Spherium von Yuugii (Kaiba/Yuugi) ================================================================================ Kapitel 18: Kapitel 18 ---------------------- Am nächsten Morgen ließ sich Kaiba tatsächlich zum Nildelta schleppen. Begeistert war er nicht. Er wollte nur ein einziges Duell und endlich einen Sieg erringen. Doch Atem ging auf seine Forderung nicht ein. Selbst am Abend zuvor hatte er ständig vom Thema abgelenkt. Auf den kleinen Papyrusbooten überquerten sie den Nil. Das frische Grün um das Wasser herum war Heimat von vielen Tieren und er sah, dass einige Männer und Frauen dabei waren, Fische aus dem Wasser zu ziehen. Obwohl sie ziemlich mittig des Nils entlang fuhren, konnte er die lauten und fröhlichen Stimmen vom Ufer hören und auch Atems klare Stimme passte sich perfekt der harmonischen Umgebung an. Die Diener des Pharaos wedelten ihnen mit großen Palmenfächern frischen Wind zu, während andere in Seelenruhe das Boot steuerten. Keiner von ihnen mischte sich in ihr Gespräch ein, sie bewahrten Abstand zwischen ihrem Pharao und seinem Gast, doch ihre wachenden Blicke waren deutlich spürbar. Lange hätten sie für diesen Frieden gekämpft. All jene, die in Kemet lebten, waren stolz auf ihre Arbeit und der Nil ihnen heilig. Kaiba wollte das alles nicht hören und trotzdem lauschte er aufmerksam Atems Worten, staunte über dessen Begeisterung, wenn über die Wassergöttin Satis sprach, die ihnen das reine Wasser schenkte und dass sie ihr zu Ehren einen Tempel auf der Insel Elephanthine gebaut hätten. Er schwärmte von den Festen und dem guten Wein. Für Kaiba gab es keine Götter. Menschen erfanden Religionen nur, um sich die Natur und Ereignisse erklären zu können, von denen sie nicht wussten, was diese auslöste, da ihnen damals die Mittel fehlten. Aber er wagte es nicht, seinen Rivalen bei seiner Rede zu unterbrechen oder ihm gar seine Meinung aufdrücken zu wollen. Er respektierte, dass Atem an andere Dinge glaubte und die Welt mit ganz anderen Augen sah als er. Vielleicht war es genau das, was ihn so sehr an diesem Mann faszinierte. Er hatte eine völlig andere Perspektive als Kaiba und war ihm dennoch immer einen Schritt voraus. „Der Nil ist ein Segen für uns und uns allen heilig.“, beendete Atem seine Lektion übers Alte Ägypten und drehte sich zu dem Brünetten, schien eine Reaktion zu erwarten. „Das ist schön... für euch.“, murrte dieser und drehte den Kopf rasch weg, um den Blicken seines Gegenübers auszuweichen. Er ließ sich seine Gedanken nicht ansehen. Kaiba wusste nicht, was er davon halten sollte. Er war nicht hier, um etwas über Atems Welt zu erfahren. Er war nur wegen ihm hier. Alles andere interessierte ihn nicht. Obgleich er sich dies immer wieder ins Gedächtnis rief, bemerkte er selbst immer wieder, dass er irgendwann anfing, seinem ehemaligen Rivalen mit Interesse zuzuhören und sich tatsächlich die riesigen Bauten anzusehen und über die Worte, die er so sehr versuchte abzublocken, nachzudenken. Atem war entflammt und seine Worte so voller Inbrunst und Freude, dass Kaiba es nicht wagte, ihn zu unterbrechen. Seine Augen strahlten wie die eines kleinen Kindes, wenn er über den Bau der Pyramiden erzählte oder dass sein Berater Shimon, der wie ein Großvater für ihn war, sich etwas ganz Tolles für sein eigenes Grab hatte einfallen lassen. Er gestikulierte wild umher und lachte viel. Dass der einst so stolze und erhabene Duellant so anders sein konnte, so fröhlich und ausgelassen, so voller Leidenschaft, gab Kaiba etwas zu denken. „Was ist? Seto, du starrst mich an. Ich weiß ja, dass ich gut aussehe, aber ich habe langsam das Gefühl, dass ich hier einen endlosen Monolog halte.“ Der Pharao grinste, verschränkte die Arme und er forderte Kaiba zu einem verbalen Gefecht heraus. „Ich finde nur, dass das Make-up dich wie eine Frau aussehen lässt. Fehlt nur noch Lippenstift.“ Kaiba erwiderte Atems Grinsen. Er wollte, dass Atem ihn verhöhnte, so, wie er es früher immer getan hatte. Doch Atem war so unglaublich freundlich und zuvorkommend, dass Kaiba schon schlecht wurde. Zwar war diese neue Art von ihm auch durchaus interessant, aber Kaiba hatte das Gefühl, dass Atem seine Herausforderungen nicht wirklich annahm. Nicht so wie früher. Er vermisste es, sich nicht nur in einem Spiel sondern sich auch mit Worten mit einem ebenbürtigen Gegner zu messen. Atem war wortgewandt, klug und vor allem ließ er sich nicht von Kaiba einschüchtern und erwiderte seinen Sarkasmus, ohne sich tatsächlich angegriffen zu fühlen. Kaiba wollte sich mit ihm messen, in jeder Hinsicht und das Gefühl spüren, dass es Menschen gab, die mit seinem Intellekt mithalten konnten. Und Atem war bisher der einzige, der ihm dieses Gefühl geben konnte. „Sehr witzig...“ Atem verdrehte genervt die Augen und blies die Backen auf, um so seinen Ärger Luft zu machen. „Du weißt, dass mich die Vergangenheit nicht interessiert und trotzdem schwärmst du von ihr und schleppst mich hierher. Auch wenn du noch so schöne Reden schwingst, ändert es nichts daran, dass ich eine Revanche will.“ Atem legte den Kopf leicht schief, so dass sein Goldschmuck leise klimperte und betrachtete Kaiba ganz genau. „Du wirst deine Revanche kriegen. Keine Sorge.“ Kaiba wurde hellhörig, sein Blick erhellte sich und er schien sich bereits jetzt bereit für das bevorstehende Duell zu machen. „Aber nicht jetzt. Nicht heute.“ „Atem!“, zischte er wütend und stand auf von seinem Platz und kam dem Pharao plötzlich näher. In seinen Augen war Zorn zu erkennen. Atem schien es zu genießen, ihn so hinzuhalten, was Kaiba so ärgerte, dass sein wahres Ich, das ungeduldige Kind, zum Vorschein kam und er die Fassade der Unnahbarkeit bröckelte. Kaiba offenbarte sich selbst und Atem schien genau das zu wollen. Die Diener ließen ihre Palmenfächer auf der Stelle fallen und stellten sich schützend vor ihren König. „Wie kannst du es wagen, unseren Pharao zu bedrohen? Du bist nichts weiter als ein Gast!“, meinte einer der Männer und ging in eine Kampfhaltung über und machten dem Firmenchef klar, dass es niemand wagen durfte, sich mit dem Pharao anzulegen. In ihren Blicken lag Wut und Abscheu. Sie waren bereit für ihren König in den Kampf zu ziehen und zu sterben. Atem hob die Hand und wies seine Diener an, sich zurückzuziehen. Noch immer raste Kaibas Herz vor dem Schrecken, aber er ließ sich nichts ansehen. Die Loyalität dieser Männer ihrem Pharao gegenüber war so rein und tief, dass vermutlich keine Bestechung der Welt etwas an ihrer Entschlossenheit ändern konnte. Dabei war es so einfach, die Meinungen von Menschen mit Geld und Wertgegenständen zu ändern und sie auf die eigene Seite zu ziehen. Diese bedingungslose Loyalität ihrem Pharao gegenüber konnte und wollte Kaiba nicht verstehen. Geld regierte die Welt, das hatte er gelernt und so oft in seinem Leben selbst erfahren. „Seto, ich war sehr lang in eurer Zeit. Nicht, weil ich es wollte, sondern weil ich ein Gefangener war. Endlich bin ich zuhause und ich möchte, dass du verstehst, warum ich nicht zurückkommen kann und warum mir Kemet so am Herzen liegt. Ich bin ein Duellant, aber auch ein Mann mit Verantwortungen und Pflichten. Schadet es dir denn, wenn du mich, mein Leben und mein Land näher kennenlernst?“ Kaiba setzte sich wieder hin, starrte den Boden des Papyrusbootes an. Die einzelnen Halme waren sorgsam zusammengebunden und kein bisschen Wasser drang hinein. Er konnte gut erkennen, dass es sich hier um wahre Handwerkskunst handelte und dass die Ägypter ihrer Zeit weit voraus waren. Kein Wunder, dass sie zur größten Weltmacht gehörten. „Ich möchte nur, dass du wenigstens so tust, als würdest du dich nicht nur für unsere Duelle interessieren, sondern auch für mich als Menschen. Wir sind Freunde und du bist mir wichtig und ich möchte, dass auch ich wichtig für dich bin.“ Ein leises Knurren entwich Kaibas Kehle. Atem wusste genau, dass er ihm wichtig war. Warum sonst hätte er die Gefahr auf sich genommen, nur um in die Vergangenheit zu reisen und ihn wiederzusehen? Er war hier, weil er ihn noch einmal wiedersehen wollte und einen Schlussstrich ziehen musste. Dachte Atem ernsthaft, es ging ihm nur um ein Kartenspiel? Kaiba gab es nicht gern zu, aber er ertrug den Gedanken nicht, dass das hier das Ende sein würde und je länger er sich in dieser Zeit befand, je öfter er Atem lächeln sah und seine Augen leuchten, desto mehr wuchs der Wunsch in ihm, dass er für immer hier bleiben könnte. Atem war mittlerweile aufgestanden und setzte sich direkt neben den Brünetten. Anders als erwartet war Atem kein bisschen schüchtern. Er war sehr direkt. Er wartete nicht darauf, was Kaiba zu sagen hatte und es war ihm egal, dass dieser gar keine Nähe wünschte. Er griff nach Kaibas Hand und umschloss sie mit seinen beiden Händen. Das Metall der Ringe war heiß durch die Hitze in diesem Land und durch Atems eigene Körperwärme, doch der kurze Schmerz, der ihn durchzog, als seine Haut das brennende Metall berührte, ließ Kaiba wieder zu klaren Gedanken kommen. „Ich bin unendlich froh, dass wir uns noch einmal sehen konnten, doch du weißt genauso wie ich, dass du nicht bleiben kannst. Wir beide haben Verpflichtungen und Aufgaben und eine Familie, die auf uns wartet. Ich habe mein Leben und du hast deines. Du kannst nicht bei mir bleiben. Also lass uns noch etwas Zeit gemeinsam verbringen, bevor wir es beenden.“ Kaiba wollte Atems Hände wieder von sich stoßen und Abstand schaffen, doch sein Griff war so fest, dass Kaiba sich nicht befreien konnte. Seit wann war Atem so stark? Er war muskulöser und größer geworden, aber es frustrierte Kaiba, dass nicht nur seine Fähigkeiten als Duellant die seinen überstiegen, sondern er auch körperlich ihm nun das Wasser reichte und es schaffte, ihn festzuhalten. Atem war freundlich und fürsorglich, aber auch streng und stolz. „Gut, von mir aus...“, gab Kaiba dann von sich. Die Tage vergingen und am siebten Tag seit seiner Ankunft hatte Atem seine Herausforderung angenommen. Wie Kaiba es erwartet hatte, war dieses Duell so aufregend, dass er alles um sich herum vergaß. Alles wurde unwichtig. Es gab nur noch Atem und ihn. Und die Karten, die auf dem Tisch lagen. Sie saßen sich gegenüber und blickten einander in ihre Seelen, jeder versuchte den anderen zu täuschen und doch verrieten sie mehr über sich, als es ihnen lieb war. Als Kaiba seinen Weißen Drachen legte, kam nur ein triumphierendes 'Ha' von seinem Gegner, welcher nun eine Fallenkarte aktivierte, die es ihm erlaubte, seinen Schwarzen Magier zu rufen. Mit einer weiteren Zauberkarte erhöhte er dessen Angriff und im direkten Kampf vernichteten sich die beiden Kreaturen gegenseitig. Bevor Kaiba zurückkehrte, übergab Atem ihm ein Amulett. Er nannte es Herzskarabeus und sollte ihm den Weg weisen. Ein Glücksbringer und eine Verbindung ihrer Herzen und eine Erinnerung an das, was sie gemeinsam erlebt hatten. Nicht, dass der Brünette jemals diese gemeinsame Woche in Ägypten – Atem nannte dieses Land zwar Kemet, aber Kaiba empfand diesen Namen als ungewohnt – vergessen würde. Dafür bedeutete es ihm einfach zu viel. Das Lachen, die Nähe und dieses Gefühl, jemanden zu haben, der auf derselben Stufe war und der einen wirklich verstand. Atem war in der Lage hinter seine Fassade zu blicken. Er scheute sich nicht davor, Kaiba zu tadeln oder ihn auszuschimpfen. Jedes Mal, wenn Kaiba einen unterschwelligen Kommentar abgegeben hatte, erwiderte Atem diese Unverschämtheit mit bissigen Sarkasmus und ebenso stechenden Worten. Ein Mensch ohne Selbstbewusstsein hätte sich vermutlich angegriffen gefühlt, doch diese Art, wie sie miteinander reden konnten, war etwas Besonderes zwischen ihnen. Atem störte sich nicht an Kaibas Art. Viel mehr genoss er es, Kaiba selbst herauszufordern und zu testen, wie weit er gehen konnte. In dieser Hinsicht waren sie sich ähnlich. In den letzten Tagen hatte er Atem von einer neuen Seite kennengelernt. Fürsorglich, freundlich, zuvorkommend und erfüllt von Liebe für sein Land und die Menschen, die ihnen etwas bedeuteten. Zunächst, ja, da konnte er nicht akzeptieren, dass der Andere Yuugi, sich so anders verhielt als in seiner Erinnerung. Dass der Andere Yuugi – er fragte sich selbst warum er ihn so nannte, wo er doch seinen Namen kannte – so viel an Emotionen zeigte und sich selbst offenbarte, aber er musste zugeben, dass Atem viel glücklicher und zufriedener war. Sein Lächeln war echt. Das Lachen kam aus der Tiefe seines Herzens. Schnell hatte er gemerkt, dass der Mann, für den er diesen weiten Weg auf sich genommen hatte, immer noch in ihm war. Kaiba bewunderte Atem sogar. Er war nicht mehr so distanziert und doch so voller Würde, dass er zu ihm hinauf sehen musste. Ein wenig beneidete Kaiba ihn, denn Atem wirkte ausgeglichen und ruhig. So viel glücklicher und offener als zu ihrer Zeit, als sie in der Duellarena standen und ihre Seelen aufeinandertrafen. Kaiba hatte das Amulett wortlos angenommen und in seiner Brusttasche verstaut. Er wandte sich zum Gehen. Dann blieb er stehen und sagte: „Danke für alles, Atem“, setzte seinen Weg fort und ließ nicht nur den Palast, die Stadt und diese Zeit hinter sich, sondern auch den Mann, der ihn am meisten inspirierte und ihm das Gefühl gab, wirklich am Leben zu sein. Atem hatte ihn um etwas gebeten. Diese Bitte wollte er abschlagen, konnte es aber nicht. Kaiba sollte Yuugi als seinen neuen Rivalen anerkennen. Den schwachen, naiven, kindlichen Yuugi, der selbst ein Herz für seine Peiniger hatte und sich ausnutzen ließ, ohne jemals zu versuchen, von selbst aufzustehen und eine andere Lösung zu suchen. Da Kaiba immer nur Augen für Atem hatte, ahnte er nicht, dass auch Yuugi erwachsen geworden war und dass seine Fähigkeiten als Duellant und als Gamer in keinster Weise hinter Atem lagen. Trotzdem fragte sich Kaiba, ob er Yuugi ernstnehmen konnte. Ein Junge, dessen Herz für seine Freunde schlug und der lieber Unglück und Schmerzen in Kauf nahm, bevor er anderen schadete. Yuugi war viel zu lieb und dennoch hielt Atem große Stücke auf ihn, sprach über dessen Potential und wie unglaublich stark er sei. Atem war der Ansicht, dass Yuugi sogar stärker war als er. Das konnte Kaiba nicht glauben. Er musste sich selbst davon überzeugen. ………………………… Kaiba war niemand, der lange über Vergangenes nachdachte. Nostalgische Gefühle verhinderten einen klaren Blick in die Zukunft. Doch die Abweisung von Mokuba und Yuugis harte Worte erschreckten ihn. Zum ersten Mal seit Langem wusste er keinen Ausweg. Formeln konnte man lösen. Zahlen berechnen. Daten verarbeiten. Fremde Menschen bestechen und sie auf die eigene Seite ziehen. Gefühle und Bindungen von Menschen waren aber weitaus schwieriger zu handhaben und überstiegen jegliche Vernunft und Logik. Gedankenverloren griff er zu seiner Brusttasche und holte das Amulett heraus, das Atem ihn gegeben hatte. Er betrachtete es und fand seine Ruhe zurück. Nicht einmal Mokuba hatte er davon erzählt, geschweige denn ihm den Herzskarabeus gezeigt. Es war ein Geheimnis und etwas, das er mit niemanden teilen wollte. Auch der Ausgang ihres letzten Duells behielt er für sich. Tatsächlich war es ihm egal gewesen, wie dieses Duell ausging. Nur einmal wollte er diese Aufregung und die Leidenschaft spüren, wenn sie sich gegenüberstanden und letzten Endes wollte er nur eines: dieses Gefühl nicht verlieren. Dieses Gefühl, dass ihn daran erinnerte, dass er am Leben war. Die gemeinsame Zeit mit Atem war sein kostbarster Schatz. Und seine warme Stimme hörte er auch heute noch. Sein Blick gen Horizont gerichtet und der Mut seine Fehler anzuerkennen und weiterzumachen. Die Silhouette des Pharaos, der mit erhobenen Hauptes Richtung Sonnenuntergang blickte und dabei so schön und perfekt aussah, dass Kaiba glaubte, dass es sich um ein Gemälde handeln musste. Auf seinen Lippen ein Lächeln. Atem war glücklich. Doch Kaiba konnte sich nicht für ihn freuen, er trauerte über diesen Verlust. Nach seiner Rückkehr hatte er sich wieder in seine Arbeit gestürzt. Er brauchte Ablenkung. Er wollte nicht daran denken, dass diese gemeinsame Woche, die sie verbracht hatten, tatsächlich das Ende ihrer Bindung gewesen sein sollte und dass sie niemals wieder miteinander kämpfen würde. Das einzige, das ihn von der Arbeit abhielt, waren die Duelle mit Yuugi. Yuugi, der Atem nach eiferte und ihm immer ähnlicher wurde und doch stets seine liebevolle und einzigartige Art beibehielt. Sie waren unterschiedlich und doch so ähnlich zueinander. Yuugis Bewegungen in einem Duell zeugten von Selbstbewusstsein und manchmal glaubte er, dass nicht Yuugi, sondern Atem vor ihm stand. Nur um dann zu merken, dass der Duellant vor ihm jemand anders war. Jemand, der im Laufe der Zeit immer wichtiger für ihn wurde und ihn vergessen ließ, was er verloren hatte. Kaiba umfasste das Amulett mit seinen Händen und stieß seinen Atem aus, von dem er nicht mal wusste, dass er ihn gehalten hatte. Er wollte nicht zugeben, dass er der Grund für all die Missverständnisse war, aber er konnte sich nicht länger selbst belügen. Was hätte Atem an seiner Stelle getan? Es war unmöglich ihn um Rat zu fragen. Vielleicht hatte er unbewusst versucht, Yuugi zu verändern, damit er eine weitere Verbindung zu Atem hatte. Vielleicht hatte Yuugi gar nicht versucht, so zu sein wie Atem, sondern Kaiba selbst sein Bild auf diesen projiziert. »Atem... was würdest du tun?«, überlegte er, wissend, dass niemand seine Frage beantworten würde. Atem hätte sich sicher nicht verkrochen. Er hätte nach einem Ausweg gesucht. Nach einer Lösung. Kaiba verstaute das Amulett zurück in seiner Tasche und fuhr seinen Computer hoch. Nach nur wenigen Minuten hatte er, wonach er suchte. Er sah sich die Videoaufnahmen der Villa an und tatsächlich stellte er fest, dass die Gerüchte seiner Putzfrauen wahr waren. Mokuba hatte in der Nacht klamm und heimlich das Anwesen verlassen. Bei sich trug er zwei große Koffer. Er schaltete die Aufnahme wieder ab. Mehr musste er nicht wissen. Mokuba hatte ihn zurückgelassen. Yuugi hatte ihn gewarnt. Aber er hatte nicht zugehört. Es kränkte ihn, dass Mokuba ohne ein Wort ging. Seit ihrem Streit war Mokuba ihm aus den Weg gegangen und hatte jegliche Kommunikation vermieden, erschien nicht einmal zum Abendessen oder zum Frühstück. Kaiba wusste natürlich, dass es seine eigene Schuld war. Immerhin war er selbst in den letzten Jahren nie pünktlich zu Hause gewesen. Eigentlich konnte er seinem Bruder nicht mal verübeln, dass er nicht zum Essen da war und trotzdem konnte er diesen Unmut, der in seinem seelischen Untergrund brodelte, nicht ignorieren. Er schüttelte den Kopf und durchforstete sämtliche Datenbanken, um Yuugis private Nummer zu finden. Auf keinen Fall wollte er auf das Familientelefon anrufen und das Risiko eingehen, dass der Großvater ihm ein Ohr abkaute. Rasch speicherte er die Nummer und machte sich auf den Weg in sein Schlafzimmer. Dort angekommen dachte er ausführlich über seine nächsten Schritte nach. Es war bereits später Abend. Ein Blick auf die Uhr verriet, dass es 21 Uhr war und vermutlich hätte ein normaler Bürger nicht die Dreistigkeit gehabt, um diese Zeit einen Arbeitskollegen anzurufen, aber Kaiba wäre nicht Kaiba, würde er nicht seinen eigenen Weg wählen und nur das machen, was ihm gefiel. Also wählte er die Nummer und wartete darauf, dass Yuugi abhob. „Moshi, moshi!“, kam es fröhlich von der anderen Seite und Kaiba zog verwundert die Augenbrauen hoch, da er so eine umgangssprachliche Art zu reden nicht gewohnt war. „Yuugi.“, begann er in gewohnt ernster Stimmlage. „Hier ist Kaiba.“ Er hörte wie Yuugi am anderen Ende der Leitung panisch wurde und nach Luft schnappte. Mit allem hatte er gerechnet, nicht aber damit, dass Kaiba ihn auf seinem privaten Smartphone anrief. Vermutlich würde der Firmenleiter ihn wieder zurechtweisen und ihm sagen, wie kindisch und unreif es von ihm gewesen war, einfach abzuhauen. Erwachsene Männer liefen vor Problemen nicht weg und stellten sich der Konfrontation. Yuugi bereitete sich seelisch bereits auf das Schlimmste vor und in nur wenigen Sekunden schossen ihm tausende Gedanken durch den Kopf, während sein Herz so wild schlug, dass seine Ohren rauschten und er panische Schweißausbrüche bekam. „Kaiba-kun...“, wiederholte Yuugi unsicher. Angesprochener hörte, dass Yuugi um Fassung rang. „Was möchtest du zu so später Stunde von mir? Ist etwas passiert?“ „Das heute Nachmittag tut mir leid.“ Yuugis Kinnlage fiel buchstäblich in den Keller. Das war ein Traum. Kaiba würde niemals solche Worte in den Mund nehmen. Niemals. Nicht er. Nicht der stolze, egoistische Mann, der von sich selbst so überzeugt war und glaubte, absolut fehlerlos zu sein. Kaibas Ego überstieg jegliches menschliches Verständnis. Bevor Yuugi nach hacken konnte, setzte Kaiba einmal mehr an. Seine Stimme war fest. So fest sogar, dass Yuugi glaubte, dass Kaiba seine Entschuldigung gar nicht ernst meinte und ihn nur beruhigen wollte, um ihr zukünftiges Arbeitsverhältnis nicht unnötig zu belasten. Es ging Kaiba sicher nur um die Arbeit. „Ich bin zu weit gegangen und ich möchte nicht, dass der heutige Tag ein Hindernis für unsere Kooperation wird. Ich möchte Spherium realisieren, nicht, weil du es bist und ich dir einen Gefallen tun will, sondern weil dieses Spiel es verdient.“ „Kaiba-kun. Es freut mich das zu hören, aber du hast es selbst gesagt, dass du keinen Grund hast, dich mit mir anzufreunden und ich mir besser einen Psychiater suchen solle. Meine Probleme gehen dich nichts an und vielleicht ist es wirklich besser, wenn wir uns privat aus dem Weg gehen.“ Yuugis Worte waren erfüllt von Selbstsicherheit. Entweder war er wirklich sauer auf ihn, oder aber er war nach langem Nachdenken selbst zu dieser Erkenntnis gekommen. Aber war es das richtige? Kaiba wollte nicht, dass Yuugi so über ihn dachte. Dass sein Sarkasmus und seine gemeinen Sprüche selbst den lieben Yuugi so weit gebracht hatten, so zu denken, erschreckte ihn und es war in keinem Fall das, was Kaiba wirklich wollte. Mokuba hatte ihm den Rücken gekehrt. Wenn Yuugi sich nun auch abwandte, dann... „Ich habe heute erfahren, dass Mokuba das Land verlassen hat. Du wusstest davon, nicht wahr?“ Einige Sekunden kam keine Antwort. Yuugi biss sich auf die Unterlippe. Er wollte ihm nicht antworten, weil er wusste, dass Kaiba nur wieder wütend werden würde. Jedoch wollte er Kaiba nicht anlügen. „Ja...“, war seine knappe Antwort. Ein leises Wispern, mehr nicht. „Du wolltest mich warnen, weil du genau wusstest, dass er geht. Warum hast du das verschwiegen?“, wollte Kaiba wissen und er hörte, wie Yuugi sich bewegte und sich vermutlich auf sein Bett fallen ließ. „Ich habe es nicht verschwiegen, weil ich dir schaden wollte, sondern weil ich es Mokuba versprochen habe.“ Diese Worten waren wie ein Messerstich ins Herz. Trotzdem ließ sich Kaiba nichts anmerken und blieb erschreckend ruhig. Mokuba war gegangen, weil er seinen eigenen Bruder nicht mehr ertragen konnte. „Mokuba ist ein Starrkopf und geht gern mit dem Kopf durch die Wand. Wenigstens da sind wir uns ähnlich. Yuugi, komm morgen um 8 Uhr zur Kaiba Corporation. Ich werde dir bei deinen Hausaufgaben helfen.“ „Wieso auf einmal?“, versuchte Yuugi herauszufinden. Dieser Sinneswandel kam zu plötzlich. Irgendetwas musste Kaiba passiert sein, dass er seine Meinung nun geändert hatte. Oder hatte der Brünette nun endlich eingesehen, dass er selbst einen Fehler gemacht hatte? „Mokuba ist mein Bruder und auch wenn es nach außen nicht so aussieht, möchte ich ihn nicht verlieren. Du hast es selbst gesagt, dass ich weder dich noch ihn täuschen kann, also muss ich etwas ändern. Und du wirst mir dabei helfen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)