Bitte rette mich von Lucius_A_Malfoy ================================================================================ Kapitel 9: Schmerz ------------------ Lobt mich, ich hab mal nicht zwei Monate für das Chapter gebraucht ^^ und es geht auch endlich ein wenig voran, ich hoffe man merkt es. Ach ja, ich wollte fragen, ob Antworten auf die reviews gewünscht wären, ich hab das jetzt bei imens vielen FF Autoren so gesehen und bin am Überlegen, ob ihr das auch haben wollt. Mich persönlich stören die Reviewantworten immer ein wenig, wenn man erst nen halben Kilometer nach unten skrollen muss um zur eigentlichen Story zu kommen. Sagt mir einfach wie ihr es haben wollt, dann werde ich dem nachkommen. Ein ganz dickes dankeschön an meine Betaleserin Amok-kun, ich hab sie furchtbar lieb, auch weil sie meistens dafür verantwortlich ist, dass ich weiter schreibe und nicht einfach auf meinen nächsten Schreibanfall warte. Viel Spaß mit dem 9. Chapter Dark 9. Schmerz Kraftlos sank Harry in sich zusammen und blieb ohne eine Regung zu zeigen im faulen Heu liegen. Was hätte es auch für einen Sinn sich zu bewegen? Auch wenn die stinkenden Halme ihn in Augen und Nase piekten und der widerliche Geruch ihm Übelkeit bereitete, es war ihm ganz egal. Malfoy war gegangen, seine einzige Hoffnung. Malfoy hatte ihn geschlagen, doch er hegte keinerlei Groll gegen ihn. Wenn er ihn schlagen wollte, dann sollte er das tun, wieso sollte man sich bei ihm auch zurück halten müssen? Er war nichts mehr als ein Haufen Fleisch, Knochen und Eingeweide. Warum sollte er überhaupt noch existieren, wenn er niemanden mehr auf dieser Welt hatte, der ihn brauchte, der sich für ihn einsetzte? Seine Funktion als Mensch, als in einem sozialen Netzwerk agierendes Wesen, war weggefallen. Voldemort hatte ihm mehr geraubt als nur seinen Lebenswillen. Früher hatte Harry oft geglaubt, die gesamte Welt hätte sich gegen ihn verschworen, als hätte er das ganze Leid dieser Welt für sich gepachtet, doch jetzt musste er feststellen, dass er der ganzen Welt schlichtweg egal war. Und dieses Gefühl schmerzte noch viel mehr als alles andere. Er hatte sich so für alle eingesetzt, sein Leben hätte er für seine Freunde, für seine Ideale, für den Frieden und den Orden mit einem Lächeln auf den Lippen gegeben. Und alles was er damit erreicht hatte war, dass er ihnen schlussendlich ganz egal war. Er schloss seine Augen und versuchte sich an die Zeiten zu erinnern, zu denen er geglaubt hatte, ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft zu sein. Wie er nächtelange in verschiedenen Bibliotheken nach Spuren der Horkruxe gesucht hatte, zum Beispiel. Er war sich so wichtig vorgekommen. Als könnte er die Welt durch seinen Einsatz verändern. Doch wenn er Recht darüber nachdachte, was hatte diese Arbeit gebracht? Alles was er herausgefunden hatte, war eine Falle gewesen, in die er in seiner Dummheit natürlich blindlinks gelaufen war. Er hatte gar nichts ausrichten können. Nein, noch schlimmer, er hatte die Situation des Ordens noch verschlechtert, weil diesem nun ein Mitglied fehlte. Er war so schrecklich dumm. Wieso hatte er nur geglaubt etwas wichtiges zu sein? Hatte nicht Malfoy ihm immer wieder Hochmut vorgeworfen? Wahrscheinlich hatte er mit jedem seiner Worte Recht gehabt. Er war ein naives, dummes Gör gewesen und er war es immer noch. Wenigstens konnte er jetzt keinen Schaden mehr anrichten. Wie lange würde er schon noch leben? Zwei Tage? Drei Tage? Voldemort würde mit Sicherheit schnell das Interesse an ihm verlieren, wer spielte schon gerne mit einem Spielzeug, dass sich nicht mehr wehrte, das immer genau das tat, was man von ihm wollte? Er hatte einfach keinen Elan mehr, um sich ihm zu widersetzen. Es hatte die letzten Jahre keinen Sinn gehabt, und jetzt hatte es schon gleich gar keinen Sinn mehr. Es würde ihm nur noch mehr Schmerzen bereiten. Auch wenn er körperlichen Schmerz kaum noch wahrnahm, zu sehr war er mit dem Schmerz, der seine Seele zerfetzte, beschäftigt. Selbst wenn er ein Wesen ohne Existenzberechtigung war, er war dennoch noch ein denkendes und fühlendes Wesen und ein Cruciatus war nichts, das er gerne in Empfang nahm, zumindest nicht, wenn es dabei nur darum ging ihm Schmerzen zuzufügen. Wenn Voldemort ihm versprechen würde, ihn danach sofort zu töten, würde er den Cruciatus ohne eine Regung hinnehmen. Doch ein solches Angebot würde der dunkle Lord ihm nicht machen. Wahrscheinlich würde er ein großes Spektakel aus seinem Tod machen, ihn richtig gehend zelebrieren, um ihn der Öffentlichkeit wirksam darstellen zu können. Wenn diese seinen Tod überhaupt als etwas tragisches sehen würde. Wahrscheinlich schon, zumindest für die ersten zwei Wochen. Dann würde sein Tod langsam aus den Titelzeilen in die hinteren Seiten des Tagespropheten weichen, bis aus einem einseitigen Bericht eine kleine Randnotiz geworden wäre. Wenn es überhaupt so lange dauern würde. Harry kannte die Zauberergesellschaft, besser als sie selbst wahrscheinlich, alleine weil er sie von einem etwas distanzierteren Blickwinkel aus betrachten konnte, immerhin hatte er vor seinem elften Geburtstag kein einziges Mal Kontakt zu ihr gehabt, zumindest nicht bewusst. Und genau deshalb wusste er, wie kurzlebig dort alles war. Heute war etwas eine schreckliche Tragödie, morgen schon ein bedauerlicher Unfall, übermorgen etwas von dem man einmal gehört hatte, das aber nicht weiter beachtenswert war. Genauso war es mit positiven Dingen. Zuerst konnte man die Euphorie kaum in Worte fassen, dann wurde es zur Selbstverständlichkeit. Sensationsgier und Abstumpfung waren nicht nur in der Muggelwelt weit verbreitet. Wahrscheinlich war sein Tod genauso bedeutungslos wie sein Leben, nur dass er Voldemort Genugtuung bringen würde für die Jahre, die dieser im Untergrund hatte leben müssen um wieder Kräfte zu tanken. War der einzige Zweck den er jemals erfüllen würde, diese Rachegelüste befriedigen zu können? Wenn es so sein sollte, dann konnte er kaum etwas dagegen unternehmen. Und dennoch wurde eine leise Stimme in seinem Kopf zum Leben erweckt, die meinte, dass es das doch nicht gewesen sein konnte. Wozu hatte er über 17 Jahre gelebt, nur um dann von einem Wahnsinnigen hingerichtet zu werden? Dann hätte er auch damals als kleines Kind sterben können. Langsam öffnete Harry seine Augen. Ein Insekt kämpfte sich durch die feuchten Stengel des Heus nach oben und hielt wenige Zentimeter vor Harrys Nasenspitze inne. Es schien fast so, als würde das gepanzerte Wesen ihn mit seinen großen Facettenaugen mustern, doch Harry wusste, dass er für das Insekt ausschließlich ein überdimensioniertes Hindernis war. Er beobachtete, wie sich hauchzarte Flügel unter dem Rückenpanzer hervor schoben, wie das Insekt begann in einer atemberaubenden Geschwindigkeit damit zu schlagen und schließlich knapp an Harrys Gesicht vorbei nach oben entschwebte. Gefesselt von diesem eigentlich recht abstoßenden Geschöpf hob Harry den Kopf und drehte sich hab um um mit anzusehen, wie das Tier weiter in die Luft stieg und schließlich zwischen den Stäben seines Zellenfensters hindurch in die Freiheit flog. Wenn es nur für ihn auch so einfach wäre. Träge setzte er sich auf und bettete sein dreckiges Gesicht in seine ebenso dreckigen Hände. Wieso durfte ein so niederes Tier wie dieses Insekt in Freiheit leben, während er hier die letzten Stunden seiner Existenz in einer schmutzigen Zelle auf seinen Tod warten musste? Wenn er doch nur auch so einfach gestrickt wäre wie dieses winzige Lebewesen. Es musste sich keine Gedanken über seine Existenzberechtigung machen, es war einfach da und irgendwann starb es, da war keine Frage nach dem Sinn und Zweck seiner Anwesenheit. Wie gut es solche Tiere doch hatten. Harry bezweifelte auch, dass Tiere wie dieses Insekt das Gefühl kannten, von allen verlassen zu werden. Vor seinem inneren Auge tauchten plötzlich die lachenden Gesichter von Ron, Hermine und Neville auf. Wie viel Spaß sie früher immer zusammen gehabt hatten. Sie hatten so viel gelacht. Und sie waren miteinander durch dick und dünn gegangen. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie er im siebten Jahr einen Schulverweis riskiert hatte, nur um Ron aus dem verbotenen Wald zu holen, weil dieser sich dort in seiner Wut auf Hermine, mit der er sich ordentlich gestritten hatte, vollkommen verlaufen hatte. Doch offensichtlich hatten die drei ihre Freundschaft vergessen, oder sie hielten Harrys Leben für weniger Wert als das ihre. Wäre einer von ihnen in einer solchen Gefahr gewesen, Harry hätte sofort Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt um denjenigen zu retten. Wie dumm er doch war. Dumm und naiv, genau wie Malfoy es ihm immer gepredigt hatte. Ein kalter Schauer rann über seinen Rücken, der ihm zeigte, wie kühl es in dieser verdammten Zelle eigentlich war. Er zog die Beine enger an seinen Körper und begann leicht zu zittern. Mit einem Mal brach das Gefühl der Verlassenheit vollkommen über ihm zusammen. Sie hatten ihn alle verlassen. Er war alleine. Es würde niemand kommen um ihn zu retten. Jahre der Freundschaft waren bloße Lügen gewesen. Sie hatten ihm alle etwas vorgemacht. Auch wenn er vorher gewusst hatte, dass es so war, jetzt erst realisierte er das Ausmaß dessen. Sein Leben war eine Lüge gewesen, nichts als eine Lüge. Immer wenn die anderen ihm ins Gesicht gelächelt hatten, war es eine Lüge gewesen. Wenn sie ihm gesagt hatten, dass sie immer für ihn da sein würden, hatten sie schlicht weg gelogen. Tränen stiegen in seine Augen und drohten seine Augen zu überschwemmen, doch er versuchte krampfhaft sie zurück zu halten. Er wollte nicht weinen, er hatte schon so lange nicht mehr geheult und das wollte er beibehalten. Doch was hatte es noch für einen Sinn, sich dagegen zu wehren? Es sah ihn eh niemand und selbst wenn, dann würde es niemanden interessieren. Das erste Mal seit Jahren traten Tränen aus seinen grünen Augen und benetzten seine blassen, dreckigen Wangen. Sie rollten bis zu seinem Kinn, zogen bizarre Muster im Schmutz, der auf seiner Haut haftete und tropften schließlich auf seine Unterarme, wo sie ihre Reise abwärts weiter führten. Ein Schluchzen drang aus seiner Kehle. Es war alles so unfair. Er hatte sich stets bemüht, hatte nur Gutes gewollt und was war daraus geworden? Nichts. Immer mehr Tränen folgten, bis sein ganzes Gesicht tränen überströmt war und seine Augen aufgequollen. Sein Körper wurde von seinen Schluchzern geschüttelt und doch tat es unwahrscheinlich gut, sich nicht mehr zurück halten zu müssen. Hier, wo ihn niemand sah, konnte er seiner Bestürzung freien Lauf lassen. Langsam kippte er zur Seite, das Gesicht immer noch in den Händen vergraben, die Knie bis zu seinem Kinn hochzogen und blieb im Heu liegen. Tränen rannen in sein Ohr und hinterließen eine unangenehme Nässe, doch in diesem Moment war es ihm einfach nur egal. In seinem Kopf kreisten immer wieder die selben Gedanken vom Verrat seiner Freunde, von der Sinnlosigkeit seines Lebens und von den Lügen, die er ohne Bedenken geglaubt hatte. Es verging einige Zeit bis das Schluchzen verstummte und in ein ruhiges, gleichmäßiges Atmen überging, das Harrys Schlaf verkündete. Der Tag war zu anstrengend gewesen, als dass er sich noch lange hätte wach halten können und auch wenn er wusste, dass er bald sterben würde, war er gezwungen einen Teil seiner verbleibenden Zeit mit Schlaf zu verschwenden. Erstaunlicher Weise schlief Harry die ganze Nacht durch, ohne einen Albtraum oder sich viel im Heu herum zu wälzen, etwas das er die letzten Tage nie getan hatte. Immer war er Schweiß überströmt hoch geschreckt, hatte sich gehetzt umgesehen nur um festzustellen, dass er tatsächlich immer noch hier und am Leben war. Harry konnte nicht sagen wie spät es war, als er aufwachte, es musste irgendwann zwischen Morgendämmerung und Abenddämmerung sein, denn es war hell vor seinem kleinen, vergitterten Fenster, doch er konnte die Sonne nicht erkennen. Wahrscheinlich zeigte sein Fenster einfach nach Norden und er würde die Sonne zu keiner Zeit des Tages zu Gesicht bekommen. Irgendwie störte ihn der Gedanke daran die Sonne nie mehr mit eigenen Augen sehen zu können nicht. Die Sonne war ihm oft wie ein grausamer Betrachter des menschlichen Leides erschienen, erbarmungslos und sadistisch. Denn egal welches Leid sich auch zugetragen hatte, am nächsten Tag war sie wieder am Horizont aufgetaucht und hatte mit ihrem grausam hellen Licht unterstrichen, dass sich der Welten Lauf nichts um das Leid des einzelnen scherte. Harry blinzelte dem gedämpften Licht, das durch das kleine, mit Gitterstäben durchzogene, Rechteck fiel, entgegen und gähnte leise. Auch wenn er wusste, dass er ausgeschlafen hatte, müde war er trotzdem noch. Vielleicht hing seine Müdigkeit auch nicht mit Schlafdefizit zusammen. Schwerfällig und noch etwas unbeholfen vom Schlaf setzte er sich auf. In der blassen Haut seines Gesichtes zeichneten sich die Abdrücke des Heus ab, in dem er gelegen hatte. Seine Finger strichen durch seine schwarzen Haare. Das Gefühl der strähnigen, dreckigen Haare unter seinen Fingern war nicht unbedingt das angenehmste. Er wollte gar nicht wissen wie er im Moment stank. Seine Finger trafen auf einzelne Grashalme, die er aus seinen Haaren zog, doch er wusste, dass es aussichtslos war, bestimmt steckten noch viel mehr in seinen Haaren, auf die er nur noch nicht gestoßen war. Er war kein eitler Mensch, wirklich nicht, meistens verzichtete er in der Früh auf den Kamm, Cremes und Fingernagelpflegeset waren Begriffe die in seinem Vokabular nicht existierten, doch ein gewisses Maß an Hygiene war auch in seiner Welt etwas wichtiges. Wahrscheinlich würde er genauso starrend vor Dreck sterben, wie er im Moment war. Je nachdem wie lange es sich noch ziehen würde, sogar noch dreckiger. Ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen zeugte von seinem Amüsement als er daran dachte, dass er sich gerade mehr Gedanken darüber machte, dass er schmutzig sterben würde, als dass er überhaupt sterben musste. Er seufzte leise. Eigentlich war es ja egal. Es war egal wie er starb, es war sogar egal ob er starb. Irgendwann würde jeder einmal sterben, er, Voldemort, Malfoy, seine ehemaligen Freunde... Es war nur eine Frage der Zeit. Wobei er sich bei Voldemort langsam zu fragen begann, ob es überhaupt noch möglich war, dass er von der Zeit dahin gerafft wurde. Immerhin hatte er seine Horcruxe, die ihn vor schädlichen Angriffen von anderen schützten. Aber was war mit der Zeit? Voldemorts Körper alterte, das war gar keine Frage, immerhin hatte Harry bereits den jungen Tom Riddle gesehen, jung, dynamisch und voller kranker Ideen. Nicht dass er jetzt nicht mehr voller kranker Ideen gewesen wäre, aber jetzt waren sie noch ein wenig kranker. Vielleicht musste man ja einfach noch eine gewisse Zeit warten und das Problem Voldemort würde sich von alleine lösen. Der Jüngste war er ja nicht mehr. Fast schade, dass er das nicht mehr erleben würde. Ein von Rheumatismus und Kurzsichtigkeit geplagter Voldemort, das wäre mit Sicherheit ein netter Anblick. Doch irgendwas sagte Harry, dass Voldemort auch einen Weg finden würde, seinen alternden Körper gegen einen frischen, unverbrauchten auszutauschen, wenn die Zeit reif dafür war. Immerhin hatte er schon eine Schlange und Professor Quirrel besetzt. Für einen Moment fragte sich Harry wieso er sich darüber eigentlich noch Gedanken machte, immerhin waren das alles jetzt nicht mehr seine Probleme. Man hatte ihn auf sehr unschöne Art und Weise von seiner Verantwortung als Retter der Welt enthoben und irgendwie genoss Harry diese Freiheit. Seltsam wie eng Freiheit und Gefangenschaft manchmal verbunden war. Er würde keinen nerven zehrenden Kampf mehr führen müssen, er würde nie wieder um das Leben seiner Freunde fürchten müssen, vor allem würde er nicht mehr fürchten müssen, dass sie seinetwegen starben, denn seinetwegen würde niemand mehr etwas tun. Er war auf einmal ein Wesen, das auf seinen eigenen Beinen stand und nur für sich selbst lebte. So beängstigend und deprimieren ihm das gestern noch erschienen war, plötzlich alleine zu sein, so befreiend empfand er es in diesem Moment. Niemand würde ihm mehr Vorschriften machen, er würde niemanden mehr beschützen müssen, er würde niemanden mehr mit seinen Handlungen gefährden können. Das Lächeln auf seinen Lippen wurde etwas breiter, wenn auch die Melancholie noch nicht ganz aus seinen Augen gewichen war. Jede Handlung die er in seiner Restlebenszeit noch ausführen würde, würde er ausschließlich für sich selbst tun. Wie egoistisch, wie wundervoll. Er lies sich rückwärts zurück in das dreckige Heu fallen und verschränke die Arme hinter seinem Nacken. Eigentlich schade, dass er dieses Gefühl nicht noch länger auskosten konnte, doch das konnte man wohl kaum ändern, sein Tod war beschlossene Sache. Sein Tod würde wohl die letzte und einzige Handlung in seinem restlichen Leben sein, die er für andere Menschen tat. Denn er würde sterben für die Ideologie und die Befriedigung Voldemorts. Das war das einzige, was sein derzeitiges Hochgefühl trübte und so blickte er, mit einem zufriedenen Lächeln auf seinen aufgeplatzten, bleichen Lippen, zur steinernen Decke empor und fragte sich, wie sein Leben wohl verlaufen wäre, wenn seine Freunde ihn schon früher verraten hätten. Wäre er schon früher gestorben? Wahrscheinlich nicht. Er war Voldemort meist alleine gegenüber getreten, ohne seine Freunde und Verbündete, aus der Angst sie verlieren zu können. Und auch wenn er ganz am Boden gewesen war, hatten sie ihm nur selten weiter helfen können. Nur manchmal hatte Hermine die richtigen Worte gefunden um ihm seine Selbstvorwürfe zu nehmen, doch mit ihrer kühlen, analytischen Art hatte sie sehr oft auch einfach nicht den richtigen Draht zu ihm gefunden. Vielleicht wäre es ihm auch viel besser ergangen. Er hätte sich die ganze Zeit über keine Gedanken darüber zu machen brauchen, ob er mit seinen Handlungen andere gefährdete. Er hätte spontaner reagieren können, er hätte nicht auf irgendwelche Vorgaben achten brauchen, er wäre freier gewesen. Natürlich, er hatte auch viel Spaß mit seinen Freunden gehabt, er hatte ihnen gerne geholfen, war gerne bei ihnen, hatte gerne mit ihnen gelacht, doch wenn er bedachte, wie sehr sie ihn jetzt hängen ließen, dann musste er sich eingestehen, dass er lieber auf die Zeit mit ihnen verzichtet hätte, als die Enttäuschung einstecken zu müssen, dass alles eine große Lüge war. Wahrscheinlich hatte Malfoy gestern Recht gehabt. Es war ein Fehler gewesen, sich über seine soziale Funktion zu definieren. Er war alleine, aber er lebte. Und im Moment fühlte er sich freier als zu jeder Zeit in den letzten zwei Jahren. Gut er würde nicht mehr besonders lange leben, aber was machte das schon? Es würde niemand um ihn weinen, und er würde um niemandem weinen, was also sollte es? Es gab nichts mehr was ihn hier noch hielt. Sein Blick wanderte von der Decke zur Wand gegen die Malfoy gestern sein Essen geworfen hatte. Erst jetzt registrierte er, dass er das Essen besser doch gegessen hätte, denn sein Magen knurrte laut und machte sich durch einen ziehenden Schmerz bemerkbar. Doch er würde bestimmt nicht zu den Scherben gehen und die Nudeln aus dem Dreck aufsammeln, er wollte sich keine Vergiftung zuziehen, wenn er schon nicht mehr viel Zeit hatte, dann wollte er diese Zeit doch bitte gesund erleben. Vielleicht würde Malfoy ja noch irgendwann hier auftauchen. Wahrscheinlich sogar, immerhin hatte man ihn damit beauftragt ihn zu versorgen und er würde sicher Ärger bekommen, wenn er ihn hier aushungerte. Und Malfoys Position war eh nicht die beste, wie Harry ja eindrücklich vorgeführt bekommen hatte. Wieso Malfoy das alles mit sich tun lies, verschloss sich ihm noch immer. Der Junge passte nicht hier her. Natürlich, er war abweisend, beleidigend, arrogant, herablassend, ignorant, und er verfügte über ein gewisses Maß an Kälte, aber er hatte ihm schon viel zu oft gezeigt, dass auch in seiner Brust ein Herz schlug. Er hatte ihm gezeigt, dass er Schmerz fühlen konnte und dass er wusste wie es war erniedrigt zu werden. Wie konnte ein vernünftig denkender junger Mann in so einer Umgebung überhaupt überleben ohne innerlich zu zerbrechen und so zu werden wie die anderen alle? Vielleicht war das nur eine Frage der Zeit. Spätestens nach seinem ersten Mord würde Malfoy wahrscheinlich genauso werden wie die anderen und eine Mauer aus Hass und Kälte um sich herum errichten, die die Schuld, die auf ihm lastete, aussperren würde, oder aber er würde daran kaputt gehen. Harry wusste wie es war ein Menschenleben auf dem Gewissen zu haben und ständig die leise Stimme in sich zu hören, die einem zuflüsterte, dass man doch besser selbst gestorben wäre. Doch irgendwie konnte er sich nicht recht vorstellen, dass Malfoy jemals einen Unschuldigen töten würde. Er hatte gesehen wie sein Zauberstab gezittert hatte, als er ihn auf Dumbledore gerichtet hatte. Er hatte die Angst in seinen Augen gesehen. Er hatte die Zweifel in seinen Augen gesehen. Und er hatte die Verzweiflung in ihnen gesehen, das Bewusstsein, dass er nicht anders hatte handeln können. Doch wahrscheinlich würde er Malfoy nie verstehen können, schon gar nicht in der kurzen Zeitspanne die ihm noch blieb. Vermutlich würde man ein ganzes Leben brauchen, um den Blonden verstehen zu können. Ob es überhaupt jemand tat? Seine Eltern vielleicht. Oder vielleicht waren sie auch diejenigen, die ihn am aller wenigsten verstanden, Harry wusste es nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)