Das Herz des schwarzen Drachens von Jarmina ================================================================================ Kapitel 11: Rettung? -------------------- 11.Rettung? Arva saß nervös auf einem strohbedeckten Fleck in der Zelle von ihr und Noura, wo sie darauf wartete, endlich zu ihrer Verhandlung abgeholt zu werden. Eigentlich hätte diese schon vor zwei Tagen stattfinden sollen, doch da Siria nirgends aufzufinden war, um sie zu verteidigen, hatte Seodra eine Verschiebung des Termins aushandeln können. Arva wollte nicht glauben, dass Siria sie hier im Stich gelassen hatte, zumal Sirias eigentliches Anliegen hier ja auch noch nicht geregelt war. Sicher brauchte sie nur mehr Zeit, um Beweise für ihre Unschuld zu finden... Noura saß wieder scheinbar apathisch in einer Ecke und kommunizierte mit Adour, der es ein zweites Mal geschafft hatte, sie per Magie zu kontaktieren. Arva wünschte, Noura hätte einen anderen Zeitpunkt gewählt, um mit Adour Pläne zu schmieden. Es wäre ihr lieber gewesen, wenn die andere Elfe mit ihr reden und sie so von ihren Gedanken ablenken könnte... Während sie mit einem Strohhalm zwischen den Fingern herumspielte und den stetigen Tropfgeräuschen im Kerker lauschte, spielten sich bei ihr im Kopf immer wieder neue schreckliche Verläufe der Verhandlung ab: >“Und da keinerlei Verteidigung vorliegt, lautet das Urteil: Tod durch langsame Zerteilung des Körpers bei vollem Bewusstsein...“< „Hey Arva, schläfst du?“ Die Elfe war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie gar nicht gemerkt hatte, dass ihre Zellengenossin die stumme Besprechung mit dem Prinzen beendet hatte. Noura setzte sich schwungvoll neben sie und strahlte über das ganze Gesicht. Arva, die ganz und gar nicht in freudiger Stimmung war, verärgerte das. „Nein, ich bereite mich nur schon mal mental auf meinen bevorstehenden Tod vor, wenn es dir nichts ausmacht!“ Noura kicherte nur über Arvas Antwort und wuschelte ihr mütterlich durchs Haar. „Aber, aber meine Kleine, mach dir darüber mal keine Gedanken, das wäre bloß Zeitverschwendung.“ Wütend stieß Arva Nouras Arm zur Seite und sprang auf. „Ach ja? Mag ja sein, dass es dich nicht interessiert, wenn man mich zu Tode foltern lässt, aber ich habe ehrlich gesagt schon ein bisschen Angst davor! Also wenn es dir nichts ausmacht, könntest du dich in meinen vielleicht letzten paar Stunden, die ich noch zu leben habe, ein wenig mitfühlender verhalten!?“ Noura stand auf, um Arva in den Arm zu nehmen, aber das Lächeln wich nicht von ihrem Gesicht. „Jetzt beruhig dich erst mal, dann erzähle ich dir etwas, dass dich deine Sorgen ganz schnell vergessen lässt.“ Siria irrte im Dunkeln durch die schmalen unterirdischen Gänge unter dem Schloss und fuhr mit einer Hand an der Wand neben sich entlang während sie lief, um keinen Ausgang zu übersehen. Gelegentlich stieß ihre Hand auf undefinierbare feuchte, schleimige Gegenstände, doch davon ließ sie sich nicht beunruhigen. Was jetzt zählte war, dass sie rechtzeitig den Ausgang fand, bevor Arvas Verhandlung stattfand, sonst würde sie das Mädchen vermutlich nie mehr wiedersehen. Wenn es nicht sogar schon zu spät war. In der Dunkelheit hier unten hatte sie ihr Zeitgefühl völlig verloren und sie konnte nur hoffen, dass die Wochen, die sie glaubte schon in dem unterirdischen Labyrinth herumzuirren, in Wirklichkeit nur Stunden waren. Ihre wunden Fingerkuppen strichen weiter über den rauen, feuchten Stein und berührten kleine Moospolster und Insekten. Ihre Fackel war schon lange erloschen und sie konnte sich nur noch auf ihren Tastsinn und ihr Gehöhr verlassen. Dieses musste ein anderer Gang sein, als der in dem sie gekommen war. Es war feuchter und wärmer und es hing ein intensiver fauliger Geruch in der Luft. Ihre Hoffnung war, dass er in der Kanalisation enden würde von wo aus sie vielleicht einen Weg nach draußen fand. Falls das nicht der Fall war, bliebe ihr nur noch die Möglichkeit irgendwie durch die Wand zu brechen, doch das würde ihr nur dann etwas nutzen, wenn hinter der Wand nicht nur Erde war. Als sie noch einen Schritt machte, trat sie plötzlich in Wasser. Sie war eine Stufe hinabgetreten und stand bis zum Knie in der Kloake. Siria war sich nicht sicher ob sie jubeln oder fluchen sollte. Sie unterdrückte beide Impulse und watete weiter vorwärts ins tiefer werdende Wasser. Eine tote Ratte trieb an ihren Beinen vorbei und streifte mit ihrem klammen Pelz Sirias Hand. Die Siarra nahm sich die Freiheit angewidert zu quieken und nach dem Treibgut zu schlagen. Zumindest brauchte sie sich keine Sorgen machen, sich hier unten vor irgendwem zu blamieren. Und es stand so gut wie fest, dass sie hier richtig war. Jetzt galt es nur noch einen Ausgang zu finden... Noura, Arva und die anderen Gefangenen warteten angespannt auf das Signal. Es war so still, dass man das Gefühl bekommen konnte, sich in einer ausgestorbenen Tropfsteinhöhle zu befinden. Noura hatte recht gehabt: Nachdem Arva sich angehört hatte, was sie zu berichten hatte, waren ihre Sorgen um die Gerichtsverhandlung sofort verflogen, jedoch war die Anspannung unter der jetzt alle hier litten, noch viel unerträglicher. Adour hatte es geschafft eine kleine Armee der besten Kämpfer aus Luzerne ins Schloss zu schmuggeln, damit sie die Prinzessin und die anderen versklavten Elfen befreien konnten. Arva verstand nicht, warum der Prinz von Diarla eine so gefährliche Aktion unterstützte, die doch seinem Land vermutlich großen Schaden zufügen würde, aber momentan interessierte sie nur, wie sie lebend aus dieser Hölle entfliehen konnte. Im Gang hörte man Schritte. Dann in den vorderen Zellen erfreutes Gemurmel und Ermahnungen leise zu sein. Arva und Noura hingen an den Gitterstäben und versuchten aufgeregt zu erfahren was vor sich ging. Eine Tür quietschte und dann hörte man viele leise Schritte. Die gleiche Prozedur wiederholte sich bei der nächsten Zelle. „Es geht los! Sie haben es geschafft hier rein zu kommen und die Schlüssel zu bekommen!“ jubelte Noura im Flüsterton. Eine in Kapuzenmantel gehüllte Gestalt tauchte vor ihrer Zelle auf und steckte wortlos den Schlüssel ins Schloss. Die Tür öffnete sich mit einem lauten Knirschen und Arva und Noura huschten hastig in die Freiheit, um sich den restlichen Gefangenen anzuschließen, die auf dem Weg ins unterste Geschoss waren, wo sich laut Adours Informationen ein Fluchtweg durch die Katakomben befand. „Prinzessin Noura?“ Die vermummte Gestalt hielt Noura am Ärmel fest und nahm ihre Kapuze ab. Es war eine Elfe in Nouras Alter, mit blauen Augen und kurzen braunen Haaren. „Cheana!“ rief Noura glücklich und fiel der Freundin um den Hals. Dann zuckte sie zurück. „Autsch! Was...“ Unter ihrer Kutte hatte Cheana zwei Schwerter versteckt, von denen sie eins an Noura weitergab. „Vorsichtig! Das lässt deine Schwester dir schicken. Sie wartet am Treffpunkt im Wald.“ Noura ergriff strahlend das Heft ihres Schwertes und umarmte Cheana erneut. „Oh danke Che! Aber stimmt es, dass Eldan auch hier ist? Das ist doch viel zu gefährlich für sie, sie ist doch so eine schlechte Kämpferin...“ „Du wirst staunen! Sie hat sich einen äußerst gutaussehenden persönlichen Leibwächter zugelegt. Ein Siarra. Seit er sie unterrichtet, hat sie schon einige Fortschritte im Kämpfen gemacht, sie hat auch jeden Tag trainiert um dich zu befreien, seit du hier festgehalten wirst. Unterwegs haben uns Dämonen attackiert und Eldan hat zwei davon alleine besiegt. Aber das erzähle ich dir später, jetzt sollten wir lieber verschwinden!“ Die drei Elfen eilten den anderen Flüchtenden hinterher, die ein Stück von ihnen entfernt schon um eine Ecke gebogen waren. Dann folgte ein Marsch durch mehrere Gänge, die immer tiefer unter die Erde führten. Unterwegs befreiten die Elfen noch ein paar der menschlichen Gefangenen, damit sie durch einen anderen Weg fliehen und so die Wachen ablenken konnten. Arva blieb dicht hinter den beiden Bewaffneten. Erst jetzt fiel ihr ein, dass Siria vielleicht noch irgendwo im Schloss war. Wie sollte sie sie finden, wenn sie mit den anderen floh? In der Nähe vom Schloss zu warten käme nicht in Frage, jede Elfe die man fand würde sofort wieder eingesperrt werden. Sollte sie hier bleiben? Aber wenn Siria ihr nicht helfen konnte würde man sie sicherlich hinrichten lassen. Das war zu gefährlich. Aber wo sollte sie nach der Flucht hin? Sie hatte ja kein Zuhause mehr. >Vielleicht kann ich mit Noura gehen.< Überlegte Arva und zupfte an Nouras Ärmel, um sie zu fragen. In dem Moment kamen von vorne mehrere Schreie. Von weitem sah Arva einen Mann durch die Luft fliegen und gegen die Wand klatschen, dann folgte ein Gewitter aus roten und blauen Blitzen und unter den Flüchtenden brach Panik aus. Die Masse drängte sie wieder zurück durch den Gang, wobei sie sich alle gegenseitig zur Seite schoben und schubsten und Noura, Arva und Cheana mit sich rissen. Noura packte Arva und Cheana am Arm und zog sie zu sich an die Wand, sodass der Strom der Flüchtenden an ihnen vorbeiziehen konnte. „Du hast doch gesagt du kannst Magie ausüben, richtig?“ Fragte Noura Arva. „Ja, aber ich habe bis jetzt nur gelernt, wie man heilt.“ „Okay, dann warte hier bis jemand dich holen kommt, vielleicht brauchen wir später noch deine Hilfe.“ Arva nickte und die anderen beiden rannten den nun leeren Gang entlang an dessen Ende, wie Arva entsetzt feststellte, ein riesiger Dämon aufgetaucht war. Er hatte Ähnlichkeit mit einem Kraken und saß in einer Mündung der Kanalisation. Er reichte bis zur Decke und peitschte mit seinen Fangarmen nach den Angreifern, um sie sich vom glibberigen Leib zu halten. Scheinbar hatte er auch magische Kräfte, denn hin und wieder wurden die attackierenden Elfen von kleinen Explosionen hinweggefegt. Mit Noura und Cheana waren es zehn Krieger, die das Monster zu besiegen versuchten. Zwei von ihnen schleuderten Blitze und Feuer gegen es, aber sie schafften es nur, einzelne Fangarme damit abzutrennen. Eine erneute Explosion erfasste Noura, die nachdem sie hart auf dem Boden aufprallte, reglos liegen blieb. Ihr Schwert flog klirrend gegen die Wand und blieb einige Meter von seiner Herrin entfernt liegen. Arvas Beine zitterten. Ihr Instinkt sagte ihr, dass sie weglaufen musste, aber sie wollte die anderen nicht im Stich lassen. Aber es sah nicht so aus, als hätten sie eine Chance. Cheana und ein anderer Krieger waren zu Noura geeilt und der Mann baute ein magisches Schutzschild über der bewusstlosen auf, während Cheana die beiden vor den wütenden Tentakeln beschützte. >Warum fliehen sie denn nicht?< dachte Arva verzweifelt und überlegte ob sie zu ihnen oder davon laufen sollte. Cheana nahm ihr die Entscheidung ab. „Arva, schnell, wir brauchen deine Hilfe!“ Ihre Beine fühlten sich wie am Boden festgeeist an, als sie zögernd zu den anderen laufen wollte. Ihr ganzer Körper schien sich gegen sie zu stemmen und vor Angst wurde ihr ganz flau im Magen. Doch sie ignorierte diese Gefühle und rannte los, um Noura zu helfen. Während sie rannte, pulsierte es in ihren Ohren als müsste sie gleich ohnmächtig werden aber sie riss sich zusammen und wurde erst kurz bevor sie in Reichweite der Tentakel kam langsamer. Einer der Männer, die gegen das Monster kämpften, war Sirias Sohn Kyll. Er kämpfte gleichzeitig mit Schwert und Magie und ließ silberne Blitze an den Fangarmen des Dämons entlang wandern, die seine Haut verkohlten, um sie für sein Schwert durchlässig zu machen. Sie starrte ihn einen Moment lang an und blickte dann zu dem anderen Magier, den sie ebenfalls wiedererkannte; es handelte sich bei ihm um den vermeintlichen „Geist“ der sie letzte Nacht beim Baden beobachtet hatte. „Adour, schütz die Kleine!“ rief Kyll und wurde wegen der kurzen Unaufmerksamkeit von einem Fangarm gegen die Wand geboxt. Er keuchte, ließ sein Schwert aber nicht fallen, sondern holte im Sitzen so gut es ging noch einmal damit aus, um den Fangarm, welcher ihn attackierte hatte, abzuhacken. Dann rappelte er sich wieder auf und schleuderte eine Salve Blitze gegen die Bestie. In der Zwischenzeit erweiterte der „Geist“ Nouras Schutzschild um Arva mit herum und sank dann kurz keuchend neben den beiden zu Boden, um seine Energie einen Moment regenerieren zu können. Arva erinnerte sich an ihre eigene Magie und begann, jetzt wo sie sicher war, damit Nouras Verletzungen zu heilen. Sie hatte eine Platzwunde am Kopf und einen gebrochenen Arm. Der Elfe fiel es schwer sich inmitten des Gemetzels zu konzentrieren und es dauerte etwas, bis sie genug Ruhe hatte, um nach dem Strom ihrer Magie zu greifen und sich mit Nouras Körper zu verbinden, besonders da sie das erste Mal ohne Sirias Anleitung heilte. Sie begann mit der Kopfwunde. Es war keine schwere Verletzung, der Schädelknochen hatte nichts abbekommen und die Haut und das Gewebe darunter waren leicht zu ersetzen... Inzwischen war sie so in ihre Arbeit vertieft, dass sie von dem Lärm draußen nichts mehr mitbekam. Der Kopf war fertig verheilt und Arva floss entspannt hinunter in Nouras Arm. Die Aufgabe, die jetzt vor ihr lag, war schon wesentlich anspruchsvoller; Der Knochen war nicht nur gebrochen, sondern regelrecht zerquetscht worden und überall hingen die kleinen Splitter zwischen den Muskeln. Arva entschied sich, dass es am schnellsten ging, sie zu verbrennen und einen neuen Knochen wachsen zu lassen. Sie umfasste mit ihrem Bewusstsein die Splitter und befahl ihrer Magie sie zu zerstören. Als der Arm gesäubert war, ging es an den schwierigen Teil. Sie versuchte es genauso zu machen wie bei der Regeneration von Haut und ließ einen Teil ihrer Magie zwischen die leere Stelle fließen, wo der Knochen gebrochen war. Dann versuchte sie der Magie die Konsistenz eines Knochens zu geben. Doch es wollte einfach kein hartes Gebilde daraus werden. Das härteste, was sie zu Stande brachte, war eine Art Narbengewebe. Sie wusste, dass sie schon zu viel Zeit verbraucht hatte und erinnerte sich an Sirias Warnung über den Verzehr von Lebenskraft bei der Ausübung von Magie und tauchte aus Nouras Körper auf, um den Zustand ihres eigenen zu überprüfen. Wie erwartet war er nicht sehr gut. Sie fühlte sich furchtbar schwach und ausgekühlt und sie sah Kyll doppelt vor sich hin und her springen. Angestrengt blinzelte sie und horchte überrascht auf, als aus dem Mund von einem der Kylls Sirias Stimme kam: „Pass auf! Gleich kommt wieder eine Explosion!“ Sie riss ihren Sohn zur Seite und gleich darauf prallte eine grüne Feuerwalze gegen Arvas Schutzschild. Nachdem der Lärm der Explosion nicht mehr ihre Ohren betäubte, konnte Arva hören, dass sich von hinten Leute näherten. „Die Wachen kommen!“ Brüllten sie aufgeregt und das Getrampel der Elfen kam Arva vor wie ein Erdbeben. Erneut überkam sie Angst, jetzt wo beide Fluchtwege versperrt waren. Von der panischen Horde hinter sich abgelenkt, wurden drei der Kämpfer von dem Dämon am Bein gepackt und unter Wasser gezerrt. Siria und Cheana packten jeder einen von ihnen am Arm und versuchten die Männer zurück zu ziehen, für den dritten kam jede Hilfe zu spät. Unter dem Dämon breitete sich ein große dunkle Blutwolke aus, nachdem ein grauenvolles Knirschen zu hören war. Arva konnte nicht mehr. Sie gab ihrem geschwächten Körper nach und fiel in Ohnmacht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)