? Also ich schon… die Farbe ist schön. Du bist überhaupt sehr hübsch, Ran." Der Rotschopf wurde tief rot, als er das hörte und starrte auf die Tischplatte. Er hatte noch nie Komplimente bekommen… schon gar nicht solche… Brad hatte ihm niemals so etwas gesagt… doch irgendwie es fühlte sich gut an… "A-arigatou gozaimasu…" Der Blonde grinste und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, bevor er einen Schluck Kaffee trank und dann erneut sprach. "Nichts zu danken, es ist die Wahrheit. Okay, mal was anderes… darf ich fragen, wie du so jung schon Übersetzer sein kannst? Ich meine, das Studium ist nicht so lang, aber du bist trotzdem erst 23…" Ran verspannte sich erneut leicht, als der Autor ein weiteres Thema ansprach, das dem Rotschopf nicht gerade angenehm war… doch er zwang sich dennoch zu sprechen, die kritischen Dinge konnte er ja auslassen… "Ich… ich war mit der Schule fertig, als ich 17 war… ich bin früh eingeschult worden und habe eine Klasse übersprungen, deshalb war es möglich… meine Noten waren ziemlich gut und so habe ich gleich ein Stipendium mit Studienplatz bekommen. Ich habe meine drei Jahre hier studiert und dann das geforderte Jahr in Amerika, um die Sprache richtig zu lernen. Als das Jahr fast zu Ende war, traf ich… den Leiter des Verlages, in dem ich heute arbeite… er… schien angetan von… meinen Fähigkeiten zu sein und gab mir die Stelle…" Fähigkeiten… von denen und von seinem Körper… doch Ran sagte natürlich nicht, dass er sich mehrere Male von Brad hatte flachlegen lassen, noch bevor von 'Beziehung' überhaupt die Rede gewesen war… er hatte es nicht wegen des Jobs gemacht, er nicht einmal etwas davon gewusst, dass der Amerikaner einen Übersetzer gesucht hatte… er hatte den Schwarzhaarigen gemocht und ihm vertraut… doch dieser hatte ihn schon damals nur benutzen wollen, das wusste er jetzt. Youji riss ihn aus seinen düsteren Gedanken, als er seine Erzählung kommentierte. "Wow… du hast eine Klasse übersprungen? Dann musst du echt gut gewesen sein in der Schule… aber wenn ich mir deine Übersetzung so ansehe, hätte man eigentlich nichts anderes erwarten sollen. Hut ab, wenn ich eine Klasse übersprungen hätte, wäre ich untergegangen und wegen miserabler Noten von der Schule geflogen…" Ran hob erneut vorsichtig den Kopf und sah, dass der Blonde ihn anlächelte. Wieder tat es ihm gut, gelobt zu werden… es linderte das Gefühl des Nichtskönnens, das er schon seit geraumer Zeit verspürte, ein wenig. "Arigatou… warst du so schlecht in der Schule?" Der Blonde grinste, bevor er seinen Blick einmal durch das Cafe schweifen ließ und dann zurück zu seinem Begleiter sah. "Oh ja. Ich muss sagen, ich war einfach zu faul um etwas zu lernen… ich kam gerade so mit und einige Male wurde es mit der Versetzung ganz schön knapp… aber geschafft habe ich es immer irgendwie. Zum Glück, meine Eltern hätten mich getötet, wenn ich einmal sitzen geblieben wäre…" Davon konnte Ran nur ein Lied singen… nur dass seine 'Eltern' ihn schon getötet hätten, wenn er mal keine eins oder zwei nach Hause gebracht hätte… Sofort verbot er sich weiterzudenken. Er wollte das vergessen, dieser Abschnitt seines Lebens war vorbei und es würde nie wieder geschehen. Niemand durfte ihn mehr so behandeln… niemand… er würde es auch nicht überleben, wenn es noch mal passierte… "Ach ja, das wollte ich dich schon länger fragen, weil ich keine Einsicht darein habe. Wie weit bist du mit dem zweiten Buch? Und ist es halbwegs annehmbar? Erneut wurde der Rotschopf aus seinen Gedanken gerissen und er musste einen Moment lang überlegen, bis ihm die gestellte Frage wieder einfiel. Er hob mit ein wenig zitternden Händen seine Tasse und trank einen Schluck Schokolade, bevor er sich fähig fühlte, die Frage zu beantworten. Das passierte immer, wenn er daran dachte… es war die schlimmste Zeit seines Lebens gewesen und er wusste nicht, was wäre, wenn er immernoch dort leben müsste… "Es ist sehr gut… es gefällt mir persönlich noch besser als 'Sekijyo no ashiato'. Die Charaktere sind sehr gut ausgearbeitet und unheimlich sympathisch… ich mag Sue sehr gerne, mit ihr kann ich mich identifizieren… und Jack mag ich auch sehr… ausserdem ist die Handlung gut durchdacht und spannend, doch gleichzeitig so einfühlsam…" Sue und Jack waren zwei der Hauptcharaktere aus 'Das Geheimnis des roten Mondes' und Ran hoffe sehr, dass die beiden am Ende ein Paar wurden… sie passten so gut zusammen… Sue war ein wenig schüchtern, wollte für alle stark wirken aber war es eigentlich gar nicht… aber sie hatten ihren Willen und wenn sie etwas wirklich wollte, konnte sie es durchsetzen… sie hatte in ihrer Vergangenheit Probleme gehabt und war deshalb recht scheu und zurückgezogen. Jack hingegen war freundlich, aufgeschlossen und schien immer gute Laune zu haben, hatte allerdings selbst an einigen Dingen zu knabbern. Zu Sue jedoch war er immer zuvorkommend und nett und er begann langsam ihr Vertrauen zu gewinnen, sie kamen sich allmählich näher. Und Jack entwickelte im Verlauf der Story einen unheimlich stark ausgeprägten Beschützerinstinkt Sue gegenüber, während die beiden ihre Abenteuer meisterten und der Lösung für das Geheimnis des roten Mondes immer näher kamen… Ran mochte die beiden sehr. Wenn er selbst einen Partner wie Jack gehabt hätte, wäre er unendlich glücklich gewesen… "Wirklich? Das ist lustig… ich kann mich ziemlich gut mit Jack identifizieren und ich mag Sue… überhaupt diesen Typ Mensch, ich wollte das schon immer mal schreiben…" Der Rotschopf blickte einen Moment lang starr auf die Tischplatte und hielt inne, als er das hörte, bevor er langsam aufsah. Er blickte dem Älteren in die Augen, die ihn freundlich ansahen. Youji mochte diesen Typ Mensch? Also mochte Youji auch ihn? Er konnte nicht leugnen, dass Sue fast seinem eigenen Charakter entsprach… es gab einige wenige Unterschiede, doch sie hatten viel gemeinsam… "Und wie weit bist du?" Und ein weiteres Mal riss der Blonde ihn aus seinen Gedanken. Er lief rot an und senkte seinen Blick wieder, bevor er antwortete. "Ähm… ich muss in vier Monaten fertig sein… drei viertel ist fertig, dann muss ich es noch einmal korrigieren. Und danach muss Brad… ah, mein Chef, Crawford-san, es ansehen und sagen, ob es gut ist, und wenn ja dann wird es gedruckt." Youji nickte zufrieden und nippte an seinem Kaffee, wenn er etwas von Rans hastiger Stimme bei Brads Namen mitbekommen hatte, ließ er es sich nicht anmerken. Ihr kurzes Schweigen wurde unterbrochen, als die junge Kellnerin von vorhin neben ihrem Tisch stehen blieb und die beiden jungen Männer freundlich anlächelte. "Sind so soweit zufrieden? Haben sie noch einen Wunsch?" Der Blonde wandte ihr kurz den Blick zu und lächelte ebenfalls, ehe er sich wieder seinem rothaarigen Begleiter zuwandte. "Also ich nicht… möchtest du noch etwas, Ran?" Der Rotschopf schüttelte den Kopf und so wandte der Ältere sich wieder der Frau zu. "Nein, im Moment nicht. Wir sind wunschlos glücklich." Die Kellnerin nickte, wünschte ihnen noch einen schönen Aufenthalt und verschwand dann zu einem anderen Tisch. Youji wandte sich wieder Ran zu, dem soeben etwas eingefallen war. "Youji… wie kommt es, dass die Frau dich nicht kennt? Ich meine, dein Buch war sehr erfolgreich, und eigentlich müsste sie dich erkennen, auch wenn sie das Buch nicht gelesen hat… es müsste durch die Medien gegangen sein, so oft, wie es sich verkauft hat… ich weiß es nicht, da ich… nicht sehr viel davon halte… ich kucke fast nie Fernsehen und Radio höre ich auch nicht…" Der Blonde nickte leicht und stützte dann seine Ellenbogen auf die Tischplatte, bevor er sein Kinn in seine Hände legte. "Okay… ich erkläre es dir, aber kein Wort darüber zu niemandem, Ran. Eigentlich soll es niemand wissen, auch du nicht, aber ich sage es dir. Aber kein Sterbenswörtchen zu niemandem. Ich will nicht, dass es bekannt wird…" Ran runzelte leicht die Stirn, als er den ernsten Ton in Youjis Stimme hörte, doch dann nickte er. Er konnte schweigen wie ein Grab, wenn es sein musste und für den Autor würde er es tun. Youji sah ihn noch einen Moment lang prüfend an, doch dann schloss er kurz die Augen und begann zu erklären. "Also… es ist so: in Japan kennt keiner mein Gesicht. Es ist nicht bekannt, wer dieser Youji Kudou ist, der die Bücher schreibt. Und der Grund dafür ist einfach: ich will noch irgendwo in die Stadt gehen können, ohne dass überall Reporter herumlungern, die mir folgen und auflauern… in anderen Ländern habe ich das erlebt und ich will wenigstens hier meine Ruhe haben. In Amerika, Frankreich, Deutschland, Spanien, Italien, in ganz Europa kennt man mich, durch meine Bücher und durch ein, zwei Rollen in Filmen. Dort kann ich nicht mehr ohne Bodyguards vor die Tür, zu gefährlich. Und hier will ich das nicht. Ich habe dieses Land seit meiner Kindheit gemocht und deshalb will ich hier frei sein. Es ist in den anderen Ländern auch unbekannt, wo ich gerade bin, weil ich mal meine Ruhe haben will. Und ich habe vor, noch eine Weile hier zu bleiben. Deshalb ist mein Gesicht in Japan absolut unbekannt. Und ich will, dass das so bleibt, also bitte ich dich wirklich, niemandem etwas zu sagen." Der Rotschopf sah ihn einige Augenblicke wie überfahren an, bevor er sich wieder fasste und in seinem Stuhl zurücksank. „So…so berühmt… bist du…?“ Der Ältere sah Ran daraufhin ernst an und trank einen Schluck von seinem Kaffee, bevor er wieder sprach. „Scheint so… aber um ehrlich zu sein ich mag es nicht besonders. Es ist bloß lästig… ich kann nicht mehr auf die Straße gehen, ohne dass ich verfolgt werde in Amerika… und deshalb will ich hier meine Ruhe. Ich habe mir gerade eine Auszeit genommen, weiß noch nicht wie lange, und will ausspannen, shoppen gehen und all die Dinge die ich sonst nicht tun kann. Ich hoffe, du verstehst das und behältst für dich, wer ich bin oder dass ich überhaupt im Land bin.“ Ran nickte nur leicht benommen während über das gesagt nachdachte. Dabei fiel ihm dann aber doch etwas auf. „Aber… aber wenn sie es doch nicht mögen, warum… schreiben sie dann noch? Oder… drehen Filme…?“ Das war doch widersprüchlich… wenn Kudou-san die Berühmtheit doch nicht mochte, konnte er sich doch einfach zurückziehen und es würde mit der Zeit wieder von alleine ruhiger um ihn werden… Der Blonde sah ihn ein wenig bitter an, bevor er jedoch seufzte und sein Blick traurig wurde. „Auch wenn ich es nicht mag bin ich dennoch an gewisse Verträge gebunden, und aus denen kann ich nicht raus. Außerdem könnte ich mich eh nicht ganz zurückziehen.“ Der Rotschopf war ein wenig verwundert darüber, zu erfahren, dass jemand so einflussreiches und berühmtes wie Youji sich trotzdem noch an so was Banales wie Verträge halten musste… doch auch Stars schienen von Pflichten nicht frei zu sein… Ran sah in das attraktive Gesicht des Autoren, das immernoch ein wenig traurig war und öffnete dann den Mund, woraufhin ihm die Frage über die Lippen rutschte, bevor er eigentlich darüber hatte nachdenken können. „Warum nicht?“ Das Gesicht des Blonden wurde noch um ein vielfaches trauriger und der Jüngere bereute es sofort, überhaupt etwas gesagt zu haben, „G-gomen nasai, ich wollte nicht… ich hätte Sie nicht…“ „Ist schon gut…“ Youji lächelte ihn leicht an, bevor er seinen Blick kurz auf seine Tasse und dann wieder zu Ran zurückschweifen ließ. „Ich rede nur nicht so gerne darüber… und bitte, hör auf mich mit ‚sie’ anzusprechen…“ Ran fühlte, wie seine wie seine Wangen rot wurden, und er sah schüchtern auf die Tischplatte. „Gomen nasai… Youji…“ Er war es eben nicht gewohnt… und schon gar nicht jetzt, wo er wusste, wie berühmt und bekannt Youji war… er hatte automatisch Respekt vor dem Autor, und das brachte ihn dazu, wieder in die Höflichkeit zurückzufallen. Es kam ihm ein wenig komisch vor, wenn er so jemand berühmtes mit dem Vornamen ansprechen durfte… er kannte es so, dass er hoher gestellte Personen immer mit ‚sie’ ansprechen musste. Das war ihm schon von Kindheit auf eingebläut worden. Der Blonde griff erneut nach seine Kaffeetasse und trank einen Schluck, bevor er sie wieder absetzte und seine Hand dann auf dem Tisch liegen ließ. Eine kurze Zeit lang herrschte Stille, doch dann hörte der Rotschopf die Stimme des Autoren wieder, getränkt von Trauer. „Weißt du… ich sagte vorhin, dass mein Vater ziemlich reich war. Er hatte eine große Company in Amerika, war sehr erfolgreich. Er war unheimlich gut in seinem Geschäft und hatte deshalb viele Feinde und Neider. Eines Morgens… ist er mit meiner Mutter zusammen zu einem Meeting gefahren… und dabei sind sie tödlich verunglückt. Bei Untersuchungen ist später raus gekommen, dass ihr Wagen sabotiert worden war, Bremskabel durchgeschnitten… nur wegen des Geldes mussten drei Menschen sterben, meine Eltern und der Fahrer ihrer Limousine… nur wegen Geld und Macht…“ Youji starrte bitter auf den Tisch und schüttelte dann den Kopf, bevor er kurz die Augen schloss und dann wieder der traurige Ausdruck darin erschien. „An diesem Tag bin ich 20 geworden… und das war mein Geschenk… zusammen mit der Company, die mir mit ihrem Tod rechtmäßig gehörte. Aber ich konnte sie nicht leiten, ich war zu jung und hatte keine Ahnung von dem Geschäft… außerdem war ich damals zu gar nichts mehr fähig gewesen… ich hatte es nicht fassen können, war wie in Trance…“ Der Blonde stockte hier einen Moment lang, schien über etwas nachzudenken, doch dann schüttelte er leicht den Kopf und sprach weiter. „Ich habe mich erst Jahre später dazu überwinden können, was für die Company zu tun, die ich bis dahin von jemand anderem habe leiten lassen. Da war ich dann 23 und schon durch Filme und Bücher bekannt. Da habe ich mir dann einige Sache beibringen lassen, sodass ich wenigstens mitreden konnte, was das Geschäft betraf. Die Leitung habe ich jedoch nie vollständig angenommen, bis heute nicht. Jedoch gehört das Ding immernoch mir und die wichtigen Entscheidungen fälle ich, auch wenn ich nicht allzu viel Zeit für die Firma habe. Also könnte ich mich nie ganz zurückziehen… und einfach nichts mehr für die Company zu tun und sie zu verkaufen kommt nicht in Frage. Mein Vater hat sich das aufgebaut und ich werde es weiterführen, wenigstens das will ich für ihn tun.“ Die grünen, traurigen Augen waren immernoch auf die Tischplatte gerichtet, wo sich die Hand des Autors zu einer lockeren Faust geballt hatte. Ran sah ebenfalls dorthin, doch sein Blick war starr. Er hatte so etwas nicht erwartet… weder dass Youji ihm etwas so Schmerzvolles erzählen würde, noch dass seine Vergangenheit so schlimm war… und erst recht nicht, herauszufinden, wie ähnlich sie sich waren… Dem Rotschopf fiel jetzt auch ein, warum ihm der Name ‚Emerson’ so bekannt vorgekommen war. Er hatte von dem Skandal gehört, in dem es um einen reichen Geschäftsmann ging, der getötet worden war in Amerika, vor ein bisschen mehr als fünf Jahren. Das musste der Mann gewesen sein… Ran streckte ganz zögerlich die Hand aus und legte sie vorsichtig auf die des Blonden, spürte, wie warm sie im Gegensatz zu seiner eigenen war. „Das… das tut mit Leid…“ Grüne Augen sahen hoch in seine und wurden wieder ein kleines bisschen fröhlicher. „Das muss es nicht, Ran… du kannst ja schließlich nichts dafür.“ Der Jüngere schwieg einen Moment lang, doch dann setzte er an und die Worte rutschten ihm einfach über die Lippen. „Youji…meine Eltern… und meine jüngere Schwester… sind auch bei einem… Verkehrsunfall gestorben…“ Er hatte das noch niemandem erzählt, auch Schu nicht. Er wusste davon, weil er es mitbekommen hatte damals, nicht weil Ran mit ihm darüber geredet hatte. Doch Youji würde ihn verstehen… er hatte ähnliches erlebt und Ran merkte, dass es ihm leichter fiel, es jemandem zu sagen, der seinen Schmerz kannte. Sein Herz schmerzte, als er an die drei dachte…er hatte sie so geliebt… und sie waren einfach gestorben, hatten ihn mit 12 Jahren einfach alleine gelassen, mit gebrochenem Herzen… Der Autor sah ihn an, bevor er seine Hand so drehte, dass er Rans in seine nehmen konnte und sie dann festhielt, tröstend mit dem Daumen über die Außenseite streichelte. Und als er sprach war seine Stimme leise und sanft. „Es ist schlimm… nicht? Von einer Sekunde auf die andere allein da zu stehen, die wichtigsten Menschen einfach weg… ich verstehe deinen Schmerz voll und ganz, Ran…“ Das bezweifelte der Rotschopf nicht… Er senkte seinen Kopf und sah mit verzweifelten Augen auf die Tischplatte, bevor er nickte. Es war allerdings schlimm… doch irgendwie half es ihm ein bisschen, mal mit jemandem zu reden, der ihn verstand… Schu hatte seine Eltern noch und Brad… hatte ihm nie so etwas erzählt… Ran wusste, wenn er ehrlich war, fast nichts über den Amerikaner… Es herrschte eine Weile lang bedrücktes Schweigen am Tisch, in der Youji die ganze Zeit über Rans Hand streichelte und der Rotschopf gegen seine aufsteigenden Tränen kämpfte und dann dachte, dass Brad ihn nie getröstet hatte, wenn er traurig gewesen war… er war nie da gewesen und so war der Rotschopf immer zu Schu gegangen… Aber es fühlte sich gut an… dass Youji das machte… er tat zwar nicht viel mehr als seine Hand zu halten, aber er verstand ihn… er hatte ähnliches erlebt, im Gegensatz zu Schu, der nicht ganz nachvollziehen konnte, wie weh Ran es tat, dass seine Familie nicht mehr bei ihm war. Er versuchte es zwar, aber da er den Schmerz, den ihr Verlust Ran zufügte, noch nie verspürt hatte, konnte er es nicht verstehen. Schus Eltern lebten ebenfalls in Tokyo und er verstand sich recht gut mit ihnen, von daher hatte er keine Ahnung, wie es sich anfühlte, was der Rotschopf durchgemacht hatte, und immernoch nicht verarbeitet hatte. Der Rotschopf wurde aus seinen düsteren Gedanken gerissen, als sie die warme Hand langsam wieder zurückzog und Youji ihn dann schwach anlächelte. „Ich denke, wir sollten das Thema wechseln… ah, ich hatte vorgestern eine Idee für ein neues Buch… willst du es hören?“ Der Jüngere zog seine Hand ebenfalls wieder zurück und sah dann in das hübsche Gesicht des Blonden. Er war froh darüber, dass Youji das vorschlug… er war auch allein schon oft genug traurig, da brauchte er es nicht, wenn er mit seinem Lieblings-Autoren sprechen konnte… „Ja… um was geht’s?“ Das Lächeln des Älteren wurde ein wenig intensiver, bevor er begann den plot des Buches wiederzugeben, während Ran ihm aufmerksam zuhörte. Sie redeten eine ganze Weile lang über das neue Buch, das dem Rotschopf ziemlich gut gefiel, und als sie das Thema beendet hatten verwickelte Youji den jungen Übersetzer in ein weiteres Gespräch, über dies und das. Er hielt es ziemlich leicht und schaffte es sogar, Ran ein paar Male zum Lächeln zu bringen. Sie bestellten sich zwischendurch doch noch einmal was zu Trinken, weil sie die ersten Getränke schon bald niedergemacht hatten. Ran fühlte sich ziemlich wohl… er konnte zum ersten Mal seit Wochen wieder lächeln und sogar lachen, Youji brachte das tatsächlich fertig… der Rotschopf amüsierte sich und genoss es, mit jemandem zu reden, außerhalb seiner Wohnung… Schu hatte das nicht geschafft… aber er wusste eine ganze Menge mehr über Ran als Youji und war deshalb vorsichtiger im Umgang mit seinem Freund. Trotzdem, dem Rotschopf gefiel das, hier mit Youji zu sitzen und zu reden, gemeinsam zu lachen und ein bisschen Spaß zu haben. Es war einfach mit Youji Spaß zu haben… so wie er todernst sein konnte, schaffte er es auf der anderen Seite wiederum auch so urkomisch zu sein, dass Ran einfach lachen musste… Nach der Meinung des Rotschopfes viel zu bald sah der Blonde auf seine Armbanduhr und blickte dann zu ihm auf. „Du, es ist schon neun Uhr…Gott, wir sitzen hier jetzt schon seit gut drei Stunden… ist mir echt nicht aufgefallen…“ Der Jüngere war ebenfalls ein wenig überrascht, zu hören, dass es schon so spät war. Die Zeit war mal wieder geflogen, ohne dass er es gemerkt hatte… „Mir auch nicht…“ Und dann fiel ihm plötzlich siedend heiß etwas ein. Schu hatte ihm gestern versprochen um acht bei ihm zu sein und ihm ein bisschen Gesellschaft zu leisten… Seine Augen weiteten sich leicht, doch er redete sich selbst gut zu. Er würde Schu alles erklären, wenn er nach Hause kam…Ran fühlte sich mies, weil er seinen besten Freund versetzt hatte, doch der Ältere würde es bestimmt verstehen, wenn er ihm sagte, warum er nicht da gewesen war… „Ähm, Youji… ich muss nach Hause…“ Der Blonde sah ihn daraufhin verwirrt an, bevor er ihn wieder anlächelte, doch diesmal wirkte es seltsam aufgesetzt… Ran fand das ein wenig seltsam, doch bevor er länger darüber nachdenken konnte, hörte er den Älteren schon sprechen. „Warum das? Ist da jemand, der auf dich wartet?“ Ran zucket bei der Bemerkung fast unmerklich zusammen. Nicht mehr… bis vor kurzen war da noch jemand gewesen, der ihm die Hölle heiß gemacht hätte, wenn er es gewagt hätte, ihn zu versetzen… Er schüttelte leicht den Kopf, bevor er nach seiner Mappe griff und diese mit beiden Händen festhielt. „Nein… oder eigentlich schon, ich war um acht mit einem Freund verabredet, wir wollten zusammen ein Video kucken…“ Youjis Lächeln intensivierte sich daraufhin kaum merklich, aber es wirkte nun wieder so ehrlich, dass Ran sich fragte, ob er sich das eben nur eingebildet hatte… „Dann sollten wir wohl besser zahlen, huh? Wird er sehr sauer sein weil du nicht da warst?“ Er winkte einer der Kellnerinnen und bat um die Rechung, als diese bei ihnen ankam, während Ran über seine Frage nachdachte. Er kam jedoch schnell zu einer Antwort. „Nein… er wird eher froh sein, dass ich mal draußen war…“ Das stimme allerdings… Schu würde sich bestimmt darüber wundern, doch er würde sich auch freuen… er versuchte Ran nun schon seit zwei Wochen nach draußen zu schleifen, doch der Rotschopf hatte nie gewollt… Youji sah ihn daraufhin ein wenig verwundert an, bevor er seine Geldbörse aus seiner Tasche zog. „Warum das?“ Ran zögerte bei seiner Antwort, und in genau diesem Moment tauchte die Kellnerin neben ihnen auf, sodass er davon abgelenkt wurde. Er sah kurz zu ihr hoch und wollte dann zu seinem Geld greifen, doch Youji schüttelte den Kopf. „Lass mal, Ran. Ich habe dich eingeladen, also bezahle ich auch.“ Er lächelte die junge Frau dann an und bezahlte schnell ihrer beiden Getränke, woraufhin sich die Dunkelhaarige bedankte, ihnen einen schönen Abend wünschte und dann verschwand. Youji drehte sich wieder Ran zu, welcher ihn mit etwas perplexem Blick ansah, dann jedoch rote Wangen bekam und auf die Tischplatte sah. „Ich… danke, Youji…“ Der Blonde runzelte die Stirn und setzte sich dann in seinem Stuhl auf. „Warum bedankst du dich?“ Rans Blick nahm einen verwirrten Zug an, bevor er vorsichtig wieder hochsah. „Weil… weil du bezahlt hast…?“ Youji zog eine Augenbraue nach oben und blickte den Rotschopf ein wenig perplex an. „Ich habe dich doch eingeladen, oder? Also bezahle ich auch. Ist das nicht normal?“ Ran blickte schnell zurück auf die Tischplatte, bevor er leicht den Kopf schüttelte. Für ihn nicht… Brad hatte auch nie für sie beiden bezahlt, nur wenn es schnell hatte gehen müssen und zwei Mal bezahlen zu viel Zeit in Anspruch genommen hätte. Ansonsten nie… und manchmal hatte Ran ihm sogar später das Geld zurückgeben müssen… er fragte sich zum wiederholten Mal, wie er so blöd hatte sein können…es war so eindeutig gewesen, dass er dem Amerikaner nichts bedeutet hatte…doch die Liebe und das Vertrauen hatten ihn blind gemacht… „Ran?“ Der Rotschopf fuhr aus seinen Gedanken auf und sah vorsichtig zu Youji hoch, welcher ihn leicht besorgt anblickte. „Also für mich ist es normal… tut mir Leid, wenn ich dich irgendwie in Verlegenheit gebracht habe oder so, das wollte ich nicht.“ Ran starrte ihn für einen Moment nur an, doch dann lächelte er ganz leicht. „Nein nein, es ist nur… ich bin es nicht gewohnt…“ Er sah Youji leicht aufatmen und hatte das Lächeln auf dem Gesicht des Autors wieder. „Okay… aber kannst du dir merken, wenn ich dich einlade, heißt das, dass ich auch zahle.“ Der Rotschopf nickte daraufhin leicht und sagte ‚okay’, sodass Youjis Lächeln sich intensivierte und er dann vom Tisch aufstand. „Gut. Na dann komm, lass uns gehen. Dein Freund wartet bestimmt schon.“ Ran hoffte jedenfalls, dass Schu noch wartete und nicht allzu sauer war, wenn er heim kam… er stand dann ebenfalls vom Tisch auf und ging zusammen mit Youji zur Garderobe. Dort legte er seine Mappe ab und wollte gerade nach seinem Mantel greifen, doch Youji war ihm schon zuvorgekommen und hatte den Mantel in der Hand, bevor er ihn Ran so hinhielt, dass er nur noch hineinschlüpfen musste. Der Rotschopf errötete, doch ließ sich dann in seinen Mantel helfen, bevor er dessen Reißverschluss bis ganz nach oben zuzog und sich dann zu dem Älteren umwandte, der gerade seine Jacke anzog. Ran griff nach seiner Mappe und hielt diese dann mit beiden Händen vor seinem Körper, während Youji seine Jacke schloss und ihn dann anlächelte. Er lief zur Tür hinüber und hielt diese dann für den Rotschopf auf. Ran errötete erneut und lief dann nach draußen, wo er auf Youji wartete. Der Blonde lächelte als er neben Ran trat und blickte dann hoch in den Himmel, den Kopf in den Nacken gelegt. Es fielen immernoch Schneeflocken herab und mittlerweile war es ganz dunkel, die Straßenlaternen und die Lichter in den Schaufenstern schufen fast tageshelles Licht. „Das ist klasse…ich mag Schnee unheimlich gerne, du auch?“ Der Rotschopf erschauerte leicht, als ein kalter Windstoß durch die Straße fegte, und begann leicht zu zittern. „Nein, überhaupt nicht…ich mag diese ganze Zeit nicht, solange bis es wieder Frühling wird…“ Youji sah ihn überrascht an und schüttelte dann leicht den Kopf. „Kann ich nicht verstehen… meinetwegen könnte es immer Winter sein und schneien…aber okay, ist nicht unbedingt jedermanns Sache… Sommer mag ich auch irgendwie gerne, aber Winter finde ich gemütlicher…“ Er legte dann den Kopf schief und ließ seinen Blick über Ran schweifen. „Du musst ganz schön verfroren sein, wenn du sogar in dem Mantel da noch frierst… vielleicht sollten wir dann besser losgehen, damit du schnell ins Warme kommst. Sonst kriegst du noch nen Rückschlag von deiner Grippe.“ Ran runzelte daraufhin leicht die Stirn und blickte Youji verwirrt an. „Wir?“ Das klang irgendwie so, als ob Youji noch mit zu ihm kommen wollte… es machte ihm nicht viel aus, doch er war sehr überrascht… Der Blonde sah ihn entschuldigend und ein wenig enttäuscht an. „Tut mir Leid, das war unhöflich von mir. Ich wollte dich noch nach Hause bringen, Ran, aber wenn du nicht willst ist das schon okay…“ Der Jüngere starrte ihn einen Moment lang perplex an, bevor er sich zusammenriss und schnell den Kopf schüttelte. „Nein nein, das ist schon okay, Youji… ich war nur überrascht… ich habe noch niemals jemanden getroffen, der so viel Höflichkeit für selbstverständlich hält…“ Die Miene des Älteren hellte sich wieder auf und er lächelte. „Echt nicht? Also ich finde es gehört sich so… liegt vielleicht an meiner Erziehung, aber trotzdem. Und jetzt komm, deine Lippen werden schon ganz blau.“ Das war sicherlich übertrieben, aber es brachte Ran zu einem leichten Lächeln und er nickte, woraufhin sie sich nebeneinander hergehend auf den Weg zu Rans Wohnung machten. Sie unterhielten sich die gesamte Strecke über bis zu dem Block, in dem Ran wohnte, und das war noch ein ganzes Stück, denn sie hatten noch eine Viertelstunde Fußmarsch vor sich. Der Rotschopf lief jeden Morgen dieses Stück bis zur nächsten U-Bahn-Station und fuhr dann mit der Bahn zur Arbeit. Er hatte kein Auto, das wäre viel zu unpraktisch in Tokyo. Parkplatzsuche und viel zu viel Verkehr würden ihn ständig zu spät kommen lassen, und das hasste er über alles. Also benutzte er lieber die öffentlichen Verkehrsmittel. Sie zogen die blick so mancher Passanten auf sich, aber das sollte man bei ihrem exotischen Aussehen auch erwarten… Ran war das sonst immer sehr unangenehm, doch jetzt ließ Youjis Anwesenheit und ihr ablenkendes Gespräch ihn sich besser fühlen. Es war einfacher damit umzugehen, wenn man die meisten Blicke gar nicht bemerkte, weil man auf etwas anderes konzentriert war. Als sie schließlich um die letzte Ecke bogen war Ran hinter vorgehaltener Hand am Lachen und Youji am Grinsen. Der Blonde hatte gerade eine lustige Story erzählt, die er kürzlich selbst erlebt hatte und hatte damit das vollbracht, was in den letzten Wochen nichts vermocht hatte: er hatte Ran richtig zum Lachen gebracht. Und es tat dem Jüngeren gut, sein Herz fühlte sich zum ersten Mal seit Wochen leicht an, ohne die ganze Trauer und Verzweiflung, die es so schwer gemacht hatten. Ran sah vergnügt zu Youji auf, als sie vor seinem Wohnblock standen. Seine Mappe hielt er wieder vor seinem Körper und verbeugte sich dann leicht vor dem Blonden. „Danke für den Abend, Youji…“ Der Autor lächelte ihn an und schüttelte dann leicht den Kopf. „Ich habe zu danken, Ran. Ich habe deine Gesellschaft sehr genossen.“ Die Wangen des Jüngeren wurden leicht rot, als er das hörte, und er richtete den Blick auf den Boden. „Das freut mich…“ Er wollte gerade ansetzen, sich zu verabschieden, als ihm plötzlich einfiel, dass er Youji vielleicht gar nicht mehr wieder sehen würde… das machte ihn traurig… er würde sich gerne wieder mit dem Autoren treffen, doch er traute sich nicht zu fragen… „Sag mal… hast du morgen Abend Zeit? Wenn ja, darf ich dich dann zum Essen einladen? Ich würde dich gerne wieder treffen, Ran.“ Der Kopf des Rotschopfes flog hoch und er starrte Youji einen Moment lang ungläubig an, doch dann lächelte er strahlend. Youji hatte ihn dich tatsächlich eingeladen! Das hieß doch, dass der Autor ihn mochte, denn sonst würde er Ran ja wohl kaum noch einmal einladen… Rans Herz schlug ein wenig aufgeregt, während er sich beeilte, auf die Frage zu antworten. „Ja, ich hab Zeit… wann und wohin?“ Youji strahlte daraufhin ebenfalls und beantwortete die Frage des Rotschopfes nach kurzem Überlegen. „Hm… ah, kennst du den Italiener ‚Roma’? Der ist hier in der Nähe, wenn man die U-Bahn nimmt braucht man fünfzehn Minuten.“ Ran nickte, er kannte das Restaurant. Er war mit Schu und Omi schon dort gewesen; war zwar schon länger her doch er wusste noch, wo es war. Er würde eine andere Linie als die, mit der er zur Arbeit fuhr, nehmen müssen, weil das Restaurant in die entgegen gesetzte Richtung lag, doch der Weg zu dieser U-Bahn-Station war kürzer. „Ja, kenne ich.“ „Gut, dann da um halb acht? Ich hätte dich auch abgeholt, aber ich hab vorher noch ein Gespräch mit meinem Manager… wahrscheinlich krieg ich sowieso nur Ärger, weil ich so leichtsinnig bin, lohnt sich also eigentlich gar nicht hinzugehen… aber was soll’s. Ist dir das recht?“ Ran musste über so viel Freundlichkeit erneut staunen, lächelte dann aber schnell und nickte. „Ja, absolut.“ Youji nickte ebenfalls und lächelte den Rotschopf dann strahlend an, seine grünen Augen funkelten fröhlich. „Okay… dann freue ich mich jetzt schon sehr auf morgen, Ran. Gute Nacht.“ Die Wangen des Jüngeren nahmen erneut einen leichten Rotschimmer an, doch er sah nicht zu Boden sondern blickte Youji ein wenig schüchtern an. „Dir auch, Youji…“ Der Blonde lächelte ihn noch einmal kurz an, bevor er sich umdrehte und die Straße in die Richtung davonlief, aus der sie gekommen waren. Ran sah ihm noch nach, bis er um die Ecke verschwunden war, erst dann wandte er sich um und betrat den Mietwohnungskomplex, in dem er wohnte. Dort blieb er schon direkt hinter der Einganstür um und lehnte sich gegen sie, als sie wieder zugefallen war. Er schloss kurz die Augen und lächelte dann ins verlassene Treppenhaus hinein. Youji Kudou hatte ihn doch tatsächlich zum Essen eingeladen! Der Rotschopf konnte es noch nicht so ganz fassen… bis vor einigen Stunden hatte er sich noch gefragt, wer dieser Mann eigentlich war und dass er ihn eh nie kennen lernen würde, und dann lief er einfach auf der Straße in ihn rein… Der Autor war kein bisschen so, wie er es sich immer vorgestellt hatte… erstens war er in seiner Vorstellung viel älter gewesen, außerdem nicht mal halb so freundlich… wenn er ehrlich war, hatte er gedacht, dass Youji sein Ruhm zu Kopf gestiegen und er demnach ziemlich aufgeblasen und hochmütig sein würde, und sich erst Recht nicht mit *Ran*, einem unbedeutenden Übersetzer, abgeben… jedoch war der Blonde ganz anders… so viel freundlicher und netter… Ran war glücklich darüber, dass er den Älteren heute getroffen hatte. Vielleicht würden sie sich in nächster Zeit noch öfters sehen und sogar Freunde werden, sodass Ran Youji alle möglichen Fragen stellen durfte, an die er heute noch nicht gedacht hatte… vielleicht, aber der Rotschopf wollte nicht zu viel erwarten… er wusste aus Erfahrung, dass wenn er zu glücklich war, ihm das Schicksal immer einen Strich durch die Rechnung und alles kaputt machte… Er verdrängte diesen düsteren Gedanken ganz schnell und stieß sich dann hastig von der Tür ab, weil ihm plötzlich Schu wieder einfiel… oh Mist, den hatte er erneut ganz vergessen gehabt… hoffentlich war er nicht zu wütend… oder hatte vor Rans Tür darauf gewartet, dass dieser wiederkam… der Rotschopf bekam sofort ein schlechtes Gewissen, als er das dachte. Ran lief eilig die Treppen nach oben, es gab hier zwar einen Aufzug, aber ein hastiger Blick auf die Anzeigetafel zeigte ihm, dass der Lift gerade ganz oben war, und deshalb würde er schneller sein, wenn er lief. So hastete er die Stufen bis zum 13. Stock, auf dem er wohnte, nach oben. Schu wohnte noch ein Stockwerk höher, im 14. Hoffentlich hatte der Ältere nicht im Treppenhaus gewartet… hier war es zwar nicht kalt, da es beheizt war, dennoch gab es gemütlichere Plätze… Der Rotschopf war recht außer Atem, als er schließlich seinen Stock erreicht hatte, denn die 130 Treppenstufen hochzurennen erforderte eine gewisse Kondition, die Ran nicht hatte… er ging zwar manchmal ein bisschen joggen, aber da rannte er auch nicht wie ein Wilder Treppen… Er hatte jedoch kaum den Flur des 13. Stocks betreten, da wurde er auch schon stürmisch in zwei starke Arme geschlossen und an einen warmen Körper gedrückt. Gleichzeitig hörte er Schus Stimme, besorgt und erleichtert zugleich. „Ran! Mein Gott, da bist du ja! Ich hab mir solche Sorgen gemacht!“ Der Jüngere schmiegte sich für einen Moment an seinen Freund, bevor er sich wieder von ihm löste und in die grünen, erleichtert wirkenden Augen blickte. Die Hände Schus legten sich auf seine Schultern, während der Größere weiter auf Ran einredete. „Ran, du bist fast eineinhalb Stunden zu spät! Wo warst du denn? Oder… ist was passiert?!“ Gerade wollte Ran den Mund aufmachen und erzählen, was er heute Abend erlebt hatte…doch dann hielt er inne. Er hatte plötzlich ein komisches Gefühl… auf einmal erschien es ihm gar nicht gut, Schu alles zu erzählen… irgendwie wollte er nicht mehr, dass sein Freund von seinem Treffen mit Youji wusste… warum konnte er nicht genau sagen, doch ihm wurde unangenehm zu Mute beim Gedanken daran… vielleicht, weil Schu da mehr reininterpretieren würde, als eigentlich da war? Wenn er falsche Schlüsse zog und dachte, dass Youji Interesse an ihm hatte? Schu hatte ihm in den letzten Wochen deutlich gemacht, dass er nicht zulassen würde, dass ihm noch jemand so wehtun würde wie Brad es getan hatte… er würde Ran vielleicht nicht glauben, dass da nichts war… er würde Youji treffen wollen… Nein, das wollte er nicht… vielleicht war er egoistisch, doch er wollte Youji noch eine Weile für sich allein haben… immerhin kannte er als einziger seine Identität… außerdem hatte er dem Autoren ja eh versprochen, dass er niemandem etwas erzählen würde… und er würde das Versprechen halten, auch Schu gegenüber… „Ran?“ Der Rotschopf schreckte wieder aus seinen Gedanken auf, als er die Stimme seines Freundes hörte, und sah dann zu Schu auf, der ihn eindringlich ansah. Er spürte, wie seine Wangen ein wenig rot wurden, doch das war vielleicht ganz gut so, denn er konnte nicht gut lügen und wurde dabei immer rot, vielleicht würde die andere Röte das überdecken… er wollte nicht, dass Schu dachte, dass er log… auch dabei fühlte er sich schlecht, denn er hasste es, seinen besten Freund anlügen zu müssen… doch hier war es nötig, so Leid es ihm tat… Schu sah ihn jetzt wirklich alarmiert an, rüttelte leicht an Rans Schultern, bis dieser ihm in die grünen Augen blickte. „Ran… ist etwas passiert? Auf der Arbeit?“ Der Jüngere schlug seinen Blick daraufhin nieder, er konnte Schu dabei nicht ansehen… dann schüttelte er den Kopf. „Nein, Schu… es ist nichts passiert…“ Ein verwirrter Ausdruck trat in die hellgrünen Augen, bevor Schu einmal blinzelte und dann wieder zum Sprechen ansetzte. „Gut… aber wo warst du dann?“ Der Rotschopf hob seinen Blick ein wenig, denn wenn er Schu gar nicht ansah, würde ihm dieser nie glauben… der Ältere kannte ihn so gut, er würde wahrscheinlich sowieso merken, dass er log… „Ich… ich war eine heiße Schokolade trinken… du kennst doch das kleine Café an der Hauptstraße, wo wir schon öfters waren… da war ich… und hab die Zeit völlig vergessen, tut mir Leid, Schu…“ Der Größere stand einen Augenblick wie vom Donner gerührt da, bevor er Rans Blick suchte, und als er ihn gefunden hatte, sah er prüfend in dessen Augen. Der jüngere Rotschopf hielt dem Blick mühsam Stand, doch er schaffte es, wenn auch ein bisschen wackelig. „Wirklich? Du warst in dem Café? Freiwillig? Alleine?“ Ran nickte daraufhin, denn immerhin war ja drei viertel die Wahrheit… nur seine Gesellschaft verschwieg er geflissentlich… „Ja… mir war einfach danach… es war so kalt und ich wollte was Warmes trinken…“ Was ja auch gar nicht mal so falsch war… Schu starrte ihn noch einen Moment lang eindringlich an, doch dann breitete sich ein Lächeln auf seinen Zügen aus und er umarmte seinen Freund kurz, bevor er ihn wieder losließ und glücklich ansah. „Das ist schön, Ran… ich freue mich darüber, ehrlich. Wie sieht’s aus, möchtest du den Film jetzt noch kucken?“ Der ältere Rotschopf deutete auf ein Videoband, das auf der direkt neben Rans Wohnungstür angebrachten Treppe in den nächsten Stock, auf der Schu wohl wirklich die ganze Zeit über gewartet hatte, lag. Der Kleinere atmete innerlich erleichtert auf, als er verstand, dass Schu ihm seine Geschichte abgekauft hatte, und nickte dann. „Klar, warum nicht?“ Schu strahlte daraufhin und machte sich schnell daran, das Video aufzuheben, während Ran seine Wohnung aufschloss und sie diese dann zusammen betraten. Es wurde ein netter Abend, der Film war lustig und ihre Stimmung ganz gut. Sie hatten zusammen ein bisschen was gekocht und dann vor dem Fernseher die Früchte ihrer Arbeit vertilgt, während sie über den witzigen Film gelacht hatten. Ran hatte wirklich lachen können, er hatte so gute Laune wie schon lange nicht mehr gehabt. Innerlich freute er sich schon wahnsinnig auf den morgigen Abend und noch dazu hatte er seinen besten Freund um sich, der sei bestmöglichstes tat, um ihn von möglichen, düsteren Gedanken abzuhalten. Schu machte sich zwar seine eigenen Gedanken dazu, warum Ran jetzt auf einmal wieder so fröhlich war, doch er konnte nichts finden, was den plötzlichen Umschwung herbeigeführt hatte. Er fragte jedoch auch nicht nach, denn wenn Ran es ihm erzählen wollte, hätte er es getan, und er wollte den zurückgezogenen Rotschopf nicht drängen. Selbst er musste bei sowas vorsichtig sein, denn Ran reagierte ziemlich empfindlich darauf, wenn er sich gedrängt fühlte. Deshalb freute er sich einfach, dass es seinem Freund wieder besser ging und hinterfragte es nicht weiter. Ran hatte überhaupt keine Zeit, auch nur einen Gedanken an Brad Crawford zu verschwenden, und er tat es auch nicht, als er spät an diesem Abend schließlich allein in seinem Bett lag. Schu war nach Hause gegangen, hatte ihm noch das Versprechen abgenommen, übermorgen wieder den Abend mit ihm zu verbringen, weil er morgen ein ‚Geschäftsessen’ hatte… was ja eigentlich auch nicht ganz gelogen war, denn durch Youjis Bücher verdiente er sein Geld… also fühlte er sich nicht so unheimlich schlecht. Er schlief bald darauf mit einem Lächeln auf den Lippen ein, mit den Gedanken schon beim morgigen Abend und dabei, was er Youji noch so alles fragen könnte… ~*~*~*~*~* Ran wartete ungeduldig darauf, dass die Türen der U-Bahn endlich aufgingen, und sprang dann hastig aus dem Zug, als es schließlich so weit war. Er rannte den Bahnsteig entlang und am Ende die Treppen nach oben, wo er nach rechts abbog und die Straße entlang hastete. Oh je, er war zu spät! Zehn Minuten schon, und er würde noch mal fünf brauchen, bis er am Restaurant, an dem er Youji treffen sollte, sein würde… Es war aber auch ein mieser Tag gewesen… er hatte schon übel angefangen, weil Ran verschlafen hatte und somit zu spät zur Arbeit gekommen war. Dort war er deswegen von Brad angefahren und dazu verdonnert worden, die halbe Stunde, die er sich verspätet hatte, nach der Arbeit nachzuholen. Deshalb hatte er dann seine U-Bahn verpasst und auf die nächste warten müssen, was dazu geführt hatte, dass er erst um 20 vor sieben zu Hause gewesen war. Und um sieben wäre seine U-Bahn gefahren, mit der er sich nicht verspätet hätte… doch auch die hatte er verpasst, weil er noch hatte duschen, Haare waschen und sich fertig machen müssen, was länger als 15 Minuten gedauert hatte… jedenfalls hatte er dann die U-Bahn um zwanzig nach sieben genommen… oder hatte das eigentlich tun wollen, doch der verdammte Zug hatte Verspätung gehabt und war erst um halb acht bei ihm angekommen… des war der Grund, warum er jetzt so rennen musste… Er hatte sich schon den ganzen Tag darauf gefreut, Youji wieder zu sehen… das hatte ihn bei Laune gehalten, auch wenn heute bei der Arbeit so ziemlich alles schief gelaufen war… als er wieder aus Brads Büro war entlassen worden, den Tränen nahe, weil der Amerikaner so mit ihm umgegangen war, als sei er völlig unzuverlässig und ihn überhaupt so unfair behandelt hatte (das war das erste Mal gewesen, dass Ran irgendwo zu spät aufgekreuzt war…), war prompt alles dunkel geworden… und zwar überall, in ganz Tokyo. Stromausfall, der erst nach zwanzig Minuten wieder behoben worden war. Das hatte bedeutet: eine Menge Datenverlust, da viele von Rans Kollegen ihre Arbeiten über längere Zeit nicht abspeicherten, und einen vor Wut schäumenden Brad, der dann prompt auch noch alle anderen zu Überstunden verdonnert hatte, bei denen Teile ihrer Arbeit fehlten. Ran war zum Glück nicht dabei gewesen, er hatte seinen Computer ja auch noch gar nicht angehabt an diesem Morgen, denn wenn das auch noch passiert wäre, dann hätte er das Abendessen mit Youji gleich vergessen können… Noch einige kleinere Pannen hatten sich über den Tag ereignet, zum Beispiel war die Kaffeemaschine kaputtgegangen, einer der Praktikanten hatte einen Drucker benutzungsuntauglich gemacht, eine von Rans Kolleginnen war mit ihren High-Heels auf dem Teppich gestolpert und hatte sich einen Fuß verstaucht, und noch ein paar weitere Kleinigkeiten. Jedenfalls war der ganze Tag ziemlich mistig gewesen… hätte daran liegen können, dass heute Freitag der 13. war… Ran hastete weiter durch die Straßen und kam fünf Minuten später endlich beim Restaurant an. Unterwegs hatte er die ganze Zeit nur daran gedacht, was er tun würde, wenn Youji sauer war, so wie Brad es heute Morgen wegen seines Zuspätkommens gewesen war, oder wenn der Autor einfach gar nicht mehr da war… Als er jedoch beim ‚Roma’ angekommen war, stand die schlanke, große Gestalt des Autors noch vor den erleuchteten Fenstern des Italieners, sodass Ran ein wenig erleichtert auf ihn zu rannte und dann vor ihm stehen blieb, ziemlich außer Atem. Er hatte den Blick auf den Boden gerichtet und keuchte, während er auch schon begann Entschuldigungen zu stammeln. „Gomen nasai… ich habe die U-Bahn verpasst… es tut mir so Leid… ich habe dich warten lassen… ich hoffe du bist nicht sauer und…“ In den kurzen Pausen schnappte er immer wieder nach Luft, versuchte zu Atem zu kommen. Er hätte auch noch ein bisschen so weitergemacht, wenn ihm Youji an dieser Stelle nicht ins Wort gefallen wäre. „Hey, keine Panik. Beruhig dich mal und atme tief durch, sonst erstickst du mir noch. Und ich bin nicht sauer, ist nicht schlimm, dass du ein bisschen später bist. Ich bin auch erst seit fünf Minuten hier, um ehrlich zu sein. Ich dachte, ich wäre zu spät…“ Ran sah zögerlich zu ihm auf, während sich seine Atmung langsam wieder normalisierte. „Wirklich…?“ Youji lächelte leicht und nickte. Er trug eine schwarze Jacke, deren Reißverschluss offen war, sodass man sehen konnte, was der Autor darunter trug. Es war ein cremefarbener, kuschelig aussehender Pullover, der mit Sicherheit schön warm war. Außerdem trug Youji eine braune Jeans und schwarze Boots, was ihm alles in allem ziemlich gut stand. Ran selbst trug wieder seinen langen, warmen Mantel, Schal und Handschuhe, weil er doch so verfroren war, und darunter eine schwarze Hose mit violettem Pullover, der seine Augen betonte. Schu sagte immer, dass das Ding Ran sehr gut stand, deshalb hatte er es angezogen… Der Rotschopf war nun ein wenig beruhigt, denn das hieß dass der Autor noch nicht lange in der Kälte auf ihn gewartet hatte… „Gehen wir dann rein? Langsam wird’s nämlich kalt hier draußen…“ Jetzt, da sich Ran vom vielen rennen wieder abgekühlt hatte fror er auch, vorher war ihm ziemlich warm gewesen… Der Jüngere nickte und lächelte Youji dann zögerlich an, woraufhin sein Lächeln sofort erwidert wurde. „Stimmt… dann los.“ Gemeinsam betraten sie das kleine aber gute Restaurant, hingen ihre Jacken an der Garderobe (wobei Youji Ran wieder aus dem Mantel half) auf und wurden, als sie das eigentliche Restaurant betraten, von einer Bedienung begrüßt, bevor ihnen ein Tisch am Fenster zugewiesen wurde, zu dem sie auch gleich hinübergingen und sich dort einander gegenüber niederließen. Der Abend verlief ziemlich harmonisch, sie verstanden sich auch heute wieder prima. Schon bald entstand ein Gespräch das den ganzen Abend andauerte, es gab keine peinlichen Schweigemomente. Den Mund hielten sie eigentlich nur, als sie was zu Futtern drin hatten, ansonsten waren sie pausenlos am Reden. Der Rotschopf zwar ein bisschen weniger als Youji, aber trotzdem redete der Übersetzer sehr viel, was ihn selbst ein wenig überraschte. Doch er fühlte sich wohl dabei, er mochte die Gesellschaft des Blonden und ließ diesen das spüren, er lächelte und lachte viel, erzählte von sich aus Sachen, alles Dinge, die er selbst bei Schu nicht tat… vielleicht war es gerade das, dass der Deutsche sein bester Freund war und dass er einfach mal mit jemand anderem reden musste als mit diesem… und da er den Autoren mochte und dieser ihn anscheinend auch fiel es ihm leicht zu reden. Sie blieben auch recht lange dort, völlig in ihr Gespräch und ineinander vertieft, dass ihnen wieder einmal nicht auffiel wie die Zeit verging. Als Ran schließlich doch aus reiner Gewohnheit mal auf die Uhr kuckte war es schon halb zwölf… das brachte sie dann dazu, etwas widerwillig zwar, zu zahlen. Das hieß, Youji zahlte, und auf Rans Einwurf hin, dass das bestimmt nicht billig werden würde, winkte der Autor einfach ab. Er hatte den Rotschopf eingeladen und er würde zahlen, egal was es kostete. Außerdem hatte er eh soviel Geld, dass er es in diesem Leben nicht mehr ausgeben konnte, deshalb machte das gar nichts, erklärte er dem Übersetzer grinsend. Als sie schließlich mit allem fertig waren standen sie auf und gingen zur Garderobe hinüber, satt und zufrieden. Youji half Ran wieder in seinen Mantel, brachte den Jüngeren wie schon so oft an diesem Abend zum erröten und zog dann seinen eigenen Mantel an, bevor er dem Rotschopf die Tür aufhielt und ihm dann nach draußen folgte. Auf dem Gehsteig draußen wehte ein kalter Wind und Ran begann sofort zu frieren, schlang seine Arme schützend um seinen Oberkörper. Daraufhin schlug Youji ihm vor, schnell zur U-Bahn zu laufen, da es da drin wenigstens ein bisschen wärmer war. Ran lächelte den Autor dankbar an, als er verstand dass dieser ihn noch bis nach Hause begleiten würde, und so machten sie sich gemeinsam auf zur Haltestelle. Sie beeilten sich ein bisschen, sodass ihnen beim Laufen schon ein bisschen wärmer wurde, doch von besser konnte Ran erst sprechen als er schließlich im beheizten Zug neben Youji saß, in seinem Sitz zusammengekauert. Der Blonde sah ihn ein wenig besorgt an und nahm dann Rans behandschuhte Hände in seine eigenen, rieb ein wenig über die Außenseiten. „Dir ist echt noch kalt wenn du das alles anhast? Was machst du denn, wenn es richtig Winter wird?“ Der Rotschopf sah auf die bloßen Hände, die die seinen wärmten, und dann dankbar zu Youji hinüber, seine Wangen wieder gerötet. Dann zuckte er mit den Schultern, ließ seine Hände aber, wo sie waren. Er begann sie langsam wieder zu fühlen, dank Youjis Tun… außerdem fühlte sich das gut an… die Hände des Autoren waren sanft, sie hielten ihn nicht so fest dass er seine Hände nicht befreien hätte können. Ran mochte nicht grob angefasst werden, und Youji schien das nicht tun zu wollen, also ließ er es zu. „Weiß nicht… vielleicht von allem zwei oder drei Paar anziehen? Oder mit einer Heizdecke herumlaufen?“ Der Blonde lachte daraufhin und Ran lächelte vor sich hin, glücklich darüber den Autoren zum Lachen gebracht zu haben. Das war auch neu, normalerweise machte er keine Witze… mit Schu manchmal, wenn er sich völlig wohl fühlte, doch in letzter Zeit eher kaum… und jetzt kannte er Youji etwas mehr als einen Tag und machte das schon… es war komisch, doch der Blonde hatte sich selbst in dieser kurzen Zeit irgendwie in sein Herz geschlichen… soweit, dass er diesen seine Hände festhalten ließ, hier wo es jeder sehen konnte, und er dachte sich nicht viel dabei. Es war angenehm so… „Das würde ich gerne sehen… muss lustig aussehen. Aber mal im Ernst, ich hoffe du frierst nicht zu sehr… soll ein harter Winter werden dieses Jahr.“ Das hatte Ran auch schon gehört… und es graute ihm davor… er fror jetzt schon erbärmlich, und es sollte noch ein paar Grade kälter werden… „Ich weiß… mit viel Schnee und kaltem Wind…“ Er erschauerte leicht als er daran dachte. Das würde furchtbar werden… „Hey kuck mal, wir sind schon fast an deiner Haltestelle. Wir müssen gleich raus.“ Ran blickte auf und sah, dass der Blonde recht hatte. Sie fuhren nur noch eine halbe Minute, dann waren sie auch schon da und sie stiegen gemeinsam aus der U-Bahn, die ihre Türen gleich wieder schloss und weiterfuhr. Der Autor hatte Rans Hände losgelassen, als sie ausgestiegen waren, und jetzt war dem Rotschopf wieder kalt, kaum dass er wieder draußen stand. Er begann leicht zu zittern und zog sofort Youjis Aufmerksamkeit auf sich, dessen grüne Augen ihn prompt wieder besorgt ansahen. „Du frierst echt schnell… komm, ich bring dich schnell heim, dann kommst du aus der Kälte raus.“ Ran lächelte ihm dankbar zu und ging dann mit dem Älteren an seiner Seite die Treppen der U-Bahn-Station nach oben, wo sie sich auf den kurzen Weg zurück zu Rans Wohnung machten. Youji verwickelte den Rotschopf geschickt erneut in ein Gespräch, schaffte es den Jüngeren ein wenig von der Kälte abzulenken, indem er ihn mit einigen sarkastischen oder lustigen Bemerkungen zum Lachen brachte. Als sie schließlich wieder vor dem Haupteingang des Wohnungskomplexes standen lächelte Ran genauso intensiv wie Youji und strich sich dann ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht, die ihm der Wind hinein geblasen hatte. „Danke für den Abend, Youji… ich habe mich sehr gefreut dich wieder zu treffen…“ Der Blonde lächelte ebenfalls und ging dann ein wenig zögernd auf den Jüngeren zu, bevor er eine Hand hob und dem Rotschopf sanft mit den Außenseiten seiner Finger über die Wange strich, woraufhin Rans Wangen ganz heiß wurden. „Die Freude ist ganz meinerseits.“ Der Rotschopf spürte, wie die Finger noch einmal seine Wange streichelten und gleichzeitig, wie er sich der Berührung ein wenig entgegenreckte. Das gefiel ihm… er mochte das, er hatte es schon immer gemocht, wenn man ihm über die Wange strich… Er sah ein wenig schüchtern unter gesenkten Augenlidern zu dem Autor auf, sah, dass dieser lächelte. „Ich… darf ich dich wieder sehen?“ Das Lächeln wurde intensiver und der Blonde nickte, bevor er Ran ein letztes Mal über die Wange strich und die Hand dann zurückzog, was der Rotschopf ein wenig bedauerte. „Klar. Wann hast du wieder Zeit?“ Der Rotschopf dachte kurz nach und antwortet dem Älteren dann. „Übermorgen…“ Youji nickte erneut. „Gut, da hab ich auch Zeit. Ich hab sowieso wenig zu tun hier, deshalb passt es mir fast immer. Und für dich hätte ich eh immer Zeit, Ran… ich mag deine Gesellschaft sehr.“ Erneut schoss dem Jüngeren Hitze in die Wangen und er senkte den Blick, während seine eine Hand mit dem Saum des Ärmels des anderen Arms zu spielen begann. „Ich deine auch…“ Er hörte den Autor leise lachen und diesen dann einen Schritt näher kommen, seine Schuhe knirschten im Schnee, der immernoch auf den Gehsteigen lag. „Das ist schön zu wissen. Gut, dann bis übermorgen, und schlaf gut, Ran.“ Der Rotschopf wollte gerade etwas erwidern, als er plötzlich die Lippen des Älteren spürte, wie sie seine Wange berührten, ihm einen leichten Kuss darauf gaben. Sein Kopf flog nach oben und er sah den Autor mit überraschtem Blick an, während er eine Hand hob und die Stelle berührte, die Youji eben mit seinen Lippen berührt hatte. Er wollte etwas erwidern, doch der Autor hatte sich schon abgewandt und lief nun die Straße in Richtung Hauptstraße entlang. Ran spürte das Kribbeln auf seiner Haut, wo sie die weichen Lippen des Autors berührt hatten… es war ein angenehmes Kribbeln… es fühlte sich irgendwie gut an… Der Rotschopf riss sich dann aus seiner Starre und rief Youji dann etwas hinterher. „Du auch!“ Der Autor blieb noch einmal stehen, drehte sich und winkte Ran lächelnd zu, bevor er sich endgültig abwandte und um die Straßenecke verschwand. Der Rotschopf sah noch einige Augenblicke auf den Punkt, wo er verschwunden war, doch dann fegte ein kalter Windstoß durch die Straßen und er machte, dass er ins Haus kam. In dieser Nacht lag er noch lange wach und dachte über das Geschehe nach. Er war verwirrt… einerseits mochte er Youji sehr… er vertraute ihm irgendwie, obwohl er ihn erst seit einem Tag kannte, und das war selbst für ihn recht heftig. Andererseits machte es ihm auch ein wenig Angst, denn er wusste nicht, wie Youji dazu stand… er fürchtete sich davor, wieder verletzt zu werden, sehr sogar. Er würde das nicht noch einmal überleben, es hatte zu wehgetan das letzte Mal… Er glaubte aber nicht, dass Youji das tun würde, dafür war er zu nett… ganz anders als Brad… Ran verstand nicht, was der Blonde von ihm wollte… wenn es einfach nur seine Freundschaft war, warum hatte er ihn dann geküsst? Das war eigentlich nicht üblich, jedenfalls weder hier in Japan noch in Amerika, das wusste der Rotschopf mit Sicherheit. In anderen Ländern wie Frankreich küsste man sich ständig auf die Wange, zu allen möglichen Gelegenheiten, selbst wenn man die Person nicht einmal kannte… Ran war als Kind ein oder zwei Mal dort gewesen und das hatte er als sehr unangenehm in Erinnerung… er konnte es nicht leiden, wenn fremde Leute ihn anfassten, und erst recht nicht wenn sie ihn küssten… und dort hatte man doch tatsächlich verlangt, dass er die Leute auch küsste… Der Rotschopf schüttelte die Gedanken daran ab und konzentrierte sich wieder auf Youji, spürte seine Wange erneut kribbeln, dort wo der Autor ihn berührt und auch geküsst hatte… es hatte sich gut angefühlt… Youji hatte ihm nichts aufgezwungen, Ran hatte es einfach geschehen lassen… doch was wollte der Blonde damit sagen? Wenn es nicht nur Freundschaft und jemand zum reden war, das er wollte, warum gab er es Ran dann nicht klar zu verstehen? Brad hatte ihm damals eindeutig gezeigt, was er gewollt hatte… Über seinen verwirrenden, sich im Kreis um Brad und Youji drehenden Gedanken schlief er schließlich ein, der letzter dieser war, dass er einfach mal abwarten würde; diesmal würde er einfach besser aufpassen, wenn Youji die Sache wirklich ernst war und er nicht einfach nur paranoid… ~*~*~*~*~* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)