Spherium von Yuugii (Kaiba/Yuugi) ================================================================================ Kapitel 37: Kapitel 37 ---------------------- Als Kaiba sich nach vorne beugte und nach seiner Tasse Kaffee griff, hörte Yuugi, wie etwas auf dem Tisch landete. Ein kleiner goldener Anhänger. Eine Kette, die sanft im Licht glänzte und sofort seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Moment. Er hatte das Gefühl, diese Kette zu kennen. Ein Skarabäus. Die Machart war sehr altmodisch und es war eindeutig kein einfaches modisches Accessoire. Kaiba selbst schien nicht bemerkt zu haben, dass ihm etwas aus der Tasche gefallen war, denn er endete seinen Redeschwall nicht. Seine Stimme verstummte, als er sah, dass Yuugi einen vertrauten Gegenstand in der Hand hielt. Vielleicht hätte er fragen sollen, aber wie aus einem Reflex hatte er nach dem Anhänger gegriffen und bestaunte es mit einem derart nostalgischen, verträumten Blick, dass man meinen konnte, er würde jeden Moment in Tränen ausbrechen. Kaiba wurde still. Von einer Sekunde zur nächsten wurde die Atmosphäre bedrückend. „Ein Herzskarabäus...“, sagte Yuugi mit einem Lächeln und drehte den Anhänger, strich mit einem Finger über den Edelstein und seufzte leise aus. Kaiba musste seine Worte verarbeiten. „Du weißt, was das ist?“ Plötzlich war er erfüllt von Neugierde. „Ja. Mein Großvater hatte einige Archäologen als Freunde und hat sehr viel über das Alte Ägypten gelernt. Wenn man einen Menschen besonders gern hatte, schenkte man ihm einen Glücksbringer. Der Herzskarabäus ist ein Anhänger, der einem dabei helfen soll, den Weg ins Jenseits zu finden. Zu der Welt, in der man gehört. Hier, schau mal“, begann er und zeigte Kaiba die Unterseite des Skarabäus, auf welchen Hieroglyphen eingraviert waren. „Das ist vermutlich ein Zauberspruch. Die alten Ägypter glaubten an Magie, waren aber auch sehr bewandert in der Wissenschaft. Eigenartig, nicht wahr? Sie waren abergläubisch und doch in der Lage mithilfe von Geometrie unglaubliche Architekturen zu erbauen, die bis heute erhalten blieben. Sie waren ihrer Zeit wirklich voraus.“ „Kannst du lesen, was dort steht?“ Kaibas Herz schlug wild. Er hatte die Gravur gesehen und aus irgendeinem Grund hatte er die Worte tatsächlich entziffern können. Auch wenn er es nicht wahrhaben wollte, so war er mit Atem verbunden und er hatte Erinnerungen, die nicht die seinen waren. Er verdrängte die Tatsache, dass er die Hieroglyphen lesen konnte. Er wollte damit nichts zu tun haben. Dieses Amulett erinnerte ihn stets daran, weiter zu machen und nicht den Kopf zu verlieren. Es war ein Geheimnis, das er mit niemanden teilen wollte. Ein Symbol des Schwurs, den er seinem eigenen Herzen gegenüber geleistet hatte. Niemals aufzugeben und zu kämpfen. Nicht mehr zurück zu sehen und den Blick stets nach vorne in Richtung Zukunft zu richten. Die Worte auf dem Amulett waren kein Zauberspruch, sondern Atems letzten Worte an ihn. Eine Botschaft. Sein Wunsch. Eine Bitte. Diese Worte waren vermutlich der Grund, warum sie nun hier saßen und warum Kaiba sich überhaupt auf Yuugi eingelassen hatte. Dieses Amulett bedeutete ihm zu viel und es gab keine Worte, die diese aufkeimenden Gefühle, die er empfand, wenn er das Amulett betrachtete, beschreiben konnten. Kein Wort der Welt würde dem gerecht werden, was Kaiba empfand. Mit niemanden anderen wollte er dieses Geheimnis teilen. Nicht einmal mit Mokuba oder Yuugi. Diese Worte waren seine letzte Verbindung zu Atem. „Nein, leider nicht...“ „Du weißt recht viel über das Alte Ägypten“, kam es anerkennend von Kaiba, der erneut nach seiner Tasse griff, mehr um von seiner Verlegenheit abzulenken. Er war nicht gut darin Smalltalk zu halten. Er hatte gelernt, Interesse zu vorzutäuschen und die typischen Floskeln kannte er natürlich alle auswendig, aber wenn er mit anderen Geschäftspartnern redete, war er stets darum bemüht, sich so zu verstellen, wie sein Gegenüber ihn sich vorstellte. Es war notwendig, sich anzupassen, wenn man einen guten Eindruck hinterlassen wollte. Aber Yuugi war mehr als sein Geschäftspartner und er wollte ihm gegenüber ehrlich sein. Letztendlich hätte Yuugi es ohnehin bemerkt, wenn er sich verstellt hätte und er spürte auch nicht die Notwendigkeit, einen guten Eindruck hinterlassen zu müssen, da Yuugi ohnehin so naiv war, dass er trotz Kaibas Aussagen, die gerne unter die Gürtellinie gingen, immer wieder kam. Yuugi war wie ein Hündchen, das immer wieder kam, ganz egal, wie oft man es von sich schob. Und jedes Mal wedelte er nur mit noch größerer Begeisterung mit dem Schwanz. „Ich hatte ja auch genügend Zeit, mich zu informieren. Meine Großvater hat mir viel beigebracht, aber das allein hat mir nicht gereicht. Auch jetzt habe ich das Gefühl, dass ich immer noch viel zu wenig weiß.“ „Über ihn“, korrigierte Kaiba mit einem kleinen Grinsen. Yuugi gab ihm das Amulett zurück und senkte den Blick. Er konnte hören, wie Yuugi tief die Luft einsog und hörbar ausatmete. Ein tiefes, trauriges Seufzen, das Kaiba nur zu gut nachempfinden konnte. „Ja, über ihn“, wiederholte Yuugi und strich sich nervös eine Haarsträhne hinter sein Ohr. Er zwang sich zu einem Lächeln. Die Worte, die er suchte, konnte er einfach nicht finden. Das alles war ihm unangenehm. Vor allem vor Kaiba. Dieser sollte unter keinen Umständen denken, dass er eine Heulsuse war und daher kämpfte er umso mehr mit seinen aufkommenden Emotionen und versuchte standhaft zu bleiben. Wie sehr ihn Atems Abschied bis heute noch beschäftigte, wie viel Zeit er genutzt hatte, um mehr über das alte Ägypten zu lernen, um wenigstens ein wenig besser verstehen zu können, wie er lebte, was ihn faszinierte und wie die Welt aussah, in der er sich befand – das alles wollte er für sich selbst behalten. Auch Yuugi hatte Dinge, die er mit niemanden teilen wollte. Er hatte so viele Fragen an Atem gehabt. Doch ihre Zeit war begrenzt und über all diese Dinge konnten sie nie reden. Atem war gegangen. Yuugi hatte sein Leben mit ihm geteilt. Yuugis Erinnerungen waren ein Teil von Atem. Sowohl die traurigen Erfahrungen, als auch die schmerzhaften und schönen. Sie hatten alles geteilt. Doch über ihn wusste Yuugi fast gar nichts. Was mochte Atem? Was aß er gerne? Gab es Dinge, die er nicht mochte? Hatte er Freunde? Es gab so vieles, das Yuugi ihn fragen wollte. Doch er hatte nie die Gelegenheit dazu bekommen. Das einzige, das ihm blieb, war Reue. Er hätte ihn fragen können. Er hätte ihn fragen sollen. Und trotzdem hatte er es nicht getan. Atem hatte andere Dinge im Kopf gehabt und Yuugi hatte respektiert, dass er Zeit für sich brauchte, um mit seiner Situation zurecht zu kommen. Als ihm bewusst wurde, dass er gehen musste und dass dies seinem eigenen Wunsch entsprach, hatte er selbst Yuugi auf Abstand gehalten und ab diesem Zeitpunkt hatte er das Gefühl, dass sie trotz ihrer Nähe zueinander, sich voneinander entfernt hatten. Dass sie nicht mehr alles teilten. Dass der Weg, dem sie folgten, eine Gabelung hatte, an der sie unterschiedliche Richtungen eingeschlagen hatten. Und jetzt konnte er nur noch darüber nachdenken, was er hätte anders machen sollen. Yuugi senkte den Blick. „Tut mir leid... Atem war auch dir sehr wichtig. Wir hatten beide unsere eigene Verbindung zu ihm. Es war auch für dich sehr schlimm, ihn zu verlieren“, meinte Yuugi dann und bemühte sich sehr darum, dass Zittern in seiner Stimme zu verbergen. Wieso nur wurde er immer so sentimental, wenn er über ihn nachdachte? Dann hob er den Kopf. Es nützte nichts, traurig zu sein! Atem hätte ihn so nicht sehen wollen und die Erinnerung an seinen Mut half ihm dabei, den Blick auf das Wesentliche zu werfen. Er durfte jetzt nicht nachlassen, vor allem, wenn er Atem beweisen wollte, dass er auch ohne ihn zurecht kam! „Atem ist es, der uns zusammengeführt hat und es wäre gelogen, würde ich sagen, dass ich ihn nicht vermisse. Aber es bringt nichts, in der Vergangenheit zu leben und darüber nachzudenken, was wir anders hätten machen können. Konzentrieren wir uns lieber darauf, was wir tun können“, begann Kaiba mit einem erzwungenen Lächeln und stellte seine Tasse ab, die er nun komplett geleert hatte. Nie hätte er zu träumen gewagt, dass er einmal diese Worte sagen würde. „Eines ist sicher, wenn wir uns wiedersehen, werde ich ihm mit Stolz davon berichten, was ich geschafft habe. So wie er werde ich etwas für die Ewigkeit schaffen. Er soll bloß nicht denken, dass er mir überlegen wäre“, beendete Kaiba mit einem selbstzufriedenen Grinsen. Das hier war ein Wettkampf. Denn Kaiba war sich sicher, dass er ihn wiedersehen würde. Irgendwann. Und wenn der Moment kam, würde er die Nase rümpfen und dem stolzen Pharao von seinen Erfolgen berichten. Pyramiden? Tempel? Pah! Kein Vergleich zu dem, was Kaiba hinterlassen würde! „Und ich werde mich darum bemühen, zu beweisen, dass Mutou Yuugi auch ohne ihn zurechtkommt. Auf gute Zusammenarbeit, Kaiba-kun.“ Mit diesen Worten beendeten sie ihr Geschäftsessen, räumten ihre Unterlagen zusammen und machten sich auf den Rückweg. Es war bereits spät in der Nacht und als Kaiba ihn vor seiner Haustür absetzte, winkte er Kaibas Wagen hinterher und träumte vor sich hin. Auch wenn es bereits kurz vor 3 Uhr war, so konnte er jetzt nicht einmal ans Schlafen denken. Der Abend mit Kaiba und seine beinahe liebevolle Art ihn aufzuheitern, hatte ihm neuen Mut gegeben und er wusste, dass ihre zukünftige Zusammenarbeit geprägt sein würde von dem Wunsch, gemeinsam etwas zu erreichen. … Die Tage vergingen. Yuugi arbeitete so sicher und professionell, dass Kaiba ihn kein einziges Mal rügen musste und er nicht einmal mehr die Notwendigkeit verspürte, ständig ein wachendes Auge über ihn zu haben. Mit einem zufriedenen Lächeln besuchten sie die einzelnen Abteilungen, besprachen die Probleme mit den Mitarbeitern und fanden neue Lösungsansätze, lösten Konflikte und das Betriebsklima verbesserte sich ungemein. So sehr sogar, dass man bereits auf den Fluren der KC immer mal wieder angeregte Gespräche mitverfolgen konnte. Die Begeisterung der Mitarbeiter war echt und nicht mehr geprägt von der Angst ihren Job zu verlieren oder gar mit Kaibas schlechter Laune konfrontiert zu werden. Kaiba, der den Großteil seiner Aufgaben nun an die entsprechenden Abteilungen gegeben hatte, hatte weitaus mehr Zeit für seine eigenen Projekte und kam, wie er es seinen kleinen Bruder Mokuba versprochen hatte, pünktlich zum Abendessen nach Hause. Manchmal wäre Kaiba lieber länger im Büro geblieben, doch er wollte ihn nicht wieder enttäuschen und er hatte für sich selbst entschieden, dass er sich mehr Ruhezeiten gönnen musste. Mit Yuugi an seiner Seite, der so übermotiviert war, konnte er sich sicher sein, dass sämtliche Aufgaben pflichtgemäß erledigt wurden. Er konnte Yuugi vertrauen und das beruhigte ihn ungemein, nahm sogar den Druck von ihm immer alles kontrollieren zu müssen. Außerdem arbeitete er ja auch privat an diversen Geräten, die er fertigstellen wollte. Sein neuer Duel Disk beschäftigte ihn seit Monaten. Und passend zu seinem Duel Disk wollte er ein Turnier veranstalten, in dem er das Gerät nicht nur promoten würde, sondern viele neue erfahrende Duellanten entdecken würde. Die Qualität der Duelle waren konstant geblieben, aber es gab immer eine Generation, wo besonders gute Duellanten herausstachen und die Aufmerksamkeit aller auf sich zogen. Natürlich kam niemand an Kaiba heran. Oder an Yuugi. Die Fangemeinde von Duel Monsters und die wachsende Beliebtheit des Spiels weltweit rief nach einem attraktiven Angebot und wer, wenn nicht Kaiba, der die Rechte des Kartenspiels seit Pegasus' Tod beinhaltete, konnte diesen Wunsch erfüllen? Kaiba hatte also sowohl in seiner Freizeit, als auch auf seinem Arbeitsplatz ausreichend zu tun. Er hatte viele Pläne für die Zukunft, da reichten 24 Stunden am Tag nicht einmal aus. Mokuba schüttelte meist nur den Kopf, wenn Kaiba sich am Wochenende stundenlang in seinem Arbeitskeller verkroch und dort an seinem Werk herumschraubte und zwischendurch manisch lachte, weil er seinen Sieg gegen Yuugi bereits kommen sah. Mokuba lächelte dann nur, genoss es aber, seinen Bruder so ausgelassen zu sehen. Immerhin nahm er sich Kritik nun auch zu Herzen und wenn Mokuba mit ihm schimpfte, weil er zu viel Zeit mit Arbeit verbrachte und er mit ihm Tennis spielen wollte oder irgendetwas anderes gemeinsam unternehmen wollte, stellte Kaiba seine Arbeit auch ein und verbrachte Zeit mit seinem Bruder. Bis vor Kurzem war das nicht denkbar gewesen. Da hätte er ihn angebrüllt und die Tür abgeschlossen. Dieses „Pause machen“ und sich erholen war zwar neu für ihn, aber er gab zu, dass es unglaublich gut tat, sich zu bewegen oder mit seinem Bruder einfach nur zu reden und Zeit zu verbringen. Selbstverständlich hatte Kaiba nach Mokubas Plänen gefragt und sich sogar dazu bereit erklärt, seine Freundin kennenzulernen. Das Mädchen war ein Jahr älter als Mokuba. Von außen war sie unscheinbar und wirkte so liebenswert. Kein ernstzunehmender Gegner. Ein Mädchen wie viele eben. Hatte Kaiba zumindest geglaubt. Dann musste er feststellen, dass dieses Mädchen nicht nur herausragende Fähigkeiten als Entwicklerin hatte, sondern sich auch einen Namen als Hackerin gemacht hatte. Als wäre das nicht schon genug gewesen, fand er ihren Namen auch noch im Duellantenverzeichnis. Sie hatte sieben von acht Sternen und gehörte somit zu den besten weiblichen Duellanten der Welt. Kaiba schämte sich fast, sich nie weiter mit ihr befasst zu haben. Da waren eine Menge hochrangiger Duellanten, die sich in den letzten Jahren einen Namen gemacht hatten. Kujaku Mai gehörte ebenfalls zur Elite und hatte genauso wie Yuugi und er den Höchstrang. Kaibas Magen drehte sich jedoch um, als er merkte, dass Jounouchi bereits in den Top 10 der Weltrangliste war und nicht mehr lange brauchen würde, um ebenfalls acht Sterne zu bekommen. In den letzten Jahren hatte sich so einiges getan. Viele neue Duellanten und einige alte, bekannte Namen, die sich wacker durchkämpften und kleine Berühmtheiten wurden. Rebecca war amerikanischer Meister und das seit zwei Jahren ungeschlagen. Sie gab Kontra und ließ sich nichts gefallen. Unerwarteterweise hatte Kaiba kein Problem mit ihr. Sie verstanden sich auf Anhieb gut. Vielleicht hatte sich seine Meinung auch nur geändert, weil sie eine bekannte Duellantin war und er glaubte, dass es keine bessere Wahl für seinen Bruder gegeben hatte. Denn Kaiba setzte das Duellieren mit einer starken und unnachgiebigen Seele gleich. Seine Sekretärin grüßte ihn morgens mit einer hochgehobenen Augenbraue, als könnte sie immer noch nicht fassen, dass ihr griesgrämiger Chef mit einem Lächeln zur Arbeit kam. Diese Veränderung fühlte sich für sie so unwirklich an, dass sie daran zu zweifeln schien, ob sie tatsächlich zur Arbeit gegangen war oder sich vielleicht doch noch im Tiefschlaf befand. In den letzten vier Wochen hatte Kaiba kein einziges Mal seine schlechte Laune an ihr ausgelassen. Er schrie sie nicht mehr grundlos an oder zitierte sie ins Büro, um sicherzustellen, dass sämtliche Abteilungen ihre Arbeiten planmäßig verrichteten. Sie konnte ihren tatsächlichen Aufgaben in Ruhe nachgehen. Kaibas Tonlage und seine stets sarkastische Art hatte sie nie sonderlich gestört. Für sie war es vollkommen normal, dass Kaiba einen recht passiv-aggressiven Unterton in seiner Stimmlage hatte und sie hatte es nie persönlich genommen, wenn er bei ihr Dampf abgelassen hatte, da sie gelernt hatte, dass es besser war, ihn dann einfach in Ruhe zu lassen und sich seine Worte nicht zu Herzen zu nehmen. Seit Mutou Yuugi hier ein und aus ging, hatte Kaiba aber meist ein Lächeln auf den Lippen. Seine Gesichtszüge wirkten sanfter und er schien eine völlig andere Grundstimmung zu haben. Umso besser, fand sie, denn so machte das Arbeiten in der KC wieder richtig Spaß und sie konnte sehen, wie der junge Mann sich immer weiter entwickelte. Es erfüllte sie mit Stolz, ihn siegen zu sehen. Zu sehen, wie er und seine Visionen langsam Form annahmen. Nur noch wenige Tage bis zur Veröffentlichung von Capsule Coliseum. Die Vorbestellungen waren aufgrund des guten Marketings durch die Decke gegangen. Mit Zufriedenheit betrachtete Kaiba die Statistik, die ihn die hohen Zahlen anzeigte und wie viele davon die Limited Edition mit exklusiver Figur ausmachten. Mokubas Spiel würde ein Erfolg werden. Bereits jetzt arbeitete das Team an möglichen zukünftigen DLCs – in anderen Worten, an herunterladbaren Inhalten, wo die Spieler neue Spielfelder und Figuren erwerben konnten. Micro Transactions waren ein wichtiger Bestandteil von Spieleentwicklern geworden, immerhin lag hier eine Menge Umsatzpotential, den man nutzen konnte, um zukünftige Projekte zu finanzieren. Die meisten DLCs waren bisher nur Ideen auf dem Papier, denn ob diese sich lohnen würden, würde sich erst im Laufe der Zeit zeigen. Erstmal musste das Spiel auf den Markt kommen. Kaiba war sich jedoch mehr als nur sicher, dass Capsule Coliseum – unter den Mitarbeitern und Beteiligten einfach als CC abgekürzt – mehr als nur hervorragend verkaufen würde. Die Vorbestellungen sprachen doch bereits für sich! Generell konnte er verfolgen, welche Spiele momentan die größte Nachfrage erzielten. Die Ankündigung der neuen Attraktionen in den Kaiba Parks wurden ebenfalls mehr als nur positiv angenommen und in diversen Internetforen wurde bereits heiß diskutiert, was denn genau die Kundschaft erwartete. Die KC war in aller Munde. Genau so, wie Kaiba es sich vorstellte. Mokuba hatte momentan nicht so viel zu tun, demnach befand er sich meist nur wenige Stunden in seiner Abteilung, ehe er wieder verschwand und seine Freizeit genoss. Es stand außer Frage, dass CC ein großer Erfolg werden würde. Doch ausruhen wollte sich der Schwarzhaarige auch nicht. Bereits jetzt hatte er zig Ideen und plante eine große Kooperation mit anderen Spielentwicklern. Je nachdem, wie hoch der Umsatz für CC ausfallen würde, würde Mokuba auch eine weitere neue Abteilung ins Leben rufen können. Im Moment dachte er stark über eine Kooperation mit dem Entwickler von Dungeon Dice Monsters nach, da das Brettspiel doch eine relativ große Fangemeinde hatte. Sicher würde DDM noch mehr an Beliebtheit steigen, würde man das Konstrukt der Figuren in eine virtuelle Darstellung verlegen. All das lag jedoch noch in ferner Zukunft. Als Capsule Coliseum in die Läden kam, war die Resonanz überwältigend. Und Kaiba, der sonst selten ein Wort des Lobs verlor, hatte seine Hand auf Mokubas Schulter gelegt und ihm ein warmes Lächeln geschenkt. Dann ein Nicken. Ich bin stolz auf dich, hatte er ihm gesagt und sogar den Blickkontakt gehalten. Zum ersten Mal seit Langem hatte Mokuba das Gefühl, dass sein Bruder sich für ihn freute und an seinem Leben teilhaben wollte. Sie feierten den Erfolg von Capsule Coliseum und am späten Abend hatte Mokuba darauf bestanden, dass sie nach der kleinen Betriebsfeier noch ins Duel Café gingen, wo sie in Ruhe weiter quatschen konnten. Yuugi war zunächst unsicher gewesen und wollte ablehnen, hatte gesagt, er hätte bereits etwas vor, doch als Kaiba zu ihnen kam und erklärte, dass er mitkommen wollen würde, hatte er seine Meinung ganz schnell geändert. Schnell hatte er sein Smartphone aus seiner Hosentasche gezogen und hastig über den Bildschirm getippt. Mokuba war sich sicher, dass er einer anderen Person abgesagt haben musste. Hoffentlich würde diese nicht allzu enttäuscht sein. Umso mehr freute sich der Schwarzhaarige, dass Yuugi sich umentschieden hatte. Die Atmosphäre im Café war angenehm. Es war mitten in der Woche und am späten Abend waren nur wenige Kunden im Geschäft. Die höchste Kundenfrequenz hatte das Duel Café am frühen Morgen, wenn Schüler und hastige Arbeitnehmer sich schnell ein Frühstück besorgen wollten, bevor sie sich auf den Weg machten und am Nachmittag, wenn die Schüler vom Unterricht auf dem Nachhauseweg waren. Am späten Abend war nur wenig los, nur an den Wochenenden sah das Ganze anders aus. Da war es morgens ruhig und die Kundschaft trudelte erst spät ein. Jounouchi, der hörte, dass die Eingangstür sich öffnete, grinste zufrieden als er seinen kleinen Freund und Mokuba durch die Tür eintreten sah. In seiner Hand hielt er ein Glas, das er vor nur wenigen Sekunden aus dem Geschirrspüler entnommen hatte und nun auf Hochglanz polierte, um es zurück ins Regal zu stellen. Seine Gesichtszüge verzerrten sich, als er hinter seinen beiden Freunden eine weitere Gestalt eintreten sah. Großgewachsen. Brünett. Von Natur aus ein arrogantes Arschloch. Vor Schreck fiel ihm das Glas zu Boden und erst das Klirren holte ihn aus seinem Wachkoma zurück. „Scheiße...“, murmelte er und bückte sich nach dem Glas, wollte die Scherben rasch aufheben und sie entsorgen. „Nimm gefälligst ein Kehrblech“, hörte er ein genervtes Raunen. Jounouchi hob den Blick und sah Kaiba verwundert an. „Sonst schneidest du dich“, fügte er seinem Satz hinzu und setzte mit Mokuba und Yuugi direkt an den Tresen. „Du hast mir gar nichts zu sagen!“, murrte Jounouchi und stand in nur wenigen Sekunden wieder kerzengerade, damit der Firmenleiter bloß nicht auf die Idee kam, dass er auf ihn herabblicken konnte. Er hasste es, wenn Kaiba glaubte, er wäre etwas Besseres und demnach konnte er es auch nicht leiden, wenn sie nicht auf einer Augenhöhe waren. „Technisch gesehen, doch. Doch, ich habe dir sehr wohl etwas zu sagen. Ich bin schließlich gewissermaßen dein Chef“, erklärte Kaiba nur wenig beeindruckt und griff nach der Speisekarte. „Wenn du fertig damit bist, die Scherben einzusammeln und zu schmollen, kannst du gerne unsere Bestellungen aufnehmen.“ „Kaiba-kun, bitte sei nicht so gemein“, kam es von Yuugi, der nun aufstand und hinter den Tresen ging, um dem Blonden beim Aufsammeln zu helfen. Mit großen, leuchtenden Augen sah dieser ihn an und dankte den Göttern dieser Welt, dass sie ihm Yuugi geschenkt hatten. „Ich bin doch nicht gemein“, rechtfertigte sich Kaiba und zog verwundert die Braue hoch, während Mokuba amüsiert kicherte. »Ich danke dir, Yuugi. Ohne dich wäre all dies nicht möglich gewesen. Ist schon eigenartig, wie alles in diesem Café angefangen hat und dass wir jetzt alle hier gemeinsam sitzen. Es wäre schön gewesen, hätten wir all diesen Ärger nicht gehabt und uns von Anfang an so gut vertragen, aber ich bin so unendlich froh, dass wir jetzt gemeinsam lachen können. Ohne dich, Yuugi... wer weiß? Vielleicht hätte ich Seto verlassen und einen Fehler gemacht, den ich den Rest meines Lebens bereut hätte.« „Mokuba...? Stimmt etwas nicht? Du schaust mich so komisch an“, kam es verwundert von Yuugi. „Nein, nein. Ich dachte nur, wie schön es ist, dass es dich gibt.“ Yuugi sah ihn mit großen Augen an. Die Röte schoss ihm ins Gesicht und verlegen kratzte er sich an der Wange. Kaibas Mundwinkel zuckten leicht. Er sagte kein Wort, stimmte seinem Bruder jedoch mit ein. Gedanklich fügte er noch etwas hinzu: Yuugi, danke, dass es dich gibt. Ich weiß nicht, was geschehen wäre, wenn du meine Herausforderung zum Duell nicht abgelehnt hättest. Aber sicher würde ich jetzt nicht hier sitzen, sondern arbeiten und riskieren, alles zu verlieren, was mir etwas bedeutet. Ohne dich hätte ich Mokuba verloren. Und mich selbst. Du und Atem, ihr beide, habt mir geholfen, wieder nach vorne zu sehen. Aber das würde er ihm niemals ins Gesicht sagen. Jounouchi legte den Kopf schief. Diese Aussage hätte auch von ihm stammen können. Es war schon komisch, wie Yuugi sie alle verband und dass dieser unscheinbare Junge nicht einmal den Hauch einer Ahnung hatte, wie sehr er das Leben der hier Anwesenden verändert hatte. Was für ein Glück sie hatten, aufeinander getroffen zu sein. Jounouchi senkte den Blick für einen Moment. »Mokuba hat recht. Du weißt es vielleicht selbst nicht, aber du bist unser Held. Wenn du nicht gewesen wärst, Yuugi, dann würde ich mich immer noch mit irgendwelchen Straßenrowdys prügeln, nur um mich selbst davon abzulenken, wie sehr ich mich selbst hasse. Du bist es, der diesen unendlichen Selbsthass von mir genommen hat. Nur wegen dir kann ich mich wieder selbst mögen und kann nach vorne sehen. Du bist die Verbindung zwischen uns allen und der Grund, warum ich noch lebe. Was würde ich nur ohne dich tun?« Jounouchi seufzte kaum hörbar. „Ehm... danke für das Kompliment, auch wenn ich gerade echt nicht weiß, wie du ausgerechnet jetzt darauf kommst.“ „Nur so, Yuugi. Nur so.“ Yuugi schämte sich, weil er nicht verstand, warum seine drei Freunde so grinsten. Aber es war ihn unangenehm, zu fragen, was das Ganze sollte. „Ist deine Freundin heute nicht gekommen, Mokuba?“, fragte Jounouchi nach und hob stutzig eine Augenbraue. „Mädelsabend, da habe ich keine Chance“, lachte er und Jounouchi erwiderte dieses Lachen. „Schrecklich, was? Unsere Ladys ticken da ganz anders, hm? Ich könnte mir nicht den ganzen Abend Schnulzen angucken“, erklärte der Blonde. „Schnulzen? Quatsch, meine Freundin ist ein Nerd. Die wird mit ihren Freundinnen die ganze Nacht lang zocken.“ Yuugi warf einen Blick auf die Uhr. Eigentlich hätte er auch schon da sein sollen. Wo blieb er nur? Als erneut das automatische Klingeln ertönte, das signalisierte, dass ein Gast eingetreten war, hoben sie alle die Blicke und drehten sich zu dem unbekannten Gast hin. Ein Mann mit kurzen blonden Haaren, breiter Brille und einem braunen Filzmantel und unter diesem ein Anzug trat ein. Ungewöhnlich, dass noch andere Kunden mitten in der Woche hier auftauchten, fand Jounouchi. Er hatte die Atmosphäre gerade angefangen zu genießen, mal davon abgesehen, dass er bei seinen Freunden nicht so sehr auf seine Sprache achten musste und nicht den Vorzeigekellner spielen musste. Yuugi strahlte und sprang vom Tresen auf, lief auf den Gast zu. Kaiba und Mokuba hoben beide erstaunt die Augenbrauen und wunderten sich über den Fremden, auf den Yuugi sogar gewartet zu haben schien. „Hanasaki-kun!“, rief er fröhlich und sprang dem Größeren in die Arme. Dieser legte die Arme um ihn und lachte. „Tut mir leid, dass es so spät geworden ist. Ich musste noch lange arbeiten. Es ist toll, dich wieder zu sehen... nein, euch alle wiederzusehen.“ „Kaiba-kun!“, sprach Yuugi den Brünetten mit einem derart glücklichen Lächeln an, dass diesem der Magen sich umdrehte. Er wusste nicht warum, aber er konnte diesen Fremden jetzt schon nicht ausstehen. Irgendetwas in ihm löste Unbehagen aus. Auch dass Yuugi dem Kerl immer noch so nahe war, machte ihn wütend. Trotzdem ließ er sich diesen Ärger nicht ansehen und sah den Fremden ausdruckslos, vollkommen unbeeindruckt an. In seinem Hinterkopf hörte er aber die folgenden Worte: Nimm deine Flossen von ihm. Er versuchte diesen Gedanken möglichst schnell beiseite zu schieben. „Das ist Hanasaki-kun. Wir waren damals in einer Klasse. Sicher, erinnerst du dich“, erklärte Yuugi und die beiden kamen den Tresen näher. Seit ihrer Begegnung hatten sie wieder regelmäßig Kontakt. Sie schrieben über ihren Messenger und am Wochenende trafen sie sich und quatschten über dies und das. Meist über neu erscheinende Mangas und ihre Lieblingshelden in der Shonen Jump. Zwischendurch redeten sie auch über amerikanische Comichelden, auch heute schwärmte Hanasaki mit einer solchen Leidenschaft von Zombyre, dass Yuugi gar nicht anders konnte, als ihm mit Begeisterung zuzuhören. Jedoch konnte Hanasaki Kaiba nicht so gut leiden, oder eher, er hatte einen sehr schlechten Start mit diesen gehabt. Er war früher ein großer Fan von ihm gewesen, das war aber lange bevor er Yuugis Leben bedroht hatte und dessen Großvater ins Krankenhaus befördert hatte. Er hatte im Publikum gesessen und das Duell zwischen Kaiba und dem alten Mann beobachtet. Kaiba hatte es sichtbar genossen, Yuugis Großvater leiden zu sehen und da wurde ihm bewusst, dass der nette Kaiba, das Gaming Genie, das als Vorhängeschild der KC diente und dessen Gesicht auf zahlreichen Postern abgedruckt wurde, eine dunkle Seite in sich trug. Der erste Eindruck war meist entscheidend und Hanasaki hatte geglaubt, dass Kaiba ein schrecklicher Mensch sein musste. Auch jetzt änderte sich seine Mine nicht. Seine Augen lagen im Schatten seines Ponys, sodass sein Blick nur noch finsterer aussah. Im Normalfall hätte er sich jetzt abgewendet. Der Kerl wirkte einfach wie ein Mensch, der in der Lage war, alles um sich herum runter zu ziehen. Wo er hinging, wuchs kein Gras mehr. Mit ernster Miene betrachtete er den Brünetten und ließ sich nicht einschüchtern. Dass Yuugi ausgerechnet mit ihm zusammenarbeitete und sogar von diesem schwärmte, konnte und wollte er nicht verstehen. Wie konnte man gerne mit so jemanden zusammenarbeiten? Er war nur Yuugi zuliebe hier. Eigentlich waren sie verabredet und Hanasaki hätte gerne den Abend allein mit Yuugi verbracht. „Ja, ich erinnere mich“, kam es von Kaiba. Er wusste, dass Yuugi damals einen Freund in seiner bunt gemischten Truppe hatte, der sogar noch kleiner war als er selbst. Allerdings hatte er sich nie die Mühe gemacht, sich seinen Namen zu merken und einen wirklich bleibenden Eindruck hatte er auch nicht hinterlassen. Es war ihm nie aufgefallen, dass er weg war. Auch jetzt wirkte er unscheinbar. Jemand, der in der Bedeutungslosigkeit verschwand. „Wah, ist lange her, Hanasaki!“, kam es fröhlich von dem Blonden, der sich mit dem Oberkörper über den Tresen lehnte und den neuen Gast neugierig beäugte. „Du bist voll groß geworden! Sieht so aus, als wäre jeder hier gewachsen, außer Yuugi!“, lachte er dann und sowohl Hanasaki, als auch Mokuba kicherten. Kaiba schnaufte nur, als wollte er sein Lachen ersticken. „Unverschämtheit! Ich bin gewachsen! Fast zehn Zentimeter!“, rief Yuugi aus und kam näher zum Tresen. „Sieben Zentimeter, um genau zu sein. Weit von der zehn entfernt, Yuugi“, kam es sachlich von Kaiba, der immer noch keine Miene verzog. Yuugi wurde rot. Mokuba, Hanasaki und Jounouchi lachten beherzt. „Was...? Woher weißt du das?“, murmelte er verlegen und setzte sich zurück an seinen Platz. „Oh, ich bitte dich... ich muss doch alles über meinen Geschäftspartner wissen“, kam es grinsend von dem Brünetten. Jounouchi drehte sich um und griff nach einigen Gläsern, die er vor seiner Kundschaft abstellte und öffnete dann den gläsernen Schrank, holte dort eine große Flasche Wein heraus und öffnete diese, schenkte ihnen ein. Sie griffen nach ihren Gläsern. Es gab genügend Gründe zu feiern. Capsule Coliseum war endlich auf dem Markt und versprach ein großer Erfolg zu werden und Spherium stand in den Startlöchern. „Auf die Zukunft! Kanpai!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)