Desiderium ad amori von Kokuren2 (Vita et gaudium et dolorem aportat) ================================================================================ Kapitel 12: Paragraf XII: Animum -------------------------------- Den restlichen Tag verbrachte Ceres damit, es sich vor dem Fernseher im Wohnzimmer bequem zu machen, während seine Mutter einkaufen gefahren war. Es lief nichts besonders Spannendes, und so kam es, dass seine Gedanken immer mehr von dem Geflimmer abwichen und er gezwungen war zu überlegen, ob er seine Gefühle doch richtig gedeutet hatte. Oder war es doch nur eingeredet? In seinem Kopf kreisten ständig dies selben Vermutungen und Schlüsse umher und fingen immer wieder an sich in Bewegung zu setzen wenn er glaubte, das Richtige gefunden zu haben. Zum einen glaubte er nämlich, dass er in Irvine einen sehr guten Freund sah, denn in einem Punkt war es sich schon mal hundertprozentig sicher, für ihn war er mehr als ein Lehrer. Doch die Freundschaftstheorie ließ ihn zweifeln, da er zum Beispiel bei Suzushii nichts der gleichen empfand, wie bei dem jungen Mann. Und für seine zweite Hypothese, sollte er sich eigentlich schon schämen, denn es stach jedes Mal ganz fürchterlich in seinem Herz, so etwas auch nur in betracht zu ziehen. Seufzend fasste er sich an die Stirn und er sank ein wenig weiter in die weichen Polster ein. Warum musste nur alles so kompliziert sein? Früher war das nicht so, damals, als er Irvine noch nicht kannte, da hatte er sich nie solche Gedanken um eine Lehrkraft gemacht. Um solche hatte er sich einen Dreck geschert, Aber nun war alles anders. Ceres verspürte immer wieder das Verlangen, in Irvines Nähe zu sein, den Wunsch, sich gut mit ihm zu verstehen und überhaupt, mehr als ein Schüler für ihn seien zu können. Ein Freund. Ceres legte sich hin und musterte nachdenklich die Decke, während er gedankenverloren den Arm baumeln ließ. Wieso ging er ihm nicht mehr aus dem Kopf? Warum nicht? Ceres senkte seine Lieder und sah den Tag an sich vorbeiziehen. Dabei vermied er es nicht, sich noch einmal an das angenehme Prickeln zu erinnern, welches seinen Körper bei der Berührung von Irvine durchschossen hatte und die glühende Hitze, die sicher nicht nur von den Decken gekommen war. "Irvine...", nuschelte er leise, fuhr jedoch sogleich entsetzt hoch und hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund. Das fehlte ja noch, dass er seinen Lehrer beim Vornamen nannte! Und da ertappte er sich selbst, wie er ihn gedanklich sowieso immer duzte und war wütend auf sich selbst. Er griff schnell nach der Fernbedienung und stellte das Gerät lauter, unbedingt musste er sich jetzt ablenken. Starr richtete Ceres seinen Blick auf den Bildschirm und versuchte Krampfhaft, nicht mehr an den Braunhaarigen mit den fesselnd grünen Augen zu denken. Er schaltete ein wenig rum, auf der Suche nach etwas interessantem. Dem Rothaarigen stockte für einen Moment der Atem, als er für den Bruchteil einer Sekunde glaubte, seine Schule soeben gesehen zu haben. Eilig schaltete er zurück und tatsächlich, gerade lief ein Bericht über ihre Schule! Verfolgte ihn das jetzt etwa? Er bekämpfte den Drang umzuschalten, denn auf der einen Seite war er ja schon neugierig. Gezeigt wurden ihr Schulhof, die Aula, die Cafeteria und zu guter letzt einige Klassenzimmer, in denen gerade unterricht war. "Warum um alles in der Welt, zeigen die einen Bericht über unsere Schule?", murrte Ceres. Und wie es nicht anders zu erwarten war, kam selbstverständlich um Ceres Verfolgungswahn noch eins draufzusetzen auch ein kurzer Ausschnitt seiner Klasse, zu der Zeit war er aber noch nicht dort gewesen, der Beitrag musste ja ziemlich alt sein. Er erkannte unter den ca. 24 Kinder Suzushii, wie er gerade mal wieder Blödsinn machte. Die Kamera wurde zum Pult gelenkt, wo ein braunhaariger, junger Mann mit einem unverblümten Lächeln saß, die moosgrünen Augen strahlend und (wohl vergeblich) versuchte, das aufgebrachte Wirrwarr ein wenig zu belehren. Ceres fasste sich an die Brust und spürte, wie sein Herz gedämpft pulsierte, sich beschleunigte als im Hintergrund Irvines warme Stimme zu hören war und fast wie in Trance griff Ceres stürmisch nach der Fernbedienung und drückte übereilt den roten Knopf. Das Bild verschwand und Ceres ließ erleichtert die Fernbedienung sinken. Was war nur los mit ihm? Wie hatte es diese Person nur geschafft, ihm den Kopf zu verdrehen? Lag es etwa an diesen Augen, die ihn packten und gefangen hielten, oder der attraktive Charakter... Ceres schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn als würde er versuchen, das Bild von Irvine zu verjagen, welches sich bereits fest verankert hatte. Und in seiner Verzweiflung redete er solange auf sich ein, bis er wirklich anfing eine seiner dummen Theorien zu glauben... Das Wochenende war die reinste Folter. Ceres hatte von der Nacht von Samstag auf Sonntag kein Auge zugekriegt, immer wieder schwirrten seine Gedanken so wild umher, dass er einfach keine Sekunde zur Ruhe kam. Er war innerlich total aufgekratzt und fühlte sich strebenselend, als er sich am Sonntagmorgen in aller Herrgottsfrühe aus dem Bett hievte und sich schnell was warmes überzog. Darauf tapste er leise durch die Wohnung ins Wohnzimmer, wo sich ein sehr schmaler Balkon befand. Er drückte lautlos wie nur möglich den Griff herunter und trat ins Freie. Ein kühler Luftzug wehte ihm um die Ohren und er lehnte sich an das Geländer. Von dort aus konnte er das morgendliche Getümmel beim Bäcker beobachten. Es war schon verrückte, wie viele Leute zur selben Zeit dort eintrafen. Das Holz auf dem er stand und das Geländer waren feucht, Ceres strich gedankenverloren über die Oberfläche und hatte dann den Tau an den Fingern. Es war ein schönes, frisches Gefühl. Er blickte erneut zu der kleinen Backstube, wo auf dem kleinen Parkplatz immer wieder Autos anfuhren oder ihn gerade verließen. Plötzlich entdeckte er unter all den Gesichtern ein ihm bekanntes. Frau Minori marschierte gerade eilig aus der Tür und fischte ungeduldig ihren Autoschlüssel aus der Tasche. Ceres überlegte, ob er sie grüßen solle oder lieber nicht, aber die Entscheidung wurde ihm abgenommen. Suzushiis Mutter wurde von selbst auf ihn aufmerksam, nachdem sie den Kofferraum zugeknallt hatte und winkte ihm fröhlich: "Ah, Ceres. Guten Morgen! Schon wach?" Ceres winkte zurück und murrte ein ´Wohl eher immer noch wach.` in sich hinein. Frau Minori steig in ihr Auto ein, parkte geschickt aus und fuhr dann in Richtung Kreuzung, wo ebenfalls trotz Ampel ein ziemliches Getümmel herrschte. Ceres beobachtete das Ganze mit einem mulmigen Gefühl im Bauch, welches ihn ganz hibbelig machte. Gespannt starrte er auf die Ampel, vor der das Auto Suzushiis Mutter stand, riss erschrocken die Augen auf, als sie grün anzeigte, sich das Gefährt in Bewegung setze und ein unachtsamer Fahrer mit voller Wucht in den Beifahrer sitz rammte. Es gab einen lauten Knall, ein Splittern und Krachen. Ceres stand erzweifelt da, dachte nicht nach sondern rannte in den Flur, zog sich die Schuhe an und stürmte hinaus. "Oh Gott!", flüsterte er immer wieder leise. Er schlug die Haustür rücksichtslos zu und rannte auf dem Bürgersteig bis zu der großen Menschenreihe, die sich bereits um das Geschehen getummelt hatte. Ein großes raunen durchzog die Masse, immer wieder erhaschte Ceres entsetzte Blicke und kurz darauf hörten sie die Sirene. Die Feuerwehr, der Notarzt, der Krankenwagen mit seinem grellen, blauen Licht. Ceres spürte, wie sich ihm der Magen zuschnürte und er beinahe keine Luft mehr bekam, solch eine Panik überkam ihn. Frau Minori wurde aus dem Auto geholt, so schnell es ging, ebenso wie der Fahrer. Sie beide wurden noch an Ort und Stelle untersucht, ehe sie mit Blaulicht ins nahe gelegene Krankenhaus gebracht wurden. Ceres fühlte sich so elend, dass er merkte wie sich seine Augen unbeabsichtigt mit Wasser füllten. Er hob den Arm und wischte sich damit über das Gesicht, doch er konnte die Tränen nicht wegwischen, zu stark war der Schock und die Angst die in ihm kochte. Während sich die meisten Menschen entfernten, zwar nur zögerlich aber sie taten es, stand er noch endlos lange dort und betrachtete unter verschwommenem Bild die Blutflecken auf der Erde. Plötzlich legten sich zwei schmale Arme um ihn und hielten ihn tröstend fest. Er drehte sich um und vergrub sein Gesicht bei der Person, welche nicht mit Worten versuchte ihn zu beruhigen, sondern ihm sacht über den Rücken strich. Und es war lange, viel zu lange her, dass seine Mutter ihn so in den Arm genommen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)