Das Herz des schwarzen Drachens von Jarmina ================================================================================ Kapitel 14: Kraft ----------------- Warme Lippen pressten sich auf ihre und Geborgenheit erfüllte ihr gesamtes Bewusstsein. Schwach hatte sie in Erinnerung, dass sie vor ein paar Sekunden noch Todesangst gehabt hatte, doch das schien plötzlich unwichtig. Sein seidiges, schwarzes Haar strich über ihre Wangen, als er sie küsste und sie fühlte sich regelrecht berauscht vor Glück. „Shayad...“ krächzte sie, als er seinen Mund von ihrem löste und wollte ihn festhalten, doch ihr Arm fühlte sich so schwer an, als wäre er aus Stein, sodass sie es nicht schaffte. Siria musste husten und öffnete die Augen. „Ganz ruhig.“ Murmelte Seodra und strich ihr tröstend durchs Haar. Es traf sie wie ein Schlag, als sie in die Realität zurückkehrte und es nicht ihr Mann war, der sie in den Armen hielt. Ihr Herz verkrampfte sich bei der Erinnerung. Er war ja tot. Schon seit drei grauenvollen Jahren. Shayad war tot! Obwohl es schon so lange her war, fühlte sich so an, als hätte sie die Nachricht von seinem Tod erst in dieser Sekunde bekommen. Tränen stiegen ihr in die Augen und als sie Schluchzen wollte, musste sie stattdessen husten. Seodra half ihr sich aufzusetzen und klopfte ihr leicht auf den Rücken. „Ist ja gut. Langsam, Ihr wärt beinahe ertrunken...“ Wie Siria zwischen ihren Hustenanfällen feststellte, befand sie sich noch immer in der Kanalisation. Zwar hatte Seodra sie aus dem Wasser gezogen, doch der enge Weg, auf dem sie standen, grenzte an die Kloake. Es war ziemlich dunkel, nur eine einzige Fackel, die auf dem Boden lag und bereits am verlöschen war, spendete ihnen Licht. Frierend schlang die Siarra die Arme um ihren Körper. Dabei merkte sie, dass sie nichts trug, außer Seodras königlichen Pelzmantel. „Wo sind meine Kleider?“ Fragte sie erschrocken. Siria vermied es Seodra anzusehen; einerseits war es ihr peinlich, dass jemand sie in einem solch schwachen Moment sah und andererseits ertrug sie den Anblick von Seodras schwarzen, glatten Haaren nicht, die denen von Shayad so schmerzhaft ähnelten. „Ich weiß es nicht, sie waren schon fort , als ich Euch fand.“ Siria schnaubte angespannt. „Ist auch egal.“ Wie immer kam nach dem ersten Schock wieder die Wut über den Verlust, die die Traurigkeit verdrängte. Seodra hakte sich bei Siria unter und führte sie vorwärts durch die Gänge. „Was ist Euch passiert?“ Sie gingen schweigend ein Stück weiter, bis Siria antwortete. „Eines der Monster hat mich erwischt und unter Wasser gezogen.“ Seodra wirkte entsetzt. „Ihr habt Glück, dass es Euch nicht getötet hat!“ „Ja, ich weiß. Ich vermute, ich konnte es schwer genug verwunden, bevor ich bewusstlos wurde, so dass es nicht mehr dazu kam, mich zu verschlingen.“ Ein Schauer lief ihr über den Rücken, als sie realisierte, wie nah sie dem Tod gewesen war. Hatte sie deshalb Shayad gesehen? „Wart Ihr es, die mich aus dem Wasser gezogen hat?“ Seodra nickte. „Ich sah plötzlich Euren Körper an der Oberfläche an mir vorbeitreiben, und befürchtete schon das schlimmste. Als ich Euch aus dem Wasser zog, hat Euer Herz kaum noch geschlagen und geatmet habt ihr auch nicht mehr. Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen was ich für Angst um Euch hatte! Gott sei Dank ist es mir gelungen Euch wiederzubeleben...“ Siria lächelte schwach. „Vielen Dank.“ Dann kehrte wieder Schweigen ein. Der schmale Weg, der sie trocken über die Abwasser geführt hatte, endete schließlich vor einer verwitterten Eichenholztür, die durch ehemalige Überschwemmungen an der Unterseite grau verfärbt und aufgequollen war. Siria berührte auf der Suche nach einer Türklinke das raue Holz, doch obwohl Seodra ihr mit der Fackel leuchtete, konnte sie keine finden. „Seltsam.“ Murmelte die Königin und reichte Siria die flackernde Lichtquelle, um selbst zu suchen. „Als ich vorhin durch diese Tür nach unten gekommen bin, ließ sich die Tür auch von außen öffnen.“ Beunruhigt fuhren Seodras Finger über das alte Holz und ließen dabei den festgetrockneten Dreck herunter rieseln. Siria schnaubte entnervt. „Das kann doch nicht wahr sein!“ Die Kälte und der Gestank wurden allmählich wirklich lästig und die Aussicht auf noch weitere unangenehme Stunden zwischen schleimigen Dämonen und toten Ratten zu verbringen, taten ihr übriges, um Sirias schlechte Laune soweit zu verstärken, dass sie nicht zögerte, Gewalt anzuwenden. Grob stieß sie die Königin von der Tür fort, drückte ihr wortlos die Fackel in die Hand und trat mit aller Kraft gegen das Hindernis. Das dreckige Holz knackte und brach in der Mitte. Jedoch hielt die Tür noch zusammen. Siria humpelte fluchend ein Stück zurück und hielt sich den Fuß. „Leiht mir Eure Schuhe!“ Befahl sie Seodra, die schreckensbleich gehorchte. Die Siarra schlüpfte mit ihren dreckigen nackten Füßen in die angenehm stabilen Lederstiefel der Königin und startete einen weiteren Versuch. Ein erneuter heftiger Tritt erschütterte die alte Tür und Sirias Fuß hinterließ mit dem Hacken ein Loch. Es fühlte sich an, als würde ihr Knochen im Inneren ihres Beines von dem Aufprall vibrieren, als sie von der Tür zurückprallte. Der obere Teil der Tür brach und stürzte vor Siria und Seodra auf den Boden, wo er in mehrere Stücke zerschellte. „Das glaube ich nicht!“ Rief die Kriegerin halb wütend, halb verzweifelt, als sie den Lohn ihrer Anstrengung betrachtete: Hinter der kaputten Tür war ein weiteres, solides Stück Steinmauer zum Vorschein gekommen. Auch Seodra starrte ungläubig auf den versperrten Ausweg. Dann schlug sie in plötzlichem Verständnis die Hand vor den Mund. „Ich weiß was hier vorgeht!“, rief sie, „Die Magier haben einen Bann über den Kerker und die Geheimgänge gelegt, damit die Gefängnisausbrecher nicht flüchten können!“ Siria zog sichtlich beunruhigt Seodras Mantel enger um ihren Körper. „Verdammt! Und was machen wir jetzt? Wie lange, glaubt Ihr, werden sie den Bann aufrecht erhalten?“ „Ich vermute, solange bis sie alle gefunden haben, die es nicht rechtzeitig hier heraus geschafft haben. Uns bleibt wohl nichts anderes übrig, als hier unten zu warten, bis die Wachen uns abholen. Macht Euch keine Sorgen, ich bin sicher niemand wird es wagen Euch zu unterstellen, dass Ihr etwas mit dem Massenausbruch zu tun habt. Und wenn doch, bürge ich für Eure Unschuld.“ Siria schnaubte wie ein nervöses Pferd und tänzelte rastlos vor der zerbrochenen Tür hin und her. „Darum geht es nicht! Ich hab keine Zeit hier unten zu warten bis uns jemand findet! Mein Sohn kämpft da draußen! Verdammt!“ Sie stieß wütend mit der Stiefelspitze in den hölzernen Trümmerhaufen. Plätschernd rieselten ein paar Holzstücke ins Wasser und die dunkle Brühe geriet plötzlich in Bewegung. Ehe eine der beiden Frauen reagieren konnte, schossen vier Fangarme unter ihnen hoch und packten sie an den Fußknöcheln. Siria nahm wie in Zeitlupe wahr, wie ihr plötzlich der Halt unter den Füßen entrissen wurde und sie einen Moment lang frei in der Luft schwebte, bevor sie schmerzhaft mit der Schulter auf die Kante des schmalen Steinwegs krachte und dann nach einem weiteren Ruck ins Wasser klatschte. Hinter sich hörte sie Seodras Schrei und dann nichts mehr, als ihr Kopf in die Kloake eintauchte. Im Wasser wurde der vollgesogene Pelzmantel eine bleischwere Fessel, welche die Kriegerin daran hinderte, sich zu wehren. Da die Fangarme des Monsters sich bereits fest um ihren Körper geschlungen hatten, hatte Siria keine Chance, sich des Mantels zu entledigen. Sie konnte nur mit den Beinen strampeln und versuchen, sich bei der nächsten Gelegenheit am Grund abzustoßen, um kurz an die Oberfläche zu kommen und nach Luft zu schnappen. Doch auf die Dauer konnte sie so nicht überleben, denn immer näher zogen die Tentakel sie auf den mit scharfen Zähnen versehenen, fleischigen Ring zu, der das Maul des Dämons darstellte. Nur diesmal hatte sie nicht einmal ein Schwert, um sich zu verteidigen. Wieder wurde sie unter Wasser gezogen. Siria hatte nur kurz Gelegenheit gehabt, Luft zu holen, und zappelte heftig, während sie versuchte in der kurzen Zeit, die ihr blieb bis sie einatmen musste, irgendwie frei zu kommen. Plötzlich schoss ein heißer Strahl unter Wasser an ihr vorbei und erwischte das Monster am Kopf. Für einen kurzen Moment ließ der Druck um Sirias Taille nach, so dass sie sich frei winden konnte. Mit letzter Kraft stieß die Siarra sich am Grund ab und schnellte aus dem Wasser. An ihrem Ohr zischte knapp ein weiterer Hitzestrahl vorbei, dessen hochfrequentes Surren sie für einige Sekunden taub machte. Keuchend stemmte sie sich an der Mauer der schmalen steinernen Brücke hoch und kroch so schnell wie möglich aus dem kalten Wasser. Wieder auf dem Trockenen warf sie erleichtert den schweren Pelzmantel ab und sah sich hektisch nach Seodra und den Monstern um. Die Königin war von einer hellen blauen Aura umgeben und schwebte einige Zentimeter über dem Wasser. Zwischen ihren Händen ballte sich gerade eine weitere Ladung glühende Energie, mit der sie auf den verbliebenen Dämon zielte. Schnell presste Siria die Hände über die Ohren, ehe Seodra das Geschoss mit dem kreischenden Surren abfeuerte. Gleißendes Licht erfüllte für einen Augenblick das Gewölbe, als der Energiestrahl Seodras Handflächen verließ und sich in durch die Mitte des Dämons bohrte. Geblendet kniff Siria die Augen zu. Als sie sie wieder öffnete, tanzten in der plötzlich wieder hereingebrochenen Finsternis nur noch bunte Sterne vor ihren Augen. Aus dem Platschen hinter sich konnte sie dennoch erahnen, dass Seodra nicht mehr über dem Wasser schwebte. Leicht panisch fuhr die nackte Kriegerin hoch. Falls Seodra ohnmächtig war, würde sie ertrinken, wenn sie sie nicht schnell fand! „Seodra!?“ Keine Antwort. Es widerstrebte ihr zwar zutiefst, doch sie musste erneut in die Kloake eintauchen, diesmal auch noch in völliger Dunkelheit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)