Pesce von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- Der Tag eilte davon und David vergaß. In ihm schauderte die Beunruhigung der längst für tot erklärten Erinnerungen, denn wahrlich hatte er geglaubt, sie vergessen zu haben. Heute besaß nichts mehr Bedeutung. Der Wind klang an seinem Fenster und es glich einem hohlen Versprechen. Just in diesem Moment ward er wieder erinnert an Maddalena. Es durch glitt ihn ein widerwärtiges Beben, welches die Tasse in seiner Hand samt Inhalt auf den Boden schmetterte. David fluchte und bückte sich hinab, um die Scherben aufzusammeln. Die Keramik war nicht großartig gesplittert und so beinahe glücklich zerschellt. Er fischte sie müden Blickes aus dem Tee, der sich in einer breiten Lache auf dem Boden ergossen hatte. David erhob sich und warf die Überreste in den Mülleimer. Dann griff er nach dem bestnächsten Tuch und wischte den Boden provisorisch. Die Teepause war beendet. Fast leidlich verzog er den Mund, wirkte es doch beinahe so, als wolle man ihm jegliches Genussmittel entziehen. Wahrscheinlich war er ohne es zu wissen in eine reale „Trumanshow“ geraten. Die tatsächliche Welt außerhalb seiner Realität musste derartig sadistisch sein, dass sie ihn zum Selbstmord, oder – sehr viel schlimmer – zum Wahnsinn treiben wollten. Ihm begann, diese Idee zu interessieren und schweifte in einen Gedankenstrom ab, während das Wetter zunehmend schlechter wurde. Dunkle Wolken waren vor einiger Zeit aufgetaucht, die sich nun immer bedrohlicher über die Stadt legten. In der Ferne war grollendes Tosen zu hören. Konnte man solche Effekte tatsächlich nachahmen? David grübelte. Sicher. Beim Film konnte man es ja auch. Aber was wäre, wenn die Filme die Realität und er eine Art Traumwelt darstellten? Wenn sie ihn verhöhnten, in dem sie ihm die Wahrheit quasi auf einem goldenen Tablett präsentierten und er zu ihrem Spott zu engstirnig war, um es zu verstehen? Aber seine Gedanken konnten sie nicht lesen! Oder? Es traf David, wie ein Faustschlag. Sein Magen verzog sich schmerzhaft. Was, wenn sie aber dennoch nur das zeigten mit der Realitätsdarstellung, was sie wollten, dass sie es zeigten? Dann hätten sie Denkanstöße, wie die „Trumanshow“ gegeben, ihm eine Surrealität vorgegaukelt und den Spott aufs Äußerste getrieben. Hätten sie es als Absicherung dafür getan, dass wenn er jemals hinter diesen Gedanken kommen würde, sie dennoch ein Ass im Ärmel hätten. Denn im Film war das Gehirn nicht überwacht worden. Doch David war klug. Er wusste um die Gerissenheit der Menschen bescheid. Und in der realen Welt, draußen, war es wohl nicht anders, als hier. Denn mindestens einer war nicht manipuliert worden und genau an diesem jemand konnte er messen, wie klug oder dumm die Menschen waren: Er selber. Eine durch den Himmel zuckende Blitzader zerriss die Dunkelheit des Gewitters und durchstieß zusammen mit den Wolken seine Gedanken. Die wichtigste Frage von allen aber, dachte er und wand sich dem Fenster finster ab, wer sind «sie»? Er durchstreifte in Gedanken versunken sein Zimmer, tigerte wie ein in einem Käfig eingesperrtes Tier auf und ab, zersauste sich Haar und fing am Ende gleich seiner alten Gewohnheit wieder an, an den Nägeln zu knabbern. Was für ein Elend. Dennoch kam er zu einem Schluss: Um dieser Frage auf die Spur zu kommen, durfte er nicht mehr antastbar sein! Musste sich vollkommen abschotten und der Macht der Beobachtung wenigstens im Innern entziehen. Wollten sie ihn zum Gespött der Welt machen, so hatten sie nicht mit ihm gerechnet. So hatten sie sich geschnitten! Wut und Hass vermischten sich und verdickten zu einer klebrigen Masse, die sich schmierig über ihn legte und einlullte, wie einen Embryo die Gebärmutter umgibt. Seine Muskeln verkrampften sich vor Entzückung und schmerzten. Er musste unantastbar werden! Für jeden gottverdammten Preis auf dieser Welt! Gleichsam mit diesem Gedanken durchsuchten seine Augen das Zimmer, strebend nach einem passenden Werkzeug; einer richtigen Funktionalität. Sie blieben am Schrank hängen und er stürmte buchstäblich auf eine kleine blaue Kommode zu, die schon zwei Staubschichten zu viel hatte. Er hatte in der letzten Zeit das Putzen sehr vernachlässigt. Ungestüm riss er sie auf und entleerte den Inhalt einfach über den Boden. Derartig erleichtert waren die Schubladen nicht mehr von Bedeutung, sodass er sie achtlos nach hinten warf. Als eine krachend gegen ein Stuhlbein flog und dieses abbrach, minderte David seine Brutalität den Gegenständen ein wenig und wühlte keuchend im klirrenden Haufen herum, nicht darauf achtend, dass er sich an Gabeln stach und Klingen schnitt. Schließlich stieß er einen jauchzenden Laut aus und hielt das Messer, welches er gesucht hatte, in die Höhe, als wolle er es einer schaulustigen Menge vorführen. Seine Augen hatten einen feurigen Glanz angenommen. Waren dort tatsächlich tausende von Beifällen, die ihn umringten in leichte Watte, oder flunkerte der Regen ihm bloß alles vor? David konnte es nicht unterscheiden. Aber das fast glaubhafte Zujubeln stieg ihm die Röte in den Kopf und den Wahn in die Glieder. Das Messer zuckte munter im Licht auf. Schwärze umzog sich seines Körpers. Was er fühlte, als er das Messer ansetzte, konnte er später nicht mehr sagen. Er glaubte fast, er wäre in dieser Sekunde taub geworden für alles. Und der Schmerz empfing ihn feierlich. Hosted by Animexx e.V. 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