Spherium von Yuugii (Kaiba/Yuugi) ================================================================================ Kapitel 14: Kapitel 14 ---------------------- In diesen zwei Stunden hatte Kaiba ihn mehrmals darauf hingewiesen, vermehrt auf seine Wortwahl zu achten. Dieses und jenes Wort durfte er nicht sagen. Dieser Laut war kindisch und diese Bewegung unangebracht. Es sollte sich doch bitte professioneller verhalten und mehr auf seine Haltung achten und sich einen anständigen Anzug kaufen. Vor allem die viel zu eng anliegende Jeans war provokant und ein Konferenzraum war kein Laufsteg. Kaiba hatte seine Kritik heruntergerasselt ohne auch nur ansatzweise Rücksicht auf Yuugis Gefühle zu nehmen. Die Masse an Kritik war so viel für Yuugi, dass er es für unmöglich hielt, sich all das zu merken und es direkt umzusetzen. In der Hinsicht war der Firmenchef wirklich erbarmungslos. „Yuugi, auch wenn es dir gut steht, zu viel Wimperntusche ist unangebracht.“ „Ich habe heute gar keine Wimperntusche benutzt...“, kamen Yuugis leise Widerworte. Er wollte keinen Streit mit Kaiba anfangen. Bisher hatte er sämtliche Verbesserungsvorschläge von seinem Geschäftspartner angenommen und kein Mal widersprochen, aber in diesem Punkt konnte er nicht den Mund halten und fühlte, dass er sich verteidigen musste. Kaiba sah ihn perplex an. „Hast du nicht?“, fragte er ungläubig nach und warf einen weiteren scharfen, musternden Blick auf seinen Gegenüber, notierte sich erneut etwas auf seinem Block. Er hatte nun mehrere Seiten gut mit Notizen gefüllt und Yuugi war sich nun mehr als nur sicher, dass er dort Dinge aufschrieb, die er an ihm ändern wollte. Dafür, dass Kaiba von ihm verlangte mehr Selbstbewusstsein zu zeigen, hatte er eine ganze Menge Dinge gefunden, von denen er der Ansicht war, dass er sie ändern sollte. So viel zum Thema, dass Yuugi er selbst sein sollte. Gut, dass Kaiba keine Gedanken lesen konnte, ansonsten hätte er mitbekommen, dass Yuugi ihm wenigstens gedanklich Kontra gab. „Nein, habe ich nicht.“, wiederholte er und machte einen Schmollmund. Es war Yuugi deutlich anzuhören, dass er leicht genervt war. Für Yuugi war es normal seine Augen zu schminken und einen schönen Lidstrich mit dem Kajal zu ziehen. Vielleicht hatte er sich das angewöhnt, weil der Pharao auch diesen Fashionstyle bevorzugte, aber er glaubte viel mehr, dass es an seinen japanischen Lieblingsbands in der Visual Kei Szene lag, die ihn seit seiner Jugendzeit geprägt hatten. „Dann habe ich mich wohl verguckt. Trotzdem solltest du bei Konferenzen darauf verzichten. Mich stört es nicht und von mir aus kannst du auch Lippenstift verwenden, aber ich möchte, dass du ernst genommen wirst und diese alten konservativen Knacker sind da sehr empfindlich.“ „Das ist unerwartet nett von dir.“ „Ha, bilde dir nichts drauf ein. Wenn du dich blamierst, wäre das auch eine Blamage für mich. Auch mein Ruf steht auf dem Spiel. Immerhin bin ich in gewisser Weise dein Partner.“ „Viel mehr mein Chef.“, korrigierte Yuugi und verschränkte die Arme und grinste breit. „Noch wirkt das so, aber das ändert sich noch. Uns bleibt noch etwas mehr als eine halbe Stunde bis zu deinem Seminar. Machen wir uns schon mal fertig.“ Kaiba erhob sich von seinem Schreibtisch, schob seinen Bürostuhl an diesen heran und betätigte einen Knopf an seinem telefonischen Ansagegerät. Er gab seiner Sekretärin neue Anordnungen. „Und sagen Sie Mokuba, dass es heute etwas später werden wird.“ Seine Stimmlage war monoton und Yuugi fragte sich, ob seine Sekretärin sich daran störte, dass er mit ihr sprach, als wäre sie ein Roboter. Kaiba warf sich seinen Mantel über und griff nach einer Aktentasche und lief um den Schreibtisch herum in Richtung des Ausgangs. »Kaiba-kun hat also wirklich noch nichts bemerkt... Ich darf bloß nichts ausplappern.«, schoss es Yuugi augenblicklich durch den Kopf und er hüpfte rasch vom Stuhl runter, bevor Kaiba ihn wieder ermahnte oder ihn mit Blicken mitteilte, dass er diese Trödelei nicht duldete. Kaiba wies den Weg an und lief wortlos zum Fahrstuhl, wo er den Schalter betätigte und geduldig darauf wartete, dass der Fahrstuhl möglichst schnell ankam. Sie waren im obersten Geschoss der Kaiba Corporation und wenn man beachtete, wie riesig das Gebäude war, würde es sicher einige Minuten dauern, bis dieser endlich oben war. Wenn in den anderen Etagen auch noch Leute ein und ausstiegen, würde es sogar noch länger dauern. Die Stille zwischen ihnen machte Yuugi wahnsinnig und er versuchte die Stimmung irgendwie aufzulockern. Er durfte bloß nichts Blödes sagen. So schwer war das doch nicht! „Dauert aber ganz schön lang...“, murmelte Yuugi vor sich hin, während er mit seiner Umhängetasche herumspielte und den Klettverschluss mehrmals auf und wieder zu machte. Dabei entstand ein Geräusch, das die unangenehme Stille zwischen ihnen für einen Moment unterbrach. Kaiba sagte nichts und warf ihm wieder diesen ermahnenden Blick zu, von dem Yuugi dieses Mal nicht wusste, wie er ihn einsortieren sollte. Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen und hob sofort beide Hände, ließ ab von seiner Tasche und schämte sich in Grund und Boden einmal mehr etwas getan zu haben, was Kaiba nervte. Zum Glück sagte dieser kein weiteres Wort mehr. Für Smalltalk war Kaiba nicht zu haben. Als der Fahrstuhl endlich oben ankam und sie einstiegen warf Yuugi dem Firmenchef mehrmals verstohlene Blicke zu. Dieser stand unbeeindruckt direkt vor der Tür. Seine gesamte Körperhaltung war unerschütterlich, und man sah ihm an, dass er von Stolz erfüllt war. Vermutlich hätte ihn wirklich nichts vom Fleck wegbewegen können. Der dunkle Mantel sah teuer aus, so teuer sogar, dass Yuugi sich für seinen billigen Aufzug schämte. Wieder seine Weste, ein helles Hemd, die dunkle Jeans, die nach Kaibas Meinung viel zu eng war und nicht gerade geeignet, wenn man seinen Gesprächspartner beeindrucken wollte und eine schwarze relativ dünne Lederjacke. Yuugi fragte sich insgeheim, wann Kaiba seine Jacke kritisieren würde. An seinen Klamotten hatte er ja so einiges auszusetzen gehabt. Die Stille zwischen ihnen und das surrende Geräusch des Fahrstuhls trieb Yuugi noch in den Wahnsinn. Das alles war unangenehm und beunruhigte ihn. Wie konnte Kaiba das nur ertragen? „Yuugi, wenn du etwas sagen willst, dann spucke es aus. Ich kann deine Reflexion im Spiegel sehen.“ „Entschuldige...“ Kaiba wollte schimpfen, tat es aber nicht. Er schien gegen eine Wand zu sprechen, die nichts von dem aufnahm, was er ihr sagte. Yuugi war in der Hinsicht bildungsresistent. Obwohl er ihm keinen wirklichen Vorwurf machen konnte. Vermutlich wurde Yuugi so erzogen. Für seinen Geschmack war Yuugi viel zu devot. Niemand, den er ernst nehmen würde. Für einen Augenblick bereute Kaiba, dass er sich selbst in diese Situation gebracht hatte. Yuugis Selbstvertrauen aufzupolieren und ihm grundlegende Verhaltensregeln, die in der Businesswelt vonnöten waren, um voranzukommen, in den Kopf zu bringen, würde weitaus mehr Arbeit werden als er anfangs vermutete. „Du bist so still und ich bin etwas nervös.“ „Warum?“ „Wie 'warum'? Ist das nicht klar?“ „Nein. Warum solltest du nervös wegen einem Seminar sein? Das ergibt keinen Sinn. Es ist nicht so, dass du dort eine Prüfung ablegen musst oder irgendein bestimmtes Ergebnis erreichen musst. Natürlich kann ich deine Nervosität nicht nachvollziehen.“ Yuugi ließ den Kopf hängen. Scheinbar hatte er zu viel verlangt. Dass seine Nervosität nicht an dem Seminar lag, war doch offensichtlich! Bisher hatte Yuugi kaum Kontakt mit Kaiba. Vor allem nicht privat. Nun standen sie hier minutenlang schweigend nebeneinander. Kam es Kaiba nicht komisch vor, nicht ein einziges Wort mit seinem – wie hatte er ihn noch mal genannt – Partner zu wechseln? Sie arbeiteten doch zusammen und Yuugi kam es eher so vor, als wäre er ganz allein unterwegs, da Kaiba keinerlei Anstalten machte, irgendetwas zu erzählen. War es nicht normal, dass man miteinander redete? Kaiba bemerkte, dass Yuugi nicht zufrieden mit seiner Antwort war. Er stieß den Atem aus, von dem er bis eben nicht mal wusste, ihn gehalten zu haben. „Soll ich dein Händchen halten und dir beruhigend über den Rücken streicheln?“ „WA-?!“, kam es erstaunt von Yuugi und er machte einen kleinen Hechtsprung nach hinten, nur um gegen die Wand des Aufzugs zu knallen und dann über den viel zu kleinen Innenraum zu fluchen. Dass Kaiba so etwas sagte war zu viel für ihn! „Yuugi, das ist rein geschäftlich. Ich habe nicht vor mich mit dir anzufreunden.“ „Warum nicht?“ Kaiba zischte nur und war erleichtert, dass sie just in diesem Moment unten ankamen und die Türen sich öffneten. Ohne Yuugi eine Antwort auf seine Frage zu geben, stieg er aus und steuerte den Ausgang an. Der Bunthaarige starrte ihn noch hinterher. Es gab tausend Dinge, die er seinen neuen Chef gerne gefragt hätte. Dinge, die nicht nur geschäftlich waren und von denen er bereits wusste, keine Antwort zu erhalten oder wieder nur einen gemeinen Blick, mit dem Kaiba seine Gegner strafte, wenn er sie loswerden wollten. Viel zu viel ging ihm durch den Kopf, doch nichts kam über seine Lippen. Stattdessen folgte er Kaiba wie ein braver Hund. Obgleich Kaiba keine Leine in der Hand hatte, hielt Yuugi bis zur Limousine einen exakten Abstand von zwei Metern, um den großgewachsenen Pessimisten vor sich nicht noch mehr zu nerven. Pessimist traf es schon ganz gut, fand Yuugi. Es war genau so, wie Mokuba es erwähnt hatte: immer schlechte Laune und er musste wirklich immer das letzte Wort haben. Wenn Yuugi nicht gewusst hätte, dass Kaiba irgendwo tief in seinem Herzen, eine gute und liebevolle Seele hatte, hätte er geglaubt, dass dieser seine Seele dem Teufel verkauft hatte. Wieder fuhr die Limousine vor, die ihn bereits am Morgen abgeholt hatte. Zu Yuugis Erstaunen war der Fahrer immer noch derselbe. Kaiba stieg ein ohne auch nur seinem Angestellten einen Blick zu würdigen. „Ohayo, Isono-san! Schön, Sie wieder zu sehen.“, sagte er dann mit einem heiteren Lächeln. Yuugi wirkte so unnatürlich fröhlich, dass man hätte meinen können, er hätte im Lotto gewonnen. „Ah, Mutou-san. Mir ist es auch eine Freude.“, antwortete der Ältere und wollte gerade wieder ansetzen, doch als er den stechenden Blick seines Chefs im Rückspiegel sah, schluckte er hart und erklärte kurz und knapp, dass sie keine Zeit für Gespräche hatten und einen Termin wahrzunehmen hatten. Kaiba war erleichtert. Yuugi enttäuscht. Isono verwirrt. Während der Fahrt kämpfte Yuugi mit seinem Bedürfnis mit Kaiba sprechen zu wollen, da dieser mit seiner Körperhaltung und seinen weg gedrehten Kopf sehr klar aussagte, dass er nicht angesprochen werden wollte, sofern es nicht um etwas Geschäftliches ging. Sie sprachen nicht. Sie sahen sich nicht an. Yuugi spürte, dass er nur noch nervöser wurde und er umklammerte seine Tasche. Kaiba wollte nicht mit ihm reden. Mit niemanden. Yuugi fragte sich insgeheim, ob der Brünette ein ähnliches Verhalten seinem Bruder gegenüber aufwies oder ob Kaiba nur mit Fremden so agierte. Auch wenn Yuugi ihn immer wieder als seinen Freund bezeichnete und mehr über ihn wissen wollte, so ging es diesem nicht so. Instinktiv seufzte Yuugi. Der Seufzer entlockte Kaiba eine Reaktion. „Yuugi.“ Kaiba funkelte ihn böse an. „Ja?“, fragte Angesprochener, setzte ein nettes, aber offensichtlich gespieltes Lächeln auf und tat so, als wüsste er nicht, warum Kaiba die Stille plötzlich gebrochen hatte. „Unterlass das.“, kam die mürrische Antwort. Yuugi nickte nur und stieß leise 'Verstanden' hervor, lehnte sich dann gegen die kühle Fensterscheibe und ließ seinen Blick nach draußen gleiten, betrachtete das an ihm vorbeiziehende Leben der Stadt und wunderte sich einmal mehr, wie er diesen Tag mit diesem äußerst freundlichen und emotionalen neuen Chef überleben sollte. Nicht nur, dass Kaiba ihn die ganze Zeit ignorierte oder viel mehr wie Luft behandelte, sondern auch die Tatsache, dass dieser ihn jedes Mal zurecht wies, sofern er auch nur den winzigsten Fehler machte, frustrierte ihn so sehr, dass er sich selbst dabei erwischte, zu denken, dass diese Kooperation ein ganz schöner Brocken Arbeit werden würde. Das Seminar beschränkte sich auf eine kleine Teilnehmerzahl. Es befanden sich nur neun Leute im Raum, die allesamt so aussahen, als wären sie entweder kurz davor in einer höheren Position zu arbeiten oder aber bereits in der oberen Führungsetage sitzen und hier ihr Wissen erweitern wollten. Kaiba hatte lang und gründlich nach einem Seminar gesucht, das genau die Dinge behandelte, die für Yuugi von Nutzen sein würden. Kaiba hatte nicht weiter vor, sich einzumischen oder gar Teil dieses Seminars zu sein. Viel eher verstand er sich als Beobachter, der nur hier war, um zu sehen, ob Yuugi das Ganze wirklich ernst nahm. Er bemerkte, dass der Coach, der den Raum betrat, ein anderer war als der, den er gebucht hatte. Kaiba dachte sich zunächst nichts dabei. So lange er seinen Job gut machte, war ja alles in Ordnung. Leider wurde Kaiba eines besseren belehrt. Ein Motivationscoach, der sehr viel redete und eine todlangweilige Präsentation hielt, bei der Yuugi beinahe einschlief und hart damit kämpfte nicht vornüber mit dem Kopf voraus auf den harten Boden zu knallen. Es war nicht so, dass der Inhalt langweilig war. Das waren alles nützliche Tipps. Die Präsentation war es jedoch. Glücklicherweise sagte Kaiba kein Wort und bemerkte nicht, dass Yuugi immer wieder die Augen zufielen. Mit einem klickenden Geräusch wurde die nächste Seite der Powerpoint Präsentation aufgerufen. „Wenn Sie souverän auftreten möchten, müssen Sie lernen, Vertrauen in Ihre Fähigkeiten zu haben.“, ratterte der Coach am Rednerpult herunter und es selbst wirkte alles andere als 'motiviert', so dass die Teilnehmer des Seminars keinerlei Reaktion zeigten. Kaiba sah sich um und betrachtete die Leute, die sich hier befanden. Als sein Blick bei Yuugi hängen blieb, der angestrengt den Worten des Mannes vorne lauschte und dabei mehrmals mit den Kopf nach vorne kippte, wurde es ihm jedoch zu bunt. Dieses Seminar war absolute Zeitverschwendung und nicht das, was er sich vorgestellt hatte. „Und wie lernt man das am besten? Ich höre hier leere Worte und Standardfloskeln, die man in tausend anderen Motivationsbüchern bereits gelesen hat, die in der Theorie schön klingen, aber in der Praxis nur schwer anwendbar sind.“ Jetzt war Yuugi hellwach. Kaibas durchdringende und klare Stimme vertrieb die Müdigkeit, die ihn bis eben quälte. „Dazu komme ich gleich...!“, erklärte sich der Mann am Rednerpult und sortierte die Unterlagen vor sich, so, als suchte er die Seite, die er gerade brauchte. „Wie soll jemand wie Sie, der keinerlei Interesse oder gar Lust an diesem Thema hat, so etwas wie Selbstvertrauen oder gar Motivation übermitteln? Das ist doch ein Witz!“ Kaiba stand auf und ging auf den Mann zu. Dieser wich keinen Schritt zurück und versuchte weiterhin dominant aufzutreten, doch als Kaiba nur wenige Zentimeter vor ihm stehen blieb, sein stechender und alles durchdringender Blick auf ihn gerichtet, kniff er doch den Schwanz ein und gewährte Kaiba einen Blick auf seine Unterlagen. Auf diesen befanden sich Stichworte, aber keine Inhalte. Der Kerl ratterte also tatsächlich nur sein Programm herunter. „Ich würde Ihnen dringend raten, einen Blick ins Publikum zu werfen. Der Großteil der Teilnehmer ist kurz davor einzuschlafen und es liegt an Ihnen, diese Menschen hier einzubinden und nicht nur stumpf auswendig gelernte Regeln und tolle Tipps vorzutragen, die man genauso gut im Internet nachlesen könnte.“ Kaiba warf die Unterlagen achtlos zurück aufs Pult und drehte sich erneut zu dem Coach, der sich langsam wieder fasste. „Ich verlange sofort einen anderen Coach und ich möchte mit Ihrem Chef sprechen. Sie sollten sich besser selbst zu den Teilnehmern setzen, bevor Sie sich hier oben präsentieren.“ Kaibas Kritik war hart, aber auch berechtigt. Kaiba war das Selbstbewusstsein in Person und sich gegen ihn zu behaupten war garantiert keine Kleinigkeit, sondern eine Herausforderung, die nur wenige zu meistern wussten. Die Teilnehmer blieben ruhig und keiner wagte es, sich mit Kaiba anzulegen. Dass ausgerechnet der erfolgreichste Mann der Welt in diesem Seminar war, setzte ihnen allen zu und keiner wollte das Risiko eingehen, ein schlechtes Bild bei ihm zu hinterlassen. Leises Tuscheln und Diskussionen waren im Raum zu hören und es dauerte einige Minuten bis ein anderer Coach kam, der dann letztendlich die Aufgabe seines Vorredners übernahm. Dieser war um Welten besser und interagierte mit den Teilnehmern und erklärte so ausführlich, wie es ihm möglich war. Yuugi hatte indes einen kleinen Collegeblock aus seiner Umhängetasche geholt, den er vorsichtshalber am frühen Morgen eingepackt hatte. Hastig notierte er die Worte des Coachs und bemühte sich darum dabei etwas zu lernen. »Wenigstens denkt er mit und zeigt Interesse. Trotzdem mache ich mir Sorgen, ob Yuugi eine Abteilung leiten kann. Bürde ich ihm zu viel auf? Vielleicht wäre es besser, wenn ich ihm weiterhin unter die Arme greife. Doch wenn ich das tue, wird Yuugi niemals eigenständig werden und auch zukünftig sich vor Problemen drücken.« Kaibas Miene war so ernst, dass man hätte meinen können, es wäre bei einer Beerdigung gewesen. Er stach aus den Teilnehmern heraus. Während alle anderen Zuhörer immer wieder zustimmend nickten und Teil des Seminars waren, so war Kaiba der einzige, der an einer Stelle saß, sich nicht bewegte und mit seinen Augen sogar dem Coach das Blut in den Adern gefrieren ließ. Da sie nur so wenige waren, blieb der Blick des Coachs irgendwann bei Kaiba hängen, der dies nicht mitbekam, da er bereits jetzt gedanklich seine nächsten Schritte zur Visualisierung von Spherium durchging und seinen Tagesplan abarbeitete. „Es ist auch wichtig, dass man auf eine normale Körperhaltung achtet. Das gilt auch für Sie, Kaiba-sama.“ Kaiba hatte nicht richtig zugehört, doch als sein Name fiel, fühlte er sich dermaßen überrumpelt, dass er keine richtige Reaktion hervorbrachte. Der Coach schien zu glauben, dass er ihm nicht zuhörte. Yuugi stupste ihn mit dem Ellbogen in die Seite, da er glaubte, dass Kaiba nicht mitbekommen hatte, dass der Coach sich direkt an ihn wandte. Kaibas Blick verfinsterte sich und selbst eine Mondfinsternis hätte neben ihm blass ausgesehen. „Kaiba-sama. Ich rede mit Ihnen! Dieses Seminar richtet sich an zukünftige Fach- und Führungskräfte aus Wirtschaftsunternehmen und auch wenn Sie bereits erfolgreich sind, so wird es Ihnen nicht schaden, wenigstens so zu tun, als würde Sie das Thema interessieren. Wenn Sie so mit Ihren Angestellten umgehen und Ihnen solche Blicke zuwerfen, wie Sie es gerade bei mir getan haben, kann ich mir nicht vorstellen, dass irgendjemand freiwillig mit Ihnen zusammen arbeiten möchte.“ „Sie sind ganz schön anmaßend, mich hier zu kritisieren. Wie ich meine Firma und meine Angestellten leite, ist meine Sache und ich denke nicht, dass ein Motivationscoach wie Sie, der sich nur mit der Theorie auseinandergesetzt hat, auch nur ansatzweise eine Ahnung vom echten Business hat. Nun, wenigstens haben Sie im Gegensatz zu ihrem Vorredner so etwas wie Mumm in den Knochen, wenigstens das muss ich Ihnen lassen.“ Kaiba grinste frech und lachte höhnisch auf. „Ich verstehe nicht, warum Sie dieses Seminar besuchen. Sie schüchtern sämtliche Teilnehmer ein, verbreiten schlechte Laune und sind sogar so dreist dieses Seminar runter zu machen! Sie finden unsere Methoden schlecht? Dann gehen Sie doch!“ „Warten Sie!“, mischte sich Yuugi ein, bevor Kaiba noch mal ansetzen und eine weitere Diskussion mit dem Coach anfangen konnte. Dass Yuugi nun aufstand und sich für Kaiba einsetzte, verwunderte diesen. „Ich weiß, dass Kaiba-kun einen echt fiesen Blick hat und er kann sich auch nicht so gut in andere Menschen einfühlen, aber er ist ein fähiger Geschäftsmann und jemand, der sich für seine Angestellten wirklich interessiert. Er ist nur wegen mir hier, weil ich mich allein nicht getraut habe!“ „Einfühlungsvermögen gehört zu den Grundkompetenzen einer Führungskraft. Jemand, der sich nicht in die Lage anderer Menschen versetzen kann, kann wohl kaum eine anständige Arbeitsatmosphäre schaffen, in der Menschen gerne arbeiten gehen, geschweige denn diese langfristig motivieren.“ „Also...“, brachte Yuugi hervor, warf einen abwartenden Blick auf Kaiba, der keinen Grund darin sah, sich weiter an dieser Konversation zu beteiligen und dabei keine Emotionen zeigte. Was Kaiba wohl gerade dachte? War er wütend, weil Yuugi sich eingemischt hatte oder interessierte ihn das alles nur einfach nicht? Trotzdem wollte Yuugi nicht, dass Kaiba seinetwegen in Schwierigkeiten geriet, also schüttelte er die negativen Gedanken ab und schenkte seine volle Aufmerksamkeit dem Coach, der bereits genervt von einem Fuß auf den anderen trat. „Ich arbeite gern mit ihm zusammen! Er ist gar nicht so schlimm und fies und ich finde es nicht gerade nett, dass Sie ihn so bloßstellen.“ „Schon gut, Yuugi. Ich warte draußen und du machst bei den Übungen mit.“ Kaibas Worte waren harsch und er stapfte an allen Teilnehmern vorbei. Keiner wagte es, auch nur einen Mucks von sich zu geben. Erst als Kaiba den Raum verlassen hatte, begann das Getuschel. Yuugi fragte sich, warum Kaiba so reagiert hatte. Mokuba hatte erwähnt, dass Kaiba es nicht mochte, wenn man seine Führungsqualitäten kritisierte und versuchte, ihn von etwas zu überzeugen, das er nicht hören wollte. Der Coach hatte es hinterhältig ausgenutzt, dass Kaiba für einen Moment nicht aufgepasst hatte und stellte ihn als schlechten Menschen dar, obwohl dieser Kaiba gar nicht kannte. Yuugi musste unweigerlich an seine Schulzeit denken. Er war nicht gerade der fleißigste Schüler und es kam häufiger vor, dass er bis spät in die Nacht an einem neuen Spiel saß, anstatt pünktlich ins Bett zu gehen. Am nächsten Morgen war er so müde, dass es ihm schwerfiel im Unterricht wach zu bleiben, doch er versuchte mit aller Kraft sich nichts anmerken zu lassen. Natürlich musste sein Lehrer ihn ausgerechnet an diesem Tag dran nehmen. Die Antwort auf die Aufgabe kannte er nicht und der Lehrer machte sich vor versammelter Mannschaft über ihn lustig. Den Rest des Tages war Yuugi so niedergeschlagen, dass ihn nicht mal der leckerste Burger in seiner Lieblings Fastfood Kette Burger World aufmunterte. Er hatte sich die Worte seines Lehrers sehr zu Herzen genommen und akribisch darüber nachgedacht, was er falsch gemacht hatte. Die Folge war, dass er auch Tage später noch deprimiert war und sich im Unterricht zurückhielt, aus Angst eine falsche Antwort zu geben. Deshalb wollte er nicht, dass Kaiba genauso behandelt wurde und sich auch Vorwürfe machte, wenngleich Yuugi nicht glaubte, dass ausgerechnet der Firmenchef eines Milliardenschweren Unternehmens die Worte eines unbekannten Coachs an sich ran ließ. Wäre es so einfach gewesen, Kaibas Verhalten zu ändern und ihm beizubringen, dass er mehr auf die Menschen in seiner Umgebung achten musste, wäre die Beziehung zwischen ihm und Mokuba nicht so schlecht gewesen. „Mutou-san. Was ist wichtig um Ihren Gegenüber von ihrer Meinung zu überzeugen?“ Yuugi errötete und schämte sich, weil er gedanklich ganz wo anders war. „Vertrauen in sich selbst zu haben und in seiner Meinung bzw. dem Produkt, das man verkaufen will.“ Der Coach wirkte nicht zufrieden, was Yuugi verwunderte. War seine Antwort wirklich so schlecht? Immerhin hatte er die ganze Zeit aufgepasst, nur für einen Moment hatte er sich ablenken lassen, aber im Prinzip hatte er genug mitbekommen, um zu wissen, worum es gerade ging. „Dieses Vertrauen ist wichtig, das stimmt. Doch Selbstvertrauen wächst nicht über Nacht. Selbstvertrauen bedeutet, dass man sich frei entfalten kann und die einem zustehenden Rechte in Anspruch nimmt, aber auch, dass man seinen Gegenüber respektiert. Es bedeutet auch, sich selbst in Kontrolle zu haben und hinter seinen Entschlüssen stehen zu können ohne hinterher ein schlechtes Gewissen zu haben.“ „Und wie kann ich es schaffen, dass ich nun selbstbewusster werde?“ „Mutou-san. Finden Sie sich selbst sexy?“ „W-was?“, stotterte Yuugi und fiel aus allen Wolken. Natürlich nicht! Aber er war auch nicht hässlich, andererseits war er aber auch nicht gerade das, was man als Norm bezeichnete. Sein Körper war viel zu klein, seine Beine zu schmal und sein Gesicht viel zu feminin und außerdem gab es sicher noch hunderte andere Dinge, die er jetzt hätte aufzählen können, wenn der Coach seine Gedanken nicht unterbrochen hätte. „An erster Stelle fehlt es Menschen wie Ihnen nicht nur an Selbstvertrauen sondern auch an einem gesunden Selbstwertgefühl. Das kann viele Gründe haben, meist aber die Angst vor dem Versagen oder andere zu enttäuschen.“ Yuugi antwortete nicht und versuchte wieder auf klare Gedanken zu kommen. „Ich möchte, dass Sie alle eine Liste machen von den Dingen, die Ihnen widerfahren sind und über die Sie bis heute nachdenken. Über all Ihre Fehler, Ihre Misserfolge und wo Sie falsche Entscheidungen getroffen haben. Diese schlechten Gedanken richten großen Schaden an, aber es ist wichtig, sich diesen zu stellen und daraufhin zu sehen, dass man nicht nur Schlechtes getan hat.“ „Sobald Sie dies getan haben, erstellen Sie eine weitere Liste, wo Sie die Dinge aufschreiben, die Sie an sich selbst mögen. Dinge, auf die Sie stolz sind und schöne Erfahrungen in Ihrem Leben, die Sie bereichert haben. Die erste Liste entsorgen Sie dann.“ „Warum sollen wir uns dann überhaupt die Mühe machen eine Liste zu machen, wenn wir sie eh wegwerfen sollen?!“ Yuugi horchte auf, als diese Frage von einem anderen Teilnehmer kam. Er kannte die Antwort schon. Es war ein Symbol dafür, dass man bereit war, seine Vergangenheit und seine Fehler hinter sich zu lassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)