Freunde mit gewissen Vorzügen von Maginisha ================================================================================ Kapitel 22: ------------ „...und deswegen werden wir Samstagnachmittag zu dritt eine Observation vor Ort durchführen, um Kens Standort zu bestimmen“, schloss Omi seine Erklärung Aya gegenüber, was den Stand der Ermittlungen anging. Aya nickte langsam, den Blick zunächst noch auf den Bildschirm gerichtet. Er und Omi saßen zusammen im Missionsraum. Der Abend war bereits fortgeschritten und Omi merkte, wie langsam die Müdigkeit einsetzte, die ihn daran erinnerte, dass er die letzten Tage nicht genug geschlafen hatte. Trotzdem musste er die fraglichen Details jetzt endlich mit Aya klären. „Warum erst Samstag?“, wollte der plötzlich wissen. „Morgen ist Freitag. Wir sollten uns nicht so viel Zeit lassen.“ „Weil...nun ja...“, druckste Omi ein wenig herum. „Wir können nicht einfach in einen vermutlich von Schwarz überwachten Bereich eindringen. Nicht ohne Tarnung.“ Aya bewegte bedächtig den Kopf. „An was hattest du gedacht?“ Omi merkte, dass ihn diese Frage freute. Es war für Ayas Verhältnisse fast so etwas wie Anerkennung. „Ich habe mir überlegt...“ Omi zögerte. Würde Aya wirklich so darauf reagieren, wie es Yoji prophezeit hatte? Vielleicht war es gut, wenn er den Plan schrittweise eröffnete. „Ich hatte gedacht, wir treten als Familie auf. Das sollte an einem Samstagnachmittag im Park nicht allzu viel Aufmerksamkeit erregen.“ „Familie?“ Ayas Augenbrauen hoben sich ein wenig. „Du meinst...“ „Vater, Mutter, Kind“, platzte Omi heraus. „Es wäre perfekt. Nach so einer Gruppe sucht Schwarz bestimmt nicht. Ich könnte die Drohne als harmloses Spielzeug tarnen und euch die Bilder live vorspielen. Wenn wir etwas finden, können wir so sofort entscheiden, wie wir weiter vorgehen.“   Ein seltsamer Ausdruck machte sich auf Ayas Gesicht breit. Es war immer noch gewöhnungsbedürftig, so nahe mit ihm zusammenzuarbeiten und Omi fühlte die Vorsicht seinen Rücken hinaufkriechen und sich ihm auf die Schulter setzen. „Ich nehme also an, dass du das Kind sein wirst“, sagte Aya und sah ihn durchdringend an. „Und weiter?“ „Ähm...also wegen der Größe müsste Yoji sicherlich die Rolle des Vaters übernehmen“, antwortete Omi ein wenig kleinlaut. Er und Ken hatten aus dem gleichen Grund bei Undercover-Einsätzen schon mehrmals eine Frauenrolle übernommen. Omi erinnerte sich daran, wie sie beide sich in eine Stewardessen-Uniform gezwängt hatten. Zumindest Ken hatte sich zwängen müssen, da die weiblichen Uniformen nicht unbedingt für gut trainierte Männerkörper gedacht waren. Omi hingegen war zwar gut in seine Uniform hineingekommen, hatte seit dem Einsatz allerdings eine ziemliche Hochachtung vor den Damen, die auf mehrere Zentimeter hohen Absätzen den ganzen Tag durch die Gegend gondelten. Diese Tortur wollte er Aya lieber ersparen.   Er merkte, dass er gedanklich abgeglitten war und Aya ihn mit einem finsteren Gesichtsausdruck ansah. „Das heißt, ich soll die Frau sein?“, knurrte er. „J-ja“, stotterte Omi und rief eilig das Bild auf, dass er Yoji gezeigt hatte. „Aber keine Angst, ich will dich nicht in ein Cocktailkleid oder so stecken. Mir schwebte eher so etwas hier vor, denn so könntest du neben der Verkleidung auch noch ein wenig Ausrüstung mitnehmen. Dazu noch einen Sonnenschirm, um dein Gesicht zu verbergen. Je weniger man von uns sieht, desto besser.“ Ayas finsterer Blick schwenkte langsam von Omis Gesicht zum Bildschirm. Das Bild zeigte eine japanische Familie; während der Mann in einen westlichen Anzug gekleidet war, trug die Frau einen rosafarbenden Kimono mit floralem Muster. An ihrer Hand stand ein kleines Mädchen, das ebenfalls einen Kimono trug, der mit seinem wilden Schmetterlingsmuster in leuchtenden Farben ungleich bunter war als der ihrer Mutter. Die drei strahlten in die Kamera und schienen mit der Welt um sich herum im Reinen. Auf Omi wirkte es so, als könnte ihre Freude sogar die Grenzen des Bildschirms überschreiten und er musste ebenfalls lächeln, als er in die glücklichen Gesichter sah.   Er sah zu Aya hinüber und erstarrte. Wo ihn das Bild aufgeheitert hatte, schien es Aya regelrecht erschüttert zu haben. Alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen und seine Lippen bewegten sich, ohne etwas zu sagen. Omi überlegte fieberhaft und hätte sich selbst ohrfeigen können, als er darauf kam, was er getan hatte. So schnell er konnte, schloss das Bild. Das schien Aya endlich aus seiner Starre zu reißen. Er blinzelte ein paar Mal und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Eine Geste, die Omi noch nie bei ihm gesehen hatte. Er überlegte was er sagen oder tun konnte. Natürlich wusste er von Ayas Schwester, aber sie war etwas, das Omi, wie Aya deutlich gemacht hatte, nichts anging. Das Foto musste die Erinnerung an sie und seine Eltern wachgerufen haben.   Vorsichtig streckte Omi seine Hand aus. Er zögerte. Sollte er es wirklich wagen, Aya zu berühren? Er entschloss sich dagegen. „Aya-kun?“, fragte er stattdessen vorsichtig. „Ist alles in Ordnung?“ „Was?“ Für einen kurzen Augenblick hatte Aya seine Miene noch nicht unter Kontrolle, als ihre Blicke sich trafen, und Omi hatte den Eindruck, ganz kurz hinter die Fassade schauen zu können. Nicht viel, nur ein flüchtiger Einblick, doch was er sah, berührte ihn auf seltsame Weise. Wenn es um Aya ging, hatte Omi trotz seiner langen Ausbildung oft das Gefühl, nicht genug zu sein. Nicht unbedingt, weil Aya das, was er tat, als Fehlschlag ansah, sondern weil er ihm stets das Gefühl gab, dass er mehr erwartete. Diese Erwartungen nicht erfüllen zu können, war hart. Omi hatte bereits einige Male gedacht, dass er es vielleicht einfach nicht in sich hatte, egal was Perser in ihm gesehen hatte. Dass er vielleicht einfach zu weich war, ungeachtet der Taten, die er bereits begangen hatte. Er hatte diese Gedanken stets beiseite geschoben und weiter gemacht, aber tief in seinem Inneren waren sie geblieben; eine immerwährende Sorge darüber, ob er seine Aufgabe bei Weiß jemals würde wirklich erfüllen können. Jetzt zu sehen, dass auch in Aya ein verletzlicher Mensch steckte, der Ängste und Sorgen kannte, und zwar nicht nur in einem rationalen, sondern durchaus auch in emotionalem Ausmaß, beruhigte Omi irgendwie. Es gab ihm Hoffnung, selbst einmal an den Punkt kommen zu können, seine Ängste und Zweifel, wenn schon nicht zu überwinden, so doch zumindest so weit im Zaum halten zu können, dass sie seine Arbeit nicht behinderten. Er erlaubte sich ein kleines Lächeln. „Ich habe gefragt, ob alles in Ordnung ist.“ „Ja, ja“, erwiderte Aya abwesend. Er atmete tief durch. „Es ist nichts. Nur eine...Erinnerung. Ich...ich habe einmal ein ganz ähnliches Foto von meiner Familie gemacht bei einem Empfang, zu dem mein Vater uns mitgenommen hat. Ich weiß es noch, weil die Kamera neu war und ich so lange gebraucht habe, bis ich das Bild scharf gestellt hatte, dass meine kleine Schwester unruhig wurde und die Geschäftspartner meines Vaters warten mussten. Trotzdem hat er mich das Foto machen lassen. Es war lange mein kostbarster Besitz neben der Kamera.“ Omi wusste, dass er in diesem Moment lieber schweigen sollte. Trotzdem entkam die Frage aus seinem Mund. „Was ist damit passiert?“ Ayas Mund wurde zu einem dünnen Strich und er sagte trocken: „Meine Schwester bekam Filzstifte zum Geburtstag.“ Omi zog die Schultern bis zu den Ohren hoch und presste sich die Hände auf den Mund. Trotzdem konnte er das Prusten, dass sich den Weg durch seine Kehle nach oben bahnte, nicht völlig verhindern. Die Vorstellung eines kleinen Ayas, der seine noch kleinere Schwester wütend anfunkelte, weil sie sein Eigentum mit Filzstiften verziert hatte, war einfach zu komisch. Er gluckste noch ein paar Mal, dann stand er auf und verbeugte sich vor Aya. „Vielen Dank, Aya-kun, dass du diese Geschichte mit mir geteilt hast.“   Aya ließ sich nicht anmerken, ob ihm Omis Dank etwas bedeutete oder ob er ihn überhaupt gehört hatte. Ohne die Miene zu verziehen, kehrte er mit nüchternem Ton zum eigentlichen Thema des Treffens zurück. „Wir haben eine Mission zu planen, denke ich. Du wirst eine Menge besorgen müssen. Neben Kimono und Obi brauchen wir noch Unterkleidung, Tabi-Socken, passende Getas, ein Koshihimo...“ Er schwieg kurz, als Omi ihn mit runden Augen anstarrte. „Was?“ „Du machst es?“ Omi versuchte redlich, sein Erstaunen zu verbergen. „Natürlich. Es ist eine gute Idee. Plane, was immer du für notwendig hältst.“ „Ist gut, Aya-kun“, nickte Omi. „Noch irgendwelche Wünsche bezüglich des Kimonos?“ Der andere überlegte kurz. „Kein Rosa“, sagte er bestimmt, bevor er aufstand und den Raum verließ. Omi sah ihm einen Augenblick lang nach und auf seinem Gesicht lag ein kleines Lächeln. Aya vertraute ihm. Das fühlte sich gut an. Sehr sogar. Er würde sich Mühe geben, ihn nicht zu enttäuschen. Außerdem würde er noch einen Anruf machen. Bei der wenigen Vorbereitungszeit, die sie hatten, wollte er lieber auf Nummer sicher gehen. Er hoffte, dass ihm Aya auch diese Entscheidung verzeihen würde.             Yoji starrte von dem Ding in seiner Hand zu Omi und wieder zurück. Hinter dem jüngsten Weiß stand Aya und sah auf den ersten Blick gelangweilt aus. Yoji kannte ihn allerdings inzwischen gut genug, um zu wissen, dass er sich gerade köstlich amüsierte. Und das auf Yojis Kosten. Das war doch wohl wirklich die Höhe! „Kannst du vergessen“, schnappte Yoji und versuchte, Omi die Packung zurückzugeben, die der ihm gerade in die Hand gedrückt hatte. „Das mache ich nicht.“ Omi machte große, bittende Augen. „Aber Yoji-kun! Du hast selbst gesagt, die Tarnung müsste wasserdicht sein. Es ist absolut notwendig.“ „Nein, nein, und dreimal nein. Ich ruiniere doch nicht mein Äußeres für eine Mission.“ „Ach, aber mich steckst du, ohne mit der Wimper zu zucken, in einen Kimono“, ließ sich Aya vernehmen und kreuzte die Arme vor der Brust. „Ja aber das ist...ähm...irgendwie sexy, findest du nicht? Das hier ist das Gegenteil von sexy. Das ist Blasphemie an meinem göttlichen Äußeren.“ „Yoji-kun...“ Omi sanfter Ton ähnelte dem, den man benutzte, wenn man mit einem zornigen Kleinkind sprach. „Es ist nur Haarfarbe. Sie ist sogar auswaschbar. Schau, ich habe sie bereits selbst ausprobiert.“ Er zeigte auf seinen Schopf, der statt jetzt hellbraun irgendwo zwischen braun und schwarz changierte. „Genau das meine ich!“, begehrte Yoji auf. „Es sieht scheußlich aus. Nichts für ungut, Omi.“ Aya, der offensichtlich genug von Yojis Protesten hatten, trat vor, packte ihn am Kragen und zog ihn nah zu sich heran. „Hör auf rumzuheulen. Entweder du erledigst das jetzt oder ich erledige das für dich.“ Yoji mustere ihn über den Rand seiner Sonnenbrille hinweg. „Was bekomme ich dafür?“   Das Schauspiel, in Ayas Gesicht, war beeindruckend. Erst sah er wütend aus und hob an, Yoji eine Predigt zu halten, einige Augenblicke später setzte anscheinend seine Erinnerung daran ein, wo er den Satz schon mal gehört oder besser selbst gesagt hatte. Seine Augen wurden schmal, ihr Ausdruck wechselte jedoch schnell von wütend zu räuberisch. Die kleinen Funken darin entfachten heiße Feuer unter Yojis Haut. „Was hattest du dir denn vorgestellt?“, antwortete er verspätet und der Griff an Yojis Kragen wurde etwas lockerer. Er trat einen Schritt näher und Yoji leckte sich über die Lippen. „Du im Kimono. Heute Nacht. Auf meinem Bett. Ich verspreche dir, es wird dir gefallen.“ Das Pulsieren zwischen seinen Beinen versprach Yoji, dass es ihm auf jeden Fall gefallen würde. Er trat ein Stück näher an Aya und schloss die Lücke zwischen ihren Körpern, als plötzlich sein Blick an dem Objekt seiner Begierde vorbei wanderte und auf Omi traf, der mit roten Ohren und offenem Mund zu ihnen herüber starrte. Yoji hob auffordernd die Augenbrauen. „Ich glaube, ich muss nochmal schnell was erledigen“, würgte Omi hervor, drehte sich auf dem Absatz herum und flüchtete den Flur hinab.   Aya wollte sich von Yoji losmachen, aber noch bevor der eilige Rückzug den jüngsten Weiß außer Reichweite gebracht hatte, hatte Yoji Aya bereits gegen die Wand gedrückt und seinen Protest mit einem tiefen Kuss im Keim erstickt. Als Omis Zimmertür ins Schloss fiel, entspannte der andere Mann sich endlich unter seinen Händen und fing an, den Kuss zu erwidern. Ihre Lippen und Zungen umspielten einander, bis Aya ihn schließlich schwer atmend von sich schob. „Ich...hör auf. Ich muss gleich mit Omi zur Anprobe. Glaubst du, ich will da die ganze Zeit mit einem Ständer herumlaufen?“ „Ich liebe es, wenn du so vulgäre Sachen sagst“, grinste Yoji und begann, Ayas Hals zu küssen. Er arbeitete sich langsam bis zum Ohr vor und ließ seine Zunge über den Rand der Ohrmuschel gleiten. Aya erschauerte unter ihm. „Was wäre, wenn ich etwas gegen dein Problem tun würde, bevor ihr anfangt?“, fragte Yoji und ließ seinen Atem über die feuchte Haut gleiten. „Ich denke, wir haben gerade wichtigere Dinge zu bedenken als deine überschäumende Libido“, erwiderte Aya kühl, auch wenn sein beschleunigter Puls und sein fliegender Atem ihn Lügen straften. „Ich dachte, du wüsstest, dass ich beides wunderbar in Einklang bringen kann.“ Er ließ seine Hände an Ayas Seiten entlang zu dessen Rückseite wandern und zog ihn an sich. Die unmissverständliche Härte zwischen Ayas Beinen sprach eine ganz andere Sprache als die, die sein Mund wählte. Yoji grinste und begann, sich an ihm zu reiben. Er war immer wieder fasziniert davon, wie wenig der andere zuzugeben bereit war, wenngleich ihn sein Körper bereits eindeutig verriet. Obwohl er eingestehen musste, dass es ihn jedes Mal wieder reizte, Ayas Beherrschtheit zu zerbrechen und, in kleine Fetzen gerissen, über Bord zu werfen. Es machte einen Teil ihres Spiels aus, das noch für lange Zeit interessant zu bleiben versprach. „Wir haben morgen eine Mission“, murmelte Aya und vergrub seinen Kopf an Yojis Halsbeuge, um seinen suchenden Lippen zu entgehen. „Wir müssen ausgeruht sein. Es hängt zu viel davon ab.“ Yoji gab auf und legte seinen Kopf auf Ayas Scheitel. „Aber ich mache das immer vor einer Mission. Immerhin könnte jede davon meine letzte sein. Daher koste ich das Leben noch einmal in vollen Zügen aus, bevor ich mich dem Tod entgegen stürze. Und danach feiere ich, wenn ich es überstanden habe. Ich finde, du solltest dich mir anschließen.“ Aya antwortete nicht; er schien in Gedanken zu sein. Yoji fasste ihn an den Schultern und drehte ihn so, dass er ihm ins Gesicht sehen konnte. „Wenn du Bedenken hast, dass du wir zu wenig Schlaf bekommen, lass uns eben gleich heute Nachmittag damit anfangen. Ich bin nicht an Uhrzeiten gebunden, wenn es darum geht, dich zu vernaschen.“ Er zwinkerte Aya zu, der daraufhin den Kopf schüttelte. „Ich kann nicht“, erwiderte er. „Ich...besuche normalerweise meine Schwester an solchen Tagen.“ Yoji legte den Kopf schief und dachte kurz nach. „Dann nimm mich mit“, sagte er schließlich. „Ich möchte sie kennenlernen.“ In Ayas Blick mischten sich Erstaunen und Erschrecken. Er schüttelte erneut den Kopf. „Das...das geht nicht.“ Er versuche sich von Yoji loszumachen, der ihn weiter festhielt. „Warum nicht? Du bist mein Freund, Aya. Ich würde gerne die wichtigen Dinge deines Lebens mit dir teilen. Ebenso wie ich dich an meinem Leben teilhaben lasse. Du musst natürlich nicht und wenn du entscheidest, dass du es nicht möchtest, werde ich es akzeptieren. Trotzdem würde ich dich sehr gerne begleiten.“   Yoji ließ Aya los und trat einen Schritt zurück, um dem anderen mehr Raum zu geben. „Denk über mein Angebot nach. Falls ja, fahren wir heute zusammen zum Krankenhaus und danach zu mir. Falls nicht, treffen wir uns einfach in meiner Wohnung. Du kannst das völlig frei entscheiden.“ Er blickte auf die Packung in seinen Händen, die er gerade wieder vom Boden aufgeklaubt hatte. „Aber wenn ich du wäre, würde ich abwarten, wie ich nachher aussehe. Nicht, dass du beim Sex auf einer Papiertüte über meinem Kopf bestehst. Das wäre nämlich definitiv ein Abtörner.“ Er lächelte noch einmal aufmunternd und ließ Aya dann im Flur stehen, um sich dieser Katastrophe namens „Arabia schwarzbraun“ zu ergeben, die seine beiden Kollegen unbedingt auf seiner Haarpracht zu sehen wünschten. Er nahm sich vor, sie jeden Tag büßen zu lassen, in denen die Farbe noch nicht ausgewaschen war. Jeden einzelnen!           Omi hatte im Missionsraum bereits alles vorbereitet. Weißer und farbiger Stoff bedeckte die verschiedenen Möbel. Dazwischen Bänder, Kordeln, Spangen, Kissen und andere Utensilien, die sie brauchen würden, um den Kimono korrekt anzulegen. Pinsel und Farben warteten auf dem Schreibtisch auf ihren Einsatz. Der düstere Keller schien sich in das Atelier eines Künstlers verwandelt zu haben, auch wenn dieser in kurzen Hosen vor dem Computerbildschirm saß und mit großen Augen das Video auf dem Bildschirm verfolgte, auf dem eine Frau gerade vorführte, wie man einen Kimono korrekt um den Körper drapierte.   Ayas ließ den hellen, fliederfarbenden Kimonostoff prüfend durch seine Hände gleiten. Er hatte ein regelmäßiges Muster aus kleinen, grauen Rauten. Der zugehörige Obi in dunkler Pflaume trug Verzierungen aus silbernen Pfingstrosen und hatte eine passende hellgraue Obijime. Aya war zufrieden. Dieses Ensemble war passend für eine verheiratete Frau und die Muster spiegelten die Jahreszeit. Er warf einen Blick auf Omi, der sich offensichtlich viel Mühe gemacht hatte, die Sachen auszusuchen. Der Junge schien ihn nicht zu bemerken und ahmte mit den Händen die Bewegungen nach, die er auf dem Bildschirm sah. Aya räusperte sich.„Können wir anfangen?“ Omi schreckte hoch. Er hatte Ayas Kommen anscheinend nicht bemerkt. „Ja natürlich. Ich habe alles bereit gelegt.“ „Gut“, nickte Aya und begann sich auszuziehen. Während er das tat, wanderten seine Gedanken zu längst vergangenen Tagen, an denen er seiner Mutter dabei zugesehen hatte, wie sie ihren Kimono anlegte oder seiner Schwester dabei half. Meist hatte sie normale Röcke und Kleider getragen, aber bei öffentlichen Auftritten oder Festen, zu denen sie geladen waren, hatte seine Mutter stets ein traditionelles Ensemble bevorzugt. Er schüttelte den Kopf und drängte die Erinnerung an die Verstorbene zurück an den Platz, an den sie gehörte. Er hatte keine Zeit, sich mit so etwas zu befassen. Es gab Zielpersonen, die er aufzuspüren und zu eliminieren gedachte. Sie hatten nicht darüber gesprochen, aber für Aya stand es außer Frage, dass es zum Kampf zwischen Weiß und Schwarz kommen würde. Er wollte vorbereitet sein, wenn es so weit war. Außerdem war da auch noch Yojis Bitte...   Er legte zunächst das unterste, einfache Gewand und die Tabisocken selbst an. Omi half ihm, das zweite, weiße Untergewand überzustreifen. Sie platzierten sorgfältig den versteiften Kragen des weißen Baumwollkleides, der später unter dem eigentlichen Kimono zu sehen sein würde. Sie ordneten den Stoff faltenfrei an und banden die erste, weiche Schärpe um Ayas Taille. Als alles an seinem Platz war, zogen sie den eigentliche Kimono an und ordneten zunächst die Ärmel von Untergewand und Kimono so ineinander, dass diese zusammen weich fielen. Die Größenanpassung musste Aya selbst vornehmen und es brauchte einige Versuche, bevor er den Stoff symmetrisch und in der richtigen Höhe um seinen Körper geschlungen hatte. „Du musst das jetzt mit dem Koshihimo festbinden“, wies er Omi an. „Wenn ich irgendetwas loslasse, muss ich von vorne anfangen.“ Omi hatte einige Mühe, das geflochtene Taillenband an der entsprechenden Stelle um ihn herum zu winden. Vor allem, weil er dabei bemüht schien, Aya dabei möglichst wenig zu berühren. Als schließlich alles an Ort und Stelle saß, folgte eine ganze Weile, in der Omi den Stoff glatt zog und strich, bis wirklich keine Falte mehr zu sehen war. Als das geschafft war, folgte eine weitere, weiche Schärpe, um den Kimono zu fixieren. Dann endlich kamen sie zum Obi. Aya verließ sich hier ganz auf Omi, der sicherlich fünfmal um ihn herum lief, bevor das lange Stoffband endlich an Ort und Stelle war. Allein der Aufwand, den Obi richtig zu binden, dauerte so lange, wie er als Mann brauchte, ein ganzes Gewand anzulegen. Als letztes befestigte Omi noch die Obijime, um dem Ganzen den endgültigen Halt zu geben. Endlich schien Omi zufrieden und trat zurück. Er begutachtete sein Werk und hob einen Daumen. „Sieht klasse aus. Jetzt fehlt nur noch Make-up und Perücke.“ Aya setzte sich auf den Schreibtischstuhl und schloss die Augen, während Omi sich an seinem Gesicht zu schaffen machte. Irgendwo im Hintergrund hörte er Schritte auf der Treppe und dann einen überraschten Laut von Yoji. „Mich trifft er Schlag. Das ist ja ein Kunstwerk. Wirklich nicht wiederzuerkennen.“ Aya öffnete ein Auge, nur um von Omi angeherrscht zu werden, dass er stillhalten sollte. Seine Zurückhaltung war offensichtlich professionellem Ehrgeiz gewichen. Der Junge wischte und pinselte noch eine ganze Zeit an ihm herum, dann befestigte er die dunkle Perücke und endlich durfte Aya wieder aufstehen. Er würdigte Yoji keines Blickes, schlüpfte in die Getas und überprüfte seinen Halt. Kämpfen würde er so nicht können, aber laufen schien durchaus machbar. Er ging ein paar Schritte und vermied immer noch, Yoji anzusehen, dessen Augen er deutlich auf sich ruhen fühlte. Erst als es sich nicht mehr vermeiden ließ, hob er den Kopf und atmete tief durch. Während er in Omis Blick nur Begeisterung sah, konnte er bei Yoji mehr erkennen. Er war ein wenig unsicher, was es war. Begierde lag darin aber noch etwas anderes. Aya war fast versucht, es Stolz zu nennen, obwohl er sich nicht erklären konnte, warum das so war. Er wies auf Yoji Haare, die dieser zu einem strengen Pferdeschwanz nach hinten gebunden hatte. „Sieht gut aus. Solltest du öfter so tragen.“ Yoji rollte mit den Augen. „So muss ich von dem Elend wenigstens nicht so viel sehen. Wehe, das geht nicht wieder raus. Ich werde...“ Das Ende des Satzes ging in einem ihnen allen bekannten Geräusch unter. Jemand hatte das eiserne Gitter vor dem Laden nach oben geschoben. Sofort waren Aya und Yoji in Alarmbereitschaft. Omi sprang auf und hob beruhigend die Hände. „Keine Sorge, das wird Manx sein. Ich habe sie angerufen, damit sie uns hilft.“ „Manx?“ Auf Yojis Gesicht stand ein großes Fragezeichen. Er war so überrascht, dass er sogar vergaß, mit der hübschen Frau zu flirten, als sie endlich den Keller betreten hatte und an ihm vorbeiging. Eine Tatsache, die Aya mit einer gewissen Befriedigung erfüllte, die er sich selbst nicht so recht erklären konnte. Sie begrüßte Omi und Yoji, aber als ihr Blick auf ihn fiel, erstarrte sie. „Bombay, Erklärung? Wer ist das?“ Ein breites Grinsen erschien auf Omis Gesicht, während Yoji vergeblich versuchte, sein Lachen mit einem Hustenanfall zu tarnen. Manx sah die beiden an, als wären sie verrückt geworden. Bevor sie noch auf die Idee kam, ihre Waffe zu zücken, erbarmte sich Aya. „Hallo Manx“, sagte er ruhig. Die Frau brauchte offensichtlich einen Augenblick, um seine Stimme mit seiner äußeren Erscheinung in Verbindung zu bringen. Als sie es endlich konnte, wurden ihre Augen noch größer. „A-Aya? Aber das ist ja...“ Sie dreht sich zu Omi herum. „Hast du mich deswegen kontaktiert?“ Omi bejahte. „Ich dachte mir, es könnte nicht schaden, wenn Aya noch ein wenig...ähm...Unterricht von einer richtigen Frau bekommen könnte.“ Manx musterte ihn von oben bis unten. „Das Make-up ist etwas zu stark akzentuiert und der Obi ist falsch gebunden. Außerdem sitzt der Saum des Kimonos ein wenig zu hoch. Geh mal ein paar Schritte.“ Aya tat ihre den Gefallen und stolzierte in voller Tracht auf und ab. Sie schüttelte den Kopf. „Gut, dass du mich angerufen hast, Bombay. Wir werden daran noch einiges korrigieren müssen. Du bist eine Frau, Aya! Ich will nicht sagen, dass du wie ein Arbeiter auf einem Reisfeld daher gestolpert kommst, denn Grundlagen für einen eleganten Gang sind durchaus vorhanden. Aber es fehlt an der wirklich korrekten Ausführung. Rücken gerade, Kopf leicht senken, kleinere Schritte, aber nicht tippeln.“ Aya versuchte es noch einmal und kam sich mit jedem Mal lächerlicher vor. Warum hatte er dem nur zugestimmt? Warum hatte Omi ihn nicht vorgewarnt? „Gut, die Ansätze sind nicht schlecht. Wir werden jedoch noch ein wenig daran feilen müssen“, sagte Manx mit einem Nicken. „Ich frage lieber gar nicht, warum ihr diese Scharade betreibt. Dieses Treffen ist vollkommen inoffiziell und genauso werde ich es auch handhaben. Allerdings hoffe ich sehr, dass ihr dafür einen guten Grund habt.“ Omi stand auf und nickte Manx zu. „Wir sind dir sehr dankbar dafür, dass du uns hilfst, Manx. Sei versichert, wird haben den besten aller Gründe für das, war wir hier tun. Sollte es zu Problemen mit Kritiker kommen, werde ich persönlich die Verantwortung dafür übernehmen.“ Die beiden sahen sich eine Weile an, dann seufzte Manx. „Gut, in Ordnung. Aber jetzt raus mit euch beiden. Aya und ich arbeiten allein.“   Während sie Yoji und Omi die Treppe hinaufschob, versprach Manx, dass sie in zwei Stunden eine ordentliche Frau aus Aya gemacht haben würde. Als er das hörte, war Aya sich nicht sicher, ob er nicht doch lieber gleich unbewaffnet zu einem Kampf mit Schwarz aufbrechen sollte. Diese Vorstellung erschien ihm gerade irgendwie verlockender, als zwei Stunden lang unter Manx Regie die Feinheiten der weiblichen Bewegung einzustudieren. Andererseits hatte er nicht wirklich eine Wahl und so fügte er sich mehr oder weniger freiwillig seinem Schicksal. Das Einzige, was ihn mit grimmiger Befriedigung erfüllte, war die Tatsache, dass Omi ihm mit roten Ohren und stotternder Stimme bei Strafe verboten hatte, den Kimono mit außer Haus zu nehmen. Wenigstens in diesem Punkt würde Yoji wohl auf seine weiblich-männlichen Fantasien in Bezug auf Aya verzichten müssen.                 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)