Prince and Princess von Ta_Moe (Auf der Suche) ================================================================================ Kapitel 1: Doshite koko ni? – Warum bist du hier? ------------------------------------------------- Prince Princess 1 Doshite koko ni? – Warum bist du hier? Es war stockfinster, als ich jenen Abend nach Hause kam. Die schmale Mondsichel versteckte sich hinter schwarzen Wolken. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in mir aus, als ich eintrat. Unser großes Haus war still, kalt, ungemütlich. Ich warf die Schlüssel in den Kasten und die Jacke über einen Küchenstuhl. Meine Eltern waren verreist, meine Brüder ausgezogen und meine Zwillingsschwester (zweieiiger Natur) übernachtete bei ihrem Freund. Ich dehnte mich und schaltete endlich das Licht ein. Es fiel matt auf den großen schwarzen Holztisch, der in der Küche stand, warf unheimliche Schatten in den Raum. Erschöpft atmete ich auf, das Training war heute wieder einmal sehr anstrengend gewesen. Da ich noch nicht all zu lange focht, musste ich mich sehr bemühen, um den Anforderungen unseres Ausbilders gerecht zu werden. >Du hast Talent<, hatte er heute wieder zig Mal betont, ob er es nur sagte, um mich auf zu heitern? Ich zuckte mit den Schultern, gähnte. Müde trottete ich ins Bad, „krack“ die Glühbirne war zersprungen, bestimmt schon das vierte Mal in dieser Woche. Doch ich fand mich auch im Dunkeln zu Recht. Daraufhin öffnete ich den Hahn. Das Wasser plätscherte leise über meine Hände, ich warf es mir ins Gesicht und schüttelte meine kurzen lockeren braunen Haare. Etwas wacher zog ich mich aus, schleuderte die verschwitzten Sachen in die nächste Ecke. Ich seufzte, als ich merkte, dass sich mein Pyjama nicht an gewohnter Stelle befand. In Shorts tappte ich die kalten Stufen hinauf, gelangte schließlich an mein Zimmer. Hier funktionierte nur die Leselampe. Schnell hatte ich sie angeknipst und suchte nach anderem Schlafzeug. Ich gähnte erneut, fischte ein weißes Hemd heraus und legte es mir über den Arm. Auf einmal klopfte es am Fenster, blitzschnell drehte ich mich zum Fenster um, von wo die unheimlichen Klopfgeräusche kamen. Doch es war weit und breit nichts zu sehen. „Muss ich mir eingebildet haben!“, versuchte ich mich selbst zu beruhigen und drehte mich wieder um, wollte gerade die Tür öffnen, als etwas vor dem Fenster raschelte. Schweiß trat mir auf die Stirn, ich fühlte mich unangenehm beobachtet. Mein Degen lag in der Küche, mein Körper war ungeschützt, ich praktisch wehrlos. „Ganz ruhig!“, sagte ich zu mir selbst, atmete tief ein, wieder aus und wandte mich mit einem gekonnten Sprung um. AHH!, ich wollte schreien, doch meine Kämpfernatur mahnte mich zu Ruhe, unterdrückte den Drang. Ein fremder Mann saß vor meinem Fenster, an die Scheibe gelehnt. Er hob eine Hand, klopfte erneut. Ich reagierte nicht, ich konnte nicht, war wie gelähmt. „He, du!“ Langsam löste ich mich aus meiner Starre, trat einen Schritt auf das Fenster zu, es war geschlossen. Ich hatte also nichts zu befürchten. „Mach auf!“ „Sind Sie übergeschnappt? Ich werde doch keinen Einbrecher hier rein lassen!“ „Komm schon!“, er ächzte, „Ich kann mich nicht länger halten. Denkst du ernsthaft, ich mache das, weil ich Freude dabei empfinde?“ „Woher soll ich das wissen, ich weiß nur eins: und zwar, dass ich keine fremden Leute einlasse!“ „Aber…“, doch bevor er weiter argumentieren konnte, rutschte er ab und baumelte mit nur einer Hand am Brett. Erschrocken stürmte ich ans Fenster. Der Fremde stöhnte, rang nach Luft. „Mist!“, hörte ich ihn fluchen, während ich langsam das Fenster öffnete. Er konnte sich nicht länger halten, wäre mein Zimmer im Erdgeschoss gewesen, wäre dies wahrlich kein Problem gewesen, doch ein Sturz, aus dem ersten Stock würde wohl nicht sehr angenehm ausfallen. Gerade als er ab zu stürzten drohte, packte ich noch seine Hand und stemmte mich mit alle Kraft am Fenstersims ab. Verwundert blickte der Mann zu mir auf. „Machen Sie schon!“ Er nickte bloß, fasste mit der freien Hand nach dem Fensterbrett und zog sich mit Schwung hoch. Als das Gewicht nachließ, fiel ich rücklings auf mein Bett, das glücklicherweise am Fenster stand, doch ich hielt die Hand des Fremden noch immer umklammert, sodass er mir unwillkürlich hinterher flog. Als ich meine Augen wieder aufschlug, saß er auf mir, starrte mich verdutzt an. Unsere Nasen waren keinen Dezimeter von einander getrennt und ich konnte seinen warmen Atem auf meiner verschwitzten Haut spüren. Ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte, auch er schien zu grübeln. Erst jetzt erkannte ich sein jungenhaftes Gesicht, das von der nebenstehenden Leselampe gelb angestrahlt wurde. „Wer bist du?“, fragte ich, um endlich diese peinliche Stille zu durchbrechen. „Äh…“, Schweiß bildete sich auf seiner Stirn, „…ich…äh…bin…ich meine: Soldat Hiroshi meldet sich zum Dienst!“, ein verlegenes Schmunzeln huschte über sein verdrecktes Gesicht. Ich grinste. „Ich bin Yuki Takada!“, erwiderte ich und lächelte. Erschrocken wich er zurück, kratzte sich verlegen am Hinterkopf und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Sein Gesicht färbte sich langsam rot. Nun saß er nur noch auf meinen Beinen und ich konnte ihn vollends inspizieren. Er trug eine Hose, die ebenso schwarz, wie sein zerzaustes Haar war; ein braunes Hemd, dessen Ärmel viel zu lang erschienen und seine Hände weitgehend verdeckten, es lugte zusätzlich unter einem dunklen Gürtel hervor, an dem ein Degen befestigt war. An Hiroshis Schultern war ein langer schwarzer Umhang geknüpft, in den er sich nun halb verwickelt hatte. Ein lauter Seufzer seinerseits riss mich aus meinen Gedanken und holte mich in die Wirklichkeit zurück, „Was mache ich jetzt?“ „Aufstehen! Meine Beine schlafen gleich ein!“ Er gehorchte und setzte sich auf den Rand meines Bettes, ließ seinen Blick aber nicht von mir. Erst da besann ich mich richtig. Ich hatte ja gar nichts an, nur meine Shorts! Nun wurde ich ganz rot, wahrscheinlich wie eine vollreife Tomate, und zog mir die Decke bis zum Kinn, schließlich kannte ich den anderen überhaupt nicht. „Oh…verzeih!“, sagte er schnell und drehte sich weg. „Ich vergaß…“ „Wo kommst du eigentlich her… ich meine, auf meinem Fensterbrett!? Und so läuft doch keiner draußen rum…oder ist hier irgendwo ’n Karnevalsumzug?“ Er schüttelte mit dem Kopf, „Ich bin hier, um die Prinzessin von Effandor zu finden, ich muss sie schützen…“ „Bitte?“, ich beäugte ihn ungläubig, doch er sah mich nicht an. „Ich darf dich nicht einweihen… glaube ich. Verzeih, aber ich muss schnell die Prinzessin finden, sonst ist sie verloren!“ „Was faselst du da von wegen Prinzessin…?“ „…f…fas…fasel-was?“ „Mensch, wo lebst du denn? Hinterm Mond, oder was?“ Er lächelte, „Fast!“ „Na klar und ich bin der König von Japan!“ „Hä?“, er sah mich ungläubig an. Ich lugte ein Stück über der Decke hinaus, „Sag endlich die Wahrheit, sonst schmeiß ich dich raus!“ „Wie gesagt, ich suche Prinzessin Efasana!“ „Mh, ich glaube, das hatten wir schon!“ Hiroshi seufzte. „Na gut, sagen wir, ich spiel dieses Spiel mit, dann erzähl mir alles und ich helfe dir, sie zu finden!“ Er überlegte, „Nun gut. Unsere Königin hatte ihre Tochter in die eure Dimension geschickt, um sie vor allen Gefahren unserer Welt zu schützen! Da war sie allerdings noch ein Baby! Nun ist es an mir, sie zu finden und vor allen weiteren Gefahren zu schützen, solange sie noch hier ist!“ „Ich will deine Fantasiegeschichte ja nicht kaputt machen, aber von was von einer anderen Dimension redest du?“ Und so erfuhr ich auch den Rest der Geschichte, dass er aus einer höheren Dimension stamme, wo es zurzeit kriegerische Auseinandersetzungen gäbe und sich die Königsfamilie in alle Winde zerstreut habe, um nicht vollends vernichtet zu werden. „Und warum musst gerade du so eine schwere Aufgabe übernehmen, ich meine, du bist doch gewiss nicht älter als 18, oder?“ Hiroshi sah mich verwundert an, schmunzelte und lachte. „Was ist daran so komisch?“ „Ich bin in der Tat noch sehr jung, doch sooo jung nun auch wieder nicht. Oder sehe ich aus wie ein Säugling?“ Ich schüttelte verwirrt mit dem Kopf. „Ich bin doch auch erst 17, und du wirkst nicht viel älter!“, wiederholte ich mit Nachdruck. Er starrte mich verdattert an, „Du bist erst 17? Mann, was für ein Wesen bist du?“ „Ein Mensch, falls es dich stört!?“ „Stimmt… Tut mir leid, ich vergaß!“ „Was denn?“ „Nichts weiter. Ich bin 54!“ „WAS?“, ich zuckte vor, wobei die Decke wegrutschte, starrte ihn an. Er starrte zurück, wandte sich dann wieder verlegen um. „Ich… ich bin 54. Das ist das jugendliche Alter bei uns. Wir leben alle bis zu einem halben Jahrtausend!“ „Das kann nicht sein, du lügst?!“ Er schüttelte mit dem Kopf, „Nein, es ist die Wahrheit. Ich bin nun mal nicht von hier!“ „Phh,…“, schnaubte ich, „…das kann ja jeder sagen.“ „Wenn du meinst, und ich dachte, du würdest mir helfen…“, traurig sah Hiroshi zu Boden. Irgendwie tat er mir ja schon Leid, aber das was er erzählt hatte, klang einfach zu unglaubwürdig…, „Na gut. Aber flenn nicht, okay?!“ „Bitte?“ Ich grinste ihn an, er war wirklich eine komische Person, „Du hast Glück. Bei uns ist niemand da, bis auf meine Wenigkeit…!“ Hiroshi beobachtete mich neugierig. „Äh… wir haben auch ein Gästezimmer, da kannst du meinetwegen heute übernachten!“, warum war ich bloß so nett zu ihm, konnte ich ihm überhaupt vertrauen? Ich wusste eigentlich doch gar nichts über ihn. „Danke, das ist sehr freundlich!“, er lächelte fröhlich. Ich erwiderte es, „Komm, ich zeig’ s dir!“ Er folgte mir bereitwillig, ließ sich alles erklären und verstand rasch. „Gute Nacht!“, wünschte ich ihm schließlich und wollte sein Zimmer verlassen. Aber er erhob sich und berührte mich sanft am Arm, hielt mich auf. Ich sah ihn verwundert an. Doch er lächelte bloß. „Ich…“, er stockte, seufzte und startete einen zweiten Versuch, „… ich…“ Was wollte er mir sagen… ich hatte so eine dumpfe Befürchtung, doch daran wollte ich gar nicht denken und außerdem war er ein Freak, der behauptete aus einer anderen Dimension zu kommen… „…ich…!“, er musterte mich mit seinem stetigen Lächeln. Mein Herz begann wie wild zu schlagen und mein Puls wurde immer schneller, lauter. Ich wusste selbst nicht wie mir geschah, als Hiroshi meinem knallroten Gesicht immer näher kam und ich nicht reagieren konnte. Kurz bevor sich unsere Lippen berührten, hielt er inne, wich etwas zurück und sah stumm auf. Er ließ meinen Arm los, den er seit seiner Berührung nicht mehr losgelassen hatte. „Ich danke dir!“, er drehte sich um, fuhr sich durch sein schwarzes wildes Haar. „Äh…!“, ich wusste nicht, was ich tun sollte, so verließ ich schweigend das Gästezimmer. Nachdenklich ließ ich mich auf mein Bett sinken, was hatte ich bloß getan? Was hatte ER bloß getan? Irgendetwas ging hier eindeutig nicht mit rechten Dingen zu. So etwas war mir bisher noch nie passiert. Immer hatte ich Jungen als Kumpel angesehen, die man gut zum trainieren und abhängen gebrauchen konnte. Über mehr hatte ich mir nie Gedanken gemacht, wie jeder andere Junge auch. Und nun? Von einem Moment auf den anderen hatte ich HERZKLOPFEN bekommen, bei einem Jungen!? Bei einem wildfremden Kerl, den ich bis vor zwei Stunden noch nicht einmal gekannt hatte. Also wer war Hiroshi, was dachte er sich bei all dem? Ich wusste nur: er war ein Brief mit sieben Siegeln… Diesen Abend, besser: diese Nacht dauerte es eine ganze Weile, ehe ich einschlafen konnte. Letztendlich glitt ich in das Land der Träume, trotz zahlreicher Überlegungen hinsichtlich meines neuen Gastes. Der nächste Morgen begann schon recht früh. Mein Wecker warf mich aus dem Bett. Müde stellte ich ihn ab und schlich ins Bad. Wie benebelt öffnete ich die Tür und begriff gar nicht, was sich mir da für ein Anblick bot: Hiroshi stand frisch geduscht vor mir, nur mit einem Handtuch „bekleidet“ und lächelte mich an. „Morgen!“, flüsterte ich gähnend und tappte ans Waschbecken. „Guten Morgen. Hast du gut geträumt?“ „Mh?“ Er grinste nur und strich sich sein feuchtes Haar zurück. Dann stellte er sich neben mich und fragte: „Hast du was zum Verbinden?“ „Mh?“, es war zu früh, als dass ich irgendetwas begriffen hätte. „Eine Art Verband?“ Ich starrte ihn nur mit halbgeöffneten Augen an. „Werde erst einmal wach!“ „Mh…“, ich drehte den Hahn auf und warf mir kaltes Wasser ins Gesicht, „Brrr…“, ich schüttelte mich und griff nach einem Handtuch, das neben dem Waschbecken baumelte, trocknete mich ab. „So…!“, sagte ich, „…bin aufnahmefähig!“ „Sehr gut!“, lobte er und fragte erneut, „Hast du einen Verband?“ „Klar, aber wozu?“ „Ach, es ist nichts weiter. Nur eine kleine Verletzung!“ „Was?“, ich packte ihn am Arm und starrte die Wunde an, aus der leicht Blut quoll, „Wieso hast du mir nicht schon vorher davon gesagt? Das muss behandelt werden!“ „Ach nein, so schlimm ist das nicht…!“ Doch ich schüttelte mit dem Kopf, „Warte hier! Ich hole den Verbandskasten!“ „Aber…“ „Nein… ich kümmere mich darum!“, ich lächelte ihn ernsthaft an und bedeutete ihm im Bad zu warten. Als ich wiederkam, setzten wir uns auf den Badewannenrand. Hiroshi nahm seine Hand von der Wunde. An seiner Hand klebte überall Blut. Sein Arm zeigte ein Rinnsal, das in die Wanne tropfte. Wo hatte er sich bloß diese Verletzung zu gezogen und warum kam er erst jetzt und nicht schon gestern damit zu mir? Ich biss mir auf die Unterlippe und nahm den Duschkopf, „Halt still, ja? Ich wasch es erstmal aus!“ Er nickte. Ich wusch die Wunde aus, klebte ein großes Pflaster auf den Zentimeter tiefen Schnitt, umwickelte anschließend seinen Arm mit dem Verband. Hiroshi sah mich lange an. „Fertig!“, sagte ich schließlich. „Danke!“, entgegnete er und gab mir einen schnellen Kuss auf die Wange. Ich wurde rot, „Bi…bitte!“, und stand zitternd auf, „We… wenn du hier fertig bist, dann… äh… rufst du mich bitte… und ach: ich gebe dir noch ein paar normale Sachen… ja!?“ „Ja!“, er schmunzelte fröhlich. Es dauerte nicht lange und er meldete sich bei mir: „Yuki?! Kommst du?“ Erst reagierte ich nicht, aber als er mich ein zweites Mal rief, besann ich mich, errötete und hüpfte die Treppe hinauf. Ich stellte mich nachdenklich vors Bad. Hiroshi riss die Tür auf, an die ich mich gerade lehnte, wodurch ich mein Gleichgewicht verlor und stürzte, nicht wie erwartet auf harte Fliesen, sondern in starke Arme. Hiroshi hatte mich aufgefangen und sah mich abermals lange an. Ungewollt errötete ich, als er mich noch ein Stück anhob und küsste. Plötzlich durchströmte mich eine wohltuende Wärme und ich spürte eine vertraute Kraft in mir aufsteigen. Wir verharrten nur für einige Sekunden in dieser Position, bis ich ihn von mir stieß und die Sachen, die ich auch während des Kusses fest im Griff gehabt hatte, auf den Boden warf. Ich stürmte aus dem Bad, verstand gar nichts mehr. Eigentlich kannte ich ihn doch gar nicht – ihn, der sich Soldat nannte und behauptete, aus einer anderen Dimension zu stammen… Kapitel 2: Shounen-Ai! - Jungen-Liebe? -------------------------------------- Meine Augen fielen zu. Der freiwillige Samstagsunterricht für den ich mich in Mathe und Japanisch eingeschrieben hatte, war wie immer sterbenslangweilig. Kasai-sensei stand vor der halben Klasse und langweilte uns mit Rechtschreibung und Grammatik. Ich gähnte. Mein Banknachbar stieß mich grinsend an, als die Klasse unruhig wurde und ihre Aufmerksamkeit nicht länger dem Lehrer galt, sondern einem Jungen, der ein großes Blatt mit der Aufschrift: „ICH MUSS MIT DIR REDEN, YUKI! ~Hiroshi~“, an das Fenster presste. „WAS?“, erschrocken sprang ich auf, worauf sich alle zu mir umwandten. Ich hatte Hiroshi trotz des Ereignisses vom Morgen die Erlaubnis erteilt bei mir zu Hause bleiben zu dürfen. Die Schüler kicherten und der Lehrer schlug mit der Faust auf den Tisch, „Auch wenn dieser Unterricht freiwillig ist, erhoffe ich mir von den Anwesenden wenigstens ein bisschen Aufmerksamkeit!“ „Ich – äh… bin gleich wieder da!“, rief ich rasch und rannte nach draußen. Der Lehrer brüllte mir wütend nach, ich solle auf meinem platz bleiben. Ich ignorierte ihn. Hiroshi wartete an der großen Zeder auf dem Hof auf mich. „Was gibt’s?“, fragte ich ungeduldig, „Ich habe Unterricht, also mach’s kurz!“ Er räusperte sich ernst und meinte: „Ich habe eine Spur!“ „Ja…?“, hakte ich nach. „Von der Prinzessin. Ich denke sie ist innerhalb der nächsten zwei Quadratkilometer, wie man die Einheiten hier nennt…“ „Und weiter? Was soll ich damit?“ „Ich dachte du hilfst mir vielleicht beim Suchen?“ „WAS?“ „Äh…“ „Ich hatte gehofft, du würdest mich ab jetzt in Ruhe lassen! Ich habe mit all dem nichts zu tun und…“, ich drehte mich von ihm weg, „…schwul bin ich auch nicht!“ „Auch wenn ich dich jetzt nicht so ganz verstehe…“, Hiroshi trat an mich heran, „… aber mir wurde mitgeteilt, dass ich auf deine Hilfe angewiesen bin!“ „Wie meinst du das: dir wurde mitgeteilt, du seiest auf meine Hilfe angewiesen!?“ Hiroshi hob seinen Degen an, den er partout nicht hatte ablegen wollen, und überreichte ihn mir, „Die Königin hat dich zu meinem neuen Herren auserwählt und den Beschützer der Prinzessin…“, er ging vor mir auf die Knie, nahm meine Hand und küsste sie. Ich errötete und zog sie ihm schnell wieder weg. „Mein Herr, Ihr werdet die Prinzessin mit Eurem Leben schützen und ich das Eure mit dem meinigen!“, er senkte seinen Kopf. „Bitte lehnt nicht ab!“ Ich starrte ihn eine Weile an, dann fiel mein Blick auf das Schulgebäude und meine Mitschüler, die ihre Gesichter neugierig an die Scheiben pressten. Erschrocken zuckte ich zusammen, als sich Hiroshi erneut zu Wort meldete und mir mitteilte, er erwarte eine Antwort. „J… Jetzt gleich?“, stotterte ich und wechselte einige Blicke zwischen meiner Klasse und dem noch immer vor mir knienden Hiroshi. Er nickte, „Ja, wenn es Euch möglich ist, wäre das das Beste!“ „Äh…“, ich stockte, „Also gut, ich helfe dir!“, eigentlich wollte ich bloß vermeiden, dass meine Klassenkameraden was Falsches von mir dachten, so wie Hiroshi vor mir niederkniete… „Aber steh jetzt endlich auf!“, brüllte ich ihn an. „Wie Ihr wünscht!“, er erhob sich, verbeugte sich kurz und sah mich aus dunklen fragenden Augen an. Wie er so dastand, sich unsere Blicke trafen, kam mir die Erinnerung vom vorangegangenen Tage wieder hoch. Unwillkürlich errötete ich und wandte mich rasch von ihm ab. Doch er verstand nicht, wie unsicher ich mich fühlte. Ob er es wirklich nicht begriff, weil er es nicht erkannte, oder nicht wollte, konnte ich in diesem Moment nicht sagen, denn er trat an mich heran und schaute mich irritiert an. „Ich glaube du solltest echt langsam nach Hause gehen!“, sagte ich rasch, versuchte mir meine Verlegenheit nicht anmerken zu lassen. Er nickte bloß, verbeugte sich erneut und verschwand vom Campus. Zurück in der Klasse wurde ich mit fragenden Blicken gelöchert. Für den Rest der Stunde wurde ich nur angestarrte, fast so als sei ich ein neu entdecktes Tier im Zoo. Am liebsten wäre ich in den Boden versunken, doch mein Banknachbar klopfte mir bloß auf die Schulter und meinte lächelnd: „Lass dich bloß nicht von denen unterkriegen! Die verstehen dich eben nicht!“ Verwirrt sah ich ihn an, versuchte aus seinen braunen Augen irgendeine Antwort zu lesen, warum er als Einziger hinter mir stand. Doch seine Gedanken blieben mir verschlossen. Ich musste mich wohl damit abfinden, dass er alles indirekt, verschlüsselt und auf alle Fälle für anderen unverständlich von sich gab. „Ich wollte nachher ins ‚Kokoro’ gehen! Kommst du mit?“ Stumm starrte ich ihn an. Was versprach er sich davon? Das ‚Kokoro’ war ein kleines, aber feines und dementsprechend teures Cafe, nur ein paar Straßen unseres Schulgebäudes entfernt. „Ich lad dich auch ein!“ Ich nickte bestätigend. Er lächelte und richtete flink seinen Blick zurück in Richtung Tafel. Für einen Moment hätte ich schwören können, leichte Röte auf seinen Wangen gesehen zu haben. Doch rasch schüttelte ich diesen widersinnigen Gedanken ab. Warum sollte Shirasawa wegen so einer Kleinigkeit rot werden, schließlich hatte er eine Freundin und eine süße noch dazu. Dass ich aber überhaupt auf die Idee kam, er sei meinetwegen errötet, verschlug mir selbst die Sprache. Worüber dachte ich in letzter Zeit bloß nach? Alles lag doch nur an Hiroshi. Ich musste diesen Typen endlich loswerden. Die letzten Minuten des Unterrichts ließ ich desinteressiert an mir vorüber rauschen. Das Cafe war weitgehend leer. Die Tische um uns herum waren unbesetzt und Shirasawa saß mir gegenüber. Gerade brachte uns eine Kellnerin die Speisekarten, als ich mich ein eigenartiges Gefühl erfasste. Erschrocken zuckte ich zusammen. Unwillkürlich griff ich mir an die Brust und versuchte das Stechen zu unterdrücken. „Was ist los? Geht’s dir gut?“, Shirasawa sah mich besorgt an. „Mh“, stimmte ich zu und rang mir ein Lächeln ab. Doch ein viel intensiveres Stechen ließ mich erneut zusammenfahren. „Gnh“ „Takada-kun!“, Shirasawa sprang auf, „Was ist los?“ Ich konnte nicht antworten, der Schmerz in meiner Brust wurde immer stärker. Ächzend fiel ich vornüber auf die Tischplatte. Meine Umgebung verschwamm immer mehr, bis ich nur noch dunkle Schatten ausmachen konnte. Eine Gestalt stürmte auf mich zu, riss mich von dem Stuhl und legte mich vorsichtig auf den Boden. Jemand nahm meine Hand in die Seine und drückte sie fest zusammen. Auch die Geräusche, die entsetzten Schreie um mich herum verloren sich immer weiter in die Ferne, nur ein einzelner Laut drang an meine Ohren, wurde lauter, verständlicher. Er rief meinen Namen. Immer wieder rief er meinen Namen, bis auch dieser Schall verstummte. Ich wollte das nicht, wollte nicht allein gelassen werden und brachte unter stockender Anstrengung ein schwaches „Nein!“ hervor. Die Schmerzen waren unerträglich, doch die Hand ließ mich nicht los. Ich konnte einen dunklen Schatten ausmachen, der näher kam, sich über mich beugte. Als er mit seinen Lippen, die meinen berührte, erfüllte mich wieder dieses fremde aber irgendwie doch bekannte Gefühl und meine Umgebung begann sich zu schärfen. Der Kuss dauerte an, ich gewann mein Bewusstsein vollständig zurück und das Gesicht vor mir wurde deutlicher. „Yuki!?“ Ich blickte mich noch etwas unsicher um, zwinkerte ein paar Mal und setzte mich auf. Nun schmerzte mein Kopf. Jemand strich mir eine Strähne aus dem Gesicht und fühlte meine Stirn, „Gott sei Dank, du bist wieder bei dir! Du hast nur etwas Fieber. Am Besten ist es, ich bringe dich nach Hause!“ Fragend starrte ich ihn an, „Hi – ro – shi…!?“ Er nickte lächelnd, legte meinen Arm um seinen Hals und hob mich hoch, „Ab ins Bett mit dir!“ Erst wusste ich nicht recht, wie ich reagieren sollte, doch wie er mich so ansah, konnte ich nicht anders, als mich an ihn lehnen und erleichtert lächeln. „Hey!“, Shirasawa hielt Hiroshi am Arm fest, „Was soll das?“ „Ich bringe Yuki nach Hause, ins Bett! Da wo er hin gehört, natürlich!“, Hiroshi blieb gelassen und setzte seinen Weg fort. Ich zuckte nur mit den Schultern und rief meinem Kumpel noch rasch zu: „Vielen Dank – deine Einladung war nett gemeint, aber beim nächsten Mal solltest du Rin-chan mitnehmen!“ Er seufzte nur und ließ enttäuscht seine Schultern sinken, „Vielleicht“ Verwirrt sah ich ihm nach, bis Hiroshi mit mir sich so weit entfernt hatte, dass ich die anderen nicht mehr erkennen konnte. Erst jetzt begann ich das gerade Geschehene zu realisieren. Verlegen schaute ich zur Seite, „Du, Hiroshi-kun…“ „Mh?“, er lief unverändert weiter. „…wieso?“ „Wieso… was?“ „Wieso bist du plötzlich hier gewesen, ich meine…“, ich errötete, „…wieso hast du mich geküsst?“ Auch wenn seine schwarzen Haare durch den Wind in sein Gesicht wehten und es größtenteils verdeckten, konnte ich doch leichte Röte auf seinen Wangen erkennen. Unwillkürlich musste ich lächeln. „Es ist meine Pflicht, Euch zu beschützen!“ Ich starrte ihn an, biss die Zähne zusammen und schmiegte mich stärker an ihn, „Lass das!“ „W – Was?“, stotterte er. „Ich will nicht, dass du so etwas sagst, wie ‚Euch’ ‚Ihr’ oder so… Du sollst ganz normal mit mir reden, wie alle anderen auch!“ „Aber…“ „Kein Aber!“, warnte ich scharf, lachte als er niedergeschlagen seine Zustimmung gab, „Du bist ein komischer Kerl! Aber ich mag dich!“ Kapitel 3: Kisu shite! Küss mich! --------------------------------- Sogleich nachdem mich Hiroshi auf mein Bett niedergelassen hatte, fiel ich in tiefen und fiebrigen Schlaf. Ich merkte nicht, dass er die ganze Zeit an meiner Seite saß, dass er auch die Nacht hindurch neben mir wartete. Erst als ich am folgenden Morgen durch die hellen Strahlen der Sonne geweckt wurde, gewahrte ich dies. Blinzeln kroch ich unter der Bettdecke hervor, gähnte. Dann fiel mein Blick auf Hiroshi, der an meiner Seite eingeschlafen war, seinen Kopf auf die Arme gelegt und leise atmete. Ich lächelte und stand auf ohne ihn zu wecken. Müde aber auch außergewöhnlich erfrischt, schlüpfte ich aus meinem Zimmer und ins Bad. Das kalte Wasser vertrieb auch den letzten Rest Müdigkeit aus meinem Körper. Eben wollte ich zurück in mein Zimmer gehen, als ich erschrocken stehen blieb. Eine Augenbrauen wölbende Schwester, Hände in die Seite gestützt, hatte sich mir in den Weg gestellt. Sie räusperte sich verächtlich und deutete mit einem zweifelnden Blick in Richtung Tür. „Was hat DAS zu bedeuten?“, fragte sie scharf, ich konnte ihren Ärger förmlich riechen, so nah war sie mir gekommen. „Was meinst du?“, nichts ahnend schob ich sie bei Seite und ging zurück in mein Zimmer. „Das weißt du doch wohl besser als ich!?“ Für einen kurzen Moment verharrte ich an Ort und Stelle, sammelte meine Gedanken und wandte mich dann ihr wieder zu, „Ach, du meinst Hiroshi!?“ „Ach, Hiroshi ist sein Name?!“ „Na und… Er ist ein Kumpel von mir! Ich verstehe dein Problem nicht, Yuuka-chan!“ Verärgert zog sie mich aus dem Raum und in ihr Zimmer. Warnend hob sie ihren Zeigefinger, „Versuch mich nicht zu verarschen! Ich habe ihn hier noch nie gesehen und vor allem, warum ist er schon so früh am Morgen hier, sitzt an deinem Bett und hält Händchen mit dir…!“ „Eh?“, verwirrt starrte ich sie an, „H-Händchenhalten? Das ist mir neu!“ „Tatsächlich?“, sie verschränkte ihre Arme vor der Brust, „Als ich heute um Vier nach Hause gekommen bin, habe ich kurz bei dir vorbei geschaut und was musste ich sehen? Ein mir vollkommen unbekannter Typ sitzt an deinem Bett und hält HÄNDCHEN mit DIR!“ Ich zwang mir ein Lächeln ab, kratzte mich verlegen am Hinterkopf, „Warum er noch hier ist, ist schnell erklärt, ich bin wegen Fieber in der Stadt zusammen gebrochen, er hat mich nach Hause gebracht und wollte mich wohl nicht ohne Aufsicht lassen. Schließlich warst du auch nicht da!“, die volle Geschichte würde sie eh nicht glauben. Yuuka überlegte, ließ sich dazu auf ihre Couch fallen, nahm ein Kissen und drückte es an sich, „Ich dachte schon sonst was…“ Ich sah sie nur an. „Tut mir Leid…“, flüsterte sie. „Ist schon in Ordnung“ „Ich wollte nicht behaupten, dass du auf Männer stehst…“ „Ach, I wo…“, doch da blitzten die Ereignisse vom vorangegangen Tage wieder in mir auf. Unwillkürlich errötete ich und sprang auf, „Äh… i-ich muss dann mal…“ Meine Schwester legte ihren Kopf schief, atmete schwer auf und nickte. „Ach ja“, ich wandte mich noch einmal rasch zu ihr um, „warum bist du eigentlich schon so früh wieder gekommen?“ „Was?“ Ich seufzte, „Wenn du ein Problem hast… du weißt dass du jeder Zeit zu mir kommen kannst!“ Sie lächelte und winkte ab, nickte erneut. Ich wollte noch etwas sagen, hielt jedoch inne und verließ ihr Zimmer. Auch wenn ich genau wusste, dass sie gleich mit Weinen anfangen würde, kehrte ich nicht zu ihr zurück. Wenn sie meine Hilfe nicht wollte, dann war es vielleicht besser so. Nachdenklich schlich ich zurück in mein Zimmer, Hiroshi lag noch immer an meinem Bett und schlief. Ich setzte mich neben ihn und beobachtete ihn. Sein schwarzes Haar fiel ihm ungekämmt ins Gesicht und verbarg seine tiefen dunklen Augen. Erst jetzt fiel mir sein Kopftuch auf, es stach kaum hervor, da es perfekt mit der Farbe seines Haars harmonierte. Mir fröstelte und erst jetzt gewahrte ich, dass ich lediglich noch meine Hose trug. Alle Sachen aufwärts, lagen über den Stuhl am Schreibtisch gehangen zum Trocknen. Ich muss durch das Fieber wahnsinnig geschwitzt haben. Nur wusste ich nicht, wann und vor allem wer mir die Klamotten ausgezogen hatte. Da Yuuka nicht von meinem Schwächeanfall gewusste hatte, konnte ich sie mit Sicherheit ausschließen, also blieb nur noch Hiroshi übrig. Ich spürte wie mir die Röte ins Gesicht trat, auch wenn ich es mir nicht so Recht selbst eingestehen wollte. Was brachte mich bloß in seiner Nähe so in Verlegenheit? Wir waren doch beide Jungen…! Verunsichert lief ich in meinem Zimmer auf und ab, dann fiel mein Blick zurück auf Hiroshi. Er hatte sich im Schlaf bewegt. Nun wurde sein Gesicht von der warmen Sonne angestrahlt. Doch das schien ihn nicht zu behindern. Lächelnd legte ich meinen Kopf neben den seinen auf die Bettdecke. Ich strich ihm eine Strähne aus dem Gesicht, darunter kam eine schmale Narbe zum Vorschein. Überrascht fuhr ich mit dem Finger darüber hinweg. Sie war noch nicht ganz verheilt. Ich seufzte. Verwundert über mich selbst, zuckte ich zurück. Was tat ich da eigentlich? Ich musste es mir immer wieder ins Gedächtnis rufen: Er war eigentlich ein Fremder, wahrscheinlich ein Hochstapler ein Lügner, Betrüger und … noch dazu ein Junge, genau wie ich… Also warum hatte ich dann diese Gefühle in seiner Nähe? Warum wurde ich nervös? Warum begann mein Herz so zu rasen? Ich erinnerte mich an das, was mir Yuuka gesagt hatte: Hiroshi hatte die ganze Zeit über meine Hand gehalten? Erschrocken fuhr ich zusammen, als mein Puls anfing mir in doppelter Geschwindigkeit bis zum Hals zu schlagen. Dann landete mein Blick erneut auf Hiroshi. Ich wusste nicht was mich in diesem Moment dazubewegte, ihn küssen zu wollen. Aber kurz bevor meine Lippen die Seinen berührten, schlug er seine Augen auf und starrte mich erstaunt und beirrt zugleich an. Ich stieß zurück, lief rot an und versuchte mich rauszureden, doch so wie das aus mir heraussprudelte, konnte er mich kaum ernst genommen haben. Jedenfalls veränderte sich sein erst so erschrockener Blick zu einem Grinsen, bis er in leises aber freundliches Lachen fiel. „Ihr seid…“ Ich strafte ihn mit einem warnenden Blick, schaute dann verlegen zur Seite. „Äh“, stotterte Hiroshi und fuhr sich unsicher mit der Hand durchs Haar, „tja – du bist wirklich etwas Besonderes!“ „Wie?“, ich starrte ihn verdattert an. „Du wolltest mich doch küssen, oder nicht?“, jetzt kam er mir gefährlich nahe, unsere Nasen mochten nicht mehr als zehn Zentimeter voneinander entfernt sein. Seine Stimme war selbstbewusst und aufreißerisch. „Äh“, ich wusste nicht wie ich antworten sollte, denn er hatte ohne Frage Recht. Doch wollte ich es auch noch jetzt, oder hatte ich mich vorhin einfach nur dazu verleiten lassen, weil der Moment so danach verlangt hatte? Ich wusste nicht was ich wollte. Er dagegen schon. Seine dunklen Augen ließen die meinen nicht los, sie hatten mich in ihren Bann gezogen. Ich konnte mich nicht entscheiden. Irgendwie schien er es mir angesehen zu haben, denn er nahm mich nur in seine Arme. „Mach dir nichts vor, aber werde dir sicher hinsichtlich deiner Gefühle!“ „Tut mir Leid!“, flüsterte ich und hielt mich an ihm fest. Plötzlich schlug die Tür auf und Yuuka kam hereingestürzt. Erschrocken starrte sie uns an, unwillkürlich stieß ich Hiroshi von mir weg und sprang auf, versuchte uns zu erklären. Doch sie hörte nicht hin, sondern fiel mir geradewegs in die Arme. Verblüfft fiel ich zurück aufs Bett. „Was ist denn passiert?“, fragte ich. Yuuka hörte nicht auf zu Weinen und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Ich nahm sie fest in die Arme, versuchte tröstend auf sie einzureden. Sie setzte mehrfach an etwas zu sagen, aber vor lauter Schluchzen kam nichts Verständliches bei mir an. „Ganz ruhig… Wein dich erst einmal richtig aus, dann kannst du mir erzählen was passiert ist!“, flüsterte ich sanft. Sie nickte bloß. Hiroshi beobachtete uns eine Weile, ehe er sich enttäuschten Blickes erhob. Ich sah ihn an, begriff was er denken musste und rief rasch: „Warte!“ Er drehte sich fragend um. „Yuuka ist meine zwei Minuten jüngere Schwester…“ Sie war so mit Weinen beschäftigt, dass sie alles um sich herum gar nicht wahrzunehmen schien. „Deine Schwester!?“, ein Lächeln breitete sich auf Hiroshis Lippen aus. Er setzte sich neben mich und Yuuka aufs Bett, lehnte sich zurück und seufzte erfreut, „Du wolltest nicht, dass ich was Falsches denke, nicht wahr? Hast du dir echt Sorgen gemacht, mich zu verlieren?“, er schaute mich aus den Augenwinkeln an. Ich schwieg verlegen, starrte auf meine Schwester. Langsam begann sich Yuuka zu beruhigen. Schließlich war sie auch in der Lage mir zu berichten was vorgefallen war. Wir hörten aufmerksam zu. Am Ende kam heraus, dass sie schwanger war, von ihrem Freund mit dem sie nun seit neun Monaten zusammen war. Ich sagte ihr, dass sie zu erst mit ihm darüber reden sollte und mit unseren Eltern, sobald sie zurück sein würden. Auch einen Arzttermin organisierte ich ihr. Am Ende des Gespräches war sie wieder ganz die Alte und lächelte erleichtert, „Du bist echt der beste Bruder den man sich wünschen kann, Onee-chan!“ „Danke!“, ich schmunzelte. Doch dann fiel ihr Augenmerk auf Hiroshi, „Sag mir nicht, er wäre nicht dein Lover!“ „WAS?“, entfuhr es mir. Hiroshi legte nur seinen Kopf schief und fragte unberührt: „Was ist ein ‚Lawer’?“ Wir starrten ihn verwirrt an. „Sag bloß, das weißt du nicht!?“, hakte Yuuka nach. Er nickte bloß. „Nee, oder?“, meine Schwester ließ die Schultern sinken. „Er ist nicht von hier!“, fuhr ich schnell dazwischen, „Hiroshi kennt einige Ausdrücke nicht!“ Sie sah mich an, hob eine Augenbraue und stieß Luft durch die Zähne hindurch, dass es einen leisen Pfeifton ergab, „’Hiroshi’?! Ihr redet euch schon mit Vornamen an!?“ „Ah“, das war das erste Mal, dass es mir dermaßen ins Auge sprang. Dass er Yuki zu mir sagte, hatte mich zwar schon die ganze Zeit irritiert, aber dass ich ihn ohne Vorbehalt Hiroshi nannte, empfand ich als normal, „Es ist nicht so wie du denkst!“ Sie winkte nur ab und verließ schelmisch grinsend mein Zimmer. Ich seufzte und ließ mich mit geschlossenen Augen stöhnend auf mein Bett zurückfallen. Hiroshi sah mich nachdenklich an, legte sich schließlich neben mich, den Kopf auf den Armen ruhend. Er betrachtet die Decke. Ich beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. „Yuki?!“, er drehte sich zu mir um und stützte sich auf seinem rechten Ellenbogen ab. „Mh?“, ich wandte mich ihm nicht zu, aus Angst. Mein Herz fing schon wieder wie wild an zu Pochen. Ich hatte Angst wieder urplötzlich von dem Verlangen überfallen zu werden, ihn küssen zu wollen. Das wollte ich möglichst vermeiden. Aber warum hatte ich solche Angst davor, meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen? „Yuki, interessiert dich eigentlich meine Heimat?“ Verwirrt drehte ich mich zu ihm um, „Wie… wie kommst du denn plötzlich darauf?“ Hiroshi sah mich nachdenklich an, dann strich er mir sanft über die Wange, streichelte eine zu lange Strähne und flüsterte: „Es wäre vielleicht ganz angebracht… Schließlich willst du mir doch helfen, die Prinzessin zu finden, oder?“ Stumm saß ich neben ihm, musste mich anstrengen keine Emotionen zu zeigen. „Weißt du, ich frage mich, warum du immer wieder deine Gefühle leugnest…“, er lächelte, „Vor allem wenn andere Leute dabei sind“, seine Augen verengten sich. Wieso fragte er das? War es ihm denn nicht klar? War es denn nicht logisch?“ „Das fragst du noch?“, brüllte ich, unterbrach mich dann selbst, als ich Hiroshis erschrockenen Blick vor mir sah, drehte mich um, „Ich… ich…“, ich drehte mich abrupt wieder zu ihm um, „Ich bin doch nicht schwul!“, stieß ich laut aus. Er starrte mich mit hochgezogener Augenbraue an, „Sch…schwul?“ „Sag nicht, dass du das auch nicht kennst!?“ Hiroshi schüttelte wild mit dem Kopf. Meine Schultern sanken enttäuscht, ich stöhnte, „Okay, hör zu – ich steh nicht auf Männer!“, ich errötete als ich kleinlaut anfügte, „eigentlich“ „Warum nicht?“ Ich kippte um, „Wa… warum nicht?“, wiederholte ich verwirrt und setzte noch hinzu, „Du bist ja einer – du bist echt nicht von hier, was?“ „Genau!“, stimmte er mir zu. Ich schloss seufzend meine Augen, versuchte an nichts zu denken, als Hiroshi mich plötzlich küsste. Erschrocken schlug ich die Augen auf und sah den anderen Jungen über mich gebeugt. Zu perplex irgendetwas zu unternehmen, ließ ich den Kuss über mich ergehen. Dann stieß ich Hiroshi von mir weg und rutschte ans andere Ende des Bettes. „Sa… sag mal… SPINNST DU?!“ Doch er legte bloß den Kopf schief und robbte auf mich zu. „Ha.. hast du mir gerade denn nicht zugehört? Ich sagte doch ich…“, Hiroshi schob seinen Kopf zu mir, „…steh nicht auf Männer…“ und küsste mich. „’Eigentlich’“, wiederholte er meine Worte, er küsste mich erneut. Nie hatte ich mich jemals in der Lage dazu gesehen einen Mann auch nur eine Umarmung zu geben, geschweige denn einen so leidenschaftlichen Kuss. Kapitel 4: Daisuki!? - Ich liebe dich!? --------------------------------------- 4 Daisuki!? Ich liebe dich!? Schweiß bildete sich auf meiner Stirn, mein Herz raste, ich bekam kaum Luft. Erschrocken stieß ich Hiroshi von mir. Er starrte mich verwirrt an. Ich wusste nicht was über mich gekommen war, dass ich mich von ihm hatte küssen lassen. Stumm wandte ich meinen Blick von ihm ab und stand auf. Hiroshi sah mir sprachlos hinterher, während ich mich auf die Lehne eines Stuhls stützte. Ich fasste mir stöhnend an die Stirn. Mein Herz klopfte noch immer wie wild, machte mir Angst. Ich spürte wie mir die Röte ins Gesicht trat, als mich Hiroshi von hinten umarmte, sich an mich schmiegte. Erneut schubste ich ihn von mir. Aber diesmal trat er lediglich einen Schritt zurück, um nicht sein Gleichgewicht zu verlieren. Dann kam er wieder auf mich zu, ich hörte deutlich, wie mein Puls rauschte, mein Blut anfing zu kochen und meinen ganzen Körper erhitzte. Hiroshi nahm mich nun richtig in seine starken Arme, ich konnte seine Muskeln spüren, und drückte mich fest an sich. Dann flüsterte er mir etwas ins Ohr. Ich errötete und drehte meinen Kopf zur Seite, doch das störte ihn wenig. Ich hörte sein ruhiges Atmen neben meinem Ohr, seine Worte, die mir schier unbegreiflich schienen. „Wie kannst du so etwas sagen?“, brüllte ich ihn an, als ich ihn ruckartig von mir schob. Er starrte mich wie versteinert an. Begriff er wirklich nicht, oder wollte er es nur nicht? Ich sah ihn voller Angst, oder war es Enttäuschung, an. „Ich… ich bin ein Mann… genau wie du!“, rief ich verzweifelt, „Wir können doch nicht…“ „Wieso nicht?“, er sah mich ernst an, „Weil die anderen das sagen?“ Ich hob meinen Blick. Seine Augen waren kalt, traurig, ernsthaft. Er meinte, was er sagte. „Du musst dein eigenes Leben leben, nicht das der anderen!“ Ich wusste er hatte Recht. Aber ich wollte, ich konnte es nicht akzeptieren. „Wieso darf ich dich nicht lieben?“, sein Blick wurde zärtlich, traurig und eindringlich. So sehr ich es auch versuchte abzustreiten, ich konnte mich nicht meinen Gefühlen entziehen. Hiroshi hatte mich längst in seinen Bann gezogen und ich konnte nichts dagegen tun. Er hielt meine Hand, während er mich erneut küsste. Ich musste es einsehen. So wenig wir uns auch kannten, so wenig wir auch von einander wussten, umso mehr Fragen sich mir stellten, desto mehr fühlte ich mich zu ihm hin gezogen. Plötzlich schlug die Tür auf und Yuuka kam herein gestürzt. Sie blieb wie angewurzelt stehen, als sie uns sah. Erschrocken drehte sie sich auf dem Fuße um und verließ mein Zimmer wieder. Wir schauten ihr nur verdutzt nach, bis sich die Tür wieder geschlossen hatte. Dann nahm mich Hiroshi erneut in seine Arme und wisperte mir die Worte ins Ohr, die ich immer hören wollte, aber nicht von ihm. Nein, von keinem Mann auf der Welt. Aber wenn ich mich hätte entscheiden müssen, dann wäre meine Wahl wohl doch auf Hiroshi gefallen, denn so sehr es mir auch widerstrebte, ich hatte Gefühle für ihn. Gefühle die nicht hätten sein dürfen, nicht hier und nicht jetzt. Ich erwachte aus meinen Gedanken, als Hiroshi mich küssend in Richtung Bett schob. Darauf war ich nicht gefasst gewesen. Verwirrt sah ich den anderen Jungen an, dessen dunkle Augen rein gar nichts über ihn verrieten, dessen Haar so schwarz wie die Nacht war und weich wie ein Federkissen. Ich schloss meine Augen. Doch als ich von Hiroshi aufs Bett gehoben wurde und er mich küssend auf diesem niederlegte, bekam ich es mit der Angst zu tun. Verstört starrte ich ihn an, stieß ihn zur Seite und rannte aus meinem Zimmer. Ich fühlte wie mein Herz immer schneller schlug, mein Atem rasselte. Die metallene Wand im Flur gab mir Abkühlung. Ich schwitze ungeheuerlich. Schritte kamen auf mich zu. Yuuka trat um die Ecke, sah mich mit vor der Brust verschränkten Armen an. „Was ist denn jetzt passiert?“, ihr sarkastischer Unterton war nicht zu überhören, „Hast du Bammel gekriegt, oder wie?“ Ich blickte verlegen zur Seite. „Okay. Was es auch ist, ich höre dir zu, aber komm erst einmal mit!“, sie zog mich am Arm in ihr Zimmer, wo wir uns auf den Boden setzten, „Nun…?“ Ich schwieg. „Sagtest du nicht vorhin noch, ihr hättet eine rein freundschaftliche Beziehung?“ Ich schwieg noch immer, sah betreten zu Boden. „Ich hätte echt nicht erwartet, dass mein Bruder schwul ist, aber nun sollte er dazu stehen… oder hat er dich geküsst?“, sie beugte sich zu mir. Mein Schweigen dauerte an. „Sprich mit mir!“, mahnte sie ungeduldig, „Wie soll ich dir denn helfen, wenn ich gar nicht weiß, um was es überhaupt geht!?“ „Das… das musst du nicht. Ich komm ganz gut alleine klar!“, sagte ich leise. „Ne du. Das glaub ich dir nicht!“, sie stupste mich an der Nasenspitze an, „Ich wette er wollte mehr als nur Küssen!“ Ich fuhr erschrocken auf, schnappte nach Luft. Sie zwinkerte mir lächelnd zu. „Ist doch normal… tja, die Frage ist nun nur, ob du schwul werden willst, oder nicht!“ „Wie meinst du das?“, ich wusste genau was sie meinte, doch ich wollte es genau wissen. „Liebst du ihn?“ „Eh?“, verwirrt starrte ich sie an, „Wie… wie kommst du denn jetzt plötzlich darauf?!“ Sie zuckte mit den Schultern, „Das ist doch wohl klar. Wenn du ihn wirklich liebst, dann ist es doch kein Problem für dich schwul zu sein, oder?“ „Also ich weiß nicht…“ „Du bist dir bei deinen Gefühlen noch nicht so sicher. Das versteh ich voll und Ganz. Am Anfang ging es mir ganz genauso mit Ryo-kun!“, sie lächelte, „Ehe ich es merkte, hatte ich mich Hals über Kopf in ihn verliebt“ Yuuka sah mich erwartungsvoll an. „Ich…“, ich lief rot an. „Wenn du sogar zu schüchtern bist, mir – deiner Schwester – ehrlich über deine Gefühle zu berichten, wie willst du ihm dann deine Liebe gestehen?“ „Ich habe gar nicht gesagt, dass ich Hiroshi liebe!“, entfuhr es mir. „Mh…“, sie überlegte und grinste, „Das erste Mal das sein Name fällt. Ich muss bemerken, dass du ihn lediglich Hiroshi nennst – beim Vornamen…“ „Na und!“, rief ich aufgebracht, „Was ist so schlimm daran?“ „Du bist so was von feige. Ich sehe es dir an der Nasenspitze an, dass du bis über beide Ohren in ihn verliebt bist!“ „Wi… wirklich?“, stotterte ich, begriff in diesem Moment gar nicht, dass es einem Geständnis gleichkam. Meine Schwester grinste erneut, klopfte mir auf die Schulter und meinte schließlich: „Auch wenn ich nicht gerade glücklich darüber wäre, wenn mein Bruder sich als homo entpuppen würde, so kann ich nichts daran ändern!“, sie lächelte, „Es liegt nun mal einzig und allein bei dir!“ Ich sah sie stumm an. Munter erhob sie sich, zog mich auf die Beine und stieß mich aus ihrem Zimmer, „Und jetzt spreche dich erst einmal ordentlich mit ‚Hiroshi’ aus!“, zwinkernd schloss sie die Tür vor meiner Nase. Stöhnend lehnte ich mich an die Wand und schloss meine Augen. Was sollte ich bloß tun? Für sie mochte das alles so einfach klingen, aber für mich war es alles andere als leicht. Ich wusste weder was ich für Hiroshi empfand, noch konnte ich zu meinen Gefühlen stehen. Plötzlich trat Hiroshi um die Ecke, sah mich, kam auf mich zu und packte mich am Arm. Er zog mich zurück in mein Zimmer. Dort zwang er mich, mich aufs Bett zu setzen. Er selbst blieb stehen. Sein Blick wanderte unruhig von einer Ecke des Raumes in die nächste. Nicht ein einziges Mal ließ er ihn auf mir ruhen. „Ich weiß, dass ich dich total verwirrt habe und dass das alles sehr plötzlich kommt, aber ich rede nun mal nicht gerne um den heißen Brei herum.“, Hiroshi starrte mich an, „Ich liebe dich! Und mir ist egal was irgendwer denkt, oder was du über mich denkst. Auch wenn du meine Gefühle nicht erwidern solltest, so liebe ich dich doch und das wird sich auch nicht so einfach ändern!“ Ich schwieg unsicher. „Auch wenn wir uns erst so kurze Zeit kennen, so bedeutest du mir doch unheimlich viel und ich…“, Hiroshi rückte nun näher an mich heran, er stützte sich auf dem Bett ab, sein heißer Atem berührte meine Haut, „…ich kann nichts daran ändern…“, er sah mich eindringlich an, „…es tut mir Leid… ehrlich…“ Doch ich ließ ihn nicht weiter reden. Etwas in mir rührte sich, ich konnte nicht länger unbeweglich verharren, als interessiere mich all das nicht. Ich lächelte nicht, ich sagte nichts, ich nahm einfach seinen Kopf zwischen meine Hände und küsste ihn innig. Hiroshis Augen weiteten sich. Erschrocken starrte er mich an, als ich ihn wieder losließ. In diesem Moment wusste ich selbst nicht, warum ich das getan hatte, was mich dazu verleitet hatte. Aber eines wusste ich genau, ich hatte es gewollt, ich hatte ihn küssen wollen. Ich hatte den unmissverständlichen Drang verspürt ihn küssen zu wollen, seine Liebe zu erleben. Dabei wusste ich eigentlich gar nichts über ihn, weder sein Geburtsdatum, noch seine Lieblingsfarbe. Ja ich wusste nicht einmal warum er hier war, warum ich diese Gefühle für ihn entwickelt hatte. Hiroshi lehnte seinen Kopf an den meinen, „Ich liebe dich“ Unwillkürlich errötete ich, „Aber…“ „Auch wenn wir kaum etwas von einander wissen und die Königin mich ausdrücklich davor gewarnt hat mich in dieser Welt zu verlieben, da ich früher oder später in meine Welt zurückkehren muss“ „Ist… ist das wahr?“, wieso brachte mich das nun so durcheinander? Hatte ich mich, genau wie Yuuka mir schon gesagt hatte, denn wirklich in diesen Unbekannten verliebt? Warum nur? Was zog mich bloß so sehr in seinen Bann? Ich hob meinen Blick. „Ja, sobald ich die Prinzessin gefunden habe, muss ich in meine Welt zurückkehren. Verrückt nicht wahr…?“, er setzte sich mit angezogenen Beinen neben mich, „…da verliebe ich mich zum ersten Mal und dann noch in einer anderen Dimension“, er lächelte gezwungen. „Zum ersten Mal?“, ich traute meinen Ohren nicht. War das sein ernst? Hatte er denn keinerlei Zweifel? Schließlich war ich ein Mann, genau wie er und trotzdem… „Und trotzdem bist du ohne zu zögern auf mich zu gekommen und hast mir deine Liebe gestanden“ „Ja, verrückt, nicht wahr?“, eine Träne rollte ihm die Wange hinab, sie glitzerte im fahlen Schein der Nachttischlampe. Ich rückte näher an ihn heran, umarmte ihn und legte meinen Kopf auf seine Schulter, schmiegte mich an ihn. Seine dunklen Haare waren weich und streichelten meine Haut, „Eilt das mit dieser Prinzessin denn so sehr?“ Hiroshi wandte seinen Blick zu mir, berührte meinen Arm, „Meinst du das ernst? Du… du willst mit mir zusammen sein?“ Ich seufzte, schloss nachdenklich meine Augen, „Ich weiß es nicht… aber ich denke schon, denn ich…“ Er sah mich erwartungsfroh an. „…ich mag dich“, ich sah verlegen zur Seite. Hiroshi musste lachen, „Fällt dir das so schwer zu sagen?“ Ich drehte mich ihm wieder zu, „Und ob – nicht jeder bringt ein ‚ich liebe dich’ so leicht über die Lippen wie du!“ „Heißt das, du liebst mich?“, er strich mir sanft über die Wange. „Das… das habe ich nicht gesagt…“ „Aber gemeint“, er lächelte gutmütig, „werde dir sicher, dann sag mir, was du fühlst!?“ Ich nickte verwirrt, als sich Hiroshi aufrappelte und mein Zimmer verließ. Vermutlich wollte er das Bad aufsuchen. Die Tür öffnete sich langsam und Yuuka lugte durch den Spalt herein, „Nanu? Was sehen meine entzündeten Augen – nichts, ich bin enttäuscht“, sie lachte verschmitzt und setzte sich neben mich, „Was auch immer noch passiert, ob zwischen dir und Hiroshi oder irgendein anderer Kerl, oder gar ein Mädchen – ich werde dich immer unterstützen, großer Bruder!“ „Du willst doch irgendwas…!?“, knurrte ich. „Allerdings!“, sie grinste, „Ich wollte zu Ryo!“ Ich legte meinen Kopf schräg, „Ja und? Mach doch!“ „Mh. Aber Vater hat gerade angerufen, Mutter kommt schon heute Abend wieder. Er aber erst in einer Woche mit irgendjemandem im Schlepptau – er wollte mir noch nicht verraten: wer oder warum. Soll ’ne Überraschung werden!“ „Komm auf den Punkt!“, drängte ich ungeduldig. „Wie gesagt, kommt Mutter schon heute Abend und sieht es nicht gerne, wenn wir dann nicht beide da sind… würdest du mich entschuldigen!?“ „Ist das Alles?“ Sie nickte, „Ja, aber er würde es nicht akzeptieren, wenn ich mich von Sonntag zu Montag bei meinem Freund aufhalten würde…“ „Du bist bei einer Freundin“, sagte ich knapp. „Ja!“, rief sie freudig und gab mir ein Kuss auf die Wange, „Du bist der beste Bruder, den man sich vorstellen kann – ich bin also bei Kyra!“ Schulter zuckend nickte ich ihr zu und fuhr mir mit dem Ärmel über die Wange, „Das ist ja toll… aber umsonst ist nichts!“ Yuuka starrte mich verwirrt an, „Willst du etwa Geld dafür?“ „Quatsch, du sollst einfach nur nicht…“, ich stockte, „…äh“ „Ja?“, hakte sie nach. „Na ja, du weißt schon… diese Sache…“, stotterte ich. Ob sie es weil sie es wirklich nicht begriff, oder um mich zu Ärgern tat, wusste ich nicht, aber sie sah mich nur fragend an. „Erwähne ja nicht meine Beziehung zu Hiroshi!“, stieß ich verlegen aus. „Gebongt!“, sie kicherte und verließ mein Zimmer. Kapitel 5: Mitsuki - Vollmond ------------------------------- Der Tag verging sehr schnell. Hiroshi und ich hatten uns lange über seine Welt und meine Heimat unterhalten. Ehe wir uns versahen, war es auch schon Abend und Yuuka zu ihrem Freund verschwunden. Da entsann ich mich erst auf das was mir meine Schwester heute Morgen gesagt hatte. Ich hatte tatsächlich in all der Aufregung vergessen, dass meine Mutter heute kommen würde und noch wusste ich nicht, wie ich Hiroshis Anwesenheit erklären sollte. Doch da klingelte es schon. Zwar hatte ich Hiroshi deutlich gesagt, nie die Tür zu öffnen, aber dieses Mal stand ich unter der Dusche. „Hiroshi, geh’ doch schon mal bitte zur Tür!“, brüllte ich ihm aus dem Bad zu. „Wie du wünschst!“ „Ich komme gleich!“ Und so nahm das Unglück seinen Lauf. „Wer bist denn du?“, hörte ich meine Mutter, „Wo ist Yuki!?“ Ich stürmte los, und rannte fluchend zum Flur. „Er…“ „Ha… Hallo Mama!“, japste ich, „Du bist zurück?“ „Ja“, sagte sie leise, „darf ich mal fragen, was hier los ist?“ „Wie… wieso?“, ich sah sie irritiert an. „Das fragst du noch?“, sie musterte mich von oben bis unten, auch Hiroshi. Nur mit einem Handtuch bekleidet, noch nass vom Duschen, stand ich vor ihr. Selbst Hiroshi war noch nicht dazugekommen, sich anzuziehen. Lediglich trieften seine Haare nicht mehr so stark wie meine, sondern glänzten feucht. Feine Tropfen perlten über seine reine leicht gebräunte Haut. Er trug lediglich eine meiner alten Jeans. Hiroshi war wohl mein Blick aufgefallen und grinste frech, „Na, gefall ich dir so?“ „Wa…“, stotterte ich und lief rot an. Meine Mutter schloss die Tür hinter sich, stellte ihre Reisetaschen ab und holte einmal tief Luft. „Hast du mir nicht etwas zu sagen!?“, sagte sie ernst. „Ah, ja! Yuuka-chan ist bei Kyra-san!“, sagte ich schnell. Hiroshi schaute meine Mutter mit großen Augen an, „Ihr seid also Yukis Mutter!?“ Ihr Kopf schnellte zu ihm herum, „Was hast du gerade gesagt?“ „Ob Ihr seine Mutter seid!?“ „Ich hab dich schon verstanden. Aber ich habe dich bisher noch nie gesehen und…“, sie stockte, „Also… wieso nennst du Yuki beim Vornamen!?“ „Warum nicht? Er bestand darauf!“, Hiroshi grinste, „Nicht wahr, Yuki?“ Ich rang mir ein Lächeln ab, „Nicht ganz, aber es stört mich nicht mehr“ „Jetzt sag mir bitte, wer das ist, mein Sohn!“ „Soldat Hiroshi, Herrin!“ Sie starrte ihn nur an. „Ähm… also…“, stammelte ich. Deutlich spürte ich, wie mir die Röte ins Gesicht trat. „Er ist…“ „Ich bin Yukis Untergebener!“ „Untergebener?“ Ich lächelte gequält, „Na ja. So würde ich ihn nicht bezeichnen“ „Ach ja… ich weiß schon… ich bin dein Lawer, richtig!?“, Hiroshi sagte das so locker flockig daher, dass ich unwillkürlich stillschwieg. „Dein WAS?“, schrie meine Mutter aufgebracht und funkelte mich wütend an, „Sagte er gerade ‚Lover’?“ Unsicher druckste ich herum, „Na ja, eigentlich nicht… er hat das Wort nur aufgeschnappt, als ich mich mit Yuuka unterhalten habe!“ „Ach so, und ich hatte schon Angst mein Sohn wäre schwul“, sie atmete erleichtert auf, drehte sich dann lächelnd zu Hiroshi um und sagte freundlich, „Dann bist du ein neuer Freund von Yuki, richtig!? Ich bin Miwako Takada – Yukis Mami!“ „Sehr erfreut, Herrin!“, er verbeugte sich. „Lass das“, mahnte ich, „Und sag zu niemandem ‚Ihr’, wenn dann ‚Sie’! Okay?!“ „Ja“, er lächelte, „Aber wie soll ich deine Frau Mutter dann anreden?“ „Der ist aber förmlich! Das sieht man selten, heutzutage! Ein netter Junge! Wie alt bist du denn?“ „Ich bin…“ Erschrocken hielt ich ihm den Mund zu und flüsterte: „Sag nicht dein heimatliches Alter…“ „Ich weiß schon…“, wisperte er zurück. Daraufhin ließ ich von ihm ab, „Äh… tut mir Leid!“, ich kratzte mich verlegen am Hinterkopf. „Ich bin 19!“, sagte er ruhig. „Schon 19 und woher kennt ihr euch?“ „Sind wir hier bei einem Verhör oder was?“, schnauzte ich. „Na, du solltest so aber nicht mit deiner Mutter reden, Yuki!“, wurde ich von Hiroshi getadelt. „Also, ein wirklich sehr netter junger Mann! Ich mag deinen neuen Freund, Yuki! Aber nur noch eine Frage: was macht er noch so spät am Abend hier? Es ist Sonntag, muss er Morgen nicht arbeiten?“ Ich stockte, noch hatte ich mir keine Ausrede einfallen lassen, die Wahrheit konnte ich nicht sagen. Meine Mutter hätte mir eh nicht geglaubt, weder das eine, noch das andere. „Ich arbeite natürlich immer. Aber Euer Sohn war so freundlich mich hier mit wohnen zu lassen, da ich zurzeit, weder Geld noch ein Dach über dem Kopf besitze!“, wie konnte er darüber nur so lächelnd sprechen? „Ach so… Ein Untermieter also?“, sie klatschte in die Hände, „Du darfst sehr gerne solange hier bleiben, wie Zimmer frei sind, aber der Rest der Familie kommt bald wieder, dann haben wir leider keinen Platz mehr!“ „Mein Bett ist groß genug für uns Beide!“, rutschte es mir unwillkürlich heraus. Sie starrten mich an. „Au ja! Darf ich denn bei dir schlafen?“, Hiroshi warf sich mir um den Hals und strahlte. „Nur wenn du nicht so klammerst!“ „Sag mal, Yuki“, meine Mutter sah mich abschätzend an. „kann es sein, dass dein Freund schwul ist?“ „Was?“, entfuhr es mir. „Bist du schwul, Hiroshi-kun?“ Er schwieg, legte seinen Kopf auf meine Schulter und wandte sich nicht ihr zu. „Nein, ist er nicht“, sagte ich rasch und schob ihn lachend von mir, „Er ist einfach immer für einen Scherz zu haben!“ „Na, wie auch immer. Du scheinst ein netter Junge zu sein, sonst hätte Yuki dich ja nicht zum Freund…“, sprach meine Mutter ruhig weiter. Sie zwang sich ein Lächeln ab. „Mach dir keine Sorgen Mutter!“, sagte ich leise und klopfte ihr auf die Schulter, ehe sie in ihr Schlafzimmer verschwand. Mein Vater würde auch bald kommen, stellte ich stumm fest. Hiroshi legte seinen Kopf wieder auf meiner Schulter, ich nahm ihn schweigend in die Arme und seufzte. Wie sollte ich das alles nur meiner Familie erklären…? >Bist du schwul?<, diese Frage ging mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Zwar hatte meine Mutter sie Hiroshi und nicht mir gestellt, doch die Antwort war wohl meine gewesen. Irgendwie konnte ich es selber nicht so recht verstehen. Hiroshi hatte mich geküsst, mir seine Liebe gestanden und ich? Hatte ich es nicht regelrecht heraufbeschworen? Hätte ich seine Küsse nicht gewollt, hätte ich mich doch weigern können, doch irgendetwas war da. Ein Gefühl tief in mir drinnen, das mir die Brust zusammenschnürte und den Atem nahm. Mein Mund war trocken. Ich öffnete die Augen, sah mich tiefster Schwärze gegenüber. Es dauerte eine Weile, ehe sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten und doch blieb ich noch liegen. Ich lauschte der Stille und konnte das leise Zirpen der Grillen vernehmen, spürte einen leichten Windhauch der vom offenen Fenster herüberwehte. Es war heiß und Schweiß lief mir den Rücken hinab. Lange würde ich es nicht mehr aushalten. Ich setzte mich mit einem Ruck auf, sah mich um. Das fahle Licht des Vollmondes warf einen weißen Streifen auf den Boden. Ich konnte ein paar Staubteilchen im Lichtstrahl ausmachen, die vom Mond angeleuchtet wie Schneeflocken auf und nieder tanzten. Eine Weile beobachtete ich das Schauspiel. Dann erhob ich mich schließlich gänzlich und streckte mich gähnend. Ich war überhaupt nicht müde. In Vollmondnächten hatte ich noch nie schlafen können. Langsam tapste ich zum Fenster, starrte in die ungewöhnlich helle Nacht. Graue Wolken zogen durch die Dunkelheit, hier und da konnte man Sterne blinken sehen. Es war ein schöner Anblick, um nicht überwältigend zu sagen. Für einen Moment verweilte ich auch hier, auf das Fensterbrett gestützt, die Welt betrachtend. Doch dann horchte ich auf. Geräusche die vom Dach kamen hatten meine Aufmerksamkeit erregt. Es klang so, als schritte jemand über mir über die Ziegel. Mein Zimmer lag aber im obersten Stockwerk und somit war es unmöglich, dass irgendjemand über mir herumlaufen konnte, es sei denn, derjenige lief direkt über das Dach. Mit verunsichertem Blick, es könnte sich ja um einen Einbrecher handeln, schlich ich zu meiner Balkontür, öffnete diese und trat nach draußen. Nun war das Geräusch zwar verklungen, doch meine übliche Neugier hatte mich gepackt und ließ mich auch nicht mehr los. Ich griff nach meinem Degen, der üblicherweise an meiner Balkontür baumelte und zog ihn aus dem Halfter. Mit der Waffe in der Hand trat ich an den äußersten Rand des Balkons und atmete einmal tief ein und wieder aus. Dann rief ich, so streng und mutig wie ich es in diesem Moment nur konnte zum Dach hinauf: „Hey! Wer ist da?“ Es folgte Schweigen, dann Schritte und ein Schatten sprang hinab. Er landete nur zwei Meter von mir entfernt auf dem Balkon und richtete ebenfalls einen Degen auf mich. Der Mond war gerade durch eine große Wolke verdeckt, wodurch es mir unmöglich war den Fremden zu identifizieren, sofern ich ihn gekannt hätte. Er legte seine Waffe auf den Boden und kam auf mich zu. Meine Knie zitterten und meine Stimme vibrierte, als ich mich verbal zu Wehren versuchte: „Bleiben Sie stehen! Ich bin in dieser Waffe sehr geübt! Und“ Dann brach ich ab, vor Angst gelähmt, kniff ich die Augen zusammen. Der Fremde blieb nicht stehen, hatte er denn gar keine Angst? Er setzte einen Schritt vor den anderen, bis er nur noch fünf Zentimeter von meiner Klingenspitze entfernt war. Innerlich rang ich mit mir um Hilfe zu schreien, Schweiß bildete sich überall auf meinem Körper und die Angst schien mir in jeden einzelnen Knochen meines Körpers gekrochen zu sein. Ich schluckte, hielt die Waffe zitternd dem Unbekannten an die Brust. Doch schien er wenig beeindruckt, denn er schob sie einfach beiseite. Sie fiel klirrend zu Boden. Wie eingefroren stand ich da, gelähmt. In stiller Hoffnung auf ein Wunder. Ein Wunder. >Hiroshi<, dachte ich plötzlich. Wieso an ihn? Wieso dachte ich in so einem Moment an ihn? Der Fremde war mir nun schon so nah, dass ich seinen Atem hören konnte, schwer und angestrengt. Ich konnte ihn riechen. Er stank nicht, duftete aber auch nicht. Plötzlich nahm er mich in seine Arme, hielt mich fest, drückte mich an sich, dass mir fast der Atem aussetzte. Ich rang nach Luft und versuchte ihn von mir zu schieben. Endlich war ich wieder bei Sinnen. Ich trat und strampelte, zappelte wie wild und rief nach Hiroshi. Da ließ der Fremde mich los und als Hiroshi endlich auf dem Balkon stand, war er verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt. Ich sank zitternd zu Boden und starrte vor mich hin, verstört, verwirrt und verletzt, nicht körperlich, aber tief im Inneren spürte ich eine ungewohnte Kälte. Hiroshi blieb zögernd in der Balkontür stehen, atmete schwer vom Sprint. Wie durch ein Wunder war er der einzige der wach geworden war. „Was… was ist passiert?“, fragte er keuchend. „Da…“, ich stotterte, „da war so ein Mann…“, ich zog die Knie an und vergrub mein Gesicht in den Armen. Tränen traten mir in die Augen. Wieso blieb er bloß so teilnahmslos? Wieso stand er bloß da und tat nichts? Wieso tröstete er mich nicht? Ob ich über den Schock den der Fremde ausgelöst hatte in Tränen ausbrach, oder darüber, dass Hiroshi nur schweigend da stand, wusste ich in diesem Moment selbst nicht so genau. Ich hörte wie Hiroshi auf den Balkon trat und einen Degen aufhob, der in der einen Ecke lag. Warum er ein erschrockenes Seufzen von sich gab, sollte ich erst später erfahren. Dann nahm er auch meine Waffe auf und legte beide in mein Zimmer. Und nur einen Moment später stand er wieder neben mir und kniete sich vor mir hin. „Ich sehe, dass es dir nicht gut geht…“, sagte er sanft und hob mein Kinn an, „…lass uns morgen über die ganze Sache reden!“ Sein zärtlicher Blick und diese tiefen dunklen Augen, die mich anstarrten ließen ein seltsames Gefühl in mir aufsteigen. Ich fiel ihm weinend in die Arme. Er fiel erschrocken zurück und hielt mich fest. „Es ist alles in Ordnung. Ich bin doch jetzt da. Niemand wird dir etwas tun“, flüsterte er mir ins Ohr. Dann stand er auf und hob mich hoch. Ich erschrak kurz, wehrte mich aber nicht. Langsam trug Hiroshi mich zu meinem Bett und legte mich dort ab. Er wandte mir seinen Rücken zu und wollte gehen, doch hielt ich ihn am T-Shirt fest. Ich wollte nicht allein sein, ich wollte nicht, dass er ging. Sein Blick verriet Verwirrung und gleichzeitig Freude. Er schmunzelte, kniete sich auf die Bettkante und beugte sich über mich. Mein Herz blieb fast stehen, als er mich dann küsste. Kapitel 6: Ai - Liebe --------------------- 6. Ai Liebe Die Sonne strahlte hell auf mein Bett und blendete mich. Ich blinzelte kurz und setzte mich gähnend auf. Das erste was ich sah, war Hiroshi. Er lag neben mir in meinem Bett und atmete ruhig. Vorsichtig beugte ich mich zu ihm hinüber und betrachtete sein schönes Profil. ‚Sein schönes Profil?’, wiederholte ich für mich selbst, erschrocken. Ich schüttelte mit dem Kopf und versuchte den Gedanken zu verscheuchen, doch es stimmte. Als ich den jungen Mann ein weiteres Mal ansah, musste ich ungewollt lächeln. Seine geschlossenen Augen waren von langen dunklen Wimpern umrahmt und wirkten weich. Überhaupt wirkte alles an Hiroshis Äußerem weich und sanft. Seine Augenlider zuckten, als würde er in jeder Sekunde aufwachen. Um seine Lippen spielte ein ruhiges Lächeln und als sie sich öffneten, konnte ich leise gehauchte Worte vernehmen, deren Sinn mir aber unbekannt blieb. Vielleicht handelte es sich um seine Landessprache, aber vielleicht war es auch nur eine Ansammlung bedeutungsloser Silben. Wie ich ihn so anstarrte, von warmen Sonnenlicht umhüllt, kamen mir die Ereignisse der vorangegangen Nacht in den Sinn. Nachdenklich lehnte ich mich zurück, wandte mich aber nicht von Hiroshi ab. Ich betrachtete seinen kräftigen Rücken und fragte mich gleichzeitig, wer der Fremde gestern Nacht gewesen war und was Hiroshi wohl wusste. Ich war mir sicher, DASS er etwas wusste, denn seine Reaktion auf die Begegnung und die Waffe des Eindringlings waren unmissverständlich gewesen. Ich erinnerte mich, wie mich der Fremde umarmt hatte, so fest und doch nicht mit Gewalt. Das machte mir Angst und ich schob mich näher zu Hiroshi. Wer verdammt noch einmal, war dieser Fremdling gewesen und was zur Hölle wollte er von mir und wieso um alles in der Welt hatte er das getan… Ich kniff meine Augen zusammen und unterdrückte Tränen, die sich ansammelten. Unbewusst griff ich nach Hiroshis Hemd und krallte mich darin fest. Leise schluchzte ich vor mich hin, als sich die Szene der Nacht immer und immer wieder vor meinem inneren Auge abspielte. Hiroshi musste inzwischen aufgewacht sein, denn er rollte sich zu mir herum und nahm mich tröstend in die Arme. „Hey, was ist denn?“, fragte er sanft. „Was war das gestern? Du weißt doch irgendwas, oder?“, ich sah ihn nicht an, während ich sprach, „Wer war das?“ Hiroshi schwieg für einen Moment, entließ mich dann aus seiner Umarmung und setzte sich auf den Bettrand, fuhr sich nervös durchs Haar. Auch ich setzte mich auf, starrte an seinem Rücken vorbei. „Yuki. Das gestern war ein Werwolf“, sagte er ernst. Ich sah verwirrt in den Raum, „Bitte?“ „Ein Werwolf!“, wiederholte er. „Sehr witzig“, schnauzte ich, „Glaub ja nicht, dass ich gerade gut auf Scherze zu sprechen bin“ „Das ist mein purer Ernst“, Hiroshi wandte sich zu mir um, „Nur die Frage ist, was wollen die hier?“ „Was fragst du mich das?“, gereizt starrte ich ihn an, hatte noch immer Tränen in den Augen. Er hob seine rechte Hand und strich mir übers Gesicht, entfernte mit einer sanften Geste und einem Blick, in dem soviel Liebe lag, dass es fast schon schmerzte, die salzige Feuchtigkeit. „Werwölfe sind Spione und käuflich. Unsere Regierung hat sie von jeher gemieden, da sie für Geld alles tun. Sie sind Wesen, die sich nur nachts bewegen. Denn am Tage scheinen sie einfache Wölfe zu sein und werden nur des Nachts zu ernsthaften Gegnern. Besonders in Vollmondnächten steigern sich ihre Kräfte um ein vielfaches und je schmaler die auf sie strahlende Mondsichel ist, desto schwächer sind auch sie selbst.“ Ich sah ihn verblüfft an, „Werwölfe sind bei uns: Menschen, die sich bei Vollmond in blutdurstige wolfsähnliche Bestien verwandeln. Aber das ganze ist nur ein Märchen“, warf ich ein. „Ja, davon habe ich gelesen“, fuhr Hiroshi fort, „ Aber in unserer Welt sind es Wölfe die sich jede Nacht in menschliche Gestalten verwandeln. Das unheimliche dabei ist, dass sie jedwede beliebige Person darstellen können…“ „Also eher Formwandler“, fügte ich unsicher hinzu. „Könnte man sagen“, Hiroshi lächelte, „du glaubst mir, das macht mich unheimlich glücklich“ Ich lief rot an und drehte meinen Blick zur Seite, „Das habe ich noch nicht gesagt. Und eines interessiert mich noch viel mehr“, nun stützte ich mich auf meinen Händen nach vorne und fixierte Hiroshi mit einem stechenden Blick, „woher willst du wissen, dass es sich tatsächlich um einen Werwolf deiner Welt handelt und nicht nur um irgendeinen Spanner aus der hiesigen Welt?“ Bei diesen Worten erhob sich Hiroshi und ging zum Schreibtisch. Dann kam er zurück zum Bett und zeigte mir den Degen des Fremden. „Dies“, begann er und deutete auf ein silbernes kreisförmiges Relief auf dem Griff, „ist das eindeutige Zeichen der Werwölfe“ Ich legte meinen Kopf schräg, „Und?“ „Ein silberner Mond auf dem das Profil eines Wolfes erscheint, wenn man den Degen ins Mondlicht hält“ Nun schwieg ich. Er starrte Gedanken versunken auf die Waffe, fuhr dann mit einem Finger über die schmale Klinge, „Am Tage sind ihre Waffen stumpf“ „Und was wollen die hier“, fragte ich schließlich. „Ja, das frage ich mich auch“, er wandte seinen Blick auf mich, „ich vermute aber, dass ich nicht der einzige bin, der auf der Suche nach der Prinzessin ist“ In seinen Augen lag ein Gemisch aus Furcht und Bitternis. „Du musst wissen“, fuhr er fort, „ich bin kein Kämpfer in erster Linie“ „Sondern?“, hakte ich nach. „Ich bin Wissenschaftler“ Ich sah ihn an. Er drehte den Degen geschickt in seinen Händen und schien mit seinem Geiste schon wieder Meilen entfernt von hier zu sein. Unschlüssig wie ich reagieren sollte, robbte ich näher zu ihm und blieb hinter seinem Rücken sitzen, hob eine Hand, zog sie dann aber doch wieder zurück. „Weißt du, Yuki“, seufzte Hiroshi, „zwar weiß ich dass sie irgendwo hier ist, aber ich habe keine Ahnung wo ich die Prinzessin suchen soll“ Seine Stimme klang dabei so bitter und verzweifelt, dass es mir die Brust zusammenzog. Ich schluckte. „Hiroshi“, flüsterte ich sacht in sein Ohr und umarmte ihn von hinten, „wir werden schon eine Möglichkeit finden, deine Prinzessin ausfindig zu machen“ Ein Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus, er umfasste meine Hände und drückte sie an seine warme Brust. Dann schloss er seine Augen, „Danke“ Ich streichelte seine Wange mit der meinigen und legte meinen Kopf auf seine Schulter, „Glaub mir, alles wird gut, da bin ich mir sicher“ Warum ich ihm überhaupt Glauben schenkte, wusste ich selbst nicht. Das war mir im Grunde auch egal, denn ich wusste dass er meine Hilfe brauchte und das breitete in mir ein so wohliges Gefühl aus, dass ich selber darüber erschrak. Doch ich ließ es mir nicht anmerken, weil es einfach ein viel zu gutes Gefühl war. Nun senkte auch ich meine Augenlider und genoss die Ruhe in diesem Moment, der einfach zu richtig zu sein schien. Lange hielt diese Stille jedoch nicht an, denn Hiroshi ergriff mich an meinen Handgelenken und warf mich herum, sodass ich mit dem Rücken auf dem Bett lag. Er sah mich intensiv an, hielt meine Hände über meinem Kopf fixiert. Ich starrte irritiert zurück. „Hiroshi“, entfuhr es mir, doch ehe ich meinen Protest äußern konnte, presste er seine Lippen auf die meinen und zog mich in einen innigen Kuss. Ich riss erschrocken die Augen auf, als seine rechte Hand unter mein Shirt wanderte und wand mich ablehnend unter seinen Berührungen. Als er daraufhin meine Hände losließ, drückte ich ihn entschieden von mir. „Was“, stotterte ich nach Luft ringend, „was sollte das?“ Er sah verlegen zur Seite und fuhr sich mit der Hand durch sein pechschwarzes Haar. Ich konnte sehen, wie er zitterte, „Verzeih“ Noch halb außer Atem baute ich mich drohend vor ihm auf, „Denkst du eigentlich nach, bevor du etwas tust?“ Hiroshi schwieg. „Wir haben gerade eben noch darüber gesprochen, dass wir deine Prinzessin finden müssen und das in kürzester Zeit und du…“, ich stockte. Er hob seinen Blick, sah mich aus seinen tiefen dunkeln Augen an. Ich errötete und ließ mich zurück auf mein Bett fallen. „Wir haben keine Zeit für so was, okay?“, sagte ich leise, schaute ihn nicht an. Nickend gab er seine Zustimmung. Wir schwiegen uns eine Weile an. Dann öffnete Hiroshi seinen Mund, suchte nach den richtigen Worten und fragte unsicher, den Blick auf den Boden gerichtet: „Magst du mich eigentlich wirklich?“ Ich zuckte zusammen und antwortete nicht. Erst als er seine Frage wiederholte und mich dabei anstarrte, bekam ich meine Lippen dazu das eine Wort zu formen, dass mir sonst so leicht über die Lippen ging. „Ja“ Die Erleichterung, gepaart mit höchster Freude und Verzückung, die nun auf Hiroshis Gesicht lag und durch sein glückliches Lächeln Ausdruck fand, ließ mein Herz höher schlagen und um meinen Worten noch mehr Sicherheit zu geben, rückte ich näher an den jungen Mann heran. Ich wusste zwar immer noch nicht, ob dieses Gefühl, dass ich für Hiroshi hegte tatsächlich als Liebe beschrieben werden konnte, zumal wir uns erst kennen gelernt hatten, aber das war mir in dieser Sekunde egal. Ich küsste ihn sanft auf die Lippen. Hiroshis Augen strahlten in diesem Moment soviel Wärme und Geborgenheit aus, dass ich Angst bekam, er könnte meinen immer schneller werdenden Puls hören können. Gerade als wir uns wieder voneinander lösten, klopfte es an der Tür. Eine nur zu bekannte Frauenstimme drang an unsere Ohren, „Yuki! Du hast Schule, schon vergessen? Willst du etwa zu spät kommen?“ „Ich komme schon, Mama!“, rief ich sichtlich genervt und sprang auf. Hiroshi sah mir schweigend nach, als ich das Zimmer verließ, um ins Bad zu verschwinden. Ich hatte am Morgen so viel Zeit mit Hiroshi vertrödelt, dass ich nicht mehr zum Frühstücken kam und mich somit leeren Magens auf den Weg zur Schule machte. Die Tasche über die Schulter geworfen eilte ich drei Häuser weiter, wo bereits auf mich gewartet wurde. Kapitel 7: Aishiteru! - Ich liebe dich! --------------------------------------- 7. Aishiteru! Ich liebe dich! Shirasawa stand wie jeden Montagmorgen an der Kreuzung unserer beiden Straßen und winkte mir entgegen, als er mich sah. Seine blonden glatten Haare wippten im leichten Wind auf und nieder. Ich lief schneller und grüßte ihn wie jedes Mal, „Hey, Shirasawa-kun“ Er nickte und lächelte, „Guten Morgen Takada-kun“ Wir gingen nebeneinander her zur Schule. Eigentlich waren wir in verschiedenen Klassen, aber am Montag vor und Freitag nach dem Unterricht hatten wir zusammen Fechten. „Ähm... noch mal sorry wegen Samstag“, versuchte ich ein Gespräch auf zubauen. Sonst war er es eigentlich immer der die Unterhaltung startete. Doch heute lief er nur schweigend neben mir her, starrte gebannt auf den Fußweg, ohne auch nur einmal auf zublicken. „Ach“, auch jetzt sah er nicht auf, „halb so wild. Dir ging es ja nicht gut.“ Ich nickte schmunzelnd, „Na ja, war nur ein kleines Fieber. Nicht weiter tragisch“ Shirasawa stoppte abrupt, „Fieber?“, und sah mich besorgt an, „Aber jetzt bist du doch wieder in Ordnung?“ „Aber ja. Wie gesagt, alles halb so wild“ So leicht ließ sich der andere Junge jedoch nicht überzeugen. Er stieß urplötzlich mit seiner eigenen Stirn an die meinige. Erschrocken wich ich zurück und lief rot an, „Was machst du?“ „Ich wollte nur sehen, ob du auch wirklich kein Fieber mehr hast“, sagte er schüchtern und sah zur Seite. „Wir sollten uns etwas sputen“, gab ich zu Bedenken, „sonst kommen wir noch zu spät“ Dass ich das in Wahrheit nur gesagt hatte, um vom Thema abzulenken, musste selbst Shirasawa erkannt haben. Er seufzte und legte an Schritt zu. Irgendwie passierten mir immer mehr seltsame Dinge seitdem Hiroshi in mein Leben getreten war. Lag es wirklich an ihm, oder doch nur an mir? Ich zuckte mit den Schultern und lief meinem Freund nach, der schon an dem Schultor stand und ungeduldig wartete. * Die Umkleide war bereits leer, wir waren tatsächlich die Letzten. Enttäuscht von meiner eigenen Unpünktlichkeit zog ich mein Hemd aus und hing es in meinen Spind. Ich sah mich um, Shirasawa stand nur vier Spinds weiter und kramte nach seinem Anzug. Dann sah er kurz auf und unsere Blicke trafen sich für keine Sekunde. Mir wurde schon ganz mulmig zu Mute, wenn ich nur an die Situation von gerade eben dachte. Normalerweise war dieses Verhalten unter Freunden ja nichts besonderes, aber trotzdem bekam ich ein komisches Gefühl. Bereits der Samstag war mir merkwürdig vorgekommen. Ich legte auch meine Hose ab und zog den Trainingsanzug an. Heute stand nur Muskeltraining und Einzeltechnik auf dem Plan, weshalb wir normale Sportsachen tragen konnten. Dann schloss ich meinen Spind und wollte den Raum verlassen, als ich von Shirasawa aufgehalten wurde. Er berührte mich am Arm und sah mich ernst an, „Wer ist dieser Hiroshi?“ Ich begriff nicht was er meinte und zuckte nur mit den Achseln, „Ein Freund von mir, warum?“ „Wirklich nur ein Freund?“ Ich schaute ihn fragend an. „So sah das am Samstag aber nicht aus!“, er wandte seinen Blick von mir ab und sah verletzt zu Boden. „Wa…“, ich stotterte und wurde rot, „Was meinst du?“ Shirasawa hob seinen Kopf wieder, starrte mich wütend an und packte meinen rechten Arm, „Er hat dich geküsst!“ „Das…“, ich erinnerte mich plötzlich wieder an die Situation und versuchte mich aus seinem Griff zu lösen, „Das war nur Mund-zu-Mund-Beatmung!“ „Wer’s glaubt“, Shirasawas Griff wurde fester und seine Augen verengten sich bitter. „Au, du tust mir weh“, ich drückte mit meiner freien Hand gegen Shirasawas Brust, kam aber nicht frei. Er war um einiges stärker als ich, das hatte ich schon während des Karate-trainings, das wir mittwochs gemeinsam besuchten, bemerkt, „Lass mich los!“ „Nicht bevor du mir nicht sagst, wer er ist!“ „Er ist nur ein Freund!“, wiederholte ich genervt. „Lüg nicht“, Shirasawas Griff lockerte sich merklich, „Sag mir doch einfach die Wahrheit“, als er mich ansah lag soviel Trauer und Enttäuschung in seinem Blick, dass ich mich ungewollt schulig fühlte. „Ich…“, er stockte, senkte seinen Blick, „Ich war schon die ganze Zeit in dich verliebt und ihn… wie lange kennen wir uns schon?! Ihn habe ich noch nie gesehen, aber er…“ Tränen traten in seinen Augen und er ließ mich endgültig los, wischte mit seinem Arm übers Gesicht. „Shirasawa…“ „Kohei“ „Eh?“ Er hob seinen Kopf, „Nenn mich Kohei!“, dann nahm er meine Hände und hielt sie zwischen den seinen fest, „Wenn er nur ein Freund ist und ihr euch beim Vornamen nennt, dann kannst du mich auch beim Vornamen nennen“ „Uhm“, ich zögerte. „Bitte, Yuki!“ „Ähm. Meinetwegen…Kohei“ Shirasawa lächelte mich glücklich an und umarmte mich plötzlich. „Bitte unterschätz mich nicht, ich mein es ernst mit dir!“, flüsterte er mir ins Ohr. Ich lief unwillkürlich rot an, wurde mir im selben Moment bewusst was hier gerade geschah und stieß ihn von mir. Der blonde Junge sah mich perplex an. „Uhm. Entschuldigung“, ich verbeugte mich schnell, „Ich fühle mich durch deine Gefühle geehrt, kann sie aber nicht erwidern!“, und rannte eilig aus der Umkleide. Im Gang blieb ich stehen, atmete schwer aus und lehnte mich an die Wand. Ich spürte noch die Hitze der Umarmung und klopfte mir auf die Wangen, „Was ist nur los?“ Natürlich kamen wir beide viel zu spät zum Training und mussten Strafrunden rennen. Dabei versuchte ich Shirasawa so wenig wie möglich über den Weg zu laufen. Zum Glück bemerkte und verstand er mein Verhalten richtig und tat es mir nach, auch wenn er mich immer verletzt ansah, wenn sich unsere Blicke trafen. * Den ganzen Tag über musste ich an Shirasawa und Hiroshi denken. Ich verglich sie eines ums andere Mal, kam aber einfach nicht dahinter was mit ihnen nicht stimmte, warum sie beide in mich verliebt waren und warum es mich nicht störte, wenn Hiroshi mir nahe kam, aber wenn Shirasawa dasselbe tat mir unbehaglich wurde. Vom Unterricht bekam ich nur wenig mit, zumal nichts Besonderes anstand und ich in der ersten Pause das Verlangen spürte den Rest des Tages zu schwänzen. Ich lief gelangweilt und in Gedanken versunken über den Schulhof, ließ mich schließlich auf einer der Wieses des Campus fallen und schloss meine Augen, seufzte. Üblicherweise würde Shirasawa jeden Moment auftauchen und sich neben mich setzen, sein Bento auspacken und mir meines geben. Dass mir das bisher nicht merkwürdig vorgekommen war. Welcher Junge macht seinem Freund schon ein Bento? Nun gut, wenn ich so Recht darüber nachdachte machte es doch etwas Sinn, er hatte einmal erklärt Rin-chan hätte ihm eines gemacht, weshalb er sein eigenes nicht mehr bräuchte. Danach hatte ich nicht mehr nachgefragt, aber komisch war es schon, wenn ich jetzt darüber nachdachte. Wenn er jeden Tag ein Bento von seiner Freundin bekam, müsste er doch wissen, dass er sich keines mehr zu machen brauchte. Ich setzte mich auf, sah auf den lebendigen Schulhof. Mädchen und Jungen redeten durcheinander, liefen umher und aßen ihre Lunchpakete. Dann fiel mein Blick auf ein Pärchen, das sich sichtbar in einem Streit befand. „Shirasawa!?“, entfuhr es mir und ich sprang auf, überließ mein Bento den Ameisen und rannte meinem Klassenkameraden entgegen. „Shirasawa!“, rief ich aufgebracht, „Was ist denn bei euch los?“ Er blickte mich säuerlich an. Rin-chan sah zu mir und weinte: „Dieser Idiot hat Schluss gemacht!“ „WAS?“ „Was bist du so überrascht, Yuki?“, Shirasawa legte eine Hand auf die Schulter seiner Ex-Freundin, „Ach, komm schon Rin-chan. Du findest jemanden, den du wirklich liebst und der dich liebt!“ „Du Idiot! Ich liebe dich doch!“, sie schlug seine Hand von ihrer Schulter und brüllte ihn an: „Ich verstehe einfach nicht, wieso du plötzlich ankommst und behauptest, du wärest nicht gut genug für mich!?“ „Eh?“, ich beobachtete die beiden verwirrt. „Aber es ist nun mal so“, entgegnete Shirasawa. „Ich verstehe nicht was in deinem Kopf vor sich geht!“, sagte sie unter Tränen. „Shirasawa, ich verstehe auch nicht ganz. Wieso trennst du dich denn von Rin-chan? Sie ist doch immer gut zu dir gewesen und ist so süß“ „Au“, gab Shirasawa zurück. Ich fuhr zusammen, als ich begriff. „Danke, Takada-kun. Aber Kohei scheint mich nicht mehr zu lieben.“ „Ich… es tut mir Leid“, sagte ich traurig. Sie sah mich irritiert an, „Wieso entschuldigst dich denn du?“ „Uhm…“, ich stockte. Shirasawa ergriff plötzlich meine Hand, „Es tut mir ehrlich Leid Rin-chan, aber ich liebe Yuki“ Er senkte seinen Kopf. „Eh?“, Rin-chan sah mich fassungslos an und ich Shirasawa. „Was erzählst du denn da?“, ich rang mir ein Lächeln ab, „Da… das meint er nicht so Rin-chan“ „Doch“, entgegnete Shirasawa und sah mir tief in die Augen, „Ich habe dir schon einmal gesagt, du sollst mich ernst nehmen!“ „Aber…“ „Ach so“, Rin-chan seufzte und zwang sich zu einem Lächeln, „Wenn das so ist, dann werde ich das wohl akzeptieren müssen. Viel Glück euch beiden“ Sie verbeugte sich kurz und lief eilig davon. Wir wussten beide, dass sie weinte. „Musste das sein?“ Shirasawa blickte ihr nach „Ich hätte es ihr schon längst sagen sollen… und dir auch“, er sah mich ernst an. „Ähm… könntest du mich jetzt bitte loslassen?“ Er schüttelte mit dem Kopf, „Nein!“ „Aber, man könnte das missverstehen!“ „Was gibt es da denn miss zu verstehen? So ist es doch!“, er lächelte mich fröhlich an. „Ist es nicht“, gab ich murrend zurück und zog meine Hand zurück. „Hmpf“, schnaubte er und erfasste meinen Kopf und zog mich in einen innigen Kuss. Kapitel 8: Koko doko? - Wo bin ich? ----------------------------------- Koko doko? Wo bin ich? Ich zappelte wie wild. Er hielt meinen Kopf jedoch so fest umfasst, dass ich partout nicht frei kam. Panik stieg in mir auf und ich biss ihn in die Lippe. Shirasawa ließ mich mit einem Mal los und wich einen Schritt zurück. Er fuhr sich mit der rechten Hand über den Mund und wischte Blut, das aus seiner verletzten Lippe sickerte, fort. Immer noch unter Schock starrte ich ihn an, fassungslos über das was er getan hatte. Schüler, die die Szene mitbekommen hatten, begannen zu tuscheln und umringten uns neugierig. Ich strafte Shirasawa mit feindseligen Blicken und rieb mir eine Träne aus den Augen. „Tu“, begann ich und schluckte, „Tu das nie wieder oder unsere Freundschaft ist Geschichte!“ Er sah mich verletzt an, nickte dann. Plötzlich warf er sich vor mir auf den Boden. „Es tut mir Leid! Ganz ehrlich!“, rief er, „Aber ich liebe dich so sehr!“ Ich starrte ihn leicht irritiert an und mahnte ihn auf zustehen und nicht so zu brüllen. Doch er reagierte nicht. „Ich liebe dich! Es tut mir Leid“, diese Worte wiederholte er unter Tränen immer und immer wieder, während er mit den Knien auf dem sandigen Schulhof hockte und seine kräftigen Hände zu Fäusten geballt in den Boden bohrte. Unsere Mitschüler hatten uns nun so eng umringt, dass ich mich wie ein gefangener Tiger im Zoo fühlte. „Glotzt nicht so“, blaffte ich sie an, „Verschwindet! Hier gibt es nichts zu sehen!“ Ich packte Shirasawa unterm Arm und hob ihn auf die Beine, „Echt mal, bist du ein Mann oder eine Maus?“ Er sah mich nicht an und schob mich beiseite, „Danke, geht schon“ „…“, ich wollte etwas sagen, doch fiel mir nichts passendes ein. „Tut mir Leid, aber Freundschaft fühle ich schon lange nicht mehr für dich und deshalb wäre es wohl besser, dass du dir dessen bewusst würdest!“, er drehte sich zu mir um, „Und noch etwas: Richte deinem >Freund< Hiroshi von mir aus: So leicht gebe ich nicht auf! Ich werde dich gewinnen, nur damit du’s weißt!“ Ich schluckte. „See you“, Shirasawa winkte kurz und ging zurück in seine Klasse. Es hatte bereits geklingelt, doch davon wollte hier niemand Notiz genommen haben, ich am allerwenigsten und somit schlenderte ich gemächlich in Richtung Unterricht. * Der Rest des Schultages verlief weniger ereignisreich, mal von der Strafarbeit die ich fürs Zu-spät kommen aufgedrückt bekommen hatte und dem Getuschel in den Gängen. Aber schließlich befand ich mich auf dem Weg nach Hause. Shirasawa war ich seit dem Zwischenfall auf dem Schulhof aus dem Wege gegangen und auch nicht wieder begegnet. Das sollte meiner Meinung nach auch noch eine Weile so bleiben. Ich dachte noch ein wenig über Shirasawa nach, während ich durch die Straßen schlenderte, als mir auf einmal ein großer knurrender Hund gegenüber stand. Er fixierte mich mit seinen gelb leuchtenden Augen gerade so als beobachtete er mich. Ich wollte die Straßenseite wechseln, denn mit Hunden hatte ich nicht viel am Hut, vor allem nicht mit knurrenden Bestien, die aus einem alten Gruselfilm entsprungen sein konnten, aber das Tier sprang zwischen mich und die Straße. Er umschlich mich wie ein Raubtier seine Beute und schien auf irgendetwas zu warten. Ich bekam es langsam mit der Angst zu tun. Mir wurde ganz übel bei dem Gedanken, dass das Vieh herrenlos und aggressive sein konnte. Bisher hatte es zwar noch nichts weiter getan, als in einem weiten Bogen um mich herum zu streunen, aber bei jedem Schritt, den ich tat, wurde der Kreis den er zog enger. Man sollte nicht rennen. Das hatten mir meine Eltern eingebläut. Tiere würden einen Menschen dann erstrecht als Beute empfinden. Man sollte keine Angst zeigen. Man sollte ihnen nicht in die Augen sehen. Welcher dieser ganzen Sprüche nun auch der Wahrheit entsprach. Sie interessierten mich in diesem Moment herzlich wenig. Ich zog meinen Schritt an und fiel in einen schnellen Lauf. Der Hund folgte mir, doch der Abstand verringerte sich weiter, bis er sich schließlich nur einen Meter vor mir aufbaute und drohend anknurrte, als wolle er sagen: „Bis hierher und nicht weiter“ Ich hatte Angst, dazu musste man kein Hund sein um das zu sehen. Ich starrte ihm in seine gelben Augen, die mich böse anfunkelten und ich wusste mir nicht mehr anders zu helfen als panisch davon zu rennen, in der Hoffnung, er würde vielleicht keine Lust haben mit mir Fange zu spielen. Leider wurde meine Hoffnung nicht erfüllt. Jetzt verfolgte er mich erstrecht und als ich einen Blick zu ihm nach hinten wagte, konnte ich sehen, wie sein wildes graues Fell auf und nieder zottelte und seine leuchtenden Augen schienen voller Hast zu sein und so zielgerichtet wie ich es noch nie zuvor bei einem Tier gesehen hatte. Was ich auch tat ich vermochte ihn nicht abzuhängen, aber anfallen wollte er mich wohl auch nicht, denn mir lief der Schweiß schon den Rücken hinab und ich spürte deutlich, wenngleich ich auch ein schlechtes Zeitgefühl hatte, das ich eine Ewigkeit gerannt sein musste. Inzwischen waren wir in einem Altbau-Viertel angekommen und ich hatte komplett meine Orientierung verloren. Es war als hätte mich der Hund mit voller Absicht und bei vollem Bewusstsein hierher gelotst, denn nun blieb er stehen und setze sich hin. Er beobachtete mich wie ein Wächter, oder besser wie ein Wärter einen Häftling. Ich schluckte und sah mich um. Nein, hier war ich beim besten Willen noch nie gewesen. Ob ich einfach an dem Hund vorbei laufen konnte? Noch während ich diesen Gedanken hatte, verwarf ich ihn sofort wieder, denn zwei weitere Hunde waren aus einer schmalen Seitenstraße aufgetaucht und setzten sich demonstrativ neben ihren Artgenossen. Auch ihre Blicke waren starr und dennoch direkt, dass es einem Angst und Bange werden konnte. Ich fühlte mich irgendwie veräppelt aber gleichzeitig spürte ich, dass hier mehr dahinter steckte, als es den Anschein hatte. „Okay…“, ich seufzte, „Was wollt ihr?“ Warum ich mit drei Hunden sprach wusste ich selbst nicht. Sie schauten mich nur aus ihren schmalen gelben Augen an. Dann traten drei weitere große Hunde aus dem Schatten, zwei von ihnen waren schwarz der größte von ihnen weiß. Seine Augen leuchteten in einem dunklen rot und er schritt elegant auf mich zu. Ich weiß nicht ob aus Angst oder Faszination, aber ich verharrte perplex an Ort und Stelle und ließ mich von dem weißen Hund an der Hand berühren. Er stupste mich an und als ich immer noch nicht reagierte, biss er in meine Hose und zog mich in die dunkle Gasse aus der er und seine Kumpanen gekommen waren. Ich sah mich purer Finsternis gegenüber, bis sich meine Augen an das Dunkel gewöhnt hatten. Dann konnte ich eine unscheinbare Tür am Ende der schmalen Straße ausmachen. Als ich kurz vor ihr stand, öffnete sie sich wie von Geisterhand und der weiße Hund schob mich gewaltsam hinein. Kleine blaue Lampen, an den Wänden des scheinbar endlos langen Ganges, spendeten etwas Licht. Ich vermochte kaum die eigene Hand vor Augen zu sehen. In was für ein Schlamassel war ich hier nur wieder geraten. Die Hunde liefen zu je zweien hinter mir her. Ich hörte ihre weichen Schritte aus dem Dunkel und fühlte mich wie in einem schlechten Horrorfilm. Gleich würde irgendwo eine Leiche liegen, ein Geist auftauchen oder sonst irgendeine gruselige Gestalt auf mich lauern, um mich anschließend zu Tode zu erschrecken. Aber wir kamen nur an eine weitere Tür, die sich abermals wie von alleine öffnete und ich wiederum von den Hunden hinter mir vorgestoßen wurde. „Langsam ist das echt nicht mehr witzig, Leute“, versuchte ich mich zu beruhigen, „Ein guter Scherz, echt“ Doch es kam keine Antwort, weder von den Hunden noch sonst wem. Von wem hatte ich mir überhaupt eine Antwort erwartet? Von den Hunden? Sonst schien hier doch niemand zu sein. Plötzlich hörte ich Schritte hinter mir, doch ich hatte Angst mich um zu drehen. Wer wusste schon, wer oder besser was da hinter mir her schlich. Dafür hörte ich nicht mehr das leisen Tapsen und Atmen der Hunde. Waren sie verschwunden, als ich den zweiten Gang betreten hatte? Waren es vielleicht Geister? Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken. Und schließlich stand ich wieder vor einer Tür. Doch dieses Mal war sie um einiges größer und öffnete sich nicht. Außerdem befand ich mich in einem breiteren Raum, den man unter normalen Umständen vielleicht als Empfangshalle hätte bezeichnen können. Ich erkannte Teppich unter meinen Schuhen und konnte dunkle Schatten als Wandbehänge und eine kleine Anrichte neben der Tür identifizieren. Die Schritte hinter mir wurden von dem Teppich verschluckt und hallten nur dumpf wider. Ich kniff die Augen zusammen, aus Angst vor dem was jetzt kommen mochte. Aber ich hörte nur, wie zwei Personen an mir in Richtung Tür vorbei schritten. Holz knarrte und ich wagte es einen schnellen Blick auf das Geschehen vor mir zu werfen. Zwei langhaarige Männer, wahrscheinlich völlig in schwarz gehüllt standen an der Tür und schoben die beiden Türflügel auf. Plötzlich wurde ich wieder vorwärts geschoben, aber diesmal von zwei Händen, die meine Oberarme gepackt hielten. Ich spürte wie sich spitze Fingernägel in meine Haut bohrten und ich kniff die Augen abermals zu, während ich in den Raum hinter der großen Tür geschoben wurde und schließlich auf meine Knie fiel. Aus einem weiteren lauten Knarren schloss ich, dass man die Tür wieder zugemacht hatte. Ich hörte wie jemand Anweisungen gab in einer Sprache, die ich nicht kannte, dann wieder Schritte, die auf mich zu kamen und zwei Personen zogen mich auf die Beine. Ich zwang mich stehen zubleiben. Doch meine Knie zitterten so stark, dass die zwei Unbekannten mich stützen mussten. Ich hatte Angst, ungeheure Angst. Ich wusste weder wo ich war, noch warum und noch weniger begriff ich wie es hierzu hatte kommen können. Tränen stiegen in mir hoch und ich wollte nur noch nach Hause, nach Hause zu meinen Eltern, zu meiner Schwester und zu Hiroshi. „Verdammt noch mal, wo bin ich?“, brüllte ich unter geschlossenen und verweinten Augen in den Raum. Kapitel 9: Nanimo - Nichts -------------------------- 9. Nanimo Nichts Es folgte eine beunruhigende Stille. Niemand sagte etwas, ich hörte nur den gleichmäßigen Atem der beiden Unbekannten, die mich aufrecht hielten. „Wo“, meine Stimme zitterte, „wo bin?“ Schweigen. Dann Schritte. Ich konnte deutlich vernehmen, wie jemand auf mich zukam und nur wenige Zenitmeter vor mir stehen blieb. Diese Person beugte sich zu mir herunter, sog leicht Luft ein und klatschte dann plötzlich in die Hände. Ich fuhr bei dem plötzlichen Laut erschrocken zusammen. „Wah!“, in der Stimme des Fremden lag etwas Kindliches und als er weiter sprach klang er immer mehr wie ein kleines Kind, das sich über ein neues Spielzeug freute, was mich nicht gerade glücklicher stimmte, „Er ist es wirklich! Das habt ihr toll gemacht, aber jetzt lasst ihn los! Ihr tut ihm ja weh!“ Sogleich wurden meine Arme freigelassen und ich sank auf die Knie. Meine Augen hatte ich noch immer geschlossen. Solange ich nicht wusste wo ich war, spielte es keine Rolle, ob ich meine Umgebung sah und mich noch mehr ängstigen würde, oder nicht. Ein sachter Windhauch in dem ein leicht feuchter aber angenehmer Geruch lag, streifte meine Nase. Ich zuckte, als der Fremde vor mir, mein Kinn berührte und anhob, „Mach doch die Augen auf“ Seine Stimme klang besorgt und etwas trotzig, „Ich tu dir nichts, du brauchst keine Angst zu haben“ Konnte ich ihm denn trauen? Ich schnaubte verächtlich, das sollte wohl ein Scherz sein, erst mich entführen und dann ganz unschuldig tun. „Manno, was habt ihr denn gemacht? Ihr habt ihn ja ganz verschüchtert!“ Nun gesellte sich eine zweite, ernstere Stimme hinzu, „Kol, Ihr solltet eigentlich wissen, dass er nicht darauf eingegangen wäre“ „Ja, ja. Ich weiß doch, Pij“, es klang als schmollte er und der andere seufzte, „Ihr könnt alle abtreten! Nein, du nicht Pij!“ Ich hörte wie sich zahlreiche Schritte entfernten und schluckte bei dem Gedanken, wie viele Menschen bis gerade eben noch in diesem Raum gewesen sein mussten. Halle hätte es wohl eher getroffen, bei den Massen, die nun den Ausgängen entgegenstrebten. „Er schient sich etwas beruhigt zu haben“, der Mann, der als Pij bezeichnet worden war, schien näher zu kommen. „Mh? Du hast Recht, Pij“, die Stimme des Fremden vor mir war fröhlich, „Komm schon, Yuki, mach die Augen auf!“ Ich erwiderte nichts. „Ach komm schon!“, flötete er und zog mich mit einem Ruck auf die Beine, „Du hast echt nichts zu befürchten!“ Plötzlich drückte er mir seine Lippen auf die meinigen. Ich riss entsetzt die Augen auf und zuckte zurück, „Wa…was…?!“ „Ah, du hast endlich die Augen aufgemacht“, ein junger Mann lächelte mich aus einem hellblauen und gelben Auge an. Seine schwarzen Haare tanzten wild um seine weichen Gesichtszüge. Bunte Perlen waren in ein paar kleineren Zöpfen geflochten und seine Haut wies eine gesunde und dunklere Bräune auf. Er trug eine schwarze Hose, darüber ein ebenso schwarzes Hemd, das an einigen Stellen zerrissen war und einen weiten und lockeren Ausschnitt besaß, darunter konnte man den Ansatz einer Narbe sehen, die irgendwo auf dem Bauch enden musste. Auch wenn ich mich gerade in einer etwas misslichen Lage befand, so musste ich doch zugeben, dass er nicht schlecht aussah. Nein, er sah irre gut aus und hatte Ausstrahlung. Ich biss bei diesen Gedanken mir auf die Unterlippe. Er strahlte mich nur weiter ungeniert an, packte dann meine Hand und zog mich hinter sich her. „Ich zeige dir alles, Yuki!“ „Wa…“, gerade als ich mich weigern wollte, hielt ein anderer Mann den schwarzhaarigen auf. Wir drehten uns zu der Stimme um, die sich lautstark durch ein Räuspern bemerkbar gemacht hatte. „Kol. Ihr habt Euch noch nicht einmal vorgestellt…“, dann wandte er sich an mich, „Mein Name ist Ouino - Pij’Ouino!“ Ich starrte ihn mit offenem Mund an, weniger wegen seinem Namen, als seinem ungewöhnlichen Äußeren. Sein Haar war komplett weiß und geflochten, reichte ihm bis zum Ellenbogen. Roten Augen sahen mich abwartend an und bildeten einen starken Kontrast zu seiner blassen Haut, um nicht zu sagen, dass er bleich war - totenbleich. Wie das Haar war auch seine gesamte Kleidung in einem einheitlichen Ton gehalten, weiß. Nur hier und da, war eine blutrote Schnalle oder ein gleichfarbiges Band angebracht. Im Gegensatz zu dem schwarzen Fremden neben mir, befand sich Pij’Ouinos Kleidung in einem sauberen, geradezu pingelig reinlichem Zustand. Keine Falte, kein Knick, kein Riss war zu sehen. „Pij, du hast recht. Wie dumm von mir, ich habe in meiner ganzen Aufregung das Wichtigste vergessen“, ein zweifarbiges Augenpaar sah mich freudestrahlend an, „Ich bin Kol’saruo! Aber du kannst mich gerne Saruo nennen“ Ich hob nur eine Augenbraue. „Kol! Ich werde Euch nun allein lassen“, sagte Pij’Ouino plötzlich und verbeugte sich leicht. Ich sah ihm fragend nach, während er die große Halle durch einen der 5 Seiteneingänge verließ. Erst jetzt kam ich dazu mich einmal genauer umzusehen. Wir befanden und in einer riesigen quadratisch angelegte Halle. An jeder ihrer Wände befanden sich jeweils 5 kleiner Durchgänge. Nur gegenüber von uns befand sich ein großes Holztor. Das musste das gewesen sein, durch dass ich hereingebracht worden war. „Dies ist die Empfangshalle“, klärte Saruo mich auf und lächelte, dann zeigte er auf 5 hohe Säulen, von denen vier in jeder Ecke und eine in der Mitte standen, „Von hier kann man in verschiedene Gänge gelangen und schließlich in die gewünschten Räumlichkeiten…“ Ich hörte nur mit halbem Ohr zu, wenn er mir von den architektonischen Besonderheiten dieses Gebäudes erzählte. Viel mehr interessierte mich, wo ich mich befand und wie ich hierher kam, warum und wie ich wieder hier fort kommen könnte. Saruo schien meine Zweifel bemerkt zu haben und seufzte. „Also gut, wenn du mir folgen willst“, er wartete meine Antwort gar nicht ab, sondern ging einfach vorneweg. Ich schloss rasch auf, was blieb mir auch anderes übrig, als ihm zu folgen. Umbringen wollte er mich wohl nicht, dazu hatte er ja genug Chancen gehabt. Was also wollte von mir? Meine Familie war weder reich, noch berühmt. Es gab auch nichts, in dem ich besonders talentiert gewesen wäre. Ich wollte ihn zu gerne fragen, doch traute ich mich nicht, ihn von mir aus anzusprechen. Er lief, nein er marschierte viel mehr vor mir her, wobei sein Haar auf und nieder wippte, ebenso sein lose sitzendes Hemd. Endlich blieben wir vor einer einfachen Holztür stehen. Seit dem wir die große Halle verlassen hatten, waren wir in den Gang ganz links an der rechten Seiten gegangen, sind dann zweimal links abgebogen und schließlich noch ein mal rechts. Saruo öffnete die Tür und bedeutete mir einzutreten. Es war ein kleines und gemütliches Zimmer. Weinrote Vorhänge säumten ein Fenster, dass jedoch keinen Blick nach draußen zu ließ, weil ein schwarzes Tuch zwischen die beiden Scheiben gespannt war. Rechts an der Wand stand ein hohes Regal, gefüllt mit zahlreichen antik wirkenden Büchern. Mitten im Raum stand ein kleines bequem aussehendes Sofa, dass in demselben Farbton wie die Gardinen und auch der Himmel des Bettes gehalten war. Links stand ein großes hölzernes Doppelbett. Es war erst frisch mit weißen Laken bezogen worden und leuchtete regelrecht in dem sonst braun und rot gehaltenen Raum. Saruo stand schweigend neben mir, während ich das Zimmer musterte. „Das ist dein Zimmer“, stellte er nüchtern fest. „Äh…“, ich stockte. „Fühl dich wie zu Hause, in 2 Stunden bringen dir die Dienstmägde dein Essen!“ Er wollte sich gerade umdrehen um zu gehen, als ich ihn an seinem Hemd festhielt. Wenn ich nicht jetzt fragte, wann dann? „Warte!“ Er wandte sich überrascht zu mir um. „Warum so überrascht?“, knurrte ich, „Sag mir erstmal, was das alles soll! Was wollt ihr von mir? Warum sperrt ihr mich hier ein? Ich gehe mal nicht davon aus, dass ihr mich so einfach wieder gehen lassen werdet, oder?“ Saruos Blick wurde ernst, „Da hast du Recht, Yuki“, er hob seine rechte Hand und strich mir sanft über die Wange, „Ich lasse dich wirklich nicht so einfach wieder gehen. Jetzt wo ich dich einmal habe, lass ich dich nicht wieder gehen…“ Ich starrte ihn an, stieß seine Hand fort und wich dann ein paar Schritte zurück, „Dann sag mir doch einfach, was ich hier soll!“ Er sah mich nur stumm an. „Weißt du es denn selber nicht, oder warum antwortest du nicht?“ „Du…“ „Ja, ich höre?“, Woher ich plötzlich diesen Mut nahm, wusste ich selbst nicht, „Was soll ich hier?“ „Nichts…“, damit ging er und schloss die Tür hinter sich. „HEY!“, ich wollte ihm nach, packte den Türknauf, doch die Tür ließ sich nicht öffnen, „Mist! Abgeschlossen“ Kapitel 10: 10. Tenshi - Engel ------------------------------ 10. Tenshi Engel Ich ließ mich auf das Bett sinken und fuhr mir nervös mir der Hand durchs Haar. Und wieder einmal war mir nicht klar, was mit mir geschah. Seit Hiroshis Auftauchen war mein Leben von Tag zu Tag verrückter geworden. „Hiroshi“, entwich es meinen Lippen und ich ließ mich rücklings fallen. Wo mochte er gerade sein? Was mochten meine Eltern denken, wenn ich heute Abend nicht nach Hause käme? Würden sie sich Sorgen machen? Würde Hiroshi sich um mich sorgen? Selbst wenn sie nach mir suchen gingen, mich hier zu finden, wäre geradezu unmöglich. Ich wusste ja selbst nicht einmal wo ich war. Ich seufzte und schlug mir die Hände vors Gesicht. „Bleib locker – lass dich nicht unterkriegen“, sagte ich mir selbst. Dann setzte ich mich auf, sah mich suchend um. Irgendeinen Hinweis musste es in diesem Zimmer doch geben. Einen Hinweis darauf wo ich mich befand. Zuerst inspizierte ich den großen Kleiderschrank, der aber nichts weiter als alte Mäntel und Kleider beinhaltete. Als nächstes widmete ich mich den Nachtschränken, Tischen und Schubladen, bis ich das gesamte Zimmer auf den Kopf gestellt hatte, erfolglos. „Shit“, fluchte ich und stieß mit dem Fuß einen Stuhl um, „Wieso musste mir das nur passieren?“ Das verdunkelte Fenster lenkte meine Aufmerksamkeit auf sich, doch ich vermochte es nicht zu öffnen. Resignierend ließ ich mich auf den Boden fallen und vergrub meinen Kopf in den Armen. „Verdammt“ Entführt, gefangen genommen, eingesperrt und keine Ahnung warum. „Habe ich mir irgendetwas zu Schulden kommen lassen, dass ich solch ein Schicksal verdiene?“, flüsterte ich und hob meinen Blick zur Decke. Sie war mit künstlerischen Reliefs verziert. Wölfe, die in Rudeln in Richtung Deckenmitte rannten und Menschen, die ihnen entgegen kamen waren abgebildet, im Zentrum ein großer silberner Kreis, vielleicht das Symbol der Sonne. Die Menschen hatten ihre Arme erhoben und streckten sie den Wölfen entgegen. Es war nicht ganz klar, ob sie Freunde oder Feinde waren, denn es gab keinerlei Gewaltszenen um das Zentrum. Nur am äußersten Rand lieferten sich einzelne Wölfe mit größeren Menschengruppen tödliche Kämpfe. Ich senkte meinen Blick und starrte ins Leere. >Wölfe< wiederholte ich, >Wölfe< „WÖLFE!“, entfuhr es mir, „Nein, vielmehr WERwölfe!“ Ich sprang auf die Beine, blickte über mich. „Und das ist auch nicht die Sonne, sonder der Mond!“, meine Äugen folgten den Bildern aufs Neue, „Menschen, die von dem Mond auf Wölfe zu rennen – sie sind ihre menschlichen Gestalten! Die Wölfe fliehen zum Mond, um den Menschen zu entgehen!?“ Ich sah mich erneut in dem Zimmer um. Erst jetzt viel mir auf, wie kalt das Licht war, das aus der runden Stehlampe fiel. Es leuchtete weiß, fast silbern und der Lichtkreis den es auf den Boden warf erinnerte merklich an die Silhouette eines Vollmondes. Wenn mich tatsächlich Werwölfe gefangen genommen hatten, und wenn auch die Menschen vorhin solche Wesen waren, dann musste Vollmond sein. Aber das war es nicht. Ich war mir sicher, nach dem Kalenderstand würde der nächste Vollmond frühestens in 2 Wochen sein. Doch es waren große Hunde, vielleicht Wölfe, gewesen, die mich hierher gebracht hatten. Nur innerhalb der Mauern, dieses seltsamen Ortes, war ich Menschen begegnet, aber noch keinem einzigen Wolf. Was ging hier bloß vor? Verwirrt ging ich zur Tür, rüttelte einige Male am Knauf, ohne dass sie sich auch nur ein Millimeter bewegte. Dann hämmerte ich mit aller Kraft dagegen, um möglichst viel Krach zu machen. Sie sollten mich hören. „Ich weiß, dass ihr Werwölfe seid“, brüllte ich wütend, „aber ich habe keine Ahnung was ihr von mir wollt!“ Immer wieder wiederholte ich diesen Satz, doch keiner schien mich zu hören. Irgendwann hatte ich genug und gab auf, „Was verdammt noch mal soll ich hier?“ In diesem kurzen Moment öffnete und schloss sich die Tür, ich drehte mich erschrocken um. „Wer“, entfuhr es mir und wäre sofort bereit gewesen, denjenigen zornig umzuspringen, wenn es sich bei der Person um Saruo gehandelt hätte, aber er war es nicht. Stattdessen stand ein kleines zierliches Mädchen mit einem Tablett auf den Armen vor mir. Es ging mit gesenktem Blick zu einem leeren Tisch und stellte dort ein Glas mit durchsichtiger Flüssigkeit sowie eine braune Schüssel ab. Ohne mich anzusehen, machte es einen kurzen Knicks und wollte wieder durch die Tür verschwinden. Doch ich packte seinen schmalen Arm und hielt es fest. Es zuckte erschrocken zusammen und kniff verängstigt die Augen zusammen. „Ich will dir nichts tun, Kleine, aber du weißt doch sicher etwas. Wo bin ich hier? Und was soll ich hier?“ Das Mädchen schwieg. Sein langes, gelocktes Haar war fast weiß und fiel ihm ins Gesicht. „Bitte“, sagte ich eindringlich, „Ich… du weißt gar nicht wie das ist, unbeachtet zu sein und völlig im Dunkeln zu tappen“ Ich presste verbittert die Lippen aufeinander, „Es ist… schrecklich. Ich kenne hier doch niemanden und niemand spricht mit mir…“, ich ließ die Hand des Mädchens fahren. Es drehte sich zu mir um und sah mir tief in die Augen. Dann nahm es seine Hand und berührte mich sanft an der Wange. Es lächelte mich geheimnisvoll aus seinen sanften silbernen Augen an. Ihre schmalen rosigen Lippen blieben geschlossen, als es seine Hand zurück zog und mir diese zur Faust geballt zustreckte. Ohne groß nachzudenken hob ich meine rechte Hand und hielt sie unter die seine. Das Mädchen öffnete daraufhin die seinige und etwas kaltes Rundes landete in meiner Handfläche. Ich starrte den kleinen metallenen Gegenstand an, doch das Mädchen schloss mit seinen Händen die meinige und lächelte mich wieder an. Dann drehte es sich um, nahm das Tablett und verschwand, ehe ich das Mädchen aufhalten konnte. Ich sprang ihr nach, doch die Tür war bereits wieder verriegelt. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken, auf den ersten Blick wirkte das Mädchen wie ein Geist, doch auf den zweiten wie ein Engel. Ich kratzte mich verwirrt am Kopf und seufzte, blickte dann zu dem Tisch, auf den das Mädchen, das Essen gestellt hatte. „Na ja, besonders appetitlich sieht das Ganze ja nicht aus“, das Getränk stellte sich heraus, war nichts anderes als Wasser und bei dem Brei handelte es sich um Fleischsuppe. Da sich mein Magen schon vor einer ganzen Weile gemeldet hatte, aß ich den Pamps und ließ mich anschließend bäuchlings aufs Bett fallen, betrachtete den silbernen Gegenstand, den mir das Engelchen gegeben hatte eingehend. Ich konnte nicht sagen, um was es sich dabei handelte. Es war rund, mit einem Durchmesser von ungefähr fünf Zentimetern, war keine fünf Millimeter dick und war ansonsten glatt geschliffen. Ich zuckte frustriert mit den Schultern und ließ den Mond, wie ich ihn taufte, in eine Hosentasche verschwinden. Wieso hatte Engelchen denn nichts weiter dazu gesagt. Im Grunde hatte sie ja die ganze Zeit über nichts gesagt. Ich legte meinen Kopf auf die Arme und schloss die Augen. Engelchen, wie ich das kleine Mädchen nun nannte, hatte ein weißes weites Kleid getragen und ein silbernes Tuch um den Hals. Sie sah wirklich aus wie ein Engel. Bei dem Gedanken musste ich unwillkürlich schmunzeln. Doch das Lächeln hielt nicht lange, schnell waren die schlechten Gedanken zurückgekehrt. In was für eine Misere war ich hier nur wieder hineingeraten. Kapitel 11: 11. Chi no Inu - Das Blut der Hunde ----------------------------------------------- 11. Chi no Inu Das Blut der Hunde Ich lief nervös in meinem Zimmer auf und ab, als es an der Tür klopfte. Überrascht wandte ich mich um. Jemand öffnete von Außen und ließ sich selbst ein. Wieso hatte man dann überhaupt erst geklopft? Ich schnaubte verächtlich, als ich den Mann namens Pij’ouino erkannte. „Kol’saruo schickt nach dir“, sagte er monoton und sah mich dabei nicht einmal an. Sein Blick war auf den Boden gerichtet. „Mir doch egal“, erwiderte ich trotzig und drehte mich knurrend um, „Ich würde es vorziehen wenn mich IRGENDWER erst einmal aufklären würde, was ich hier überhaupt soll!“ Pij’ouino schwieg nur. Dann hörte ich Schritte und zwei kräftige Männer packten mich an den Armen und zerrten mich aus meinem Zimmer. Na toll, dachte ich, erst wurde ich gegen meinen Willen in ein Zimmer gesperrt und nun aus selbigen gewaltsam wieder entfernt. Langsam verging mir selbst die Lust mich zu wehren, hatte ja doch keinen Sinn. Ich seufzte lautstark, was wohl Pij’ouinos Aufmerksamkeit einen kurzen Moment auf sich zog. Seine kühl dreinblickenden Augen trafen für eine Sekunde die meinigen. Vielleicht bildete ich mir es nur ein, aber ich hätte schwören können, ein feindseliges Blitzen in ihnen gesehen zu haben. Ich wurde abermals durch dunkle Gänge geschleift und konnte nicht die Hand vor Augen sehen. Es war mir ein Rätsel wie sich die anderen drei Männer hier zu Recht finden konnten. Wir liefen eine ganze Weile, ehe wir vor einer Tür Halt machten, die von einer einzelnen Kerze angeleuchtet wurde. Ringsherum herrschte immer noch tiefstes Dunkel. Selbst wenn ich es irgendwie geschafft hätte mich aus dem Griff der Männer zu befreien und zu fliehen, ich hätte hier niemals herausgefunden. „Kol’saruo!“, Pij’ouino klopfte sacht an der Tür. „Nur herein!“, kam die dumpfe Antwort. Pij’ouino sah mich kurz an, er wollte etwas sagen, biss sich jedoch auf die Unterlippe und nickte den beiden Männern zu, die mich immer noch fest hielten. Auf der Stelle öffneten sie die Tür und stießen mich gewaltsam in das Zimmer, das dahinter verborgen lag. Erschrocken über die plötzliche Wucht verlor ich das Gleichgewicht und stolperte, wäre beinahe bäuchlings auf harte Holzdielen gefallen. Jedoch wurde ich bevor ich den Boden begrüßen konnte von starken Armen aufgefangen. „Haha, danke Hirosh…“, wollte ich mich bedanken, doch als ich mich wieder aufrappelte und nun vor der Person stand, die mich aufgefangen hatte, schluckte ich, „Kol’saruo“ „Oh, du erinnerst dich an meinen Namen! Das freut mich!“, er lächelte mich fröhlich an. Wie hatte ich ihn mit Hiroshi verwechseln können? Wieso hatte ich überhaupt gerade an ihn gedacht? Ich erinnerte mich plötzlich wieder an die Situation als mich Hiroshi einmal aufgefangen hatte. Danach hatte er mich geküsst. Augenblicklich wurde ich rot bei dem Gedanken und schüttelte ihn sofort wieder ab. „Was ist denn? Macht dich meine Nähe so nervös?“, Kol’saruo hatte sich mir bis auf Augenhöhe genähert, so nah, dass ich mich selbst in seinen schmalen Pupillen widerspiegeln sehen konnte. „Huh?“, entfuhr es mir und ich wich einen Schritt zurück. „Na, na, aber nicht doch!“, der schwarzhaarige Mann vor mir lächelte verstohlen und streckte seine Hand nach meinem Gesicht aus. Vor Schreck blieb ich starr stehen und kniff die Augen zusammen, einen Schlag erwartend. Er streichelte mir aber sachte durchs Haar und über die Wange. Bei der plötzlichen Berührung zuckte ich kurz zusammen und schlug mit einem Mal die Augen auf, starrte den anderen Mann verwirrt an. Dieser sah mich aus seinem blauen und gelben Auge sanft an. Meine Augen weiteten sich noch mehr, als mich Kol’saruo in eine liebevolle Umarmung zog und sein Gesicht in meinen Haaren vergrub. Geschockt von der unerwarteten Wendung des Geschehens wehrte ich mich nicht, sondern verspannte mich noch mehr. Als Kol’saruo aber eine Hand an meinem Rücken unter mein Hemd schob, erwachte ich blitzartig aus meinem Trance und stieß den Mann mit aller Kraft von mir. Er stolperte nur ein paar Schritte zurück, fand sein Gleichgewicht wieder und sah mich aus traurigen Augen an. Ich schluckte. „Oh Mann“, Kol’saruos Stimme klang weder wütend noch zornig, vielmehr schmollend, als habe man einem kleinen Kind seinen Lolly weggenommen, „Du magst mich nicht“ „Huh?“, ich sah ihn irritiert an. „Keiner mag mich“, der schmollende Unterton wandelte sich in weinerliches Quengeln. „Was soll das?“, fragte ich genervt, „Bist du ein Mann oder eine Maus?“ Kol’saruo schaute mich verdutzt an, „Mit so einem Konter hätte ich nun nicht gerechnet“ Ich schwieg, aber mit meinen Gedanken bereits auf einen möglichen Angriff meines Gegenübers eingestellt und vorbereitet. Dieser ließ sich allerdings in einen nahe stehenden Sessel fallen, schlug ein Bein über das andere und lehnte sich gemütlich zurück. Er schien die Ruhe selbst zu sein, was meine Anspannung eher noch steigen ließ. Ein leises Gähnen entfuhr ihm und er schloss seine Augen, den Kopf auf die hohe Lehne gelegt. Mein Puls raste, ich sah die Tür, ungeschützt von dieser Seite und nicht abgesperrt, soweit es mir bewusst war. Auf der anderen Seite standen vermutlich noch die anderen Männer, aber sicher konnte ich mir bei keiner meiner Überlegungen sein. Also hätte ich diese Chance einfach nutzen sollen, solange sie mir noch blieb. Auch auf die Gefahr hin, mich in den dunklen Irrgärten dieser Gemäuer zu verlaufen. Ich sah noch einmal zu Kol’saruo, der immer noch unbeweglich auf seinem Sessel saß und leise ein und aus atmete. Mein Blick fiel auf sein halbzerrissenes Hemd. Der Ausschnitt war so weit, dass ich aus meinem Winkel einen viel zu tiefen Einblick erhielt. Ich wurde sofort rot, als ich mich bei dem Gedanken erwischte, wie gut der Mann eigentlich aussah. Um mich selbst wieder zur Vernunft zu bringen schlug ich mich mit beiden Händen vors Gesicht und sagte zu mir selbst, „Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt um über meine neuerlichen Neigungen nach zudenken“ Kol’saruo musste mein Selbstgespräch gehört haben, „Was denn für Neigungen?“, er hatte den Kopf gehoben und sich auf seinen rechten Arm aufgestützt. Erschrocken zuckte ich zusammen und drehte meinen Blick rasch von ihm weg. „Was denn? Magst du mich nicht einmal ansehen?“, der Sessel knarrte, als sich Kol’saruo erhob, „Bin ich denn so hässlich?“ Er schritt langsam auf mich zu, „Oder ist genau das Gegenteil der Fall?“ Nun stand er genau vor mir, doch ich hatte meinen Kopf immer noch von ihm abgewandt. Ich konnte seinen Atem auf meinem Gesicht spüren. Widererwarten gab der andere Mann einen angenehmen Duft von sich. Plötzlich packte Kol’saruo mein Kinn und zwang mich ihn anzusehen. Schnell wich ich seinem intensiven Blick aus. Wenn ich schon meinen Kopf nicht wegdrehen konnte, dann wenigstens meine Augen, doch ich konnte seinen festen Blick auf mir spüren. Ich biss die Zähne zusammen. „Ich bin dein Typ!“, es war keine Frage. Kol’saruo stellte mich vor eine Tatsache, der er sich selbst so sicher war, dass es fast schon wieder beängstigend war. „Du bist ganz schön selbstverliebt!“, knurrte ich und funkelte ihn an. „Das klingt ja fast so, als wolltest du mich herausfordern“, ein zynisches Lächeln umspielte Kol’saruo Lippen. „Interpretiere ruhig alles so wie du es willst“, zischte ich wütend. „Oh ja, das werde ich“, mit diesen Worten zog er mich gewaltsam an sich ran und küsste mich stürmisch. Ich zappelte wild und biss ihm auf die Unterlippe. Blut sickerte aus der Wunde und ließ einen metallenen Geschmack in meinem Mund zurück. Kol’saruo zuckte nur kurz zurück und leckte sich mit der Zunge über die Lippen, entließ mich zwar aus dem Kuss, nicht aber aus der Umarmung. Er war einfach viel stärker als ich. Ich hatte keine Chance gegen ihn. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in meinem Magen aus. Langsam bekam ich es wirklich mit der Angst zu tun. Kapitel 12: 12. Ore no! - Meins! -------------------------------- 12. Ore no! Meins! „Was zur Hölle sollte das?“ Kol'saruo sah mich nur an. „Ich versteh euch alle nicht! Was ist bloß los mit euch?“ „Ich weiß nicht was du meinst“, er zuckte mit den Schultern, entließ mich aus seinen Armen und wandte sich dem zugehängten Fenster zu, legte die Hände auf den Rücken. „Es reicht mir“, ich sank auf den Boden, „Das ist doch wohl alles nur ein böser Scherz“ Der andere Mann drehte seinen Kopf zu mir herum und beobachtete mich mit irritiertem Blick, „Wovon redest du?“ „Seit Hiroshi hier ist, ist mein Leben total aus den Bahnen geworfen!“ „Hiroshi?“, Kol'saruo kniff die Augen zusammen, „Hiroshi?“ Ich hob meinen Blick und starrte ihn an, „Du... kennst du ihn?“ Er überlegte, „Möglich“ „Das heißt?“ „Es gab da mal einen treuen Vasallen des Königs, der ursprünglich mit uns gearbeitet hat, aber sich dann als Spion herausgestellt hat!“ „Ein Spion? König? Wovon sprichst du?“ „Unsere ursprüngliche Welt ist Effandor!“ Überrascht sprang ich auf, „Genau, von dort kommt auch Hiroshi!“ „So?“, er hob eine Augenbraue „Und weiter?“, konnte es sich wirklich um die gleiche Person handeln? Hatte Hiroshi etwa die Wahrheit gesagt und seine Welt existierte wirklich? „Wir haben ihn getötet!“ Geschockt starrte ich ihn an. Schweigen breitete sich zwischen uns aus. Erst ein Klopfen an der Tür durchbrach die Stille. Eine dumpfe Stimme meldete sich und äußerte etwas in einer mir unverständlichen Sprache. Kol'saruo nickte bloß und wandte seinen Blick zu mir. Dann antwortete er in der gleichen fremden Sprache. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Mir lief ein Schauer über den Rücken. Ich konnte hören wie sich Schritte von der Tür entfernten. Der Mann neben mir schnaubte verächtlich und packte mich an meinem rechten Arm. Er zog mich näher zu sich heran. „All zu lange musst du nicht mehr hier bleiben“, flüsterte er mir ins Ohr. Ich spürte seinen Atem auf meiner Haut und mir gefror das Blut in den Adern. „Anscheinend ist dein kleiner Freund gekommen, um dich zu retten“ „Was?“, entfuhr es mir. Wen meinte er? Wer konnte schon wissen, wo ich mich befand. Ich wusste es ja selbst nicht. „Ich werde dich frei lassen, aber nicht ohne eine kleine Gegenleistung!“, Kol’saruo strich mir mit dem Zeigefinger über die Brust. Erschrocken zuckte ich zusammen, wollte mich aus seinem Griff befreien, doch er war viel kräftiger als ich. „Lass mich los“, knurrte ich wütend und zappelte wild, als mich der Mann mit seiner zweiten Hand rücklings an eine Wand stieß. „Noch nicht“, hauchte er mir ins Ohr, „Ich hatte ja noch gar keinen Spaß mit dir!“ Ich schluckte. Wie war ich bloß wieder in diese Situation geraten und vor allem, wie konnte ich mich hier wieder herauswinden? Mir brannte die Sicherung durch, als mir Kol’saruo über den Hals leckte. Mit aller Kraft stieß ich ihm mein Knie in den Magen. Ich streifte ihn aber nur leicht, denn der Mann schnellte zurück und somit verfehlte mein Angriff zwar die Wirkung, dass er zu Boden sank, aber es blieb ihm nichts weiter übrig, als mich loszulassen. Schnell entfernte ich mich von der Wand und hechtete zur Tür. Ehe ich diese jedoch erreichen konnte, hatte Kol’saruo mein Handgelenk auf ein Neues gegriffen und mich mit Schwung zurück geschleudert. Ich landete unsanft auf dem harten Holzboden und kniff mit schmerzverzerrtem Gesicht meine Augen zusammen. „So leicht, entkommst du mir aber nicht!“, der Mann fixierte meine Arme indem er meine Handgelenke auf den Boden presste und hielt mich mit seinem ganzen Körpergewicht unten. Seine Lippen näherten sich den meinigen, um einem Kuss auszuweichen, drehte ich rasch meinen Kopf zur Seite. „Ach, du willst es mir also schwer machen?“, zischte Kol’saruo, in seiner Stimme lag ein wenig Schadenfreude, „Wenn du dich so dagegen sträubst, bereitest du mir doch nur noch mehr Freude“ Mein Herz raste, Tränen traten aus meinen Augen, als mir klar wurde, dass es keinen Ausweg mehr für mich gab. Dass Hiroshi gekommen war, um mich zu retten, hatte dieser Mann gewiss nur gesagt, um mich aufzuziehen. Ich wollte keine Schwäche zeigen und biss mir auf die Unterlippe, bis Blut kam. Kol’saruo lächelte nur, „Aber, aber, du machst doch dein hübsches Gesichtchen kaputt“, er leckte mir über die blutende Lippe. Plötzlich wurde die Tür aufgestoßen und jemand stolperte herein. „SARUO!“, brüllte die Person wütend und empört. Ich kannte die Stimme. Nur hatte ich ihn noch nie so aufgebracht erlebt, „Hiroshi“, entfuhr es mir leise und ich konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. Hiroshi war tatsächlich gekommen. Er stapfte mit lauten Schritten auf uns zu und stieß Kol’saruo mit voller Wucht in die Rippen, sodass der schwarzhaarige Mann lautstark zur Seite auf den Boden geworfen wurde. „Hiroshi!“, rief ich nun lauter unter Tränen und wurde liebevoll von ihm in die Arme genommen. „Es ist alles in Ordnung, ich bin ja jetzt da“, versuchte er mich zu beruhigen. „Ignoriert mich nur“, schnauzte Kol’saruo, als er sich aufrappelte und mit einem leidenden Ausdruck die Seite hielt, „Du hast aber gar keine Gnade gekannt, was, Hiroshi!?“ Hiroshi schnaubte verächtlich und ignorierte den anderen Mann völlig. Er streichelte mir sanft den Rücken und flüsterte: „Es ist alles gut!“ Plötzlich stand Kol’saruo ganz auf und fing an in seiner Muttersprache wild auf uns ein zu reden. Hiroshi versuchte ihn zu erst einfach nicht zu beachten, doch drehte sich dann ihm zu und brüllte etwas in derselben Sprache. Daraufhin blickte Kol’saruo verletzt zu Boden und flüsterte erneut etwas mir unverständliches. Hiroshis Augen beobachteten den anderen Mann mitleidig und ich spürte deutlich, wie er mit sich rang. Dann sah er mich an, gab mir einen Kuss auf die Stirn und stand auf, ging auf Kol’saruo zu. Nun gab es keinen Zweifel mehr daran, dass sie sich kannten, denn Hiroshi legte eine Hand auf Kol’saruos Schulter und sagte etwas. Der andere nickte nur, hob dann seinen Blick und sah Hiroshi traurig an. Unvermittelt warf er sich dann an Hiroshis Brust und fing bitterlich an zu weinen. Hiroshi streichelte ihm beruhigend über den Kopf und flüsterte ihn Worte zu, die wohl beruhigenden Ursprungs waren. Während ich die beiden Männer so intim miteinander sah, wurde ich das Gefühl nicht los, dass sie eine äußerst spezielle Beziehung miteinander haben oder hatten und mein Mund wurde trocken. Ich schluckte. Was verband die beiden bloß? Die Person, die mich entführt und die die mich retten wollte. Irgendwie ergab das keinen Sinn. Hiroshi musste meinen starren Blick auf sich gespürt haben und schob Kol’saruo von sich weg. Er sah mich an und lächelte unsicher. Wollte er mir etwa verschweigen, was sie gerade besprochen hatten? Gerade als Hiroshi wieder zu mir gehen wollte, wurde er von Kol’saruo aufgehalten. Der Mann hielt ihn an der Schulter fest und zwang ihn sich zu ihm umzudrehen. „Was ist denn noch?“, fragte Hiroshi verwirrt. Doch Kol’saruo sagte nichts, aber sein Blick strahlte pure Entschlossenheit aus. Plötzlich zog er Hiroshi an sich heran und küsste ihn ungestüm. Vor Schreck konnte sich Hiroshi erst nicht dagegen wehren, stieß ihn jedoch sofort wieder von sich, fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. Nun wandte sich Kol’saruo mir zu und erklärte aufgebracht: „So leicht werde ich ihn dir nicht überlassen!“ Kapitel 13: Sayonara! - Lebe wohl! ---------------------------------- 12. Sayonara! - Lebe wohl! „Wa…“, ich brauchte einen Moment um das gerade eben Geschehene zu verarbeiten. Kol’saruo hatte Hiroshi geküsst. Einfach so. Und dann dieser Satz. Was meinte er damit, als er sagte, er würde mir Hiroshi nicht so einfach überlassen? Ich schüttelte verwirrt mit dem Kopf, um den abstrusen Gedanken zu vertreiben, der sich in meinem Kopf ausbreitete. Doch er wollte sich nicht so recht vertreiben lassen. War Kol’saruo etwa in Hiroshi verliebt? Ich hob meinen Blick und starrte die beiden Männer an, die sich gegenseitig angespannt beobachteten. „Ich meine das ernst!“, Kol’saruo durchbrach als erster die herrschende Stille, „Hiroshi gehört mir!“ Es konnte kein Irrtum sein, dieser Mann liebte Hiroshi und wollte ihn mir abspenstig machen! Einen Moment, was sollte dieser Gedanke gerade? Konnte ich mir denn anmaßen zu sagen, Hiroshi gehöre mir? Ich lief unvermittelt rot an und sah zur Seite. „Saruo, verwirr Yuki bitte nicht noch mehr!“, nun hatte sich Hiroshi ins Gespräch eingemischt und war an meine Seite getreten. Er legte einen Arm um meine Schulter und stemmte den anderen genervt in die Seite. „Wieso verwirren? Ich sag ihm nur worauf er sich eingelassen hat!“, es klang fast so, als schmolle Kol’saruo. „Er hat sich auf gar nichts eingelassen!“ Meine Augen weiteten sich. „Meine Gefühle sind einseitig. Yuki hat nichts im Geringsten mit der ganzen Sache zu tun!“ Mein Herz begann wie wild zu schlagen. Das stimmte doch überhaupt nicht. Ich ertappte mich bei dem Gedanken etwas laut abstreiten zu wollen. Ich wurde erneut rot, hielt aber weiterhin meinen Blick gesenkt. „Ach ja?“, Kol’saruo trat einige Schritte auf uns zu und blieb vor mir stehen. „Saruo! Bleib von ihm weg! Ich lasse nicht zu, dass du ihm etwas tust!“, Hiroshi hob seinen Arm und streckte ihn schützend vor mir aus, „Er hat mit alldem nichts zu tun!“ „Bist du dir da auch ganz sicher?“ „Ja, ich habe ihn mir ausgesucht und…“ „Darum geht es mir doch gar nicht!“, Kol’saruo wandte uns den Rücken zu und lief vor uns auf und ab, „Du weißt doch sicherlich noch, dass auch wir die Prinzessin suchen“ „Was hat das mit Yuki zu tun?“, Hiroshi wurde merklich nervös. Ich hob meinen Kopf und sah Hiroshi verwirrt von der Seite an. „Und stell dir vor, unser Weg hat uns geradewegs zu deinem neuen Spielzeug geführt!“, bei diesen Worten drehte er sich abrupt zu uns um und starrte Hiroshi mit funkelnden Augen an. „Was meinst du?“, er wurde blass. „Das weiß ich selbst noch nicht so genau, aber eines ist sicher“, er lächelte gehässig, „dass er der Schlüssel zu unserer lang gesuchten Prinzessin ist!“ Ich begriff gar nichts, stand nur dumm schweigend im Raum und blickte fragend zu Hiroshi. Er schenkte mir ein Lächeln und zog mich an sich, „Mach dir keine Sorgen“ „Oh, wie rührend. Das solltest du aber lieber, Kleiner. Zu mal dein ach so lieber Hiroshi ein echter Schwerenöter ist, der gar nicht weiß, was Liebe ist und ehe du dich versiehst hat er bereits ein neues Spielzeug gefunden und du wirst weggeworfen“ „Halt die Klappe!“, brüllte Hiroshi aufgebracht und sah dann mich an, „das ist nicht wahr, glaub ihm ja kein Wort!“ „Ich…“, mein Hals war trocken, „Ich weiß schon lange nicht mehr, was und vor allem wem ich glauben soll“ „Aber Yuki, ich“ „Nein, Hiroshi. Erst kommst du einfach so in mein Leben, dann wirfst du mich zu Boden und glaubst auch noch im Recht zu sein. Dann diese Entführung, wohin auch immer, von wem auch immer. Mich hat nämlich noch keiner aufgeklärt und nun dringst du mir nichts dir nichts hier ein, in einen Ort, von dem ich nicht mal weiß wo er überhaupt ist, geschweige denn, ob ich nicht vielleicht noch träume und dann scheinst du meinen Entführer auch noch sehr gut zu kennen und anstatt mich hier raus zubringen, unterhaltet ihr euch, als sei nichts gewesen!? Nein, Hiroshi! Ich glaube weder dir noch diesem Kol-was-auch-immer. Ich will nur noch hier raus!“, damit schob ich seinen Arm von mir und wandte mich von ihm ab. „Aber Yuki! Ich kann dir alles erklären und will dir helfen, also…“ Ich unterbrach ihn, „Wenn du mir wirklich helfen willst, dann bringst du mich hier raus!“, ich setzte meine ganze Wut in den Blick mit dem ich ihn nun strafte, „Ich will dich nie wieder sehen!“ Seine Augen verrieten wie ihn das verletzt hatte, doch ich tat als störe es mich nicht. Ich hatte genug. Dieses Spiel musste ein Ende haben. Noch konnte ich in mein altbekanntes Leben zurückkehren. Noch würde der Schmerz nicht so tief sitzen. „Hat dich dein Spielzeug diesmal zu erst weggeworfen?“, grinste Kol’saruo hämisch, „Nun weißt du wie es sich anfühlt, nicht mehr gebraucht zu werden!“ Ich konnte den tiefen Schmerz in seiner Stimme hören. Was hatte Hiroshi ihm angetan, dass er so etwas sagte. Nein, was ging mich die gemeinsame Vergangenheit der beiden an? Aber etwas in mir wollte es dennoch wissen. „Kann ich denn nun gehen?“, fragte ich stattdessen. „Ja, ja“, Kol’saruo winkte ab, „Ich weiß ja wo ich dich finden kann“ „Was soll das heißen?“ „Du brauchst gar nicht erst versuchen zu fliehen, wir finden dich egal wo du bist!“, nun trat Kol’saruo auf mich zu, „Du bist der Schlüssel zur Zukunft!“ „Das ist mir so was von egal“, flüsterte ich, „Ich will nur noch nach Hause“ „Okay, okay. Nichts leichter als das!“ Als ich mit Kol’saruo den Raum verließ, stand Hiroshi noch an derselben Stelle, an der ich ihn die verletzenden Worte mitten ins Gesicht gesagt hatte. Ich wollte ihn nie wieder sehen. Nie wieder. Bei diesem Gedanken zog sich etwas schmerzhaft in mir zusammen. Ich ignorierte das Gefühl. Schweigend gingen der dunkelhaarige Mann mit den zwei verschiedenen Augenfarben und ich durch die dunklen Gänge, die nur schwach von kleinen heruntergebrannten Fackeln erhellt wurden. Irgendwann hielten wir vor einer alten Holztür an. Kol’saruo öffnete sie langsam und schob sie mit viel Kraftaufwand auf. Dahinter lag ein kleines dunkles Zimmer verborgen. Zögernd folgte ich dem anderen Mann hinein. Vor einem verstaubten Regal blieb er stehen und nahm eine kleine Flasche heraus, die er mir anschließend reichte. „Trink das“, befahl er. „Was ist das?“, fragte ich skeptisch. „Deine einzige Möglichkeit hier herauszukommen!“ Er hatte mich in der Hand. Ich wusste weder wo ich war noch wie ich hier alleine herauskommen sollte. Doch vorher wollte ich noch eine letzte Frage stellen, geradeso als ob ich eine Vorahnung gehabt hätte, dass dies die letzte Chance dazu sein würde, „Was verbindet dich und Hiroshi?“ Kol’saruo sah mich erstaunt an, er hatte wohl nicht mit solch einer Frage gerechnet. Doch dann lächelte er, „Ich habe ihn geliebt und liebe ihn immer noch. Aus diesem Grund konnte ich ihn damals auch nicht töten“ „Doch nun trink!“, sagte er, „Du wirst ihn vergessen, glaube mir“ Ich musterte ihn verwirrt, „Aber“ „Trink!“, unterbrach er mich forsch, „Es bringt dir nichts, noch mehr zu erfahren!“, er legte eine Hand auf die meine, in der ich das Fläschchen hielt und hob sie mir an die Lippen. „Keine Angst. Es ist nichts Schlimmes, doch du darfst nicht wissen, wo wir hier sind!“ Das ergab Sinn, wahrscheinlich sollte mich das Mittel nur bewusstlos machen, damit sie mich ungestört von hier wegbringen konnten. Ich war zu naiv, als dass ich weiter hätte denken, oder etwa die Bedeutung seiner Worte verstehen können. Ich setzte die Flasche an den Mund und trank sie in einem Zug leer. * Als ich erwachte, fand ich mich in meinem Zimmer wieder. Die Bettdecke lag am Boden. Ich musste sie im Schlaf wohl wieder weg getreten haben. Gähnend richtete ich mich auf und setzte die Füße auf das kalte Laminat. Mein Kopf schmerzte etwas, ich würde mir als erstes eine Schmerztablette einwerfen, sobald ich aufgestanden war. Die Sonne schien hell wie jeden Morgen durch das Fenster. Mein Blick fiel auf die Uhr auf dem Nachttisch. Sie zeigte zehn Uhr an. Ich blinzelte. So spät war es schon? Meine Kopfschmerzen meldeten sich erneut. Ich rieb mir die Schläfen und blickte erneut auf das Ziffernblatt. Zehn Uhr, ich hatte mich nicht verguckt. „Ich komme zu spät zur Schule“, rief ich panisch aus und hechtete in Eile aus meinem Zimmer, die Treppe hinunter und ins Bad. Ein schriller Schrei ertönte und ich fiel erschrocken zu Boden. „Ein Perverser?“, ein feuchtes Handtuch landete in meinem verwirrten Gesicht, „RAUS!“ Irritiert hob ich das Handtuch von meinen Augen und blickte auf eine zierliche Gestalt, die sich mit rotem Gesicht ein anderes Handtuch vor den Körper gedrückt hielt. „Ka… Karen-chan?“, fragte ich Geistesgegenwärtig und starrte das blonde Mädchen erstaunt an. „Ja und jetzt…“, sie stockte und betrachtete mich irritiert, „Yuki-chan?“ „Ja… und es tut mir Leid, ich wusste nicht…“ „YUKI-CHAN!“, vor Freude kreischend viel sie mir in die Arme und drückte sich an mich, „Du bist wach! Du weißt gar nicht, was wir uns für Sorgen gemacht haben…“ „Wa… was meinst du?“, stotterte ich und versuchte das Mädchen von mir zu drücken, leider erfolglos. „Na, du hast fast eine ganze Woche lang geschlafen und niemand wusste warum“, ihre vor Freude quietschende Stimme hatte sich in ein besorgtes Wimmern gewandelt, „Geht’s dir gut?“ Ich schüttelte wild mit dem Kopf, „Wenn du noch länger so an mir klebst, dann sicher nicht!“ „Kya! Yuki!“, sie löste sich ruckartig von mir und sprang auf, „Das hab ich jetzt überhört! Wir haben früher sogar zusammengebadet“ „Du sagst es, früher!“, ich lächelte gezwungen und wollte das Bad verlassen, als sie mich aufhielt: „Was ist denn passiert?“ „Also, das war…“, ich zögerte, dachte einen Moment nach und merkte erschrocken, dass ich keinen plausiblen Grund für meinen tagelangen Schlaf hatte, „ich… weiß es nicht mehr“ Die Kopfschmerzen meldeten sich aufs Neue. Ich konnte mich an gar nichts erinnern, seit ich jenen Abend vom Fechttraining nach Hause gekommen war und einen Einbrecher vor meinem Fenster gesehen hatte. Was danach geschehen war, wollte mir beim besten Willen nicht mehr einfallen. Was war in der letzten Woche geschehen? Und wie groß war der Zeitraum, an den ich mich nicht erinnern konnte? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)