Das Fremde Mädchen von Tyra-Leonar ================================================================================ Kapitel 1: Prolog ----------------- Sie blinzelte. Wo war sie? Das Mädchen lag in einem großen Bett in einem noch größeren Zimmer. Neben ihr stand auf einem Nachtkästchen eine Schale mit Wasser, auf ihrem Kissen lag ein feuchtes Tuch dass ihr von der Stirn ge-rutscht war, als sie sich gedreht hatte. Vor ihr Stand eine kleine Kommode und an der rechten Seite waren große Fenster mit geschnitzten Rahmen, links eine Tür. Über ihrem Bett hing ein Spiegel mit ebenfalls reichlich verziertem Rahmen, genau wie bei den Fenstern- kurz, Tiphereth erkannte, dass sie noch nie hier gewesen war. Sie drehte ihren Kopf und erschrak. Ein junger Mann mit schwarzen Haaren kniete vor ihr auf dem Boden und hatte seinen Kopf auf seine Arme gelegt, die er auf der Bettkante abstützte. Er schlief, aber ein besorgter Ausdruck lag auf seinem Gesicht, ein Gesicht das Tiphereth glaubte schon einmal gesehen zu haben- irgendwo, vor geraumer Zeit... aber wo? Vielleicht sollte sie ihn aufwecken? Nein, lieber nicht. So wie es aussah hatte er die ganze Nacht nicht geschlafen. Mitleid glomm in ihr auf, aber diesen Funken löschte sie schnell wieder. Im Moment hatte sie ganz andere Probleme. Sie setzte sich auf und schaute sich noch einmal um. Die Bettdecke rutschte ihr auf den Schoß, eigentlich nichts ungewöhnliches, aber... "Oh heilige Scheiße!" rief sie aus und zog die Decke schnell über ihren Mund. So laut hatte sie gar nicht schreien wollen. Schlief der Mann noch? Langsam legte sie sich schief, um in sein Gesicht schauen zu können. Ja, er schlief noch, aber dieses Gesicht... es kam ihr so bekannt vor. Sie ließ von ihm ab und hob etwas die Bettdecke hoch. Was sie anhatte war mehr als schäbig. Ein altes, zerlöchertes und arg zerschlissenes weiß-graues Nachthemd und sie war über und über mit Bandagen bedeckt. Ihre Hände waren noch frei und mit denen tastete sie nun in ihrem Gesicht nach noch mehr Bandagen. Aber da war nichts. Vor Erleichterung seufzend nahm sie die Hände wieder herunter. Eine Weile saß sie einfach nur so da, bis sie über die Bettkante schaute um nachzusehen ob auf dem Boden etwas war wo sie drauf treten könnte. Außer einem Paar brauner Pantoffeln und eines rotem Teppichs war da aber nichts. Sie schwingt erst das eine dann das andere Bein über die Kante und steht auf. Tiphereth schwankt kurz, findet aber ihr Gleichgewicht schnell wieder. Barfuß läuft sie durch das Zimmer auf die einzige Tür im Raum zu. Davor schaut sie sich noch einmal nach dem Mann um und drückt dann die Klinke herunter und schreitet durch die Tür. Rechts von ihr erstreckt sich ein Flur dem sie folgt, die Treppe hinunter bis zum Erdgeschoss und dort in den Raum direkt vor ihr. Sie ist im Wohnzimmer gelandet. Die Sonne war schon längst aufgegangen und schien durch die großen Fenster auf den Teppich. Weiter rechts war ein Durchbruch in der Wand und dahinter die Küche. Wie ein Geist schreitet Tiphereth durch den Durchbruch und schaut sich um. Es war weniger Neugier denn sie wollte einfach feststellen wo sie war, die Ungewissheit besiegen. Der Sonnenschein beleuchtet den Küchentisch und dort die Schale mit Obst. In dem Zwielicht aus Licht und Schatten sah Tiphereth aus wie ein Geist. Die Arme schlaff herunterhängend, eine gleichgültige Miene und ein leicht schwebender Gang. Als sie auch die Küche inspiziert hatte, ging sie durch die eine spaltbreit geöffnete Tür und schloss sie hinter sich. Nun war nur noch die Eingangstür rechts, am Ende des Flurs übrig. Vielleicht konnte sie dahinter herausfinden wo sie wahr. Irgendetwas musste ihr doch bekannt vorkommen. Vor der Tür angekommen streckte sie die rechte Hand nach der blank polierten Messingklinke aus. "Na? Lust auf einen Spaziergang?" Tiphereth dreht sich zu der Stimme um. Ihre kurzen Haare wibbten beim stoppen einmal hin und her. Der schwarzhaarige Mann stand auf der vorletzten Stufe der Treppe und lehnte sich über das Geländer. Er hatte die Hände ineinander verschlungen und musterte sie neugierig. Als sie keine Antwort gab, schaute er sie erst schief an und lächelte, dann ging er auf sie zu und an ihr vorbei zur Tür und drückte die Klinke herunter. Er stieß die Tür bis zum Anschlag auf, so dass auch sie selbst hinaus schauen konnte. Das morgendliche Licht blendete sie und Tiphereth musste die Hand schützend vor ihre Augen halten um wieder sehen zu können. Nachdem sie sich an das Licht gewöhnt hatte, schaute sie sich die Umgebung genauer an. Links von sich konnte sie das Rauschen des Meeres hören und direkt vor sich sah sie den Wald. Braune und leicht gefärbte Blätter kündigten den Herbst an. Rechts vom Haus verlief ein Fluss und weiter hinten stürzte sogar ein Wasserfall in die Tiefe, dies bemerkte sie, als sie das Haus einmal umrundete, der Fremde ihr immer dicht auf den Fersen. An der Klippe zum Meer blieb sie stehen. Warum war ihr alles nur so fremd? Wie war sie überhaupt hierher gekommen? "Alles ist so... verwirrend... ich will nach Hause..." dachte sie und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Der schwarzhaarige Mann trat neben sie und sah ebenfalls aufs Meer hinaus. Tiphereth wandte ihren Kopf ihm zu und musterte ihn. Er hatte wie schon gesagt schwarze Haare und wie nun zu erkennen war auch schwarze Augen. Er trug eine ockerfarbene, ärmellose Weste und dazu eine braune Stoffhose. Auch er war barfuß. Als er ihren Blick bemerkte, lächelte er sie lieb an. Tiphereth errötete und schaute schnell wieder weg. Der Fremde war verdutzt über ihr Verhalten, was Tiphereth aus den Augenwinkel heraus mitbekam. Er trat an sie heran, legte ihr von hinten die Arme um die Hüften und schmiegte sich an sie. Tiphereth erschrak. Nicht nur wegen der Berührung eines Mannes, sondern auch weil ihr irgendetwas gerade durch den Kopf geschossen war und ihr nun Kopfschmerzen bereitete. Sie riss sich von ihm los und schaute ihn verwirrt an. Wieder setzte der Fremde seinen verdutzen Blick auf. Er hielt seine Arme einladend zu ihr hin und machte ein dummes Gesicht dazu. "...Wer.... bist du?" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)