2133 von Tyra-Leonar (The year of machine) ================================================================================ Kapitel 3: Der Ball ------------------- Joeal legte den Kopf zurück, dieser Wind war herrlich. Er öffnete leicht den Mund als könnte er dieses Gefühl, welches der Wind mit sich trug, in sich aufnehmen. Genau in diesem Moment wünschte er sich, ein Vogel zu sein und fliegen zu können. Sein Herz schlug ruhig, doch eigentlich machte es regelrecht Sätze. Er konnte diese Empfindungen nicht einordnen. Es war belebend und beruhigend zugleich. Er wollte etwas tun aber doch viel lieber hier sitzen bleiben. „Joeal, was ist los? Worüber denkst du nach?“ Earl beugte sich in seinem Schneidersitz weiter nach vorn. Hinter ihm hüpfte das Land ständig auf und ab. „Ich überlege gerade, was das ist.“ Joeal strich sich flüchtig über die Brust, genau dort wo sein Herz war. „Hm, ich verstehe dich. Ich fühle es nämlich auch.“ „Du auch?“ Joeal setzte sich ruckartig wieder auf und starrte Earl ungläubig an. „Aber natürlich.“ Earl nickte „Das, was sich tief in dir drin nicht entscheiden kann ist Freiheit.“ „Freiheit? Aber das ist doch was Schönes und nichts wo man unentschlossen sein sollte. Bist du sicher, Earl?“ „Aber ja doch, wenn ich es dir sage. Freiheit ist etwas Wunderbares. Die jetzige, die du im Moment empfindest, ist etwas ganz neues für dich. Denk doch einmal drüber nach.“ Joeal wiegte den Kopf leicht hin und her. Dann seufzte er zufrieden und stand langsam auf. „Merchendise, würdest du bitte stehen bleiben?“ Die Ruhe und Gelassenheit in seiner Stimme erschreckte ihn ein wenig selbst. Die Maschina stoppte und wartete geduldig. Earl gesellte sich zu seinem jungen Herrn. „Schon toll, was ihr da geschafft habt.“ Ja, dachte Joeal, es war echt fantastisch, dass er Merchendise bewegen konnte, auch wenn er nicht in ihr drin war. Allein seine Gedanken waren Herr der Lage... er war auf ewig mit ihr verbunden. Und dann ließ er sie weiterlaufen, schneller als zuvor. „Joeal... Joeal!“ Der Gerufene öffnete erschrocken wieder die Augen. Direkt vor ihnen war eine Stadt aufgetaucht, die jetzt rasend näher kam. „Stopp Sie! Stopp die Maschine!!!“ Vor lauter Aufregung wäre Earl seinem Herrn am liebsten an den Hals gefallen. Doch Merchendise wurde bereits beträchtlich langsamer. „Puh...“ Earl atmete erleichtert aus und hielt eine Hand an die Brust. „Ich dachte schon... ? Was ist das?“ Joeal schaute in die Richtung in die Earl starrte. Dicke Rauchschwaden stiegen zum Himmel empor und verdunkelten die Umgebung. Die Sonne schaffte es nicht dagegen anzukämpfen. Earl betrachtete seinen Herrn, der keine Miene verzog und so etwas überhaupt nicht kennen konnte. Es wunderte ihn, dass Joeal alles so resigniert betrachtete. Hätte er gewusst, was wirklich los war, dann hätte er sich jetzt nicht zu wundern brauchen. „Die Fabriken...“ Joeals Mund bewegte sich wie von selbst. Noch bevor er sich Gedanken darüber machen konnte war er auch schon geistig nicht mehr in der Gegenwart, sondern irgendwo zwischen der Realität und der Zeit. „Bist du dir sicher, Merchendise? Ich habe so etwas noch nie gesehen.“ „Aber natürlich...“ antwortete sie sanft und zeigte sich ihm. Ihr langes Haar umfloss ihren Körper und zeigte nur gerade so viel Haut, wie es schicklich war. Sie trat neben ihn und wischte mit der Hand in der Luft. Ein rundes, waberndes Loch erschien und gab eine braun-goldene Stadt zu erkennen. „Ist es das... Ist es dieser Rauch, der die Erde vernichtet?“ Merchendise Augen wanderten zu ihm. Sie schaute zu Boden ehe sie antwortete und ihn mit einer Mischung aus Zorn und Traurigkeit ansah. „Ja...“ Joeal biss sich auf die Unterlippe und schaute nervös in die blaue Dunkelheit aus der diese Frau direkt vor ihm gekommen war. Er wusste, dass sich in ihr alle guten Träume versteckten und er nur darin forschen musste um den richtigen Weg für die Zukunft finden zu können. „Geh jetzt besser...“ Merchendise schaute ihn von der Seite an und schloss ohne hinzusehen wieder das Loch. „Es ist besser.“ Joeal nickte traurig und zog seinen Geist, der ohne seinen Willen hierher gelangt war wieder zurück. Wieder zurück in seinem Körper holte er tief Luft und füllte seine Lungen. Er hatte keine Zeit sich über das Geschehene Gedanken zu machen, denn von Westen her hörten sie einen metallischen Lärm und dann einen lauten Knall, wie von einer Explosion. Earl und Joeal schauten gleichzeitig auf und versuchten die Ursache festzustellen. Earl sah es später als sein Herr. „Merchendise!“ Schon setzte sich die Maschina in Bewegung und rannte auf die Feuerwand zu. Als Earl bemerkte, dass sein Herr sich anschickte direkt hineinzurennen, sprang er vorsichtshalber ab. „Joeal, komm da raus!“ rief er so laut er konnte um gegen das Geräusch des Feuers anzukommen, da Merchendise jetzt nur noch schemenhaft zu erkennen war. Joeal stand auf und hielt eine Hand vorsichtig an den Hals der Maschina und schaute sich um. Die rote Glut zuckte und flog bis zu ihm herauf. Sein Haar flog im Wind, der durch die Wärme erzeugt worden war und sein Gesicht glühte im Feuerschein. Er spürte die Hitze doch Merchendise schirmte ihn größtenteils davon ab. Er beugte sich vorsichtig weiter vor und legte eine hand über die Augen um besser sehen zu können. Er konnte nichts als Feuerzungen sehen, die sich gen Himmel streckten. Etwas ratterte in Merchendise, es war fast wie ein Stöhnen. Als Joeal es bemerkte, schaute er ihr ins Gesicht und dann in die Richtung, in die auch sie schaute. Nur ungenau konnte er einen Schatten erkennen, der einem riesigen Besitzer zu gehören schien und sich aus dem Feuer entfernte. Joeal setzte zu einem „Hey!“ an, doch Merchendise drehte sich bereits um und brachte ihn wieder in Sicherheit, ihm blieb nicht mehr als ein flüchtiges Umschauen zu etwas, das bereits nicht mehr da war. Earl bemerkte, dass die Flammen kleiner wurden, da der morastige Boden nicht genug Futter für es hergab. Als er Merchendise sah seufzte er erleichtert und ging langsam auf sie zu. Sie beugte sich herunter und legte eine Hand auf den Boden. Earl sprang darauf und wartete nicht ab, bis sie sich wieder vollends aufgerichtet hatte, sondern sprang schon vorher ihren Arm herauf zu Joeal hinauf. „Was hast du gesehen?“ „...“ Joeal antwortete nicht gleich. „Nichts...“ Er schaute weg obwohl es ja eigentlich fast der Wahrheit entsprach. ‚Gar nichts...’ dachte er nur und lenkte dann Merchendise Schritte an den Rand der Stadt. Niemand beachtete sie richtig. Hier waren solche Maschina Gang und Gebe. Der junge Herr konnte das nur befürworten. Er war nicht in der Stimmung sich dummes Geschwätz anzuhören und lästige, immer wieder gestellte Fragen zu beantworten. Earl bemerkte Joeals traurigen Blick, der von ernst überspielt werden sollte. Joeal wurde bald von einem Gebäude wie magisch angezogen. Die Straßen dorthin wurden immer enger und waren nicht für etwas so großes geschaffen. Noch rechtzeitig bemerkte er einen Platz auf dem schon mehrere Maschina abgestellt worden waren. Nach ein paar Straßen lenkte er Merchendise langsam auf den Platz und suchte jemanden, dem das alles gehörte. Ein Mann schaute zu uns herauf und bekam den Mund nicht mehr zu. „Das... das ist doch...“ „Hä? Eine legendäre Maschina? Du willst uns verarschen, oder?“ „Aber nicht doch.“ Der alte Mann schüttelte sein silbernes Haupt und schaute uns aufrichtig an. „Wusstet ihr das denn nicht?“ Joeals fragender Blick reichte dem alten Platzwart als Antwort. Earl wanderte unruhig in dem kleinen Häuschen aus Blech umher und betrachtete Bilder und kleine Erfindungen. Joeal folgte ihm Zeitweilen mit den Augen. Dann wandte er sich wieder dem Platzwart zu, der ihn wieder angesprochen hatte. „Ihr müsste auf den Ball.“ „Welcher Ball?“ „Heute findet zu ehren von Mister Jaqual ein Ball statt. Alle hohen Leute sind eingeladen worden. Ebenso Leute aus dem Militär, die besondere Verdienste zu verzeichnen haben, und normale Menschen, die wie ihr eine besondere Maschina besitzen und dem Staat noch von nützen sein können.“ Joeal warf einen Blick zu. Dieser zuckte nur unentschlossen mit den Schultern und überließ die Entscheidung seinem Herrn. „Gut, wo ist dieser Ball?“ Der alte Platzwart hatte ihnen den Fußweg so gut wie möglich beschrieben und beide mit Secondhand-Anzügen ausgestattet, die ihren Dienst für diese Feierlichkeit überaus erfüllten. Hineinzukommen konnten diese Stücke Stoff zwar nicht ermöglichen, aber wozu hatten die beiden Männer den sonst ihren Schneid. Den Hintereingang wollten sie sich ganz zum Schluss aufheben und es erst wirklich einmal am Eingang zu probieren. Ohne Einladung, ohne Reichenkenntnisse, ohne reiche Verwandte, Bekannte, etc, ohne alles, außer ihrem Aussehen und ihrem Verstand. Nach einer halben Stunde gaben sie es auf mit dem Türwächter, der so groß wie ein Schrank war, zu diskutieren und wollten eigentlich schon gehen, besser von dem großen Typen hinaus geworfen werden. „Ist schon gut. Sie gehören zu mir.“ Eine Frau in einem aufwendig geschneiderten Kleid kam auf die beiden zugeglitzert. Joeal schmerzten die Augen von dieser Pracht, die im Kameralicht viel zu stark schien. Froh über die Rettung ließen sie sich von der reichen Dame hinein begleiten. Der Türwächter schaute nicht schlecht, als diese beiden Witzfiguren Arm in Arm mit der Lady in der großen Eingangshalle verschwanden. Earl zog die Frau etwas abseits. „Wie ist ihr Name, schöne Frau. Es muss einer sein, der eurer Großherzigkeit entspricht, nicht?“ „Mein Name ist Elektra Henningway, sehr erfreut.“ „Wir sind ebenfalls sehr erfreut.“ Earl verbeugte sich und drückte Joeal ebenfalls herunter, als dieser keine Anstalten machte es von selbst zu tun. „Wie ich sehe ein ausgesprochen hübscher Name, der euch noch schöner macht, als ihr seid. Darf ich...“ „Elektra, mit wem redest du da?“ Eine ebenfalls elegant gekleidete Frau kam auf uns zu. Joeal schätzte sie auf nicht älter als 30. „Mutter, es ist alles in Ordnung. Sie wollten sich gerade vorstellen.“ „Mutt.... Mutter...“ stammelte Earl leise und machte Augen so groß wie Wagenräder. „Mein Name ist Jerry Sulian Junior, zu ihren Diensten.“ Joeal verbeugte sich tief und lächelte die ältere Frau kokett an. „Sulian? Nein, nein, ich muss mich irren. Namen gibt es ja viele.“ „Aber sicher doch.“ Earl war an ihre Seite geeilt und führte sie langsam weg. „Ich hätte sie ehrlich gesagt älter geschätzt. ....“ Sie entfernten sich im Getümmel und die Frau lachte plötzlich. Earl musste sie mit seinem Charme bereits erobert haben. „Wie alt bist du?“ fragte Elektra Joeal. „Ähm...“ er wurde rot und überlegte ob er sich älter machen sollte, als er eigentlich war. Er entschied sich für die Wahrheit. „Ich bin 15.“ Elektra betrachtete ihn skeptisch. „Ist das wahr?“ „J-Ja...“ „Nun, du schienst mir irgendwie älter.“ Enttäuscht ließ sie ihn stehen und verschwand im Gewühl der glitzernden Kleider und Diamanten, sie verschwand in einer Welt, die Joeal vollkommen fremd war und in der er sich verloren fühlte. ‚Merchendise... ich wünschte du wärest hier...’ Er schluckte alle Gefühle hinunter und marschierte erhobenen Hauptes durch die Menge. Er konnte sich jetzt nicht mit solchen Gedanken aufhalten. Außerdem stand Merchendise ja draußen, wohl behütet und bewacht von dem alten Mann. „Hatschi...“ Der alte Mann rieb sich mit dem Finger unter der Nase und schaute sich um. „Jemand redet über mich. Ob´s was Schlechtes ist?“ Er sah zu der Maschina genannt Merchendise hoch. Er war gerade dabei gewesen. Einen ihrer Füße zu putzen. Er vergötterte sie regelrecht. Sein Vater hatte ihm von den legendären Maschina erzählt, die in Zeiten der Not wieder aktiviert wurden um die Erde und die Menschheit zu retten. Seit 50 Jahren hatte keiner mehr eine zu Gesicht bekommen, und jetzt? Jetzt stand da einfach eine vor ihm, gelenkt von einem Jungen, der nicht älter als seine Enkelin war und der durch ein unsichtbares Band mit dem Geist der Maschine verbunden war. Selig machte der Mann nur kurz die Augen zu um in seinen Erinnerungen zu schweifen. Doch da schlief er direkt auf dem Fuß ein und sägte Bretter. Diese Maschina und die Erinnerung daran, waren das Einzige, das ihn an seinen Vater, seinen toten Sohn und seine einzige, noch irgendwo lebende Enkelin erinnerte. Joeal hatte sich durch die Menge gekämpft und inspizierte gerade das Buffet. Dieser Reichenfraß, war ihm äußerst zu wieder und irgendwie nicht zum Essen, sondern nur zum anschauen gedacht. Vielleicht waren deswegen einige so dünne Leute auf dem Ball. Joeal hatte Angst einen der Reichen zu berühren. Ihm wurde schlecht bei dem Gedanken, dass diese Leute sich nur um ihr Geld scherten und nicht um die Umwelt. Alles war ihnen Recht ihren Reichtum zu vergrößern. Endlich hatte er eine Stelle an der Wand gefunden, an der sich nicht viele Leute tummelten und er sich ruhig anlehnen konnte um die Gesellschaft etwas abseits zu betrachten. Einen Ball hatte er sich anders vorgestellt. Hier wurden nur neue Kontakte geknüpft, Wirtschaftwege ausdiskutiert und Geschäfte abgewickelt. Die einzige Musik, die es gab, war eine ruhige Orcherstermusik von fünf Mann, die sich, wie es die Musik wiedergab, zu langweilen schienen. Als Joeal schon enttäuscht den Kopf hängen lassen wollte, erblickte er eine Gruppe von Frauen. Einigen sah man ihr junges Alter an, andere wiederum, so wie Elektra, die mit in der Gruppe stand, konnte man es nicht ansehen. Joeal betrachtete die Tochter von Henningway, der, wie er nur zufällig erfahren hatte, eine große Summe an eine Firma gespendet hatte, die Maschina herstellte und nach Waffen forschte. Elektra schien seinen Blick gespürt zu haben und drehte sich prompt in seine Richtung. Mit einem unbestimmten Blick und einem leichten Nicken, lotste sie ihn zu sich. Er war nicht imstande ihr zu widerstehen. Ihre grünen Augen hielten ihn in ihrem Netz gefangen. Als er zu den „Mädchen“ trat, erntete er nicht nur Begeisterung. Reiche, verwähnte Gören, gehörten anscheinend auch zu Elektras Freundeskreis. Diese entfernten sich schnell. Bevor sie in der Menge verschwanden, warfen sie noch ein paar düstere Blicke zurück. „Menschen verändern sich mit dem Geld.“ Begann sie und Joeal musterte sie verwundert. „Umso mehr sie haben, umso mehr wollen sie es behalten und vermehren. Genauso wie ihr Kontostand verändert sich ihr Charakter.“ Elektra sah ihm tief in die Augen, als die Mädchen vollkommen verschwunden waren. Joeal erschrak etwas, als sie nicht mehr den Gören hinterher sah. Ihr Kleid schimmerte im Licht der Kronleuchter etwas matter. Joeal war sich aber nicht sicher, ob er sich nicht auch vielleicht schon daran gewöhnt hatte. „Du etwa auch?“ Elektra senkte den Blick und seufzte, ehe sie ihn wieder ansah, ohne die Magie, die zuvor noch in ihren Augen gelegen hatte und ihn gefangen hatte. „Ich denke nicht. Es gibt solche und solche. Mich kann man, glaube ich, zu denen zählen, die nicht vom Geldwert verändert werden.“ Die übrigen Mädchen musterten das ungewöhnliche Paar während des Gespräches und warfen sich vielsagende Blicke zu. Ehe Joeal noch etwas erwidern konnte gingen die Lichter aus. „Ein Stromausfall?“ Viele Leute fingen an wild durcheinander zu reden, als sie den ersten Schock überwunden hatten. Unruhig warf Joeal einige Blicke hin und her um sicher zu gehen, dass keine Massenpanik ausbrach und er vielleicht noch zerquetscht werden könnte. Aber da sah er es. Ein kleines grünes Licht, das nur kurz an Elektras Hals aufgeblitzt und dann erloschen war. Elektra machte sich eilig auf und davon und Joeal hatte Mühe ihr hinterher zu kommen. In der Eingangshalle angekommen sah er sie an einer Wand stehen und ihr Kleid zu zerreißen. „Was machst du da?“ Er blieb neben ihr stehen und betrachtete den grünen Overall, den sie jetzt trug. „Ich habe so eine Vorahnung. Und nun verschwinde!“ Sie drehte sich auf dem Absatz um und ging los. Joeal hielt sie im letzten Moment fest und zog sie zurück, direkt in seine Arme. „Du gehst nicht, ehe du mir sagst wohin.“ Elektras errötetes Gesicht war in der Dunkelheit nicht zu erkennen. Sie schnappte nach Luft und versuchte sich zu befreien. „Ich hab dir gesagt, du sollst verschwinden! Ich rufe sonst um Hilfe!!“ Sie funkelte ihn wütend über die Schulter hinweg an. „Oder soll ich...“ „Oder was? Willst du mir in die Nase beißen?“ Sie biss die Zähne zusammen. Auf so eine erniedrigende Anspielung wollte sie sich nicht herablassen. „Ich hab so ein komisches Gefühl, dass du mir etwas verschweigst.“ „Woher das wohl kommt?“ Sie grinste ihn an und tauchte dann unter seinen Armen ab. Schnell zog sie ein lang ausgestrecktes Bein über den Boden und zog ihm die Füße weg. Joeal fiel nach hinten um und landete unsanft auf dem gefliesten Boden. „Boah! Hier hätten sie nicht mit Teppich sparen dürfen.“ Er hielt sich den Kopf an der Stelle an der er aufgeschlagen war und schaute sich um, sichtbar bemüht überhaupt etwas zu sehen. Die Dunkelheit und der Aufschlag taten sein übriges ihm Schatten vorzuspielen. Irgendetwas kam auf ihn zu. Doch Joeal hielt es für einen Schatten seiner Einbildung und reagierte nicht darauf. „Hoch mit Ihnen.“ Earl hievte seinen jungen Herrn auf die Beine und stütze ihn, als er drohte wieder umzukippen. „Joeal, hier bricht gleich eine Panik aus. Und wenn sie einen Übeltäter brauchen, dann wird man uns dafür hernehmen. Los, wir sollten verschwinden!“ Joeal wehrte sich nicht ein Stück gegen Earl´s Entscheidung. Und folgte ihm hinaus. „Wir müssen uns beeilen.“ Earl warf nur einen kurz Blick hinter sich um festzustellen, dass Joeal ganz nah hinter ihm war. Aber das war er nicht. Joeal schwankte hin und her und trippelte nervös auf der Stelle. „Jetzt kommen sie schon, verdammt! Joeal, ich vergesse gleich meine Höflichkeit!“ „Ui... jetzt hab ich aber Angst“ lallte Joeal und verlor dann kurz das Bewusstsein. „Ich... Neeiinn!!“ sagte Earl mit Nachdruck. Gleichzeitig fing er seinen Herrn auf und trug ihn auf den Armen. „Was sind sie? Ein Mann oder eine Memme?“ „...Eine...“ Joeal lallte schon wieder vor sich hin und war drauf und dran den Rest seines Stolzes zu verlieren, hätte Earl ihn nicht unterbrochen. „Darum machen wir uns später Gedanken. Ich weiß da etwas, was sie wieder auf die Beine bringen wird. Sagt ihnen der Name Merchendise etwas?“ Joeal grübelte nach. Seine Stirn zierten tiefe Falten und er schielte wie ein verrückter. „Nö.“ Sagte er dann bestimmt und brachte Earl damit beinahe zum fallen. „... Kindergarten...“ Der Butler beließ es dabei und rannte weiter, so gut es eben ging. „Wa? Was? Was?“ Der Platzwächter schaute sich verwundert um. „Was ist passiert?“ fragte er Earl, als dieser auf den Platz zugerannt und schnell näher kam. „Bitte, keine Fragen jetzt. Ich hab hier grad genug zu tun.“ Als der alte Mann ihn irritiert musterte und keine Anstalten machte von dem Fuß aufzustehen, drückte Earl ihn sanft weg. „Hätten sie die Güte...?“ Dann sprach er etwas aufgebrachter weiter, mit wem, war nicht ganz klar. „Merchendise! Verflixt noch mal! Seid ihr denn hier alle nicht mehr ganz richtig im Kopf?“ Earl rüttelte Joeal an den Schultern. „Joeal, jetzt wird nicht geschlafen. Steh´n sie endlich auf und bewegen sie diese Maschina. Bevor...“ Laute Sirenen ertönten und wurden immer lauter. Earl drehte sich rasch herum. „Argh!“ Jetzt reichte es ihm. Er verpasste Joeal eine Ohrfeige. Dieser blinzelte daraufhin etwas gaga und wischte mit den Händen über seinem Kopf herum. „Neien, Mom. Nich haun... Isch geh ja glei zu chule... nochn bissschen...“ „Warum lallt der Kleine den so?“ fragte der alte Mann während er gespannt über Earl´s Schultern sah. Der Butler antworte ihm nicht. „Mister Jerry Sulian Junior!! Ich versohl ihnen gleich den Hintern!!!!“ „Äh...?“ Langsam wurde es dem Opa unheimlich. ‚Joeal? Kannst du mich hören?’ Der junge Mann in dem schwarzen Secondhand-Anzug war schon lange nicht mehr da, wo ihn andere vermuteten. Sein regloser Körper auf dem Fuß der Maschina wurde kalt und leblos. Aber noch während Merchendise zu ihm sprach stand er auf und machte sich an den Aufstieg zu ihren Schultern. Earl folgte ihm schweigend. Er merkte, dass das, was da über ihm kletterte nicht weit von einem Zombie entfernt war. „Wie ich Übernatürliches hasse...“ Earl grummelte vor sich hin und erreichte kurz nach Joeal das Plateau der rechten Schulter. Der „Joeal-Zombie“ wartete bis sich sein Freund ebenfalls gesetzt hatte und legte dann leicht den Kopf zur Seite. Die Maschina machte auf dem Absatz kehrt. Nur für einen kurzen Augenblick sah Earl die schwarzen Höhlen, die an der Stelle von Joeals Augen, sein Gesicht zierten. „So ist es gut...“ Merchendise stand hinter Joeal und hatte ihre Arme auf die Seinen gelegt. „Hör mir zu. In diesem Raum ist nichts wirklich...“ Der junge Mann antwortete nichts darauf. Doch Merchendise spürte diese Leere, die ihn jetzt umgab und war besorgt um seine Seele. „Nun denn...“ sie schmunzelte, was Joeal weder sah noch im Geringsten interessierte. In ihm war nichts, er war eine leere Hülle, die von außen gesteuert wurde. Eine Hülle die keine Gefühle, keinen Widerstand kannte. Und er wusste, dass er niemals zurückkommen konnte. „Ich werde dir ein Beispiel zeigen...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)