Erin Erik von Mad-Dental-Nurse (Buch Eins: Im Schatten des Wolfes) ================================================================================ Kapitel 16: Zerissenes Herz! ---------------------------- „Was soll das heißen, sie ist weg?“, tobte der Polizeidirektor und schlug mit der Faust auf die Tischplatte. Chris, der im Büro stand, runzelte die Stirn und sah seinen Kollegen an, dem alles andere als wohl zumute war. „Naja sie ist nicht mehr in ihrer Zelle!“, sagte er und trat von einem Fuß auf den anderen. „Wie bitte?“, fragte der Direktor und stand nun auf. „Wie konnte das passieren?“ der Beamte hob die Schultern. „Ich weiß es nicht. Sie muss etwas dabei gehabt haben, um die Tür zu öffnen!“, erklärte er. „Man hat sie durchsucht. Außer der Waffe, hatte sie nichts dabei!“, schrie er weiter und sein Blick glitt nun zu Chris. „Haben Sie ihr vielleicht etwas gegeben?“, fragte er und Chris schaute ihn ungläubig an. „Bitte?“, fragte er und sah seinen Chef erschrocken an. „Haben Sie ihr eventuell bei der Flucht geholfen?“ „Nein, wie hätte ich denn das schaffen können. Ich hatte weder den Schlüssen nachmachen lassen, noch habe ich ihr einen Dietrich gegeben. Wie denn auch, ich wurde vorher abgesucht!“ Den letzten Satz sagte er so, als habe man ihm selbst wie einen Schwerverbrecher behandelt und er schaute zu seinem Kollegen, dem immer unwohler wurde. „Das war nötig, da Sie mit der Tatverdächtigen liiert sind!“, erklärte sein Chef und lehnte sich im Stuhl zurück. Chris ballte die Fäuste und merkte, wie die Wut in ihm hochstieg. Auch wenn er sein Chef war, konnte er trotzdem nicht so mit ihm sprechen. Immerhin wusste er, dass Chris einer seiner fähigsten Angestellten war und dass er sich auf ihn verlassen konnte. das er nun glaubte, er habe Erin zur Flucht verholfen grenzte schon bei ihm an Rufmord. „Nur weil ich mit ihr eng befreundet bin, soll ich sie gleich freigelassen haben?“, fragte er wütend. „Sie wissen doch, dass mir sowas nicht liegt. Egal, wie sehr sie mir am Herzen liegt!“ „Natürlich weiß ich das, aber das war nun mal reine Vorsichtsmaßnahme!“, sagte der Polizeidirektor beschwichtigend und machte eine abwinkende Handbewegung. „Tse!“, gab Chris nur von sich und schüttelte den Kopf. Er konnte es nicht fassen, wie sein Chef ihn, nach all den Jahren behandelte. „Wie auch immer. Sie werden diesen Fall nicht übernehmen. Sie sind von dem Fall entzogen und auch von dem, der schwarzen Bestie!“ „Was!?“ „Sie haben keine Spur mehr. Sie haben Sie verloren. Und außerdem könnten Sie die Verdächtige ja informieren, was unsere Ermittlungen ergeben und warnen. Deswegen will ich, dass ein anderer den Fall übernimmt!“, erklärte der Mann und Chris Gesicht wurde empört. „Hören Sie, nur weil ich Ihre Spur verloren habe, können Sie mir doch nicht den Fall entziehen!“, sagte er laut. „Doch, das kann ich. Das Sie Ihre Spur verloren haben, ist unverzeihlich. Sicher mordet dieses Biest weiter und ich will nicht wissen, was diese Fritzen von der Persse in ihrem Schmutzblatt reinschreiben. Die Leute lachen schon über uns, weil wir dieses Miststück noch nicht gefangen haben. Man denkt, wir wären Stümper. Sie denken...!“, wollte der Polizeichef gerade weiterjammern, als Chris ihm grob ins Wort fiel. „Ich verstehe, was Sie meinen. Aber trotzdem...Der Fall der schwarzen Bestie, ist mein Fall!“ „Jetzt nicht mehr. Monsieur Lombert...würden Sie bitte den Kollegen rausbegleiten?“, fragte er dann und der Kollege nickte. Chris wehrte sich schroff, als dieser ihn am Arm ergriff und ihn rausbugsieren wollte. „Ich kann schon alleine gehen!“, sagte er wütend und verließ das Büro. Erin erwachte in einem kleinen Hotelzimmer. Das Sonnenlicht drang durch die schmalen Schlitze des Rollladens nur dürftig hinein. In der Luft hing eine Schwüle, die einen normalen Menschen nicht schlafen lassen ließ. Doch Erin schlief tief und fest. Seit sie aus dem Polizeipräsidium entkommen ist, war sie im Autositz eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht. Ihr Retter, saß im Sessel und schlief ebenfalls. Nachdem sie Paris hinter sich gelassen hatten, hatten sie sich unter falschem Namen ein Hotel gemietet, um etwas zurasten. Doch im Gegensatz zu Erin, schlief er nicht, sondern schaute sie einfach nur und schien in Gedanken versunken zu sein. Sie drehten sich hauptsächlich um Erin. Nie hätte er gedacht, dass die Wiedergeburt des Phantoms so eine Schönheit sein konnte. und was in ihr wirklich schlummerte. Er verzog etwas die Mundwinkel zu einem ironischen Grinsen. „Da passt das Sprichwort “Außen hui, innen pfui“ doch wirklich ganz gut!“, dachte er sich. Erin nuschelte etwas und rekelte sich in dem kleinen Bett. „Chris...glaub mir...ich war das nicht!“ Das Gesicht ihres Begleiters wurde niedergeschlagen. Er konnte sich gut vorstellen, wie nun die Polizisten und ihr Freund reagiert hatten, als sie bemerkten, dass sie nicht mehr da war. Und er seufzte schwer. „Sicher werden nun die Polizisten noch mehr nach ihr suchen!“ Da erwachte sie und richtete sich müde auf. „Uhh, mein Kopf!“, jammerte sie und hielt sich ihren Schädel. Der Mann lächelte. „Na, ausgeschlafen?“, fragte er und Erin ruckte herum. Sie sah den Mann erst erschrocken, doch dann mit dem gewohnten Argwohn an. „Einigermassen!“, sagte sie und schüttelte sich. ihre Haare standen in allen Richtungen ab. Sie sah aus, wie ein ungepflegter Hund. Der Mann lachte über dieses Bild. „Wo sind wir hier eigentlich?“, fragte sie und zog die Knie an. Sie strich sich durch das Haar, versuchte es einigermaßen wieder zurichten. Den anderen Arm legte sie lässig auf ihr linkes Knie. Während ihr rechter Arm, auf dem rechten Knie ruhte und immer noch durch die verknoteten Haare fuhr. „Außerhalb von Frankreich!“, erklärte er. Erin runzelte die Stirn. „So schnell?“, fragte sie ihn und der Mann nickte. „Wer sind Sie überhaupt?“ „Wieso wollen Sie das wissen?“ „Ich bin eben misstrauisch, was Fremde angeht, die mich retten!“, sagte sie lauernd. Der Mann lachte. „Das kann ich verstehen. Sie trauen niemandem. Das ist Ihr gutes Recht. Immerhin haben Sie einen gewissen Ruf, in der Öffentlichkeit!“ „Sie wissen also, wer ich bin?“, fragte sie und der Mann nickte. „Ihr Name ist Erin. Sie sind die beste Agentin des Vatikans. Allerdings sind Ihre Vorgehensweisen, was die Dämonenjagd angeht, ziemlich ungewöhnlich!“, erklärte er und lehnte sich im Sessel zurück. Erin hob die Brauen. „Sie wissen wirklich, wer ich bin!“, sagte Erin trocken. „Da ich weiß, was Sie über mich wissen. Wäre es doch nur fair, wenn Sie mir sagen, wer Sie sind!“ Wieder lachte der Mann und nickte. „Ja. Gut. Ich sehe, Sie sind jemand, der auf Gleichberechtigung aus ist!“ „Das nicht, nur es ist mir nicht recht, wenn jemand über mich Bescheid weiß, und ich nicht über ihn!“, erwiderte Erin gelassen und beugte sich etwas vor. Erneut lachte er. „Verstehe. Mein Name ist Nadir Daroga. Ich komme aus Persien und bin schon langem auf der Suche nach Ihnen!“, sagte er und Erin hob die Brauen. „Persien?“ Daroga nickte. „Ja, ich war auf der Suche nach Ihnen, da ich glaube, Sie seien in Gefahr!“ „Bitte?“ „Lassen Sie mich erst ausreden. Erin. Es gibt jemanden, der Ihnen an den Kragen will und ich befürchte, dass Sie ohne meine Hilfe es nicht überleben werden!“ „Ich habe bisher wunderbar auf mich aufgepasst und immer alleine gearbeitet. Und Viola...ich lebe noch!“, sagte sie und breitete die Arme aus. Daroga lachte erneut. „Ohne Frage. Sie wissen, wie man sich gegen die dunklen Mächte verteidigt. Aber leider ist Ihr jetziger Gegner eine Nummer größer. Wenn nicht sogar zwei Nummern!“ Nun blickte er sie ernst an und Erin konnte ihm deutlich ansehen, dass er das auch so meinte. „Wissen Sie, wer es genau ist?“, fragte sie ebenso ernst. Doch Daroga schüttelte den Kopf. „Nein. Ich weiß nur, dass es sich hierbei um die zweite Botin des Teufels handelt!“ „Botin des Teufels?“, wiederholte Erin und der Perser nickte. „Ja, sie steht im Zeichen der Schlange. Dem kriechenden Bösen. Und...ist wie gesagt, die zweite Botin!“ „Die Zweite. Wer ist denn die Erste?“ Nadir Daroga antwortete nicht sofort, sondern schaute auf den mit Holz belegten Boden und faltete die Hände im Schoss zusammen. Erin sah ihn nur an und wartete etwas angespannt auf die Antwort. Doch je länger er sie warten ließ, desto unsicherer wurde sie sich und fragte sich ehrlich, ob sie die Antwort hören wollte. Es dauerte ewig, bis Nadir Daroga den Kopf wieder hob und sie festansah. „Darüber kann ich dir genauso wenig sagen, wie über die Schlangenfrau. So heißt die zweite Botin nämlich in der Hölle. Aber ich weiß, dass die erste im Zeichen des Wolfes steht. Dem lauerndem Unheil!“ Erin starrte den Perser mit offenem Mund an. Sie konnte nicht glauben, was er da ihr gerade gesagt hatte. Im Zeichen des Wolfes, dem lauerndem Unheil? Ein dumpfer Gedanken wurde in ihr geweckt. Doch diesen wollte sie nicht weiterdenken, sondern drängte ihn in den hintersten Teil ihres Verstandes. Dennoch blieb ein leises Flüstern. Nein, das konnte doch nur ein Witz sein. Sie schüttelte den Kopf. „Sie denken ich sei das?“, fragte sie entsetzt und bemerkte, wie kratzig ihre Stimme klang. Daroga sagte nichts. Stattdessen bildeten sich auf seiner Stirn tiefe Furchen. „Nun, Sie haben einen Wolf, als Beschützer. Die Schlangenfrau wiederum hat eine weisse Schlange bei sich!“, sagte Nadir grübelnd und deutete dabei auf Rafael, die die Ohren spitze und etwas knurrte. Erin lächelte. „Nur weil ich einen Wolf bei mir habe, soll ich gleich die rechte Hand des Teufels sein?“, fragte sie nun wieder trocken und Daroga schüttelte den Kopf. „Nicht die rechte Hand, sondern nur der Stellvertreter!“ „Wie auch immer. Ich bin im Vatikan praktisch aufgewachsen und auch wenn ich nicht wie ein Nonne lebe, bin ich dennoch nicht ein Werkzeug Satans!“, trotzte sie. Nadir lachte herzhaft. „Das habe ich ja auch nicht gesagt!“, erwiderte er und wurde erneut ernst. „Tatsache ist aber, dass die Schlangenfrau hinter Ihnen her ist!“ „Und wieso?“ „Weil Sie der Hölle mächtig Ärger machen, wenn ich das mal so sagen darf!“ „Das ist mein Job!“ „Ja, ich weiß. Aber Satan hat es nicht gern, wenn sein bestes Pferd rebellisch wird!“ Erin hob die Brauen und sah ihn nun an, als hätte er den Verstand verloren. „Wie bitte?“ „Lassen Sie mich erklären. Die Boten des Teufels sind so etwas wie die Herren für die Drecksarbeit. Sie sorgen auf Erden für Unheil und Chaos!“, erklärte er knapp und Erins Unglauben wuchs und wuchs. „Soll das ein Witz sein?“, fragte sie wieder und verschränkte die Arme vor der Brust. „Absolut nicht!“, antwortete der Perser. „Sie erwarten, dass ich Ihnen diesen Schund abkaufe?“ „Entweder das oder Sie werden schneller vom Blitz getroffen, als es Ihnen lieb ist. Im wahrsten Sinne des Wortes!“ „Vom Blitz getroffen...im wahrsten Sinne des Wortes. Was soll das. Kann dieser Schlangenfrau Blitze schießen?“ „Wenn was ich Ja sage?“, fragte Daroga. „Dann erkläre ich Sie für Geisteskrank!“, sagte Erin und zeigte ihm den Vogel. „Und das sagt jemand, der hinter Dämonen her ist!“, sagte er grinsend. Erin verzog kurz angesäuert das Gesicht. Auch wenn es ihr nicht passte, hatte er Recht. Sie war kein bisschen besser. Sie jagte Dämonen. Kein Mensch auf Erden würde an sowas glauben. Früher vielleicht, im Mittelalter. Aber heute nicht mehr. Da die Menschheit alles, was mysteriös war, mit irgendwelchen Erklärungen aufdeckte, die zur Hälfte vollkommen unsinnig waren. Nur Sie und der Vatikans, mit seinen Exorzisten und Priestern, glaubten noch an die dunklen Mächte der Finsternis. Dabei musste sie an Chris denken und ihr Gesicht machte nun einen niedergeschlagenen Eindruck. Sie blickte zum Fenster und schloss die Augen. Chris Gesicht tauchte in ihrem Geist auf und sie verspürte einen schmerzhaften Stich in ihrem Herzen. Sie vermisste ihn und sie war sich sicher, dass er auch sie vermisste, trotz allen Schwierigkeiten, den er nun durch sie haben wird. „Chris!“, flüsterte sie und seufzte schwer. „Er ist besser dran, ohne Sie!“, erklang die Stimme Darogas und riss sie aus ihren Gedanken. Sie drehte sich zu ihm herum und sah ihn finster an. „Wie können Sie sich da so sicher sein?“, fragte sie knurrend. „Weil er ebenfalls zur Zielscheibe wird, wenn sie nicht von ihm wegbleiben!“, erklärte der Perser sachlich. Erin sog scharf Luft ein. Sie hat schon lange daran gedacht, dass wer auch immer hinter ihr her ist, es auch auf Chris abgesehen hat. Sollte sie ihn zu nahe kommen. Am Anfang hatte sie versucht, ihm nicht nahe zu kommen. Sie wollte ihn nicht in Gefahr bringen. Doch als sie anfing sich in ihn zu verlieben, war dies natürlich umso schwerer geworden. Und jetzt... Daroga schaute sie lange schweigend an. „Sie machen sich Sorgen um ihn?“, fragte er dann vorsichtig und Erin nickte. „Er denkt, ich sei abgehauen. Dass ich doch etwas mit dem Mord zu tun habe und...nun...!“ „Auf der Flucht bin!“, setzte er für sie ein, als sich Erins Kehle zusammen schnürte und sie kein Wort herausbrachte. Es machte sie fertig, dass Chris nun vielleicht so über sie dachte. Da sie ja nur zur Hälfte zu ihm ehrlich war. Und meist spät nachhause kam und sogar schwer verletzt war. Ein dicker Kloss bildete sich in ihrem Hals und sie merkte, wie ihr Magen anfing zu rebellieren. Wie auf ein Zeichen erhob sich Daroga und ging zu einem Tisch. Eine Schale mit Obst stand darauf und er reichte ihr einen saftigen Apfel. Erst als sie ihn in der Hand hielt, merkte sie, wie hungrig sie war und biss hinein. „Wir blieben noch zwei Tage, dann müssen wir weiter. Gregor nervt schon allmählich, was aus Ihnen geworden ist und wann wir endlich in Rom ankommen!“ Erin lächelte. Das war wiedermal typisch für Gregor. Wenn sie sich nicht sofort auf seine Anrufe meldete, dachte er gleich das schlimmste. „So ist eben mein Ziehvater!“, bemerkte sie und biss erneut hinein. Chris saß auf der Couch und schaute grimmig zur Decke. Noch immer konnte er es nicht fassen, dass man ihm den Fall der schwarzen Bestie entzogen hatte. Dieser Fall hatte bis jetzt sein Leben bestimmt. Er wollte diese Mörderin kriegen. Doch dieser Ignorant von Chef hat ihm dies weggenommen und nun würde sicher ein anderer, nicht halbwegs so guter Polizist den Ruhm ernten. Er konnte nur hoffen, dass es dem nächsten genauso ergeht, wie ihm, was das auf spüren der schwarzen Bestie angeht. Dabei musste er an Erin denken und die Sehnsucht, sie wiederzusehen traf ihn, wie ein heranrasender Güterwagen. Er fragte sich, wo sie gerade ist und ob sie wohlauf ist. Er ging in das Zimmer, welches sie bezogen hatte. Außer dem Bett, dem Schrank und dem kleinen Tisch war das Zimmer leer. Die Klamotten, die sie achtlos auf dem Boden hatte liegen lassen waren nicht mehr da und er vermisste irgendwie ihre Unordnung. Es war als würde ein Teil von ihm fehlen. Nur das schwarze Abendkleid, was er ihr gekauft hatte lag noch auf dem Bett. Fast so, als wollte es ihn daran erinnern, dass sie mal hier gewesen. Er lächelte verbittert und setzte sich auf das Bett. Nahm das Kleid in die Hand und befühlte den Stoff. Er war weich und er konnte noch deutlich die Wärme in dessen Stoff spüren. Vollkommen in Gedanken, die sich immer nur um Erin drehten, hob er den Stoff hoch und roch. Noch immer roch das Kleid nach ihr. Ein wilder Duft. Würzig und doch lieblich. Chris lächelte, als er sich vorstellte, wie sexy sich das Kleid an sie schmiegte und ihr Kurven hervorbrachte. Zugern hätte er sie wieder in diesem Kleid gesehen und grinste breit. Sobald er sie wiedersah, würde er es ihr geben. Und mit einem Male fühlte er wieder das Verlangen nach ihr und er fragte sich, wann er sie wieder sehen würde. Ein Klingeln ließ ihn aus den Gedanken reißen und er schaute zur Tür. Kurz war es wieder still. Doch dann klingelte es erneut und Chris stand auf. Wer auch immer da vor der Tür stand, er wollte ihn nicht sehen. Dafür war seine Laune zur sehr auf den Tiefpunkt. Er öffnete die Tür und hätte sie fast wieder zugeschlagen. Breitgrinsend und in einem verführerischen Sommerkleid, stand Ramona vor ihm und schaute ihn vielsagend an. „Überraschung!“, sagte sie und grinste noch breiter. Chris Laune sank noch tiefer. „Was willst du?“, fragte er. Sie war die letzte, die er sehen wollte. „Oh, begrüßt man so seine Freunde?“, sagte sie und machte eine Unschuldsmiene. „Wir sind keine Freunde. Wir sind nicht mal miteinander bekannt!“ „Falls du es vergessen hast, wir waren mal verlobt!“, erwiderte sie und legte allen Stolz in dieses eine Wort. „Wie du es schon sagtest, wir waren es!“, sagte er trocken und wollte schon die Tür schließen als Ramona die Tür mit der Hand zurückhielt und ihn ernst ansah. „Ich muss mit dir reden!“, sagte sie ernst. „Worüber?“ „Um deine kleine Freundin!“ „Hör zu!“, begann er und lehnte sich an der Tür an. Die andere Hand stemmte er in die Hüfte. „Ich bin es leid, deine Intrigen anzuhören und mir von dir sagen zulassen, was gut für mich ist und was nicht!“ Ramona sagte nichts darauf, sondern sah ihn nur an. Nach all den Jahren, indem sie zusammen waren, hatte sie immer das Gefühl gehabt, er würde ihr gehören und niemand würde ihn ihr wegnehmen. Dafür hatte sie gesorgt. Doch dann hatte er es mitbekommen und die Verlobung gelöst. Etwas, was sie ihm niemals verziehen hat und ihn am liebsten dafür die Augen auskratzen würde. Aber das würde nicht nötig sein. Immerhin hatte sie den perfekten Sündenbock gefunden. „Das ist keine Intrige. Ich will nur mit dir über sie reden!“, sagte sie. „Kann ich reinkommen?“ Chris schaute sie kurz von oben bis unten an. dachte ernsthaft darüber nach, ob er diese Schlange in seine Wohnung lassen soll. Ramona schien zu wissen, was er dachte und seufzte. „Du denkst wirklich, ich will dich gegen sie aufhetzen?“§ „Ach, das merkst du erst jetzt. Du warst es doch, der Erin nicht gerade freundlich behandelte!“, entgegnete er und Ramona schnalzte mit der Zunge. „Ich war eben ein wenig zickig. Außerdem war ich erschüttert, das du so schnell wieder ein Mädchen hattest!“ „Du meinst ein Mädchen aus den einfachen Kreisen!“ Ramona verzog das Gesicht. Schon wenn sie das hörte, juckte es sie überall. „J-Ja!“, würgte sie mühsam hervor und versuchte sich ihren Ärger in Bezug auf Erin nicht anmerken zulassen. Chris sagte nichts, sondern sah sie einfach nur an. „Kann ich nun endlich reinkommen?“ „Nein!“ „Wieso nicht?“ „Weil ich derzeit auf Gesellschafft getrost verzichten kann!“, sagte er bestimmend und schlug dann die Tür vor ihrer Nase zu. Zur gleichen Zeit: Erin saß im Auto und schaute aus dem getönten Fenster. Sie musste immer noch an das denken, was Nadir ihr gesagt hat. Sie soll eine der Botin Satans sein? Das konnte doch nur ein schlechter Scherz sein. Zumindest betete sie, dass es einer war. Als sie den Vatikan erreichten, spürte Erin ein Gefühl der Erleichterung und der Heimkehr. Endlich war sie wieder daheim und konnte es kaum erwarten sich zu duschen. Während sie auf langer fahrt waren, hatte Erin sich nicht richtig gewaschen und sie ekelte sich vor dem Gefühl von Schmutz. Gregor stand an der Seitentür und lächelte, als er sie aussteigen sah. „Erin, schön dich wohlbehandelten wiederzusehen!“, sagte er und breitete die Arme aus. Erin lächelte, umarmte ihren Ziehvater jedoch nicht. „Ich freue mich auch wieder hier zu sein, aber ich will jetzt erstmal duschen. Ich rieche wie ein Hund!“, sagte sie und Rafael stieß ein tiefes kehliges Knurren aus. Erin hob entschuldigend die Hände. „War nicht so gemeint, mein Süßer!“ Rafael bellte kurz auf und drehte beleidigt den Kopf weg. Das Wasser tat gut und Erin seufzte, als das Gefühl schmutzig zu sein, mit dem Wasser abgespült wurde und sie sich wieder frisch fühlte. Schnell schlüpfte sie in frische Klamotten. „Jetzt ein wenig schlafen!“ Da klopfte es an der Tür. „Erin!“, sagte Bruder Gilmore und sie drehte sich zu ihm herum. „ Gregor und der Perser möchten Sie sprechen!“ Gregor saß an seinem großen Mahagonischreibtisch und hatte die Hände unter seinem Kind verschränkt. Der Perser stand neben ihn, wie ein Leibwächter und seine Miene war ernst. Erin stand vor den beiden und schaute jeden abwechselnt an. „Also, Sie wollten mich sprechen!“, sagte sie, als das Schweigen unerträglich wurde. Gregor und Nadir tauschten kurz Blicke, ehe Kardinal Gregor wieder nachvorne schaute und nickte. „Ja, es geht um das, was in Paris geschehen ist. Nadir Daroga hat mir alles erzählt!“, sagte er und Erin verdrehte etwas die Auge. Sie konnte sich schon irgendwie denken, was er damit meinte. „Hören Sie, ich habe nichts mit dem Mord an dem Direktor zutun. Von dem des Grafen ganz zu schweigen!“, sagte sie und schüttelte den Kopf. „Das weiß ich, Erin!“, erwiderte er und hob beschwichtigend die Hände. „Ach was?“, gab sie ungläubig von sich und schaute ihn etwas verwirrt an. Eigentlich tobte er doch immer, wenn Menschen zu Schaden kamen, sobald sie etwas unternommen hatte oder gar etwas angerichtet hatte, was ihm nicht gefiel. Dass er jetzt so reagierte, machte sie ein wenig stutzig. „Nadir Daroga hat mir alles erzählt!“, berichtete er weiter und deutete mit einem Kopfnicken zu dem Perser. Erin sah ihn etwas mit zusammen genkniffen Augen an. „Ach, was hat er Ihnen noch erzählt?“, fragte sie finster. „Das du einem Dämon begegnet bist und er glaubte du seist dessen Wiedergeburt!“, erklärte der Kardinal und seine Miene wurde auf einmal ernst. „Und wenn ich mir so anhöre, was er zu berichten hat und was für Ähnlichkeiten du mit diesem Dämon hast dann...dann glaube ich das auch. So schwer es mir auch fällt!“ „Ohh, jetzt fangen Sie nicht auch noch an!“, stöhnte sie und breitete die Arme aus, als wolle sie um Gnade flehen. „Erin, das ist eine ernstzunehmende Sache. Wenn da was wirklich dran sein soll, müssen wir was dagegen unternehmen!“, sagte Gregor und erhob sich. „Was wollen Sie machen, mich in eine weißmagische Zelle sperren oder mir gleich eine geweihte Silberkugel zwischen die Augen jagen?“, fragte sie wütend und deutete mit dem Finger auf ihre Stirn. Kardinal Gregor schüttelte empört den Kopf. „Nein, wo denkst du hin. Wir werden dich zumindest bewachen lassen!“, sagte er und Erin schnappte nach Luft. Bewachen lassen? Geht’s noch! Sie hatte gut fünf Tage in einer Zelle verbracht und das war alles andere als angenehm. Und nun wollte man sie bewachen. Wie eine Straftäterin! Erin verzog finster das Gesicht. „Sagen Sie mal, haben Sie eigentlich noch alle?“, fuhr sie ihn an. „Ich bin weder die Wiedergeburt von diesem Dämon noch habe ich irgendwas gemeinsam mit ihm!“ „Erin und was wenn doch...immerhin hattest du mehr als Kontakt mit ihm!“, erwiderte Gregor und nun reichte es Erin. „Am Anfang hielt ich Sie für verrückt, Daroga!“, sagte sie und schaute zum Perser. „Aber jetzt glaube ich, Ihr seid beide verrückt!“, damit schaute sie zum und machte eine abfällige Handbewegung mit beiden Händen. Für sie war das Thema erledigt und sie drehte sich um, um das Büro zu verlassen. „Was ist mit den Träumen und den Visionen, die Sie haben?“, fragte plötzlich Nadir und Erin hielt inne, als sie schon nach der Klinke griff. „Was?“, fragte sie und drehte den Kopf halbwegs herum. „Die Visionen?“, fragte Daroga erneut und schaute sie wissend an. „Ich denke, Sie wissen sehr genau, was ich damit meine!“ Erins Hand, die die Klinke schon fast erreicht hatte, sank hinunter und sie drehte sich vollkommen zu ihm herum. Und ob sie das wusste, aber woher wusste er davon? „Woher wissen Sie von meinen Träumen?“ „Weil ich genau weiß, was Erik vorhat. Dass Sie diese Visionen haben, ist kein Zufall. Genauso dass er Sie am Leben ließ!“, erklärte er. „Was meinen Sie damit?“, fragte nun Gregor. Auch wenn er wusste, dass Erin die Wiedergeburt dieses Erik war, war es ihm dennoch ein Rätsel, wieso er sie am Leben ließ. „Ganz einfach. Erik braucht Erin. Nur durch sie kann er wieder einen festen Körper und so ein neues Leben bekommen!“ „Bitte?“, platzte es aus Erin heraus und Gregor sah den Perser schockiert an. „Soll das heißen, dass Erin nur das Gefäß von ihm sein soll und er, ein verfluchter Dämon, ihren Platz in der Welt einnehmen will?“ der Perser schaute beide lange schweigend an, senkte den Kopf und seufzte schwer. „So könnte man es sagen!“ Erin glaubte, man hätte ihr den Boden unter den Füssen weggezogen und sah den Perser nur an. Das er schon behauptet hatte, sie wäre die Botin des Teufels hatte schon gereicht, um zu glauben, dass er den Verstand verloren hat. Aber das er nun sagte, sie solle das Gefäß von diesem verdammten Mistkerl sein, gefiel ihr ganz und gar nicht. „Heißt das, wenn ich draufgehe, wird er in meinen Körper schlüpfen und während ich im Jenseits bin, wird er in meinem Körper weiterleben und weitermorden?“, fragte sie entrüstet und spürte einen Anflug von Ekel und Wut in sich aufsteigen. Schon allein der Gedanke ließ sie schütteln. Nadir Daroga sagte nichts, sondern schaute hinaus, aus dem Fenster. Er wusste nicht, was er nun sagen soll. Auch wenn er sich von Anfang an gedacht hatte, dass sie so reagieren würden und ihn vermutlich für verrückt hielten, hoffte er dennoch, dass sie ihm glauben würden. Gregor schaute ihn kurz an und sah die wachsende Ohnmacht, in dessen Gesicht. Er seufzte und wandte sich an Erin. „Es wäre besser, wenn wir uns für heute zurückziehen. Das was wir hier gehört haben war wohl doch zu viel!“, sagte er und stand auf. Der Perser blickte ihn kurz an und nickte. Auch Erin schien damit einverstanden und verließ das Büro. Die Nacht senkte sich über den Vatikan, wie ein Schatten, hüllte sie alles ein und verschluckte das Licht, das selbst in den tiefsten Winkeln lag. Erin lag auf ihrem Bett und hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Ihr blick war an der Decke und sie war in Gedanken versunken. Immer mehr glaubte sie, dass das hier alles nur ein schlechter Witz sei. Alles war so unglaublich unlogisch. Wenn sie wirklich ein Botin des Teufels ist, wieso ertrug sie die heilige Macht der Kirche? Und wieso verbrannten das Weihwasser und das Silber ihrer Kugel nicht, wenn sie diese in ihre Waffe lud. Das machte doch alles keinen Sinn. Rafael, der neben ihr lag, hatte den Kopf auf ihren Bauch gelegt und winselte leise. Erin kraulte ihm, immer noch in Gedanken versunken den Kopf und schloss dann die Augen. Immer wieder sah sie den Dämon vor sich stehen. Das Phantom. Wie es sie böse angrinste und seine Augen rotaufglühten. Erik! Der Klang seines Namens versetzte ihr eine Gänsehaut und sie schauderte. Das Gesicht des Phantoms veränderte sich auf einmal. Wie Wasser verschwammen die Konturen und sie stand sich selbst gegenüber. Dennoch blieben die Augen rot und der Mund war zu einem hässlichen Haifischmaul verzogen. Da verblasste ihr Spiegelbild und Chris tauchte auf. Er lächelte sie an. Und sie spürte, wie sich ihr Herz zusammen zog. Ihm nicht mehr nahe zu sein, war einfach schrecklich. Sie hatte sich in genauso verliebt, wie er sich in sie und konnte sich sehr gut vorstellen, was er nun fühlte. Leere! Unerfüllte Leere! Sie öffnete die Augen und richtete sich auf. Rafael erhob sich ebenfalls und schaute sie etwas zerknirscht an. Er war gerade dabei gewesen einzuschlafen, während sie ihm den Kopf kraulte und knurrte etwas. „Tut mir leid, Rafael. Aber es geht mir nicht so gut!“, sagte sie und stand auf. Sie ging zu einem kleinen Tisch und goss sich etwas Wasser ein. Wobei ihr der Sinn nach etwas stärkerem stand. Aber Gregor würde ausflippen, wenn sie Whiskey hier in ihrem Zimmer hatte. In einem Zug leerte sie das Glas und ging zum Fenster. Draußen war es vollkommen dunkel und Erin beschlich ein seltsames Gefühl der Unruhe. Auch wenn sie endlich Zuhause war und sich darüber freute, wurde das beunruhigende Gefühl, welches sie verspürte und deutlich etwas Warnendes hatte, schwand nicht. Im Gegenteil, es wurde immer größer, bis es ihr die Kehle zusammen schnürte und sie glaubte, zu ersticken. Tief atmete sie ein und versuchte den dicken Kloss in ihrem Hals hinunterzuschlucken. Vergebens! Noch einmal schenkte sie sich Wasser ein, trank Schluck für Schluck. Ihr Blick ständig nach draußen gerichtet. Wo Schatten durch die Gassen zu kriechen scheinen und sie zu belauern schienen. Trotz dieses Gefühls beobachtet zu werden, schien sie keine Luft zubekommen. Raus, sie musste raus! Frische Luft zu schnappen und versuchen ihren Kopf klar zu bekommen. „Komm, Rafael. Wir gehen etwas spazieren!“, sagte sie und der Wolf sprang runter vom Bett. Gemeinsam mit ihm verließ sie ihr Zimmer und ging hinaus. In die Dunkelheit, der Nacht. Kardinal Gregor saß an seinem Schreibtisch und schaute gedankenverloren auf die schwarzpolierte Tischplatte. Das was er von Perser gehört hatte, hatte ihn bis ins Mark getroffen. Erin und die Wiedergeburt eines Dämons? Das konnte nicht sein! Das dürfte nicht sein! Er hat sie aufgezogen, wie seine leibliche Tochter und hatte sie gelehrt, was es heißt die Mächte der Dunkelheit zu respektieren und auch zu fürchten. Hatte sie gelehrt, wie sie sich dagegen wehren kann. Und nun? Soll sie selbst ein Werkzeug der dunklen Macht werden. Aber wieso dann, war dieser andere Dämon hinter ihr her? Gregor wusste sich darauf keine Antwort zu geben. Er seufzte schwer und sein Blick strich über die Schublade, in der er, nach all den Jahren, die Maske aufbewahrt hatte. Wie von selbst streckte er die Hand aus, zog die Schublade auf und holte die Maske hervor. Mit einem unguten Gefühl drehte er diese in den Händen. Noch immer hatte sie etwas Unheimliches. Und ein Schauer rann ihm über den Rücken. Plötzlich erlosch eine der Lampen und er schaute auf. Ein dünner Rauchfaden stieg von der Petroleumlampe empor und Gregor runzelte die Stirn. Er stand auf und ging zur Lampe hin. Er schaute sich dieser genauer an und musste feststellen, dass sie eigentlich noch brennen müsste. „Seltsam!“, murmelte er und drehte sich wieder herum, um zu seinem Schreibtisch zu gehen, als eine weitere Lampe erlosch. Gregor blickte nun zu der zweiten und meinte einen eisigen Lufthauch zu spüren. „Was geht hier vor sich?“, fragte er sich und sah sich weiter um. In den Ecken seines Büros glaubte er nun Schatten aufsteigen zusehen. Lauernd verharrten sie in den Ecken und schienen ihn zu beobachten. Langsam schlängelten sie aus ihren Verstecken und krochen auf ihn zu. Gregor schlug ein Kreuzzeichen und begann leise zu beten. Die Schatten zogen sich augenblicklich zurück. Doch anstatt zu verschwinden blieben sie. Gregor schluckte. „Wie ich sehe sind Sie ein wahrer Mann Gottes!“, höhnte eine Stimme lachend und Gregor drehte sich um. Ein Schatten, größer als die anderen hatte sich vor ihm aufgebaut und schaute ihn aus tiefrotglühenden Augen an. Der wich zurück. „Was hast du hier zu suchen, Ausgeburt der Hölle?“, fragte er und wich erneut zurück. Der Schatten legte den Kopf schief und machte für einen kurzen Moment, einen beleidigten Eindruck. Doch dann lachte er wieder. „Was kann ich wohl von Ihnen wollen?“, fragte er und eine Klaue zuckte auf. Wie Messer blitzten diese im verbliebenden Licht auf und der glaubte, innerlich zu gefrieren. „Du willst mich umbringen?“, fragte er trocken und versuchte die Angst aus seiner Stimme zu zwingen. Wieder lachte der Schatten. „Genau, ich kann es nicht riskieren, dass Sie ihr helfen!“ Verächtlich spuckte der Schatten und ein Loch brannte sich in den Teppich. „Erin wird dich auslöschen, wie sie mit jedem deiner Artgenossen gemacht hat!“, knurrte Gregor. „Auch ohne meine Hilfe!“ „Dessen bin ich mir bewusst!“, sagte der Schatten. „Deswegen will ich Sie auch erledigen. Durch Ihren Tod, wird die schwarze Bestie zu dem werden, was ich selber bin!“ „Niemals!“, rief Gregor, da packte der Schatten ihm am Hals und drückte zu. „Wollen wir wetten?“, fragte der Schatten und hob die Klaue. Gregor blickte auf diese und begann am ganzen Leib zu zittern. In seinem Kopf wirbelte nur ein Gedanke. Erin! Was würde passieren, wenn er sie nicht mehr schützen kann. Würde sie wirklich zu einer Kreatur, des Bösen werden. Er schüttelte den Kopf, sofern es in der Umklammerung des Dämons möglich war und sah ihn an. „Sie wird dich kriegen und dann schickt sie dich wieder dahin, wo du herkommst!“, knurrte er wütend. Der Dämon grinste und seine scharfen Reißzähne kamen zum Vorschein. „Vielleicht, aber du wirst nicht mehr leben, um das zusehen!“ Mit diesen Worten, brachte der Dämon die letzte Lampe zum Erlöschen und Dunkelheit umgab den Kardinal. Minutenlang passierte nichts. Er spürte immer noch den Griff des Dämons um seinen Hals und er glaubte schon daran, dass dieser ihn zappeln lassen wollte. Als ein unerträglicher Schmerz durch seinen Hals raste und sich wie Feuer, brennend und schmerzhaft in seinem Körper verbreitete. Kardinal Gregor wollte den Mund öffnen um zuschreien, doch es kam nur ein nasses Gurgeln hervor und er spürte, wie sich seine Luftröhre mit einer süßlich metallischen Flüssigkeit füllte. Er hörte wie aus der Ferne das Lachen des Dämons, obwohl er genau vor ihm war und ihn langsam zu Boden sinken ließ. Dann gingen die Lampen wieder an und Gregor sah zu seinem Mörder hoch. Ein teuflisches Grinsen zog sich über dessen Lippen. „Das war Bauer Nr.1!“, sagte er und verschwand. Kardinal Gregor spürte, wie das Leben aus ihm wich. Spürte wie eine lähmende Kälte seinen Körper erfüllte. Seine Augenlieder wurden schwer und er hatte nur noch einen Wunsch. Schlafen, einfach einschlafen. Da sah er ein letztes Mal Erins Gesicht vor sich und wie er sie all die Jahre um sie gekümmert hatte. Sein Herz machte einen schmerzhaften Schlag und während sein Blut den Teppich rot färbte, formten sich seine Lippen zu einem einzigen Wort. „Erin!“ Dann schlossen sich seine Augen und sein Herz hörte auf zu schlagen. Erin war alleine durch die Straßen Roms gelaufen. Nur mit Rafael an ihrer Seite und die Hände tief in die Taschen ihrer Hose vergraben. Ihre Füße hatten ihren eigenen Willen gehabt und sie quer durch die Stadt getragen. Nun stand sie auf einer Brücke und schaute auf das dunkle Wasser, was leise dahinfloss. Auf der fließenden Oberfläche zeichneten sich schwach die Konturen des Mondes und die Häuser ab. Erins Spiegelbild im Wasser war ungewöhnlich verzerrt und Erin glaubte ihre dunkle Seite darin zu sehen. Doch sie schüttelte den Kopf und versuchte erst gar nicht wieder daran zu denken. Rafael stellte sich auf die Hinterläufe und schaute sie mit seinen braunen Hundeaugen besorgt an. Er winselte leise und legte den Kopf schief. Erin sah ihren Wolf liebevoll an und strich ihm über den pelzigen Kopf. „Mach dir keine Sorgen, alter Freund. Es geht mir gut!“, versicherte sie ihm. „Du scheinst deinen Wolf sehr gern zu haben?“, fragte plötzlich eine Stimme und Erin drehte sich herum. Aus dem Halbschatten trat Nadir und lächelte sie an. Sofort verfinsterte sich Erins Gesicht. Sie konnte sich schon denken, wieso er hier war und verschränkte die Arme vor der Brust. „Sind Sie mir gefolgt, um mich zu bewachen?“, fragte sie feindselig. Nadir Daroga sah sie einen kurzen Moment an, und schüttelte den Kopf. „Nein, ich wollte genauso wie Sie frische Luft schnappen!“, sagte er und schaute in die Ferne. „Ich kann mir gut vorstellen, dass Ihnen alles andere als Wohl ist!“ „Sie treffen den Nagel auf dem Kopf!“ Nadir Daroga lächelte etwas, wurde dann aber wieder ernst. „Ich wollte Sie nicht schockieren. Genauso wenig wie Ihren Ziehvater. Er muss nun denken, dass man Sie nicht mehr aus den Augen lassen sollte!“ „Das denkt er immer. Immer wenn ich auf der Jagd bin!“ Nadir lachte. „Sind Sie so schlimm, wenn Sie den Dämonen zu Leibe rücken?“, fragte er amüsiert. Erin schüttelte den Kopf. „Nein. Aber ich habe schon so manchen schweren Verlust bei einer meiner Jagden erlitten, dass mein Ziehvater denkt, ich wäre nicht in der Lage, die Menschen zu retten!“, sagte sie etwas verbittert und lehnte sich an der Brüstung der Brücke. Wieder war ihr Blick auf das dunkle Wasser unter ihr gerichtet und sie sah immer noch die verzerrte Fratze, die ihr Gesicht sein sollte. „Das klingt, als würde er nicht so große Stücke auf Sie halten?“, fragte er und Erin verzog schmerzhaft das Gesicht. „Doch das tut er schon, allerdings erwartet er, dass ich den Vorschriften vorgehe. Aber ich gehe nun mal nach meinen eigenen Vorstellungen vor und das stört ihn!“, erklärte sie seufzend und musste sich daran erinnern, wie oft er sich ermahnt hatte, vorsichtiger vorzugehen. Irgendwann, als er merkte, dass es keinen Sinn hatte, hatte er es aufgegeben. Nadir sah sie nachdenklich an. „Sie gehen also nach Ihrem Kopf und nicht nach dem der anderen!“, vermutete er und Erin nickte. „Auch wenn ich dann vorgegebenen Vorschriften gehen würde, würden trotzdem Menschen sterben!“, sagte sie und stieß sich von der Brüstung ab. „Sowas fühle ich und auch wenn ich weiß, ich kann diese Menschen nicht retten, tut es weh. Ich musste, in all den Jahren, in denen ich gejagt habe, immer wieder auf zerstörte Familien, Tränen und Trauer treffen!“ Sie schaute nun ihn an und Nadir sah Schmerz und Elend in ihrem Gesicht spiegeln. „Wissen Sie wie das ist, als Mörderin dazustehen, obwohl man versucht zu helfen und dennoch scheitert? Wissen Sie wie das ist, morgens aufzuwachen und das Gefühl zu haben, die ganze Welt gegen sich zu haben? Immer wenn ich die Augen schließe sehe ich Menschen. Menschen, die um ihrer Liebsten trauern und mich verfluchen. Mich als eine Bestie bezeichnen, die Ihnen die geliebten Menschen entrissen hat!“ Nadir sagte nichts, sondern sah die junge Frau einfach nur an. Er konnte nicht glauben, dass sie noch achtzehn war und dabei sprach, wie eine Dreisig jährige. In ihrem Gesicht spiegelte sich das, was er bei einer alten, gebrochenen Frau sehen würde. Trauer und Verzweiflung. „Nein, das weiß ich nicht. Und das werde ich auch nicht. Aber ich kann Ihnen versichern, dass, wann immer Sie auch Kummer haben und nicht wissen, was Sie tun sollen, Sie sich immer an mich wenden können. Ich bin Ihr Freund, Erin. Und ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um Ihnen zu helfen!“ Erin lächelte, bei diesen tröstenden Worten. Auch wenn sie immer noch der Meinung war, dass das alles, was er erzählt hatte, ein grausamer Scherz war, rührte es sie doch. Und es erinnerte sie etwas an Chris, den sie immer noch wahnsinnig vermisste und den Schmerz in ihrem Herzen zu unterdrücken versuchte. Sie nickte. „Danke, Daroga!“, sagte sie und wischte sich über das Gesicht. Sie merkte, wie ihre Wangen nass waren. Sie musste kurz geweint haben, doch das störte sie nicht. Auch jemand wie sie, durfte mal weinen. „Sie sind wirklich ein verrückter Kauz!“ Nadir Daroga lachte herzhaft. „Und Sie ein aufmüpfiges, junges Ding!“ „Daran werden Sie sich leider gewöhnen müssen!“ Nun lachten beide und Erin fühlte sich gleich etwas wohler. Sie gingen zurück und Erin sah schon den Vatikan, als sich die Pforte öffnete und eine Gestalt rausgerannt kam. Erin blieb stehen und schaute die zu der Gestalt. Sie kam genau auf wie sie zu. Nadir stellte sich schützend vor sie und seine Hand glitt in die Innenseite seines Jacketts. Seine Finger fanden den Griff seines Revolvers und wartete, bis die Person sie erreicht hatte. Erin kniff die Augen zusammen und gab einen überraschten Laut von sich. „Das ist Bruder Gilmore!“, Nadir schaute sie kurz an und Erin nickte. „Es ist in Ordnung. Er ist ein Freund!“ Nadir Daroga nickte auch und nahm, die Hand aus dem Jackett. Bruder Gilmore erreichte die beiden und schien völlig außer Atem sein. Sein Gesicht war erschöpft und auch etwas entsetzt. Erin hatte so ein dummes Gefühl und spürte, wie sich in ihrem Bauch ein Kloss bildete. „Erin...es...es ist etwas Schreckliches passiert!“, keuchte er und fasste sich an die Brust. Versuchte Luft in seine ausgetrockneten Lungen zubekommen. „Was...was ist los?“, fragte sie. Der Kloss in ihrem Bauch wurde größer. Wenn Bruder Gilmore so aufgelöst war, musste das etwas heißen. Bruder Gilmore schüttelte den Kopf und in seinem Gesicht machte sich nun ein Ausdruck von Hilflosigkeit breit. „Bruder Gilmore, was ist passiert?“, sagte sie und packte ihn an den Schultern. „Euer Ziehvater... Kardinal Gregor...er...er ist...!“ Erin vergeudete keine Zeit, sie ließ den stotternden Bruder stehen und rannte zurück in den Vatikan. Einige Polizisten hatten sich im Büro versammelt und untersuchten den Tatort, als Erin hineingestürzt kam und den leblosen Körper Gregors sah. „Nein!“, keuchte sie und taumelte zurück. Es war als hätte dieser Anblick ihr einen Stoß nach hinten versetzt und sie war nicht in der Lage sich zu rühren. Nadir Daroga, Rafael und auch Bruder Gilmore erschienen nun und stellten sich hinter sie. Rafael winselte und senkte den Kopf. Erin stand nur da und konnte sich für Minuten nicht rühren. Doch dann machte sie einen langsam, ungelenkigen Schritt nach vorne und dann noch einen. Einer der Polizisten bemerkte sie und kam ihr entgegen. „Seniora, bitte bleiben Sie zurück!“, sagte er. „Das ist ein Tatort. Sie dürfen hier nicht rein!“ Doch Erin schob sich an den Mann vorbei und als er sie ansprach, um sie hinaus zu bitten, warf sie ihm einen finsteren Blick zu. Der Polizist wich zurück und ließ sie weitergehen. Nadir Daroga stellte sich neben ihm und schaute zu ihr, wie sie sich neben Gregor kniete und die Hand auf seine Stirn legte. Trauer und Schmerz breiteten sich in ihr aus, wie ein brennendes Feuer und sie musste die Kiefer aufeinander pressen, um nicht wie eine Hündin loszuheulen. Nur widerwillig blickte sie dann auf die Wunde, die sich quer über den Hals des Paters zog und auf das Blut, das sich wie ein großes rotes Tuch unter ihm ausgebreitet hatte. Ihr wurde schlecht und sie wandte den Blick ab. „Wie,...wie ist das passiert?“, fragte sie stockend und schaute zu dem einem Polizisten an, dem sie mit ihrem Blick gestraft hat. „Das wissen wir nicht. Aber wir gehen von Mord aus!“, sagte er etwas schüchtern und Erin verzog das Gesicht. Natürlich war das Mord. Oder glaubte dieser Trottel, dass Gregor sich selbst die Gurgel aufgeschnitten hatte? „Und haben Sie schon eine Spur?“, fragte Nadir Daroga und der Polizist schüttelte den Kopf. „Nein, aber wir gehen davon aus, dass der Mörder freien Zutritt hatte. Wir haben nirgends Spuren eines Einbruchs gefunden!“ Erin hörte nicht hin, sondern schaute in das alte Gesicht ihres Ziehvaters und ihr brannten Tränen in den Augen. Sie konnte nicht anders, als ihnen freien Lauf zu lassen und sich ihrer Trauer hinzugeben. Minuten lang saß sie so da und weinte und es dauerte, bis Daroga ihr die Hand auf die Schulter legte und sie sanft drückte. „Gehen wir und lassen den Herren ihre Arbeit machen!“, sagte er leise und Erin stand auf. Wortlos ließ sie sich von ihm hinaus führen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)