Von Jenseits des Schwarzen Schleiers von abgemeldet (Sirius Black sieht auf sein Leben von hinter dem Schwarzen Schleier zurück) ================================================================================ Kapitel 16: Askaban ------------------- Kapitel 9 Askaban Zwölf Jahre in der Hölle Ich war damals für ein paar kurze Stunden völlig wahnsinnig. Während der Zeit, als sie mich übers Meer auf die einsame Insel brachten, wo sich das Gefängnis der magischen Welt befindet – Askaban. Ein Ort, wie aus Dantes Inferno. Eine steinerne, graue, trostlose Zelle erwartet mich. Eine Gittertür aus massivem Stahl. Eine schmale Pritsche mit einer dünnen Decke. Ein wackliger Tisch, ein schäbiger Stuhl. Ein winziges Loch als Fenster mit Blick aufs stürmische Meer, ebenfalls vergittert. Grauer Himmel, Regen. Die einsamen Schreie von wilden Möwen… Und Druck, Druck in meinem Schädel. Er zermalmt meine Gedanken, lähmt meine Erinnerung, nimmt mir jede Vorstellung von Glück oder Hoffnung. Die Dementoren, nicht nur einer oder zwei, sondern hunderte… Hunderte dieser verdammten Wesen. Sie drücken mich nieder. Saugen aus mir heraus, was Sirius Black ausmacht. Freude, Erinnerung, Hoffnung… Sie machen mich leer, machen mich fast zur bloßen Hülle eines Menschen. Doch ich weis, wie ich mich abschirmen kann… Ich weis es, hab es gelernt, schon vor Jahren mit meinen beiden Freunden. Doch einer dieser Freunde lebt nicht mehr und der andere ist weit weg. So verdammt weit weg... Ich bin allein, habe noch nicht mal mehr einen Stab, aber vielleicht brauche ich den auch nicht unbedingt… Die Dementoren sind blind, können nicht sehen, wo ich bin, können nicht sehen was ich bin. Spüren nur meine Emotionen. Es gibt da vielleicht einen Ausweg. Einen Ort an den ich fliehen kann. Einen Ort in mir selbst… Ich werde zu Tatze. Und tatsächlich lässt der irrsinnige Druck in meinem Bewusstsein etwas nach. Tatzes Empfindungen sind einfacher, weniger komplex. Die Ungeheuer können ihm Freude und Glück nicht aussaugen, denn das kennt er nur in sehr beschränktem Ausmaß… Ich rolle mich in meiner Tiergestalt zusammen und beginne zu dösen… Ich schlafe ein und träume… Godrics Hollow, das Dachzimmer. Es ist dunkel und nur ein paar vereinzelte Sterne schimmern beim Fenster herein. Ich gehe hinüber, irgendwas möchte, dass ich es öffne. Ich folge dem Drang und mein bloßer Wunsch lässt es aufschwingen… Eine Schleiereule schwebt auf Geisterschwingen herein, ein Hirsch springt mit einem gewaltigen Satz hindurch. Die Umrisse der Tiere verschwimmen und vor mir erscheinen meine beiden besten Freunde… Vor mir erscheinen Lily und James. „Padfoot“, murmelt James, kommt zu mir herüber und streichelt meinen Hundekopf. Ich bin hier in Gestalt von Tatze. „Du hast alles versucht, stimmt´s? Wir wissen, dass nicht du uns verraten hast. Wie könntest du auch. Du warst nicht der Geheimnisbewahrer, Peter war es.“ „Unschuldig“, ertönt Lilys Stimme. „Du bist unschuldig. Er lebt, mein Sohn lebt und Voldemort ist fort…“ „Padfoot, mein Freund, mein Bruder. Moony hatte immer Recht. Rache bringt nichts. Du wolltest uns nur so gut wie möglich schützen, aber Wurmschwanz machte seinem Namen alle Ehre. Schlau war er, hinterhältig. Er war immer niederträchtiger als wir, war immer neidisch auf uns… Und wir Narren haben ihm vertraut…“ „Und jetzt haben sie dich nach Askaban gebracht“, wieder die Stimme von Lily. „Ach, Bruder … Denk immer daran: Dich trifft keine Schuld, weder an unserem Tod, noch an dem von Peter. Er ist nicht tot. Er hat sich entschlossen, ein Leben als Ratte zu führen und seine Zeit abzuwarten…“ „Voldemort ist nicht wirklich tot, nur machtlos, geschlagen. Er wird wiederkehren, wenn es an der Zeit ist und wieder versuchen, meinen Sohn zu töten. Dir vertraue ich Harrys Leben an, schütze ihn, wenn es an der Zeit ist. Wache über ihn, liebe ihn, rette ihn… Das ist mein Vermächtnis an dich…“ „Es ist diesseits des schwarzen Schleiers das letzte Mal, dass wir uns sehen, mein Wolfsbruder. Denn wir müssen schon bald ins Licht gehen. Dort warten wir auf dich, bis du dich uns dort anschließt…“ Ich möchte antworten, möchte ihnen sagen, wie sehr ich sie liebe, wie sehr ich sie vermisse. Möchte ihnen versprechen, mich um den Jungen zu kümmern… Doch ich kann nicht. Ich bin in Gestalt von Tatze hier und ich kann einfach nicht zu Sirius zu werden… Es geht nicht… Die Gestalten meiner Freunde werden unscharf, verschwimmen und beginnen sich aufzulösen. Aber auch Tatze hat eine Stimme, auch wenn er nicht zu menschlicher Sprache in der Lage ist und so heule ich, wie ich damals auf Morties Lichtung geheult habe… Und mit einem letzten Winken sind meine beiden Freunde verschwunden… Als ich wieder wach werde, fühle ich mich seltsam getröstet und der Druck der Dementoren auf meinen Geist hat etwas nachgelassen. Jemand hat eine Mahlzeit herein gebracht und frisches Wasser. Ich habe Hunger und Durst und werde lieber wieder zum Menschen. Schmecken tut das Zeug nicht besonders, aber mein Magen ist leer und mein Körper braucht Brennstoff, also esse ich. Mein Verstand wird wieder klarer und ich beginne richtig nachzudenken… Sie müssen glauben, dass ich es war, der James und Lily verraten hat. Dumbledore hielt mich für den Geheimnisbewahrer, denn wir hatten ihm nicht gesagt, dass wir Peter gewählt hatten. Keiner kann die Sache richtig stellen. Lily und James sind tot. Mir würde keiner glauben und Peter hat sich vom Acker gemacht. Oh mein Gott … Moony muss auch glauben, dass ich zum Verräter geworden bin, muss glauben, dass ich für Voldemort gearbeitet habe. Ach, Remus, was musst du nur von mir denken? Ich wünschte, ich könnte mit dir reden, dir alles erklären. Ich wünschte, du wärst da und ich könnte mit dir trauern. Nein, nicht hier, nicht in Askaban, sondern einfach nur da. Meine Augen brennen, aber weinen kann ich nicht mehr. Die Lage ist zu aussichtslos. Wie sollte es mir nur gelingen, von hier zu entkommen? Mein Stab ist zerbrochen und die Türe, die in die Freiheit führt ist magisch verriegelt, ohne Stab ist da nichts auszurichten und selbst wenn, wäre ich immer noch auf einer einsamen Insel gefangen, mitten im Meer. Mein schlechter Ruf, den ich mir so mühsam aufgebaut habe, macht mich jetzt unglaubwürdig. Keiner wird mir irgendwas glauben, selbst wenn sie mir Gelegenheit geben, mich zu rechtfertigen. Ich glaube zu dieser Zeit immer noch, dass es eine Verhandlung geben wird. Dass ich Gelegenheit bekomme, mich zu rechtfertigen. Aber diese Chance kommt nie… Die Tage vergehen schleppend langsam. Ich dachte, ich hätte Langeweile kennengelernt, als ich vor vielen Jahren die zwei Wochen in Grimmauld Platz festsaß, aber das war der reinste Erholungsurlaub gegenüber dem, wie es hier ist. Manchmal starre ich stundenlang aus dem winzigen Fenster aufs Meer hinaus, folge mit den Augen dem Flug der Möwen, lausche ihren heiseren, krächzenden Schreien. Manchmal unterhalte ich mich im Geist mit Remus, James oder Lily… Ich verfluche Peter, streite mich mit Severus, bis ich verzweifelt erkennen muss, dass ich alleine bin und keiner da ist, mit dem ich reden kann, dass ich nur mit mir selbst rede… Manchmal wird diese Öde unterbrochen, besonders in den ersten Wochen. Ich sehe, wie meine Cousine Bellatrix mit Ehemann und Schwager an meinen Gitterstäben vorbei geschleppt wird. Sie kreischt und schreit, verkündet unablässig ihre unverbrüchliche Treue zu Voldemort. Ein junger Bursche ist bei ihnen, er kann kaum achtzehn sein. Er hat einen leeren Blick und ein ausdrucksloses Gesicht. Verzweifelt schluchzt er nach seiner Mutter und beteuert seine Unschuld. Auf krummen Wegen erfahre ich, dass sie verurteilt wurden, weil sie die Longbottoms mittels des Cruciatus in den Wahnsinn gefoltert haben. Sie wollten von ihnen Voldemorts Aufenthaltsort herausbringen. Vergeblich. Keiner weis, ob der überhaupt noch lebt und wenn ja, wo er sein könnte… Nicht, dass irgendwer mit mir reden würde, aber die anderen Gefangenen sprechen manchmal miteinander oder murmeln im Schlaf vor sich hin und Tatze hat scharfe Ohren. Immer mehr Todesser werden eingeliefert, auch Karkaroff, der mir noch aus Hogwarts bestens bekannt ist. Doch er bleibt nicht lange und die Gerüchte besagen, dass er andere Todesser beim Ministerium hingehängt hat, um frei zu kommen. Hat behauptet, er wäre den Imperius unterlegen. Viele Todesser behaupten, sie hätten nicht aus freiem Willen gehandelt, reden sich raus und kommen frei oder auch erst gar nicht hier her. Die Auroren scheinen Überstunden zu machen, denn der Strom der eingelieferten Todesser reist ein paar Monate lang nicht ab. Doch wer weiss, wie viele davonkommen, weil sie lügen und sich unschuldig geben? Ich höre von Prozessen und dem Hauptankläger Barty Crouch. Der weinende Junge war sein Sohn und weil der Vater ein hohes Tier im Ministerium ist, erhält er die Genehmigung seinen Sohn mit seiner Frau zu besuchen. Die Frau jammert und schluchzt, als er sie hereinbringt, ist nahezu bewusstlos, als sie wieder gehen. Sie kommen nicht nochmal… Nach fast einem Jahr wird alles ruhiger. Kaum einer wird mehr eingeliefert und wenn einer geht, dann mit den Füßen voraus… Man bekämpft die Wirkung der Dementoren gewöhnlich mit glücklichen Gedanken, aber die sind gleichzeitig ihre Nahrung und sie saugen sie aus den Menschen heraus, deren sie habhaft werden können. Ich weis das schon lange, aber irgendwann fällt mir ein, was Moony vor so vielen Jahren gesagt hat, kurz bevor es uns das erste Mal gelang, den Boggart-Dementor zu besiegen: …wir sind Freunde und das ist ein glücklicher Gedanke, aber es ist auch eine unumstößliche Tatsache und den Gedanken kann uns keiner nehmen… Nun, meine Freunde sind tot, oder nicht länger meine Freunde. Moony ist zwar noch irgendwo dort draußen, aber keiner weiss, wo er sein mag. Und ich weis nicht, ob er noch mein Freund ist, denn er muss sicher glauben, dass ich schuldig bin. Was sollte er auch sonst glauben? Er kennt die Wahrheit nicht… Doch es gibt einen anderen Gedanken, der dem ersteren ähnelt. Er ist zwar nicht unbedingt glücklich, aber vielleicht doch von der Art, dass er mir helfen kann: Ich habe keinen ermordet, Weder James und Lily, noch Peter, noch die zwölf Muggel. Ich bin unschuldig! Nein, glücklich ist dieser Gedanke wirklich nicht, aber es ist die Wahrheit… Ein Tag vergeht wie der andere. Manchmal höre ich das Schluchzen und Weinen der anderen Gefangenen und wenn ich Tatze bin, kann ich ihre Verzweiflung sogar riechen… Aber mit der Zeit werden sie immer leiser und ruhiger, bis sie schließlich ganz verstummen, für immer… Kurz bevor sie sterben, werden die Dementoren immer sehr aufgeregt und unruhig. Man weiss immer, wenn bald jemand stirbt. Das hin und her Gleiten der Kuttengestalten nimmt immer weiter zu, bis wieder jemand mit den Füßen voraus hinaus getragen wird und wieder Ruhe einkehrt. Dieses Schicksal ereilt auch den Crouch Jungen, der so nach seiner Mutter geweint hat und unablässig seine Unschuld beteuerte. Auch er wurde immer stiller und stiller und schließlich tragen ihn die Dementoren aus dem Gebäude und begaben ihn im trockenen Boden der Insel, es will wohl keiner die Leiche... Ich war noch keine vierundzwanzig, als ich hier her gebracht wurde und ein recht gut aussehender Bursche. Groß, schlank. gut gebaut, ein Gesicht, nach dem sich die Frauen zweimal umdrehten und auch manche Männer… Doch auch an mir frisst Askaban, genauso wie an allen anderen. Aber ich werde nicht leise, ich werde nicht verrückt, ich lebe einfach weiter… Als ich eines Tages zufällig mein Spiegelbild im Wasserkrug betrachte, erschrecke ich zu Tiefst. Mein Gesicht ist nicht länger hübsch. Es ist bleich, dürr, fast ein Totenschädel. Die schwarzen Haare hängen lang, wirr, ungekämmt und glanzlos in mein Gesicht. Und meine Augen, meine Augen. James hatte oft gesagt, sie würden funkeln und blitzen, aber jetzt brennen sie. Brennen wie schwarze Kohlen, scheinen keinem Menschen mehr zu gehören, sondern einem blutrünstigen Vampir. Ein zottiger Bart bedeckt meine Wangen und ich sehe aus, als wäre ich ein Greis oder eine Mumie, die aus ihrer Gruft geflohen ist… Ich bin sehr dünn, fast dürr. Das Essen sättigt, aber es reicht irgendwie nicht. Ist zu wenig, wie alles hier. Nicht von der Menge her, sondern auf eine andere Art, die ich nicht recht beschreiben kann… Manchmal verbringe ich ganze Wochen als Tatze, denn der lebt im Jetzt und macht sich keine Gedanken ans Morgen. Manchmal erscheinen Magier aus dem Ministerium und inspizieren das Gefängnis, aber auch sie reden nie mit mir. Ich weis nicht mehr, wie meine Stimme klingt, denn ich habe seit Ewigkeiten mit keinem mehr gesprochen, auch wenn ich immer noch diese Unterhaltungen in meinem Kopf führe… Gut, dass ich viele von Onkel Alphards Büchern gelesen habe. Er besaß auch Muggel Romane und Moony hat mir den einen oder anderen empfohlen. Ich lese die Bücher in meinem Geist wieder und wieder, das vertreibt ein wenig die Langeweile. Besonders einer geht mir jetzt nicht mehr aus dem Kopf. Er hieß der Graf von Monte Christo und ich kann mich mit der Hauptfigur verdammt gut identifizieren… Ein junger Mann, jahrelang unschuldig auf einer Insel mitten im Meer eingekerkert, aber ihm gelang die Flucht… Nun, es wird mir kaum gelingen, mich mittels eines geschärften Löffels durch magisch verstärkte Mauern zu graben… Aber träumen kann man doch… Ich merke kaum, wie die Jahre vergehen. Ein Tag gleicht völlig dem anderen, keine Abwechslung, nichts Neues. Nur manchmal Träume. Aber kaum beginnen die angenehm zu werden, sind sie auch schon vorbei und werden durch meine schlimmsten Erinnerungen ersetzt, da die Dementoren, sich auf jedes Glücksgefühl stürzen, wie ein Thestral auf die Beute. Sie hinterlassen nur Leere, Kummer, Leid und seelische Pein… Zwölf Jahre vergehen. Striche an der Wand markieren die einzelnen Tage. Manchmal erscheint es mir unendlich wichtig, die Zeit zu messen, manchmal spielt es keine Rolle mehr, aber ich füge einen an den anderen ... Tag für Tag ... Woche für Woche ... Monat um Monat ... Jahr um Jahr… Zwölf endlose Jahre lang. Ohne Freude, ohne Glück, ohne irgendwas, das das Leben noch lebenswert machen könnte. Und auch ohne Hoffnung. Nur das Wissen um meine Unschuld, nur das… Dann Einsamkeit. Gnadenlose, grenzenlose Einsamkeit. Dachte ich vielleicht, ich sei einsam gewesen, als meine Gefährtin starb, oder als Moony nach Irland ging? Das war nichts, gar nichts. Ich war frei und konnte gehen, wohin auch immer ich wollte. Konnte mit Leuten reden, konnte lachen und manchmal sogar Spaß haben. Manchmal bin ich fast verrückt, beinahe wahnsinnig, aber eine Verwandlung in Tatze hält mich dann bei klarem Verstand. Seit ich hier bin, trage ich dieselbe Kleidung, die ich bei meiner Festnahme trug. Ich konnte mich nur ein wenig waschen, wenn ich auf Trinkwasser verzichtet habe. Hab ich nur gemacht, wenn ich mich selbst nicht mehr riechen konnte. Es gibt jeden Tag nur einen Krug voll und das viele Wasser draußen im Meer wurde mir an solchen Tagen zur Qual, auch wenn ich wusste, dass es mir kaum gut bekommen wäre, davon zu trinken… Manchmal denke ich daran, einfach Schluss zu machen, mich einfach dem Druck der Dementoren zu ergeben. Einfach leise zu werden, still. Nichts mehr zu essen, einfach aufzugeben, wie so viele andere hier auch… Doch etwas hält mich zurück. Etwas, das ich noch erledigen muss. Das Vermächtnis von Lily und James. Der Junge, der lebt… Wieder einmal kommt jemand aus dem Ministerium, um das Gefängnis zu inspizieren. Er heißt Cornelius Fudge und ist wohl seit ein paar Jahren Minister für Magie. Keine Ahnung, warum er hierher kommt, aber er spricht mit den Gefangenen und erkundigt sich nach unserem Befinden. Mir kommt er vor, wie eine Figur aus einem Witzblatt, mit seiner limettenfarbigen Melone auf dem Kopf und seiner Nadelstreifenrobe... „Nun Black, haben sie hier alles, was sie brauchen?“ will er wissen. Blöde Frage. Hier gibt es nichts von dem, was ich wirklich brauche. Am meisten fehlt mir jedoch meine Freiheit und die wird er mir wohl kaum geben. Also zucke ich einfach die Achseln. Dann fällt mir der Tages Prophet auf, der in seinem Nadelstreifenumhang steckt. Wäre eine nette Abwechslung, mal was lesen zu können oder die Kreuzworträtsel zu lösen. „Brauchen sie die Zeitung noch, Minister?“ frage ich daher und erkenne meine Stimme nicht wieder, zu lange habe ich sie nicht mehr benutzt. „Was wollen sie damit, Black?“ erwidert er. „Die Kreuzworträtsel lösen“ entgegne ich. „Es ist hier ein wenig langweilig…“ Er brummt und nickt. Dann schiebt er mir die Zeitung über den Tisch und verlässt meine Zelle. Seit Jahren habe ich nichts als magere Gerüchte gehört und stürze mich daher auf jede einzelne Zeile des Tages Propheten, als wären es Merlins wahre Sprüche. Eine Menge Klatsch und Tratsch, aber Nachrichten aus der wirklichen Welt… Quidditch wird immer noch gespielt. Eine Band namens Schwestern des Schicksals macht Schlagzeilen und ein Angestellter des Ministeriums hat bei einem Preisausschreiben gewonnen. Er heißt Arthur Weasley und wenn ich es recht bedenke, gehört er zu meiner weitläufigen Verwandtschaft, auch wenn sein Name in meinem Elternhaus verfemt war, er galt als Blutverräter. Er ist mit seiner ganzen Familie von dem Preisgeld nach Ägypten gefahren, um seinen Sohn zu besuchen. Der arbeitet dort für Gringotts als Fluchbrecher. Hmm, Fluchbrecher? Den Job hat Moony auch mal gemacht. Aus diesen Gründen interessiert mich das Bild, das die Weasley Familie zeigt und ich sehe es mir näher an. Plötzlich ist es mir, als habe ein Blitz in meinen Kopf eingeschlagen. Einer aus der vielköpfigen Familie hat ein Haustier, eine Ratte… …und ich kenne diese Ratte, kenne sie seit Jahren, habe sie dutzende Male gesehen, kenne ihren Namen… Ein Name, den ich in den letzten Jahren unzählige Male verflucht habe, ein Name, der einst einem Freund gehörte und nun meinem schlimmsten Feind… Peter Pettigrew alias Wurmschwanz! Großer Merlin, da hat er die ganze Zeit gesteckt. Hat sich als Haustier bei einer Zaubererfamilie eingeschlichen. So einfach und gleichzeitig so genial… Aufgeregt lese ich nochmals den ganzen Artikel. Ein Satz fällt mir plötzlich besonders ins Auge … zum Schuljahresbeginn nach Hogwarts zurückkehren… Hogwarts? Verdammt, Hogwarts! Der Junge – Harry - muss inzwischen fast dreizehn sein und wird auch in Hogwarts sein. Kann gar nicht anders sein. Ein Sohn von Lily und James muss einfach ein brillanter Magier sein und er ist der Junge aus der Prophezeiung… …und Peter, der verdammte Peter ist auch dort ... wartet seine Zeit ab… Wartet ab, ob sein Meister wieder auftaucht und sollte das je geschehen, wird er den Sohn genauso verraten, wie die Eltern. Alle Donner! Harry ist in Hogwarts und Peter ist auch in Hogwarts. Shit! Und Dumbledore ahnt nichts von Peter, kann nichts von Peter ahnen… Wie sollte er auch? Er wusste nie von den Animagi… Ich muss hier raus, so schnell wie möglich, muss weg von hier, muss aus Askaban fliehen. Ich bin der Pate des Jungen und es ist höchste Zeit, dass ich mich auf meine Pflicht besinne… Aber wie soll ich von hier fliehen? Seit zwölf Jahren, zwölf endlosen Jahren, sitze ich hier fest und habe immer noch keinen Weg gefunden, von hier zu fliehen, aber jetzt muss ich, ich muss einfach… Eine Welle von Kraft, wie ich sie noch nie erlebt habe, durchflutet mich und ich habe einen brillanten Einfall. Die Gitterstäbe stehen recht eng, aber ich bin entsetzlich dünn geworden in all den Jahren und Tatze ist noch dünner. Sofort verwandle ich in meinen Animagus und versuche mich durch die Stäbe zu zwängen, aber es geht nicht. Fast passe ich hindurch, aber nicht ganz. Nun, wenn ich ein paar Tage hungere, wird es sicher gehen. Fällt mir nicht schwer. Das Essen habe ich schon lange über… Mein Schlaf wird unruhig und Bilder von Lily und James geistern durch meine Träume, als wollten sie mich an mein Versprechen erinnern. „Er ist in Hogwarts“, will ich ihnen zurufen, „er ist in Hogwarts“, aber sie driften nur wortlos um mich herum… Es dauert über eine Woche, bis ich endlich dünn genug bin, um mich durch die Stäbe zu zwängen. Ich warte die Nacht ab und quetsche und presse Tatzes Leib durch die Gitterstäbe. Ein bisschen Fell und Haut bleibt daran kleben, aber es stört mich nicht im Geringsten. Ich laufe in meiner Tiergestalt durch die Gänge von Askaban. Die Dementoren sind blind und können mich nicht sehen. Tatze können sie ohnehin auf Grund seines reduzierten Gefühlsspektrums kaum wahrnehmen und ich renne einfach an ihnen vorbei. Am Ausgang muss ich kurz wieder zum Menschen werden, um die verschlossene Tür zu öffnen. Sie ist nur versperrt und nicht magisch verriegelt. Ich schicke einen dankbaren Gedanken an Dad, der uns vor so vielen Jahren beigebracht hat, wie man ein Schloss knackt. Die Tür knarrt auf und ich werde wieder zu Tatze. Ich renne über den nackten, trockenen Sand auf das Meer zu. Es ist sturmgepeitscht, aber das stört mich nicht. Tatze schwimmt besser als Sirius und ich stürze mich in die See. Es blitzt und donnert und die wütenden Wellen werfen mich herum, wie ein Stück Holz. Doch ich kann die Küste sehen und paddle unablässig darauf zu. Es sind mindestens drei Meilen und es ist sehr anstrengend, aber der Adrenalinstoß, den meine gelungene Flucht ausgelöst hat, treibt mich immer weiter vorwärts. Frei! Endlich bin ich frei und die unglaubliche Freude darüber tobt selbst durch Tatzes reduzierte Gefühlswelt. Die Wellen brechen sich an den Felsen der Küste und werfen mich an den Strand. Weitere Haufetzen bleiben an den schroffen Klippen hängen, aber ich habe es geschafft. Hechelnd liege ich an der Küste und versuche wieder zu Kräften zu kommen. Es wäre keine gute Idee, jetzt wieder zum Menschen zu werden, sie werden mich suchen, als sei ich Voldemort selbst. Sie halten mich für schuldig und sie werden mich jagen. Tatze fällt nicht weiter auf. Peter hat es zwölf Jahre lang geschafft, als Ratte zu leben und was der kann, kann ich schon lange…   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)