Brennendes Wasser von Sennyo (Engel der vergessenen Zeit) ================================================================================ Kapitel 22: Engel der vergessenen Zeit - 22 ------------------------------------------- Der Wasserdampf war allgegenwärtig. Erschöpft aber zufrieden mit sich, sah die Göttin sich um. Sie wusste nicht, ob sie soeben einen großen Fehler begangen hatte, doch sie hatte nicht länger zusehen können. Es war gewiss nicht Lydias Wille, was hier geschah. Und Lenya war gewiss nicht dafür gestorben, dass ihre Schwester sich selbst verlor. Wenn dies der Will der heiligen Flamme war, wenn es das Schicksal der Wächterinnen war, dann widersetzte sie sich dem. Xilia war nicht bereit das zu akzeptieren, es einfach hinzunehmen. Zu lange hatte sie in der Amphore ausharren müssen, als dass sie jetzt einfach zusah, wie alles vernichtet wurde. Nein, auch wenn sie nun vielleicht alles zerstört hatte, sie musste es einfach tun. Überrascht und entsetzt zugleich starrt die Wächterin sie an. „Was tust du?!“, fauchte sie, „Bist du noch bei Verstand?! Du hast ihn gerettet!“ Selbiges hatte wohl auch der Teufel erkannt. Unverhohlen sah er die beiden Frauen an, einerseits erleichtert, dass er dem Angriff entkommen war, andererseits jedoch entsetzt, dass es ausgerechnet Xilia war, die dafür verantwortlich gewesen ist. Doch das war weder zu ändern noch schwerwiegendes Problem. Er lachte. Sie würde schnell bereuen, was sie getan hatte. Das viel größere Problem war noch immer Lydia. Ein weiteres Mal würde auch Xilia ihren Angriff nicht stoppen können und so musste er sich dringend etwas einfallen lassen. Er musste sie beseitigen, bevor sie noch mehr Ärger machen konnte. Die Nixe sah die Wächterin entschlossen an. „Ich teile deinen Wunsch ihn zu vernichten“, sagte sie, und bedauerte, dass sie es hatte aufhalten müssen, „Doch dies ist nicht der richtige Weg!“ Nicht ihre Worte sagten aus, was sie fühlte, es war ihr ganzer Körper, der nun, da Xilia mit ihrem Herzen und ihrem Verstand im Reinen war, Bände sprach. „Geh zur Seite!“, zischte die Wächterin, wütend und entsetzt zugleich, „Du bist nicht mein Gegner!“ Die Angesprochene lächelte. Also hatte sie das Mädchen richtig eingeschätzt. Es wollte töten, doch nicht ohne Sinn. Zwar hatte auch Xilia ihr allen Grund gegeben, sie zu hassen, doch reichte es nicht aus. Priorität hatte die Beseitigung des Teufels. Er musste vernichtet werden. Jetzt. Sofort. Sie wollte keine Sekunde mehr warten. Doch die Wassergöttin stellte sich ihr entgegen. „Ich werde dich erneut aufhalten.“ Beharrlich sah sie sie an, fest entschlossen alles zu tun, was getan werden musste. Solange, bis Lydia wieder die Oberhand erhalten hatte. Und wenn Stunden, Tage, ja sogar Wochen vergehen mussten, Xilia hatte gelernt zu warten, hatte es lernen müssen. „Du kannst mich nicht aufhalten!“, rief die Wächterin ungehalten, und zuckte bedrohlich bis in die Spitzen ihrer Flügel. „Tritt zur Seite, oder ich muss dich beseitigen!“ Er lachte, und auch Xilia teilte seine Gedanken. Gottes Dienerin urteilte selbstgerecht über Gut und Böse, maßte sich an über andere zu richten, ganz wie es ihr gefiel. Seine macht reichte weit, auch ohne die Magie der Flammen. Selbst der himmel war von seinem Willen erfüllt. Die Frauen würden sich gegenseitig zerreißen, er musste gar nichts tun. Dennoch war es nicht seine Art zu warten, ganz im Gegenteil; nun, da er seinem Feind erneut gegenüberstand, wollte er die Gelegenheit keinesfalls ungenutzt verstreichen lassen. Es war an der Zeit, da er die Sache selbst in die Hand nahm, da er die ketten sprengte, die seine Kraft im Zaum hielten. Er wand sich aus Xilias Lichtnetz, problemlos entkam er den Stricken, die nicht länger von der Göttin gehalten wurden. Auch Eiskristalle kamen nicht mehr auf ihn zu, nun da Xilias Aufmerksamkeit einer Anderen galt. Doch nicht sie sollte die Wächterin besiegen, diese Ehre fiel allein ihm zu. Ihm, der er sie einst aus den Armen ihrer Eltern gerissen hatte, um endlich wieder das werden zu können, was er einst gewesen war. Er wollte nicht länger in schatten seiner Selbst sein, er wollte aus dem Schatten hinaustreten und die Finsternis verbrieten, die ihn seinem Herzen schon seit Anbeginn der Zeiten herrschte. Sie würde ihm gehören. Noch immer strahlte das Turmzimmer in allen erdenklichen Blautönen, die sich in unendlich viele Lichtflecken brachen. Sie waren durchsetzt von Flammen. Doch nichts, absolut gar nichts, konnte ihn noch aufhalten. Geschickt und mit boshaftem Blick machte er sich an einige der Eiskristallen zu schaffen, die die Wände formten und zog, von den zwei Anderen unbemerkt, einige spitze Steine heraus, mit denen er die übrigen lästigen Fäden mühelos zerschnitt. Lange hatten sie auf ein Zeichen gewartet, darauf, dass irgendetwas geschah, doch kein Laut drang zu ihnen durch. Sie wollten wissen, was im Turm vor sich ging, sie mussten es erfahren, schließlich war es ihre Aufgabe, seit sie einst von ihrem Meister zu Turmwachen ernannt worden waren. Sie hatten ihm Schande bereitet, sein Gebot gebrochen, als sie seinem untergebenen Diener, dem Kobold, von der Wahrheit unterrichtet hatten. Nun war der Meister schon seit stunden in diesem Turm verschwunden, und es gab keinerlei Anzeichen dafür, das alles problemlos verlief. Möglicherweise war dies die einzige Gelegenheit, die sie hatten, um ihre Schuld wieder gutzumachen. Sie konnten nicht wissen, dass der Kobold nie dazu gekommen war, ihren Verrat auszusprechen. Dennoch war ihr Meister sehr zornig gewesen, als sie in den Raum gestürmt waren und dadurch seine Ruhe störten. Es war ihre Pflicht ihre Fehler zu sühnen und dem Meister zu dienen. Fest entschlossen und dennoch alles andere als sicher, stießen sie zwei Männer die schwere Tür auf, und traten in einen Raum, in dem sie ihren Aufstieg zum Turm tätigten. Unzählige Male schon waren sie die langen kalten Stufen hinaufgestiegen, doch nie zuvor waren sie dabei so von Angst erfüllt gewesen. Das seltsame blaue Licht, das nun schon seit geraumer Zeit die Finsternis erhellte, erleuchtete die Stufen gespenstisch, ließen sie noch bedrohlicher wirken. Schweren Mutes erreichten sie schließlich das Turmzimmer, sahen sich ein letztes Mal bedrückt an und traten dann hinein. Was sie sahen, nahm ihnen fast die Luft zum Atmen. Es Mädchen mit angezogenen, blutbeschmierten Flügeln lag regungslos auf dem Boden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)