Der Grüne Stein von Ta_Moe (- ein Märchen -) ================================================================================ Kapitel 7: Akt 7 ---------------- Der unerkannte Ritter Am nächsten Morgen, nachdem sich Heela mit ein paar einfachen Handgriffen zurecht gemacht hatte, ging sie in die Große Halle, um dort das Frühstück zu sich zu nehmen. Dieses Mal waren Männer und Frauen gleichermaßen anwesend und in leise Gespräche vertieft. Heela sah sich suchend um, sie konnte wieder Sean erkennen, der am gleichen Platz wie am vorherigen Tag saß. Jedoch verspürte sie keinerlei Dränge, sich ihm auch nur auf zehn Meter zu nähern. Ohne groß nach zudenken, lief sie auf einen Ritter zu, dessen Kleidung am meisten hervorstach. Es war Ritter Winiz, der Sohn des Burgherrn und ein typischer Einzelgänger, der stets voll gerüstet anzutreffen war. Noch nie hatte Heela ihn sein Visier hochklappen sehen oder gar ohne Rüstung. Kurz entschlossen lief sie auf ihn zu und grüßte, „Guten Morgen, Ritter Winiz.“ Er drehte sich nicht um, sondern konzentrierte sich weiterhin auf ein Bild, das er schon seit einer ganzen Weile anstarrte. „Guten Tag!“, brummelte er. „Wer seid Ihr?“ „Ich bin Jasmin von Rosenborg. Was tut Ihr da?“ „Nichts.“, entgegnete er stur, wobei seine Stimme bei jeder Silbe variierte. „Ich möchte gerne allein sein.“ „Oh, es tut mir sehr Leid, falls ich Euch in Eurer schön langweiligen Einsamkeit gestört haben sollte!“, entgegnete sie schnippisch und lief davon. Was sie allerdings nicht mehr hörte, war ein tiefer verzweifelter Seufzer des Mannes, „Sie muss nicht mehr lange warten, denke ich. Nicht mehr lange…“ * „Lola, Gil, ein Glück dass ich euch beide hier treffe?!“, sagte Heela und trat in die Kammer ihrer Freundin. „Ja, dass finde ich auch. Langsam werden alle misstrauisch. Du bist als Heela einfach schon zu lange weg!“ „Ich weiß!“, sie reichte jedem ein paar Brote mit Käse. „Du musst dich nun entscheiden, weiterhin Edelfrau, oder Magd!?“, sagte Lola ernst. „Sehr schwer.“, entgegnete Heela nachdenklich und fügte noch hinzu: „Wärt ihr mir böse, wenn ich Edelfrau vorziehen würde?“ Gil und Lola wechselten kurze Blicke, dann fielen sie in ein schallendes Gelächter. „Wir? Warum? Wir profitieren doch nur davon. Du bringst uns regelmäßig Essen und ich habe meine Kammer für mich!“, sagte Lola schmunzelnd. „Dann ist ja gut, ich wollte nur nicht, dass unsere Freundschaft dadurch gefährdet werden würde! Gestern hattest du so, wie soll ich sagen…“ „…nun gut, du bleibst Edeldame. Und was soll ich denen wegen dir erzählen?“ „Ich bin weggelaufen?“ „Also ich weiß ja nicht“, mischte sich Gil ein, „ob das so eine gute Idee ist, das ist sehr riskant. Was ist, wenn sie dich suchen gehen?“ Lola und Heela starrten ihn gleichzeitig an, wölbten eine Augenbraue. „Das glaubst du doch selbst nicht, oder?“, hakte Heela skeptisch nach. „Na ja, also…gut ihr habt recht. Sie würden nie nach einer entlaufenen Magd suchen!“ Die Mädchen nickten. „So, ich muss wieder los. Meister Benett wartet auf mich!“, sagte Gil, drückte Lola rasch einen Kuss auf die Wange und eilte hinaus. „Äh, Lola. Darf ich dich was fragen?“ „Natürlich, nur zu.“ „Wie stellst du dir das mit Gil vor, er ist ein Knappe, wird irgendwann ein Ritter sein und das größte Problem: Du bist eine Hexe!?“ „Ich weis doch, Heela!“, entgegnete das Mädchen und wandte ihren Blick zum Spiegel. „Aber ich liebe ihn nun mal und da ist es mir egal, wer oder was wir IRGENDWANN einmal sind!“ „Du musst realistisch denken, Lola. Bald wirst du nicht mehr hier sein und er wird umher reisen! Ihr würdet euch wahrscheinlich nie wieder sehen.“ „Das weiß ich alles, Heela. Und ich habe mir auch schon dutzende Male den Kopf darüber zerbrochen, wie wir übereinkommen könnten. Doch es haut einfach nicht hin und das weiß auch Gil. Wir haben uns entschlossen solange es geht zusammen zu sein. Wir denken nur im Moment!“ „Das merke ich!“, entgegnete Heela leise. „Hast du so etwas denn noch nie gespürt?“ Bei diesen Worten schreckte Heela auf, gerade gestern, doch sie hatte sich dagegen entschieden, oder hatte sie nur darüber nachdenken wollen? „Aus deiner Stille schließe ich, dass du auch schon mal so etwas erlebt hast. Also, denkst du noch immer, unser Tun wäre unsinnig?“ Heela schüttelte mit dem Kopf, vielleicht nur, um weiteren Fragen aus dem Wege zu gehen. „Du hast jetzt Wirklich wichtigeres zu tun, als über mich und Gil nach zu denken, du musst noch immer deinen Stein finden. Bist du schon weiter?“ Wieder schüttelte Heela mit dem Kopf, „Wie denn, bitte. Es ist ein kleiner Stein, der könnte sonst wo sein.“ „Du bist aber nicht irgendjemand und dies ist nicht irgendein Stein. Er ist für DICH bestimmt, nur für DICH und er wird auch nur DIR gehorchen. Außerdem bist du eine Seherin, er müsste dir theoretisch gesehen, schon über den Weg laufen. Der Stein findet immer zurück zu seinem Herrn, in diesem Falle bist du das, und das wird gewiss auch dein Stein. Wann auch immer das sein wird!“ Heela seufzte, „Heißt das, dass ich ihn auch erst in zwanzig Jahren finden könnte?!“ Lola nickte, „Keine Angst, ich glaube nicht, dass er so weit gekommen ist.“ „Was wäre, wenn ich ihn nicht finden würde, hätte ich da keine magischen Kräfte?“, fragte Heela interessiert. „Nein, aber du würdest nie in die Welt der Hexen aufgenommen werden, man könnte sagen, du wärest dann eine Halbhexe!“ „Und wenn du deinen verlieren würdest, was wäre dann?“ „Ich könnte meine Ausbildung ohne Probleme fortsetzen, die Grundvoraussetzungen habe ich schon, doch ohne Stein: kein Eintritt in die Welt der Hexen und Magier.“, in diesem Moment stutzte Lola, „Du meinst doch nicht etwa… dass würde er nicht wagen…“ „Woher willst du das wissen, um eure Liebe zu retten?“, Heela stand auf und ging zurück auf ihre Kammer, ließ Lola mit ihren Gedanken allein. Sie hoffte inständig, dass Gil so etwas nie tun würde, er kannte sie viel zu gut, als dass er sich so etwas trauen würde. Dadurch würde er ihre Beziehung nicht retten, sondern zerstören. Ohne Magie, war Lola nicht sie selbst. Genauso, wie Gil ohne Schwert und Pferd er nicht selbst war. * Nachdenklich blickte Heela aus ihrem Fenster. Sie überlegte angestrengt, wofür sie sich entscheiden sollte. Eine Entscheidung hatte sie schon getroffen, ob sie Jim gefallen würde? Was würde er von ihr denken, wenn sie ab jetzt nur noch als Edeldame auftreten würde? Wäre er erzürnt, bestürzt oder froh? Doch Geld besaßen sie beide nicht und was noch dazwischen kam, sie würde eine Hexe werden, sobald sie den Stein in ihren Händen halten würde. Es würde ihnen ähnlich wie Gil und Lola gehen, warum machte man ihr das Leben nur so schwer? Sie seufzte, drehte sich um und horchte auf, als es an der Tür klopfte. Wer mag das sein?, fragte sie sich, während sie öffnete. „Guten Tag.“, wurde sie von eine Zofe begrüßt, die einen kleinen Knicks machte. „Guten Tag.“, erwiderte Heela, sah sie fragend an. Das junge Mädchen reichte ihr einen kleinen Zettel. Überrascht nahm sie ihn entgegen und winkte die Zofe fort. Dann schloss sie die Tür, ließ sich auf ihrem Bett nieder und begann die Einladung zu lesen: „Verehrte Dame Jasmin von Rosenborg, Ihr werdet darum gebeten, Euch nach dem zweiten Tagesmahl, am Pferdegatter einzufinden. Ich wäre geehrt, wenn Ihr mich bei einem Ausritt begleiten würdet! Sean Philip von Hohenstalle“ Sie faltete das Papier wieder zusammen und starrte zum Fenster, sie musste erst darüber nachdenken. Sollte sie der Einladung nachgehen oder ausschlagen? „Was soll schon passieren?“, sagte sie zu sich selbst und stand auf. „Mir fehlen lediglich die passenden Sachen… obwohl… Edeldamen reiten ja in großen eleganten Kleidern, auch wenn sie unpraktisch sind. Tja, da muss ich wohl durch!“ Sie seufzte erneut und legte den Zettel auf ihren Nachttisch. Dann ging sie hinaus, das Mittagsmahl wartete schon. An der Tafel wurde sie von Sean nicht im Mindesten beachtet, wahrscheinlich, weil seine Verlobte immer in seiner Nähe war und er kein Risiko eingehen wollte. Daraufhin ließ sich Heela auf einem freien Stuhl nieder, der neben einem weiteren leeren stand. Nach einem kurzen Dankgebet wurde das Essen ausgeteilt, wohlriechende Braten wurden aufgetragen und zartes Gemüse schmückte die Teller. Nach einer Weile waren auch die restlichen leeren Stühle besetzt und neben ihr ließ sich der Sohn des Burgherrn nieder. „Ah, Ritter Winiz, was für eine angenehme Überraschung!“, begrüßte sie ihn sarkastisch. „Ganz meinerseits.“, erwiderte er grob. „Immer noch Einzelgängerdasein?“ Er nickte. „Darf ich Euch etwas fragen?“ Wie auch beim letzten Mal, wandte er sich nicht während des Gespräches nicht ihr zu, „Wenn es sein muss?“ Heela nickte grinsend, „Ja, es muss sein. Warum sieht man Euch eigentlich immer nur in voller Rüstung?“ „Man muss auf alles gefasst sein!“, entgegnete er stur. „Interessant, aber selbst beim Essen tragt Ihr Eure Rüstung, ist das nicht etwas unpraktisch?“ „Nein“, er schob sich ein Stück Fleisch unter dem Visier hindurch. Heela vermochte sein Gesicht nicht zu erkennen, da es durch den Schatten verdeckt blieb. „Schlaft Ihr auch in Rüstung?“, fragte sie weiter. „Was? Das geht Euch doch nun wirklich nichts an!“, sagte er aufgebracht, woraufhin einige der gegenüber sitzenden Leute ihn anstarrten. Er saß nur einige Meter von seinem Vater entfernt, der sich angeregt mit einem Nachbarn unterhielt: „…das ist ja was ganz Neues, dass mein Sohn mal mit jemanden redet und noch dazu mit einer Frau!“, flüsterte Leonard Winiz dem anderen Mann zu. Dieser nickte, „Vielleicht habt Ihr doch noch Glück und Mark heiratet irgendwann.“ „Das wird er und wenn ich ihn dazu prügeln muss!“ „Wer ist diese Frau?“, fragte der ältere Mann, zu Winiz` Rechten. „Wenn ich das nur wüsste!“, entgegnete der Burgherr und musterte Heela. „Hübsches Mädchen!“, fügte der Mann hinzu… „Und was ist nun? Schlaft Ihr mit Rüstung, oder nicht?“ Der Ritter brummelte wütend etwas vor sich hin, ehe er sagte: „Darauf gebe ich keine Antwort!“ „Schade!“, erwiderte Heela. „Dann werde ich Euch so lange damit nerven, bis Ihr es mir sagt!“ Nun drehte Mark sich drohend zu ihr um, „Das würdet Ihr nicht wagen?!“ „Oh doch!“, versicherte sie ihm und funkelte ihn selbstsicher an. „Falls es Euch beruhigt, ich schlafe nicht mit Rüstung!“ „Oh, das ist doch schon mal etwas!“, sagte Heela lächelnd und stocherte weiter in ihrem Essen herum. Ein Stück Fleisch wollte sich nicht so recht, von ihrem Messer zerschneiden lassen. Es wehrte sich strikt dagegen. Mark schien dies bemerkt zu haben, worauf er ihr das Messer grob aus der Hand riss, „Lasst mich das mal machen!“, sagte er schroff. Heela ließ ihn ohne Widersprüche gewähren… „Er hilft ihr sogar mit dem Fleisch?!“, stellte Leonard Winiz` Nachbar fest und beobachtete das Werkeln der beiden. Inzwischen hatte sich die Interessengruppe von drei auf fünf Freunde des Burgherrn gesteigert. Neugierig sahen sie Heela und Mark zu… „Danke!“, sagte Heela und schob sich eines der Fleischstücke genüsslich in den Mund. „Muss man als Ritter machen!“, entgegnete er ernst, konzentrierte sich wieder ganz auf sein eigenes Essen. Dann sah Heela, wie Sean sich erhob und seine Verlobte davon hüpfte. Er schien nach Heela Ausschau zu halten. Kurz entschlossen stand sie auf. Mark sah sie verwundert an, weil ihr Teller noch halb voll war, folgte dann ihrem Blick, bis hin zu Sean Philip von Hohenstalle. Gerade als sie losgehen wollte, wurde Heela von Mark angehalten. Er hielt sie fest am Arm und fragte: „Wo wollt Ihr denn hin?“… „Seht doch nur, Euer Sohn möchte nicht, dass sie schon geht!“, sagte ein älterer Mann, links von Leonard Winiz. „Das ist ein gutes Zeichen!“, erwiderte ein anderer und wiederum ein anderer stimmte ihm zu, „Wohl wahr!“… „Was geht Euch das an?“, fragte Heela unbeeindruckt und versuchte sich aus dem festen Griff des Ritters zu winden. „Ihr habt aber nicht vor, mit Ritter Sean Philip von Hohenstalle wegzugehen?“ Heela starrte ihn an, „Nein, wo denkt Ihr denn hin?“ Daraufhin ließ er sie los und sah ihr nach, als sie durch die große Hallentür abging. Kurz darauf verschwand auch Sean, Mark eilte anschließend den Treppengang hinauf. Ohne groß nach zudenken, schlich er in Heelas Zimmer und sah sich suchend um. Er hatte Sean eine ganze Weile beobachtet, kein einziges Mal war er aufgestanden und weggegangen, nur einmal hatte er etwas notiert und damit eine Zofe weggeschickt. Mark traute dem jungen Ritter nicht, der nie mit auf Jagd ging, oder sich in Rüstung präsentierte. „Aha, hab ich es doch gewusst!“, sagte er leise und hielt auf einen Zettel zu, der zusammengefaltet auf Heelas Nachttisch lag. Er las ihn sich kurz durch, entschloss sich ihnen zu folgen. * Währenddessen plauderte Heela angeregt mit Sean Philip, der sich als wahrer Vogelkenner herausstellte. „Ihr solltet vielleicht Vögel zeichnen.“, sagte sie und wies auf einen Schwarm Krähen, der an ihnen vorüber zog. „Vielleicht.“, entgegnete Sean nachdenklich, „Ich habe es schon versucht, doch fliegen sie zu schnell wieder fort!“ „Mag sein, doch wenn Ihr Euch beeilt!? Dies ist doch die Kunst am Zeichnen, man fängt mit schnellen Blicken die grobe Anatomie eines Modells ein, bringt es anschließend auf Papier!“ „Ja, das sagt Ihr so einfach, doch es ist viel schwieriger, als Ihr Euch vorstellen könnt!“ Sie liefen weiter, gelangten schließlich an eine große Eiche. Sean lud Heela ein, ihm zu folgen: „Kommt, ich kenne eine besonders empfehlenswerte Stelle an dem Baum!“ Heela nickte, was sollte sie auch sonst tun? Der knorrige Stamm reichte weit in den Himmel, die Krone lastete schwer auf ihm und drückte ihn langsam tiefer. Sie kletterten ins Geäst, nicht zu weit, aber auch nicht zu tief. Es war genau richtig, um die wunderschöne Umgebung, in der die Burg lag, zu bestaunen. Sean lächelte und betrachtete das Tal, die kühle Morgenluft stieg auf, bildete weiße Nebelschwaden, die sich langsam verflüchtigten. Es war noch immer in dem märchenhaften Glanz, wie Heela es am Vortag mit Jim beobachtet hatte, doch hatte das Funkeln in ihren Augen abgenommen, seit sie den jungen Mann abgewiesen hatte. Es war ihre Pflicht gewesen, sie wollte nicht, dass ihr das gleiche wie Gil und Lola blühen würde, doch gegen Gefühle konnte man nichts machen, wie die beiden gesagt hatten. Das blonde Mädchen gab sich große Mühe, ihren innerlichen Schmerz zu unterdrücken, aber er fraß sich immer tiefer in ihr Bewusstsein. Warum hatte Sean sie gerade hier hin geführt? Neben diesen mächtigen Baum, den sie gestern vom Hügel aus hatte sehen können? Das Stechen in ihrer Brust nahm zu, als sie sich auf ihre Familie besann. Sie hatte keine Ahnung, was sie hier trieb. Das sollte auch so bleiben, ab sofort war sie Jasmin von Rosenborg und das würde sie vorerst auch bleiben. Sean musterte die junge Frau, er bewunderte ihre Schönheit, Entschlossenheit und Beherrschung. Er wusste, dass sie noch jung war und sich nur erwachsen gab, doch er war nicht anders. Innerlich fühlte er sich noch wie ein kleiner Junge, der durch den Hof tollt und sich auf den nächsten Streich vorbereitet. Der junge Mann genoss es, sich an seine Kindheit zu erinnern. Schon damals war er ein kleiner Gentleman gewesen, der nichts ausließ, um den Töchtern des Nachbarn oder der Kammerfrau zu helfen. Einen Vorfall hatte er nie vergessen, dies hatte ihn eigentlich erst zu dem gemacht, was er nun war… „Ist etwas?“, durchbrach Heela plötzlich die Stille. Sean fuhr erschrocken hoch, „Mh?“ „Ihr wart so abwesend!?“ Er schüttelt nur mit dem Kopf. „Ach, es ist nichts. Ich habe nur ein wenig in Erinnerungen geschwelgt!“ Er hob seinen Kopf, sah Heela an, Sie sieht ihr verblüffend ähnlich! „Seid Ihr Euch sicher, dass alles in Ordnung ist?“ „Ja!“, versicherte Sean mit gesenktem Kopf. Ich werde sie wohl nie wieder sehen!, dachte er traurig. „Also, ich verstehe Euch einfach nicht, Ihr gebt Euch so gelassen, aber wirkt auf mich so nachdenklich und betrübt!“ „Nein, nein“, wehrte er ab, „es ist alles gut!“ Heela wiegte abschätzend mit dem Kopf, „Das nehme ich Euch nicht ab!“ „Müsst Ihr auch nicht, Hauptsache Ihr stellt keine Fragen!“ Es war nicht nur eine Vermutung, die Heela dazu veranlasste, Skepsis zu äußern, auch ihre Fähigkeiten als angehende Hexe, gaben ihr zu Denken. Sean hatte sich auf einen Ast mit dem Ellenbogen abgestützt und sah nachdenklich in das Tal. Heela tat es ihm gleich, auch wenn sie anderen Gedanken nachhing, als sie es bei ihm vermutete. Sie dachte über ihn nach, was seine Stille wohl bedeuten mochte? Es war angenehm warm, nur ein frischer Wind strich den Beiden an der Nase vorbei, kitzelte Heela im Nacken. Sean hatte seine Augen geschlossen und schon seit einer ganzen Weile nichts mehr gesagt. Ob er vielleicht schlief? Sie beobachtete sein blondes Haar, das wild um seinen Kopf flatterte, eine Strähne war zu schwer und wiegte sich nur sanft im Wind. Seans gleichmäßiges Atmen verriet, dass er tatsächlich eingeschlafen war. Heela sah gelangweilt in das Tal hinab. Inzwischen hatte es seinen ganzen Reiz auf sie verloren. Wenn man es zu lange betrachtete, konnte es öde erscheinen. Das junge Mädchen lauschte den Klängen der Natur, Bienen summten in dem nahe gelegenen Blumengarten und ein Bächlein plätscherte vergnüglich vor sich hin. Heelas Augen wurden langsam schwer, doch bevor auch sie sich im Reich der Träume wieder finden konnte, wurde ihre Aufmerksamkeit geweckt. Sie horchte neugierig auf, Äste zerbrachen und das markante Klirren, wenn ein Schwert auf die Rüstung aufschlägt, war zu hören. Vorsichtig beugte sich Heela über einen Ast, lugte auf den Boden hinab. Ein Ritter in silberner Rüstung schlenderte unter dem Baum entlang, schien auf der Suche nach etwas – jemanden - zu sein. Um eine bessere Sicht zu erlangen, rutschte Heela etwas weiter vor, wobei sich ein paar Blätter lösten und zu Boden segelten. Es raschelte. Der Ritter blieb abrupt stehen, horchte auf. Dann wandte er seinen Blick nach oben, stemmte seine Arme in die Seite. „Guten Morgen, Ritter Winiz!“, begrüßte Heela in leise. Er nickte stumm und wollte gerade etwas entgegnen, als er den schlafenden Sean bemerkte. Winiz stutzte. „Ich komme runter!“, rief Heela ihm zu, kletterte anschließend zu Boden. Winiz hatte sich abgewandt und betrachtete das Tal. Heela runzelte die Stirn, erkannte dann den Sinn seiner Drehung. Ihr langes Kleid wurde beim Abstieg vom Wind ziemlich aufgeweht. Unten angekommen, tippte Heela dem Ritter auf die Schulter. „Wie kommt es, dass Ihr hier seid?“, fragte sie neugierig. Der Ritter zuckte mit den Schultern, „Zufall!“, entgegnete er barsch. „Sicher?“, hakte Heela nach. „Ja!“, versicherte Winiz stur. Dann wandte er sich wieder ab, „Heute ist Jagd, ich wollte eigentlich nur wissen, ob Ritter Philip daran teilnimmt, oder nicht!?“ Heela zuckte mit den Achseln, „Tut mir leid, da fragt Ihr die Falsche!“ „Mh“, murmelte Winiz, „Wir werden sehen!“ Damit ging er davon. Heela wusste nicht warum, aber sie fand den stummen Ritter bemerkenswert, trotz seines Abstands zu allen anderen Leuten wahrte er ein schwaches Verhältnis zu ihr. Warum? Nachdenklich sah sie ihm nach, wandte sich dann wieder Sean zu, der noch immer auf dem Ast lag und döste. Heela grinste, bei dem verschlafenen Anblick des Mannes. Sie bewarf ihn mit einem kleinen Stöckchen, das sanft von ihm abprallte. Sean stöhnte, „Was ist denn los?“, fragte er müde. „Wie wär´s, wenn Ihr von da oben runter kommt, und zur Jagd geht!?“ „Jagd?“ „Ja, Jagd!“ „Woher wisst Ihr das?“, er setzte einen empörten Blick auf. „Tja, ich habe gerade mit Ritter Winiz gesprochen!“, erklärte sie, eine Augenbraue wölbend. „Er war auf der Suche nach Euch, wollte Euch zur Jagd holen…“ Wieder stöhnte er, „Ich will aber nicht!“ „Ach stimmt ja, Ihr seid ja ein Feigling!?“, setzte Heela noch nach und ging los. „Wohin wollt Ihr?“, rief Sean ihr nach. „Na zurück zur Burg, ich habe keine Lust mehr vor mich hinzu duseln und einem nichtsnutzigen Ritter als Ausrede zu dienen. Guten Tag!“, damit lief sie eilends davon. Sie achtete nicht auf den herabsteigenden Sean, der ihr folgen wollte. * „He!“, wurde Heela gerufen, als sie an der Burg ankam. „Wo warst du…äh, wo wart Ihr denn so lange?“ Heela sah sich um, hinter ihr lief noch immer Sean, er hielt einen mäßigen Abstand. Lola kam auf sie zu gerannt. „Ich war spazieren!“, entgegnete Heela ernst und ging weiter. „Mh, gut.“ „Wo ist der Knappe Gil?“, informierte sie sich. „Er ist mit seinem Meister ausreiten!“, erklärte Lola rasch und stutzte, als sich Sean ihnen näherte. „Sieh doch mal bitte nach, ob ein Pferd frei ist, Magd!“ Lola nickte, wobei sie die Freundin unbemerkt angrinste. „Jasmin von Rosenborg, was ist so schlimm daran, dass ich nicht auf die Jagd gehe? Viele Frauen schätzen, dass ich keine wehrlosen Tiere töte…“Wenn sie wüsste, was der wahre Grund ist… „Ihr seid einfach nur feige!“, fiel sie ihm ins Wort und lief raschen Fußes in den Stall. Sean folgte ihr noch immer, „Bei der nächsten Jagd, werde ich Euch beweisen, dass ich nicht feige bin!“, sagte er stur. Heela nickte, „Gut, ich werde dann kommen!“ Sie lief noch weiter in den Stall hinein, Sean hinterher, als plötzlich eine hohe Frauenstimme rief: „Sean!! Sean, wo bist du denn?“ Der Ritter fuhr erschrocken zusammen und meinte sachlich: „Ich muss gehen!“ Endlich, dachte Heela ruhig. „Ich komme, Schatz!“, rief Sean hinaus. „Beeil dich!!“ „Ja, ja!“, er eilte der Stimme entgegen, bei der es sich zweifelsohne um die seiner Verlobten handelte. Heela seufzte, nun hatte sie wieder ihre Ruhe. Lola lugte hinter einer der Boxen vor, „Ist er fort?“ „Ja!“, sagte das Mädchen ruhig, „Was ist denn?“ „Es wird doch langsam mal höchste Zeit, dass du deinen Stein suchst…“ „Das tu ich doch!“, unterbrach Heela die andere. „Nein“, widersprach Lola, „du hoffst er findet dich und das wird er nur, wenn auch du ihn finden willst…“ Heela überlegte, „Wenn du meinst, ich mach mich sofort daran, aber…“ Sie stockte, musterte ihre Freundin. „Was: aber?“, hakte diese neugierig nach, nun war ihr Interesse geweckt. „Ach, nichts…“ „Dann fang nicht mit so etwas an!“, sagte Lola trotzig und zupfte Heelas Kleidsaum zu Recht. „Pass aber ja auf, dass dich niemand erwischt, du weißt doch…Hexen sind nicht sonderlich beliebt!?“ Damit lief sie davon. Heela stand noch eine Weile nachdenklich in den Ställen, dann ging auch sie. Vor dem Burgtor wurde sie angehalten, „Jasmin von Rosenborg!“, rief eine ihr vertraute Stimme. „Jim!“, erwiderte sie erfreut und ließ sich von dem Stallburschen in eine Gasse ziehen. „Ich muss mit dir reden!“, sagte er ernst. Heela nickte, „Dachte ich mir schon, worum geht’s?“ Der junge Mann schluckte, sein sonst so wildes schwarzes Haar war sauber und gepflegt. Er fuhr sich mit der Hand darüber, es glättete sich noch mehr. „Keine Locken?“, fragte Heela lächelnd. Sie erhielt nur einen verdutzten Blick. „Bitte?“ „Du hast keine Locken!“, sagte sie. Er grinste, „Ach so, ja!“ „Was ist nun?“ „Gut, ich wollte gern wissen, na ja, also, du hängst doch immer mit diesem Sean zusammen rum, stimmt’ s?“ Sie nickte, „Aber nicht immer, selten!“ „Egal, ich will nicht, dass du das tust!“ „Das sagst du mir so einfach? Warum nicht?“ „Na ja, er ist ein…Schwein!“. Ein Lächeln huschte Heela übers Gesicht, „Deshalb machst du dir Sorgen? Keine Angst, ich pass schon auf mich auf, außerdem ist er verlobt…“ Jim wiegte nachdenklich den Kopf, „Das heißt noch lange nichts!“ Heela winkte ab, „Egal, jetzt. Muss gehen!“ Sie ließ ihn einfach da stehen, in dem Schatten der engen Gasse, allein. Auf dem Weg in ihre Kammer, begegnete Heela Lola abermals. „Heela?“, fragte das Mädchen leise, „Ich muss noch mal mit dir sprechen!“ Sie nickte ihr zu. „Gut, wenn es sein muss?!“ Sie gingen in Heelas Kammer. „Ich spüre die starke Anwesenheit von etwas Magischem…sei auf der Hut. Ich weiß nicht genau, was es ist, aber es hat ganz deutlich was mit dir zu tun.“ „Könnte es sich um meinen Stein handeln?“ Lola überlegte, „Möglich!“ „Hoffen wir es!“ Lola nickte erneut und lächelte, „Glaub aber ja nicht, dass der Stein dich findet! Du musst ihn schon selber suchen…“ „Aber du…“ „Ja ich weiß, ich hatte gesagt, er würde dich finden und das wird er auch, aber nur, wenn du fest davon überzeugt bist, ihn finden zu wollen!“ „Ja, ich weiß doch und ich will ihn ja auch finden!“, versicherte Heela. „Gut, aber bleib dabei…“ Dann eilte sie wieder weg. Nachdenklich setzte sich Heela auf das Bett und starrte auf ihr Kleid. Sie trug es schon lange, inzwischen hatte sie sogar ein Nachtgewand und ein anderes Kleid. Doch dieses war etwas Besonderes, es war durch die Überzeugung einer Freundin entstanden und nicht durch Geld… So träumte Heela noch eine ganze Weile vor sich hin, bis sie schließlich aus ihrem Trance geweckt wurde. Es klopfte laut an der Tür, eine zarte Stimme rief: „Jasmin von Rosenborg?“ Erschrocken fuhr sie auf und lief zur Tür. „Ja bitte?“, fragte sie leise. „Euer Pferd steht bereit!“ Heela stutzte. „Mein Pferd?“ „Ja“, versicherte die Magd, „Lola meinte, Ihr wolltet eines!?“ „Ach so, ja ich komme gleich!“ Das Mädchen sah sie aus großen Augen an. Erst da besann sie sich: Edelfrauen ritten doch mit Kleid, „Oh, natürlich, ich komme sofort!“ * Ein wunderschöner Schimmel wartete auf sie. Eine Stute, wie Heela feststellen musste, deren Körper schlank und edel geformt war. Sie begutachtete den Sattel, erinnerte sich, wie sie es schon oft gesehen hatte, wie Edeldamen es bevorzugten zu reiten: beide Beine auf einer Seite – wie unpraktisch… Heela winkte das Mädchen hinfort und führte die Stute auf den Hof. In diesem Moment sah sie einen Ritter, der in den Stall eilte. Es handelte sich um Mark Winiz, dem Sohn des Burgherrn. Heela lächelte stumm in sich hinein und verlangsamte ihren Schritt. Vielleicht würde es ihr ja gelingen, ihn zu einem gemeinsamen Ausritt zu überreden. Tatsächlich sattelte er ein Pferd, den kräftigen Rappen, den Heela schon so oft gesehen und heimlich bewundert hatte. Sie beneidete den Mann. Es war ein schönes Tier, mit eleganten Schritt und einem freiwillig gebogenen Hals. Der Schweif wehte gleich einer Fahne im Wind. Die halblange Mähne flatterte wild, wobei sie aber nicht ihre Würde und Form verlor. Heela hatte sich verliebt. Mit neugierigen Augen folgte sie den schweren Schritten des Hengstes, sein Reiter führte ihn nur schwach. Die Zügel hingen locker durch. Ein Braver., dachte Heela entzückt, als der Ritter neben ihr hielt und sich das Pferd nicht zu rühren wagte. „Ihr habt ein prächtiges Pferd!“, gestand Heela ohne große Umschweife. Winiz nickte, „Danke. Gehört diese Stute Euch?“ Sie schüttelte mit dem Kopf, „Leider nein. Ich wollte nur einen kleinen Ausritt machen, um nicht aus der Übung zu kommen!“ Wieder nickte der Mann, „Wenn es Euch nichts ausmacht, würde ich Euch sehr gerne begleiten, wie ich sehe, seid Ihr allein und als so junge Dame sollte man nicht ohne Schutz ausreiten!“ Heela lächelte unwillkürlich, so offen hatte er sich bisher noch nicht gezeigt. „Sehr gern!“, sagte sie ernst und ließ sich auf das Pferd helfen. Es war in der Tat ungewohnt, im Frauensitz zu reiten, wie sollte sie denn da treiben? Während Heela sich abmühte, hinter die Geheimnisse des Damenreitens zu kommen, setzte Winiz sein Pferd in Schritt und ehe sie sich versah, folgte Heelas Stute dem führenden Hengst. Rasch nahm sie die Zügel auf, hielt mit ihrem Schimmel einen Sicherheitsabstand zu dem Vorreiter. „Seit wann reitet Ihr?“, fragte Winiz plötzlich. „Seit ich klein bin, also seit meinem 6. Geburtstag!“, sagte Heela ehrlich. „So lange schon?“ „Ja, ich habe allerdings nie Sticken oder so etwas gelernt!“ „Nie?“, Winiz ließ sich zurückfallen, ritt nun neben ihr, hielt aber trotzdem einen breiten Abstand. „Nein, nie!“ „Was beherrscht Ihr sonst noch?“, fragte er weiter. „Nun ja, ich kann lesen, schreiben, reiten…“ „Das erhofft man sich von einer Edeldame…“ Obwohl Heela sein Gesicht nicht sehen konnte, wusste sie instinktiv, dass er grinste. „Ich bin sehr kinderfreundlich!“, gestand sie anschließend ein. „Wirklich?“ „Ja, wenn möglich, möchte ich später auch mal Kinder haben, viele! Denen es auch allen gut geht und ich möchte Kindern helfen, auch wenn es nicht meine eigenen sind…“ Sie wusste nicht recht warum, aber auf einmal sprudelte alles aus ihr heraus. Der Ritter, dessen Gesicht sie noch nicht einmal kannte, aber ein guter Zuhörer war, strahlte Vertrauen aus. Sie erzählte ihm alles, was sie ohne sich zu verraten sagen, konnte, bis hin zu ihrem Lieblingsessen – Gans. Nach einer Weile endlosen Schrittreitens wandte sich Winiz zu ihr um. Bisher hatte er seinen Blick gerade gehalten, stur gerade aus. Nun zeigte sich Regung in seinem Gemüt. Er begann von seinen Wünschen zu berichten, doch Heela achtete nur halb darauf, etwas anderes hatte ihr Interesse geweckt… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)