Meetings mit Folgen von NoUseForAName ================================================================================ Kapitel 17: Self-Fulfilling Prophecy ------------------------------------ Der Titel dieses Kapitels hat nichts mit dem Inhalt zu tun, ist ein Songtitel von Maria Mena, wunderschönes Lied ^^ Anmerkungen vorab (in den Fließtext darf ich sie ja nicht mehr schreiben): 1. Ich habe für dieses Kapitel ein wenig im Internet, vorzugsweise auf Wikipedia, recherchieren müssen, wenn also etwas nicht zu 100% genau oder sogar falsch ist, weil ich es vielleicht falsch verstanden habe, bitte nicht zu kleinlich sein. Ich gebe ganz ehrlich zu, dass ich in Naturwissenschaften mehr als nur eine Niete war und meine letzte naturwissenschaftliche Schulstunde mittlerweile etwa 7 Jahre her ist, garantiere ich nicht für Richtigkeit. Ich bin auf dem Gebiet wirklich dämlich und verstehe da einige Zusammenhänge nicht. ^^ 2. Ich unterscheide in diesem Kapitel bei „China“ nicht zwischen Volksrepublik China und Republik China, ich sag einfach nur China! Man kann es mit Details nämlich auch übertreiben, auch wenn ich natürlich um die Spannungen zwischen Japan und China Bescheid weiß. 3. ich spekuliere ein bisschen in diesem Kapitel. Aber das ist schließlich eine ff und keine wissenschaftliche Abhandlung über Plattenverschiebung oder ein Essay über „China und das Verhältnis zum Ausland“, ich bitte also um ein wenig Nachsicht. Ja? Danke ^^ Mir gehört keiner der Charaktere, ich verdien kein Geld hiermit, alles nur für euch ^^ Viel Spaß beim Lesen ^^ ~~~ Es dauerte eine Weile, bis Aoi sich aus seiner Erstarrung lösen konnte. Ziemlich verwirrt blickte er in Toshiyas große braune Augen. Hatte der andere Student etwa gerade versucht, ihn zu küssen? Aoi versuchte zwar, den Gedanken abzuschütteln, aber das wollte nicht so richtig klappen. „Ich bin nicht so einer…“ murmelte er schließlich und rückte ein Stück von Toshiya weg. „Was für einer?“ „Na, so einer…“ „Steh doch einfach dazu, dass du-“ Aoi unterbrach ihn schnell. „Woher willst du das bitte wissen? Du… Du kennst mich doch überhaupt nicht richtig! Nur weil wir ab und an mal Spaß zusammen haben, meist in Verbindung mit Alkohol, heißt das noch lange nicht, dass du mich in- und auswendig kennst!“ „Aoi-chan, das hab ich doch auch nicht behauptet, oder?“ Jetzt stutzte er. „Nein, hast du nicht, aber-“ „Hör mir mal zu, ja?“ fragte Toshiya mit großen Augen und aufforderndem Nicken. „Sei doch mal ehrlich. Kyo und Kaoru, die dürften dich noch am besten kennen, denen vertraust du offensichtlich auch mehr an als mir oder zum Beispiel Kame. Das kannst du nicht von der Hand weisen. Ich meine… Ich kenn dich wirklich überhaupt nicht, außer eben vom Party machen, das gebe ich auch offen und ehrlich zu. Und warum? Weil du einfach nichts über dich verrätst! Muss doch so nicht sein. Du kannst ruhig ein wenig offener sein, sagen, was dich beschäftigt und so…“ „Und was wenn ich das gar nicht will?“ „Glaub ich dir nicht.“ „Ja, aber was wäre wenn?“ „Dann würde ich denken, dass du vielleicht ein wirklich schmutziges kleines Geheimnis hast, das du vor uns bewahren willst.“ „Hm…“ „Hast du eins?“ „Ein was?“ „Ein Geheimnis?“ Aoi fing an nachzudenken. Klar hatte er Geheimnisse. „Nein, wieso auch?“ Leicht die Nase rümpfend stand Toshiya auf. „Du bist so eine kleine Diva, Aoi…“ „Stimmt doch gar nicht…“ „Und ob das stimmt. Aber weißt du was? Eigentlich ist es auch okay so. So bist du eben.“ „Als ob du das beurteilen könntest…“ „Herrgott noch mal… Ich würde dich gerne besser kennen! Jetzt verstanden?“ „Oh.“ Aoi kaute auf seiner Unterlippe herum und starrte betreten Löcher in die Luft. „Keine Panik, ich stehe nicht auf dich. Darum geht es überhaupt nicht. Aber ich mag dich. Zumindest das, was ich bisher von dir kennengelernt habe. Das ist doch nicht falsch oder?“ „Soll das heißen, du… du… stehst echt auf Männer?“ „Nein, ich mag beides. Männer mit Brüsten, das wäre ne tolle Sache, muss ich schon zugeben…“ Mit einem puterrot anlaufenden Gesicht suchte Aoi nach seinen Zigaretten. „Und das wissen auch alle?“ „Die meisten schon, ja. Komm schon, ist dir nie aufgefallen, dass ich manchmal ein bisschen merkwürdig bin?“ „Merkwürdig? Das nennst du merkwürdig?!“ Nur zu gut und lebhaft konnte Aoi sich an einige Situationen erinnern, in denen er schon vorher gedacht hatte, Toshiya wäre der schwulste Mann auf dem ganzen Campus gewesen, aber dann gab es ja auch noch den tollen Ausdruck ‚Metrosexuell’, also hatte Aoi ihn erst in diese Kategorie eingeordnet. „Jedenfalls… Aoi, ich wäre gern einer deiner guten Freunde. Davon hast du hier doch nicht allzu viele, oder?“ Da gab es schon ein paar, wenn Aoi genauer nachdachte. Er hatte eigentlich immer recht schnell und leicht Anschluss gefunden und seit er jetzt an zwei Abenden die Woche in einem Convini arbeitete, hatte er sich auch mit zweien seiner Kollegen, Ruki und Kai, ‚angefreundet’. Okay, er würde das nicht als richtige, tiefgehende Freundschaften bezeichnen, aber… Hm. Ja, er wusste es selbst nicht so recht. Und dann waren da auch noch Kyo und Kaoru. Wobei er zu Kaoru seit seinem offiziellen Outing nicht mehr den engsten Kontakt hatte, das aber auch nur, weil Kyo ihm geraten hatte, den Architekten für eine Weile in Ruhe zu lassen. Und sonst? Wen gab es denn da noch? Zu seinen ehemaligen Schulkameraden in Toba hatte er keinen Kontakt mehr, die meisten waren zwischenzeitlich, so wie er auch, weggezogen, einige hatten sogar schon geheiratet und waren damit einen völlig anderen Weg gegangen als er selbst. Das hatte so seine Spuren hinterlassen. „Du hast doch auch Geheimnisse.“ sagte Aoi schließlich, ein wenig aus dem Kontext gerissen. „Was meinst du?“ „Du hast deine eigene Wohnung, arbeitest aber nicht. Niemand weiß, wie du dir das Studium und deinen ausschweifenden Lebensstil verdienst.“ „Ich hab Eltern.“ „Ich weiß.“ „Die bezahlen vieles für mich. Das Studium selbst… Na ja, ich hab ein Stipendium. Also kann ich vieles von dem, was meine Eltern mir bezahlen, einfach so für Klamotten und dergleichen mehr auf den Kopf hauen.“ „Bist du sicher, dass du der gleiche Toshiya bist, der sonst immer meinte, er würde es hassen, wenn Studenten ihren Eltern auf der Tasche liegen?“ Aois Stimme klang mehr als zweifelnd, seine linke Augenbraue war ein ganzes Stück nach oben gerutscht. „Stimmt.“ „Aber du bist doch offensichtlich selbst so einer.“ „Stimmt auch.“ „Und das kommt dir dann nicht irgendwie… falsch vor, andere für das zu verurteilen, was du selbst machst?“ „Aoi, du weichst vom Thema ab. Gut, ich liege meinen Eltern auf der Tasche, aber die haben mich schließlich auch weggeschickt. Die wollten mich nicht länger zu Hause haben, weil ich eben so bin wie ich bin. Das ist eine Vereinbarung zwischen ihnen und mir. Sie bezahlen mir mein Leben und dafür halte ich mich von ihnen fern…“ Aoi fiel die Kinnlade runter. „Im ernst?“ „Hai.“ nickte Toshiya. „Es gibt eben Eltern, die es nicht verknusen können, dass sich das eigene Kind so entwickelt wie ich mich eben entwickelt habe.“ „Das ist ganz schön heftig…“ „Das ist das Leben, Aoi-kun.“ Im Gegensatz dazu war Aoi aus einem völlig normalen Umfeld. Gut, seine Schwester hatte geheiratet und das elterliche Haus verlassen, als er grade in die Mittelschule gekommen war, irgendwann wurde sein Vater versetzt und war nur noch an den Wochenenden zuhause, aber ansonsten war alles in ganz geregelten Bahnen gelaufen. Er hatte so gut wie nie Hausaufgaben gemacht und sich durch die Schule gemogelt, wie ein ganz normales Kind. Auch als Jugendlicher war er eigentlich immer ziemlich normal gewesen. Er hatte viele Freunde gehabt, einen besten Freund, Hobbys. „Ich hab mich damit abgefunden und muss sogar sagen, dass es gut war, dass ich quasi verstoßen wurde. Ich bin eigentlich mein eigener Herr und wenn ich was brauche, genügt eine kurze eMail an meine Eltern.“ „Also ich weiß nicht, ich kann mir nicht wirklich vorstellen, dass das toll ist.“ sagte Aoi und zog die Schultern hoch, während er seine Zigarette ausdrückte. „Glaub was du willst.“ Jetzt lächelte Toshiya ihn wieder fröhlich an. „Also, gibst du mir eine Chance, ein Freund zu werden?“ „Scheiße, Toshiya, gegen dich kann man sich doch eh nicht wehren!“ kicherte Aoi los und ging in Deckung als Toshiya mit einem Schuh nach ihm warf. „Möchtest du vielleicht eine Tasse Tee?“ Kaoru nickte und folgte Tomoe in die Küche. Er konnte kaum glauben, dass er tatsächlich in ihrer Wohnung stand… Aber es war ein wirklich netter Abend gewesen bisher, mit leckerem und sauteurem Essen, das er bezahlt hatte, sie hatten sich gut unterhalten. Kaoru war nicht so sehr erstaunt, dass es sich hier um Tomoe handelte, als vielmehr darüber, dass er eigentlich mit den Frauen abgeschlossen hatte, nachdem Haruka ihn einfach verlassen hatte. Aber wer war er denn, ewig der Vergangenheit nachzutrauern? Er war schließlich ein Mann im besten Alter, fand sich selbst relativ gut aussehend und wollte natürlich auch seine Chancen in der Frauenwelt neu ausloten. Derweil schämte Tomoe sich ein wenig für ihre kleine Wohnung. Es war super ordentlich, nirgendwo auch nur ein einziges Staubkörnchen, aber es war beim besten Willen auch nicht sonderlich viel Raum, der sauber gehalten werden musste. Mit einem kleinen, zufriedenen Seufzer setzte sie Wasser auf, holte zwei schöne, hellblau gemusterte Teetassen aus einem Hängeschrank über der Spüle und stellte sie auf den kleinen Küchentisch an der Wand. „Oh, hast du schon von den Expansionsplänen der Firma gehört?“ Kaoru horchte auf, wunderte sich aber gleichzeitig, dass sie von der Arbeit anfing, bisher hatten beide dieses Thema gekonnt umschifft. „Nein, welche Pläne?“ „Es soll ein zweites Büro in Amerika eröffnet werden. Die sind da wohl ganz scharf auf die Andou-Corp.“ erklärte sie kurz und öffnete eine weitere Schranktür. „Wirklich? Woher weißt du denn das?“ „Du kennst doch Kawakami-san, oder? Die Sekretärin vom Chef?“ Als Kaoru nickte fuhr sie fort. „Sie hat neulich ein bisschen aus dem Nähkästchen geplaudert, als ich mit ihr im Aufzug stand. Ist eigentlich alles noch Top Secret, also nichts verraten.“ „Nein nein, ich halte dicht… Aber interessant ist das schon… Hat sie verraten, wer dann nach Amerika geht um das Büro zu leiten?“ „Sie hat etwas angedeutet, aber nichts konkreteres gesagt, als wäre ihr plötzlich wieder eingefallen, dass sie darüber eigentlich noch gar nicht sprechen darf.“ „Ich trau mich kaum zu fragen, aber… was hat sie denn angedeutet?“ „Also, für die Anfangszeit wird wohl Andou-san nach Amerika gehen, aber sie hat leider nicht durchsickern lassen, welcher von beiden. Sprechen ja beide gut Englisch, also kann man da das Ausschlussverfahren vergessen.“ „Na ja, sehen wir ja noch früh genug, denke ich…“ „Wär das was für dich? In Amerika arbeiten?“ „Oh Gott, nein. Ich kann so gut wie kein Englisch sprechen, alleine daher fällt das weg. Ich glaube auch, Amerika ist kein Land für mich. Ich bin Japaner, durch und durch.“ Tomoe lächelte und goss den Tee auf. „Interessant wäre es schon, zumindest für eine Weile, finde ich.“ „Vielleicht nehmen sie dich ja mit.“ lachte Kaoru und zuckte die Schultern. „Kann man ja nicht wissen.“ Glücklicherweise war Freitag. Also war es für Kaoru nicht so schlimm, dass es schon ziemlich spät war. Nachdem der Tee getrunken war, machte er sich dann aber doch auf den Weg, sonst würde er die letzte Bahn verpassen. Er hatte von vornherein nicht geplant, die Nacht bei und mit Tomoe zu verbringen. Das wäre ein Schritt zu viel gewesen, er wollte es ruhig angehen lassen und sehen, wie sich die Situation weiterentwickelt. „Wir können das gerne wiederholen, das Essen gehen.“ sagte er noch als er wieder in seine Schuhe und seine dicke Jacke schlüpfte. „Hat wirklich Spaß gemacht.“ „Ja, finde ich auch.“ „Gut, dann wünsch ich dir erstmal ein angenehmes Wochenende. Lass dir die Zeit nicht zu lang werden, ne.“ Zuhause angekommen fiel Kaoru müde ins Bett. Er war immerhin seit den frühen Morgenstunden auf den Beinen gewesen, hatte gearbeitet wie ein Berserker. Shimitsu übte ungeahnten Druck auf das ganze Team aus, was sich als äußerst anstrengend herausgestellt hatte. Selbst Kyo stöhnte und meckerte jedes Mal, wenn er an Kaoru’s Büro vorbeikam, weil Shimitsu ihn mit Aufgaben überschüttete. Selbst wenn Kyo sagte, er müsste eigentlich längst Feierabend machen, weil er noch für Prüfungen lernen musste, das war dem älteren Architekten offensichtlich völlig egal gewesen. Das führte dazu, dass Kyo sich immer öfter Nächte in der Bibliothek um die Ohren schlug und nur noch so viel schlief, wie es nötig war. Aber jetzt war Kaoru in seinem gemütlichen Bett, das Wochenende lag vor ihm und er wollte zumindest diese zwei Tage nicht über die Arbeit nachdenken. Der folgende Morgen fiel für Nao ein wenig ungewöhnlich aus. Er war gegen 11 Uhr aufgewacht und hatte nicht so recht einordnen können, wo er überhaupt war. Wie ein Hotelzimmer, das er sich gerade so noch hätte leisten können, sah das zumindest schon mal nicht aus. Mit etwas wackligen und unsicheren Schritten ging er zu seiner Tasche und zog sich etwas über, öffnete dann vorsichtig die Zimmertür und spähte in den Flur. Ganz langsam konnte er sich wieder entsinnen, wo er war und wie er dort hingekommen war. Allerdings war von seinem Gastgeber nichts zu sehen. Ohne lange nachzudenken tapste er auf den Flur, ging auf die Toilette, dann ins Bad. Während er sich kurz im Spiegel betrachtete, fielen ihm die Kissenabdrücke in seinem Gesicht auf, es sah leicht merkwürdig und zerknautscht aus. Erst jetzt fiel ihm auf, dass dieses Badezimmer wirklich ziemlich edel ausstaffiert war. Er hatte fast Angst, etwas anzufassen, er könnte ja Fingerabdrücke oder Schlieren irgendwo hinterlassen. „Ach was, der hat sicher eine Putzfrau, die das wieder sauber macht…“ sagte er schließlich und verließ das Bad um sich mal etwas in der Küche umzusehen. Da, da lag ein kleiner Zettel mit seinem Namen drauf auf dem Tisch. Er faltete das Blatt auseinander und las laut: „Guten Morgen Nao. Ich bin bei der Arbeit, bedien dich einfach und falls etwas ist oder du dabei bist, meine Wohnung abzufackeln, unter dieser Nummer kannst du mich erreichen: 081-3-3447-0091. Aber bitte wirklich nur im äußersten Notfall unter dieser Nummer anrufen, da ich in einer wichtigen Besprechung sitzen werde. Wir sehen uns später. Die.“ Gut, das zeugte schon von einem gewissen Maß an Vertrauen, dass Die ihn einfach in seiner Wohnung alleine ließ. Aber was kümmerte es Nao? Er war wirklich froh, so eine nette Zuflucht gefunden zu haben. Jetzt hatte er aber erstmal Hunger. In einem der unzähligen Schränke fand er schließlich eine Instant-Soba-Suppe, in einem anderen Schrank eine Schale, die groß und tief genug war und letztendlich fand er sogar heraus, wie der kompliziert anmutende Wasserkocher funktionierte. Bewaffnet mit Nudeln und Stäbchen verzog Nao sich wenig später ins Wohnzimmer. „Wow.“ staunte er beim Anblick des wirklich großen Flachbildschirms an der Wand. „Der Typ hat wirklich Asche…“ Während er dann aß, zappte er sich durch das Fernsehprogramm. Die Kanäle schienen überhaupt kein Ende zu haben. So viel Fernsehen, davon musste man doch rammdösig werden, dachte er und blieb schließlich bei einem lokalen Sportsender hängen, der gerade ein Fußballspiel übertrug. Es war ätzend und es war notwendig, was es für Die gleich noch mal eine Nummer ätzender machte. Immerhin war heute Samstag. Da hatte er doch eigentlich besseres zu tun, als mit der Chefetage der Firma und einigen Investoren in einem Sitzungsraum zu hocken. Seiner Meinung nach, hätte er das auch von zuhause aus machen können, wozu gab es schließlich Telefone und Konferenzschaltungen? Hätte sein Vater nicht so sehr auf seine Anwesenheit gedrängt, wäre er wahrscheinlich zuhause geblieben, hätte sich auf die Couch gepflanzt und die Seele baumeln lassen, auch wenn es um eine wichtige Angelegenheit ging, die ihm selbst sehr am Herzen lag. In solchen Situationen konnte er sich aber mehr als bildlich vorstellen, wie Kaoru sich gefühlt haben musste, wenn Die ihn immer und immer wieder alleine in Besprechungen bestellt hatte, es war tatsächlich so etwas wie Nachsitzen. „Gut, Sie haben oft und gut genug bewiesen, zu was Ihre Firma im Stande ist. Aber ein Standort im Ausland?“ wandte ein Investor ein und blätterte erneut mit leicht ungläubigem Blick durch die dicke Broschüre, die jeder vor sich liegen hatte. „Die Auftragslage zeigt eindeutig, was unsere Arbeit wert ist. Wir beziehen mittlerweile rund 75% ALLER Aufträge aus dem Ausland, vornehmlich China, Südkorea und auch aus den U.S.A. China und Korea sind nahebei, Amerika nicht. Um dort aber immer im angemessenen Maße präsent zu sein, ist es auf Dauer mehr als notwendig, auch dort zumindest ein Büro zu haben.“ sagte Kenji Andou. Mit einem Nicken ergriff Die das Wort. „Ganz besonders im Bereich ‚Erdbebensicheres Bauen’ sind wir in Amerika sehr gefragt, wie etwa in San Francisco und ähnlichen Gebieten entlang der Westküste mit viel Plattentektonik.“ „Na gut, aber auch die Amerikaner werden mittlerweile wissen, dass man in solchen Fällen am besten mit Stahlbeton baut.“ kam prompt der Einwand eines weiteren Investoren. „Sicher, nur geht es hier um Sicherheit plus Design und Wirtschaftlichkeit.“ fuhr Die mit seiner kleinen Erklärung fort. „Und wir arbeiten wirtschaftlicher als die Amerikaner?“ „Offensichtlich, sonst wären nicht allein in den letzten zwei Monaten vier neue Aufträge für Gebäude in den U.S.A. gekommen. Erscheint sinnig, oder?“ Gut, jetzt war Die vielleicht ein wenig zu schnippisch geworden, aber das Amerika-Projekt war schließlich sein Baby. „Die Chinesen sind auch nicht schlecht, was Erdbebensicherheit angeht. Bedeutet das nicht gleichzeitig Konkurrenz für uns?“ „Im geringen Maße, ja. Wenn wir aber ganz ehrlich sind: die Chinesen sind was das betrifft lieber unter sich und verhökern ihre Techniken ungern ans Ausland.“ Die schlug die Broschüre auf Seite 32 auf und hielt sie in die Höhe. „Wenn weder ich noch diese Zahlen Sie überzeugen können, dann weiß ich’s auch nicht. Natürlich, ein gewisses Risiko ist dabei, aber das wäre auch bei einem weiteren Büro hier in Japan der Fall. Dennoch denke ich, dass wir auf jeden Fall einen Ansprechpartner vor Ort haben sollten. Für die Kunden und unsere Mitarbeiter. Das einzige, was uns etwas den Weg verbauen könnte, wären wirklich genaue Erdbebenvorhersagen. Aber selbst die können die Erdbeben nicht verhindern, also wird es auch weiterhin Bedarf nach erdbebensicheren Gebäuden geben. Wir wollen uns hier auch nicht nur auf kommerziell genutzte Bauwerke sondern auch um ganz normale Wohnhäuser spezialisieren. Gerade in San Francisco gibt es, wie Sie sicher wissen, noch immer relativ viele japanische Auswanderer, die der japanischen Baukunst natürlich vertrauen.“ „Gut, die Bevölkerung könnte aber auch irgendwann umdenken und diese Gebiete meiden…“ „Wenn das wirklich so wäre, dann hätte Japan mittlerweile nicht eine Population von fast 130 Mio. erreicht… Erst heute Morgen gab es ein leichtes Beben, was allerdings niemanden dazu bewogen hat, wegzuziehen. Und warum? Weil wir erdbebensicher bauen können! Mehr noch, trotz Deflation seit 1989, konnten wir seit Firmengründung IMMER ein dickes Plus verzeichnen!“ In der Hoffnung, Die’s Dynamik würde sich auf die übrigen Anwesenden im Raum übertragen, war seine Stimme mit jeder Silbe energischer geworden. „Sie wissen so gut wie ich, dass Japan und Amerika mittlerweile eine recht freundschaftliche Beziehung verbindet, trotz Hiroshima und Nagasaki oder auch gerade deshalb, das lasse ich jetzt so dahingestellt, warum sollen wir also nicht auch einen wirtschaftlichen und finanziellen Nutzen daraus ziehen können?“ Ja, diese Masche konnte ziehen, die Japaner unter sich wussten ja Bescheid, welche Kriegsverbrechen begangen und „verheimlicht“ wurden, sei es nun gegenüber China oder Amerika. Ehrlich gesagt musste Die sich ein grinsen verkneifen, als er die leicht betretenen Gesichter um sich herum betrachtete. Ach, was war er nur für ein gerissener Fuchs! Wenig später berieten sich Firmenvorstand, die Hauptaktionäre und die Investoren, Die und sein Vater warteten währenddessen in einem der umliegenden Büros. „Das war super, Daisuke. Wirklich! Wenn sie das nicht überzeugt, dann sind sie selbst Schuld. Notfalls ziehen wir das ohne Unterstützung durch.“ sagte Kenji Andou und sah wirklich sehr euphorisch und zuversichtlich aus. Mit leicht zerknirschten Gesichtsausdruck zündete Die sich eine Zigarette an. „Ich glaube langsam, ich hätte mich ein wenig zurückhalten sollen…“ sagte er dann. Bei ihm hatte sich das anfängliche Hochgefühl nach seinem kleinen politisch-historischem Ausflug doch gelegt. „Das kann das Aus bedeuten, nur weil ich meine Klappe nicht halten konnte.“ Andou-senior schüttelte den Kopf. „Diese Männer, das ist genau der richtige Jahrgang. Mit ein bisschen Glück und Spucke fressen sie deinen Köder.“ „Hoffen können wir das zumindest, ja.“ Die legte den Kopf in den Nacken und ging zum Fenster rüber. „Wenn es zu schlimm geworden wäre, dann wäre ich schon dazwischengegangen, keine Panik. Ich kann meinen Sohn ja nicht ins offene Messer rennen lassen.“ Statt direkt zu entscheiden, beschlossen die Investoren erstmal zu Mittag zu Essen. Das ganze wurde zu einer Zerreißprobe für Die’s Nerven. Er ist nicht mitgegangen, zum Mittagessen. Stattdessen studierte er noch einmal eingehend die Broschüre, die er hauptsächlich alleine zusammengestellt und geschrieben hatte, suchte nach Fehlern in der Argumentation, Fehlern in den Zahlen. Aber da war nichts. Alles schien schlüssig und real durchführbar. Es sollte klein anfangen und dann langsam größer werden, sich aufbauen und seinen Lauf nehmen, Rückschläge und Risiken mit inbegriffen. Niemand konnte garantieren, dass dieses Projekt Erfolg haben würde, aber in der Theorie sah es wirklich sehr gut aus und Die war sehr stolz auf sich. Diese gesamte Idee hatte er allerdings schon während seines Studiums entwickelt. Immerhin war er in Amerika direkt an der Quelle, konnte ausloten, was die Menschen dort für eine Meinung darüber hatten. Und ohne das er es hätte beschönigen müssen: 80 von 100 Leuten waren dafür, auch ausländischen Firmen eine reelle Chance auf dem amerikanischen Markt zu geben. Sogar Finanz- und Börsenkrisen wurden von Die bedacht, allerdings in eher gemäßigter Form, er wollte sich nicht unbedingt vorstellen, wie die ganze Unternehmung den Bach runterging, nur weil er seinen Willen durchsetzen musste… Nach einer halben Ewigkeit kam die „Entscheidungsgewalt“ vom Mittagessen zurück, alle setzten sich wieder in den Besprechungsraum und blickten Die zuversichtlich an, was ihn lächeln ließ. Als auch sein Vater wieder da war, konnte es endlich weitergehen. „Und, meine Herren? Haben Sie sich entschieden?“ fragte Kenji Andou und blickte erwartungsvoll in diese große Runde aus anzugtragenden Männern jenseits der 50. „Wir haben abgestimmt.“ fing ein Herr an, den Die in etwa als einen der Hauptaktionäre der Firma einordnen konnte. Er schloss das aus der Sitzordnung, wer mehr Einfluss, Anteile oder Vermögen hatte, saß auch näher am Firmenchef. „Es gab nach wie vor einige kritische Stimmen, wie Sie sich vorstellen können. Aber letztendlich ist die Entscheidung positiv ausgefallen. Sie haben das offizielle ‚go’ für einen Standort in den U.S.A. mit einem für das erste Jahr bestimmten Budget und einer festen Anzahl an abgestellten Mitarbeitern aus dem Tokyoter Haupthaus.“ Innerlich führte Die einen Freudentanz auf, er konnte es kaum fassen. Statt aber auszuflippen und auf dem Tisch zu tanzen, stand er, wie auch sein Vater, auf und verbeugte sich. Danach wurde das ganze schriftlich festgehalten, die Rahmenbedingungen waren klar, jetzt konnte man sich um das eingemachte kümmern. Die würde gemeinsam mit den Abteilungsleitern entscheiden, wer mit ihm nach Amerika gehen würde, bis man sich dort einigermaßen etabliert hatte, es sollte natürlich auch über Nachfolger für die dann zeitweilig freigewordenen Arbeitsplätze nachgedacht werden. Aber das alles war ein Thema für die kommenden Tage und Wochen. ~~~~ So, spätestens jetzt wird auch jedem klar, dass ich auch von Betriebswirtschaft nicht viel verstehe XD Ist alles zu lange her. Unternehmensformen, wer hat was zu sagen und wer nicht, keine Ahnung, alles vergessen ^^ Aber gut, das ist ja auch Japan, kann ja sein, dass das ganz anders ist als in Deutschland *keine Ausreden mehr hat* Hoffentlich hat’s euch trotzdem gefallen, auch wenn es vielleicht ein bisschen trocken war. T.T Bis zum nächsten Kapitel ^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)