Yossi als: Elphaba

Zunächst einmal galt es, Referenzen zu sammeln. Trotz zwei Programmheften und dem Grimmerie in meiner Sammlung, sah es an jener Front nämlich düster aus. Doch je mehr ich fand, umso stärker wurde mir bewusst, dass Elphabas Kleid je nach Aufführungsort und Schauspielerin ein wenig anders aussah. Ich durfte mir also ein wenig künstlerischen Freiraum erlauben. Sehr früh in der Planungsphase entschied ich mich, kein Kleid, sondern Oberteil und Rock separat zu nähen, weil es mir einfacher erschien und ich Angst hatte, der schwere Rockteil könnte mir das Oberteil verziehen.
Auf dem Holländischen Stoffmarkt konnte ich bereits im Frühjahr 2014 sehr geeignete Stoffe erstehen. Zum einen mattes Kunstleder in Schlangenlederoptik für den Hut und einen reich bestickten Baumwollstoff, der mir die Mühe ersparte, den "Grundstoff" den Kostümes noch einmal mit Spitze überlagern zu müssen, da dieser Stoff bereits eine sehr schöne Struktur in Spitzenoptik besaß.
Da ich das Nähen des Rockes so lang wie möglich aufschieben wollte, begann ich mit dem Oberteil: Dieses besteht aus bis zu vier Lagen Stoff: Ich fing an mit einem Teststück aus schwarzer Baumwolle, welches ich anpasste, bis es mir gefiel und anschließend als Schnittmuster und Futter verwendete. Für besseren Sitz habe ich mehrere Rigilène-Stäbchen eingenäht. Darüber kam eine Lage des oben genannten bestickten Baumwollstoffes, womit dies Basis fertig war. Anschließend habe ich bunte Stofffetzen auf das Oberteil und die Keulenämel gesteppt, welche dann wiederum mit einer Lage Spitze überdeckt wurden. Bei diesen Schritten war es befreiend und befremdlich zugleich, unsauber arbeiten zu können. Elphabas Kostüm wirkt zwar auf den ersten Blick sehr elegant und mondän, doch bei näherem Hinsehen stellt man fest, dass das Kleid tatsächlich in Fetzen hängt. Entsprechend habe ich mich dann bei den Rüschen auf ihren Schultern richtig ausgetobt: Mehrer Lagen Organza, Spitze, Tüll und Chiffon habe ich so lange mit der Schere bearbeitet, bis keine Schnittkante mehr sichtbar war. Abschließend habe ich schwarzes Samtband kreuz und quer über das Oberteil genäht, sowie einige Pailletten und lose Fadenknäuel aufgenäht.
Über den Schnitt des Rocks war ich lange unsicher (und immer noch unglücklich). Auch hier suggerierten verschiedene Referenzen verschiedene Schnitte je nach Aufführung. Gerne hätte ich einen kompletten Tellerrock genäht, doch da hatte ich die Befürchtung, dass er a) um die Oberschenkel zu weit und b) insgesamt zu schwer würde. Ich habe mich also für eine Fit-n-flare-Variante entschieden: Oben eng, unten weit. Dummerweise habe ich nicht mit einkalkuliert, dass der Rock enger werden könnte, wenn ich meterweise Rüschen draufsteppe, so dass ihm schlussendlich das Volumen fehlt, dass ich mir gewünscht hätte, obwohl der Basisrock ohne Rüschen noch so vielversprechend aussah. Das bisschen Volumen, das noch da ist, wird von Gewicht der Rüschen nach unten gezogen, wo mir Saum ständig gefährlich um die Beine schwang und mich mehrfach stolpern ließ, sobald ich nicht aufpasste.
Für die Rüschen habe ich meterweise Streifen aus verschiedensten Stoffen geschnitten bzw. gerissen. Die Investition in einen Rollschneider und eine A2-Schneidematte hat sich definitiv gelohnt! Von den so entstandenen Streifen habe ich jeweils 2-4 aneinander genäht und anschließend gerüscht. Hier kam ein lebensrettendes Tutorial von BlahMage ins Spiel: Ich hatte schon befürchtet, die ganzen Rüschen von Hand ziehen oder legen zu müssen, aber dank des Tutorials wusste ich nun, dass es (auch ohne Spezialfuß für die Nähmaschine) mit einem Gummiunterfaden, hoher Fadenspannung und etwas Sitzfleisch auch einfacher geht. Anhand der verbrauchten Gummifadenspulen kann ich nun auch sehr gut abschätzen, wie viele Rüschen ich eigentlich genäht habe: 100 Meter. Also 200 Meter ungerüschte Stoffbahnen stecken in diesem Rock. Tutorial hin oder her - Die fertigen Rüschenbahnen auf den Rock zu steppen, hat dennoch nicht gerade Spaß gemacht. Ich habe mich von unten nach oben vorgearbeitet und die Bahnen spiralförmig aufgesteppt. Natürlich wurde der Rock im Verlauf dieses Prozesses zusehends schwerer (zuletzt habe ich 4 Kilo durch die Maschine gewuchtet) und das Nähen immer unübersichtlicher. Insbesondere zum Schluss, als ich an einigen Stellen noch nachträglich zur Verdichtung einzelne Bahnen eingesetzt habe, habe ich vor Stoffmassen quasi blind genäht. Aus demselben Grund habe ich mich auch dagegen entschieden, einen Reißverschluss einzunähen, der sich wahrscheinlich ohnehin nur verfangen würde. Statt dessen haben ich Haken- und Ösenband eingenäht.
Beim Cape habe ich mir wieder größeren kreativen Freiraum gegönnt: Es hat mich schon im Musical immer gewurmt, dass Elphabas Kleid in Fetzen hängt, aber das Cape intakt ist. Also habe ich mein Cape mit einer Schere abgewetzt. Es wird mit Druckknöpfen befestigt.
Der Hut wird in die Geschichte eingehen als der einzige selbst gefertigte Hut, den ich tatsächlich mag. Ehrlich, ich hasse es Hüte und Mützen zu nähen und bin auch furchtbar schlecht darin. Freilich habe ich auch dieses Mal 5 Anläufe gebraucht, bis ich die Krempe passgenau an die Krone ansetzen konnte, aber dafür bin ich mit dem Resultat sehr zufrieden. Obermaterial ist elastisches Kunstleder in Reptilienoptik. Die Krone ist gefüttert mit einem steifen Veloursleder; in die Krempe habe ich Moosgummi eingenäht, welches ich zuvor mit einem Bügeleisen in Form gebracht habe.
Da Elphaba das Kostüm an verschiedenen Stellen im zweiten Akt trägt, variiert auch ihre Frisur: Neben einem Dutt gibt es noch eine Version mit komplett offenen Haaren und eine, bei der die Ponysträhnen am HInterkopf zusammengenommen wurden. Ursprünglich hatte ich vor, letztere Version zu machen, aber am Contag erschien mir dann der Dutt praktischer, weil mir dann nicht ständig Haare ins komplett geschminkte Gesicht fliegen würden. Also habe ich meine Lacefront-Perücke um einen großen Duttring gestylt. Da ich nicht sonderlich geübt im Umgang mit Duttringen bin und das Ganze mehr oder weniger blind an mir selbst gemacht habe, ist die Frisur ein wenig unsauber, aber ich rede mir ein, dass das ohnehin besser zu Elphie passt...
Zu guter Letzt kam das Make-up. Drei Grüntöne verschiedener Fabrikate habe ich durchprobiert und keiner will mir bisher so richtig gefallen. Immerhin: Alle deckten gut und rieben nur wenig bis gar nicht ab. Am Contag habe ich letzten Endes ein grasgrünes wasserbasiertes Make-up von Kiomi (erworben bei myCostumes) verwendet und mit einem helleren Make-up von Eulenspiegel ("Hexengrün"!!) sowie mit goldenem Lidschatten Highlights gesetzt.
Der Besen war eine kurz-vor-knapp-Aktion. Da ich keinen Zugang zu einer Werkbank und generell kein Talent für große Props habe, der Besen aber demontierbar sein musste, damit wir ihn im Auto transportieren konnten, griff ich kurzfristig auf einen 08/15-Besen aus dem Baumarkt zurück. Der ist natürlich kürzer und schlanker als das Original, nachdem Patalord mir den Griff lackiert hatte, sah er trotzdem schön nach Hexenbesen aus.