Spherium von Yuugii (Kaiba/Yuugi) ================================================================================ Kapitel 9: Kapitel 9 -------------------- „Yuugi. Was bedeutet es, glücklich zu sein?“, wollte er dann von diesem wissen. Er brauchte keine Antwort. Die gab es nicht. Er hielt nichts von diesem esoterischen Mist oder davon, dass die kleinen Dinge im Leben einen bereicherten. Es gab einfach keine Antwort, die ihn zufriedenstellte. Das lag daran, dass sich Kaiba nie die Frage gestellt hatte, ob er glücklich oder unglücklich war. Mokuba war unglücklich. Unzufrieden. Kaiba hatte es nicht bemerkt und das machte ihn wütend. Ha. Was hieß hier, er hatte es nicht bemerkt? Wie Mokuba es passend ausgedrückt hatte: er hatte nie Zeit. Keine Zeit, um über sich selbst nachzudenken, geschweige denn über seinen Bruder. Mokuba war 19 Jahre alt. Alt genug, um zu reflektieren und eigene Schlüsse zu ziehen. „Kennst du die Antwort wirklich nicht?“ Er legte den Kopf schief. „Gibt es denn eine richtige Antwort?“ „Nein. Ich glaube, dass glücklich sein bedeutet, dass man mit sich selbst zufrieden sein kann und keine Angst haben muss. Ich bin froh, dass ich Menschen in meinem Leben gefunden habe, die meine Leidenschaft für Spiele teilen. Menschen, die mir gerne zuhören und für mich da sind.“ „Ich war nicht für ihn da. Du hattest Recht. Ich laufe vor meinen eigenen Schwächen davon.“ »Zerstöre die Vergangenheit und die Zukunft wird erschaffen.« Das waren seine eigenen Worte. Worte, die er wie ein Mantra immer und immer wieder wiederholt hatte, nur um nicht an seinen Peiniger zu denken, der ihn umerzogen hatte und so sehr erniedrigt hatte, dass er Glück nur in Zerstörung empfinden konnte. „Seto! Du bist unachtsam!“, brüllte die laute und strenge Stimme hinter ihm und er spürte den harten Schlag in seinem Gesicht. Gozaburou wollte ihn zum nächsten Firmenleiter erziehen. Er brauchte einen würdigen Nachfahren, der in der Lage war, das Wissen, das ihm vermittelt wurde, nicht nur auswendig zu lernen, sondern so sehr zu verinnerlichen, dass er dies problemlos in jeder Lebenslage anwenden konnte. Eigentlich konnte er von Glück sprechen, dass er bei dieser Charity Veranstaltung teilgenommen und gegen dieses Kind verloren hatte. Hätte ja niemand ahnen können, dass unter diesen verlausten und verwahrlosten Heimkindern ein Kind steckte, das überdurchschnittlich intelligent war und seine harte Ausbildung tatsächlich überstand, ohne sich dabei heulend auf den Boden zu werfen und zu krepieren. Der Stolz dieses Jungen war groß und es würde ihm viel Zeit kosten, diesen Willen zu brechen und den perfekten Nachfolger zu erschaffen. Als er merkte, dass der Junge an einer Aufgabe kurz haderte, schlug er ihm mit voller Kraft mit der Gerte auf die Finger, so dass dieser zusammenzuckte. Er schrie nie. Er weinte nie. Er jammerte nie. Absolut perfektes Material. Seto hatte verstanden, was es bedeutete, ein ungewolltes Kind zu sein. Wenn die Eltern einen nicht wollten, musste man um das Recht zu leben, kämpfen. Wenn die Gesellschaft einen ablehnte, musste man beweisen, dass man es wert war, ein Teil von dieser zu sein. Die Zweifel des Jungen und sein stark ausgeprägter Beschützerinstinkt seinem kleinen Bruder gegenüber waren perfekter Nährboden. „Seto! Wenn du Aufgaben wie diese nicht innerhalb weniger Sekunden lösen kannst, wirst du es niemals zu etwas bringen. Du musst schnell sein. Lass dich von elendigen Gefühlen nicht ablenken, ansonsten wirst du in der Gosse enden und dort verrotten!“, keifte er und schlug einmal mehr zu. Der Junge nickte, sagte aber kein Wort. Ihm lief Blut über das Gesicht und die rote Flüssigkeit tropfte von seinem Kinn, landete direkt auf seinen Unterlagen. „Bist du etwa aufmüpfig?“, murrte der Alte mit der Gerte und schlug mit dieser in seine offene Handfläche, was beim Aufprall ein dumpfes Geräusch auslöste. Dieses Geräusch ließ dem Jungen das Blut in den Adern gefrieren. „Ich habe verstanden, Kaiba-sama!“, sagte er laut und deutlich und setzte mit dem Stift an, rechnete die komplizierten Formeln ohne Hilfe in kürzester Zeit. „Heute gibt es kein Abendessen für dich. Du denkst wohl, du kannst dir alles erlauben, hm?“ „Nein, Kaiba-sama. Ich werde alles tun, was Sie von mir verlangen!“ „Brav. Sei weiter so fleißig, dann passiert Mokuba auch nichts. Seto. Verlierer sterben. Wenn du nicht der Beste in allem bist, bist du wertlos. Niemand will ein dummes und unnötiges Kind wie dich. Es wäre besser gewesen, deine Mutter hätte dich niemals zur Welt gebracht. Aber ich, Gozaburou Kaiba, bin dein Retter. Ich liebe dich wie meinen eigenen Sohn, deshalb verstehst du sicher auch, dass ich so streng zu dir sein muss, damit etwas Anständiges aus dir wird.“ „Ihr habt Recht, Kaiba-sama.“ „Trotzdem bekommst du heute nur eine Tasse Tee zum Abendessen. Du musst lernen, dass du direkt zu antworten hast, wenn man mit dir spricht. Du darfst nicht zu lange nachdenken. Wer zögert, zeigt Schwäche.“ „Verstanden, Kaiba-sama.“ Die Antwort des Jungen kam wie aus der Pistole geschossen. Er wollte seinen Bruder nicht in Gefahr bringen. Er musste ihn beschützen. Er war doch alles, was er noch hatte. Wenn er die Ausbildung von Kaiba überleben wollte, musste er lernen folgsam zu sein. Befehlen blindlings zu gehorchen und das zu verinnerlichen, was ihm gesagt wurde. Langsam aber sicher glaubte er tatsächlich, dass das, was sein Stiefvater ihm sagte, richtig war. Nur wenn er so wurde, wie dieser Mann es von ihm verlangte, würde er in der Lage sein, ein gutes Leben zu führen und seinem Bruder wahres Glück zu bringen. Obwohl er schnell geantwortet hatte und die weiteren Formeln ohne Probleme löste, schlug Gozaburou ihn erneut mit der Gerte. „Deine Handschrift ist erbärmlich! Dabei lernst du bereits seit zwei Wochen die Kunst der Kalligraphie. Seto, das ist nicht gut genug. Bis übermorgen musst du dies verinnerlicht haben, ansonsten weißt du, was dir blüht.“ „V-verstanden, Kaiba-sama.“, kam es von dem Jungen, der antwortete wie ein erzogener Soldat. „Stottern ist ein Zeichen von Schwäche, Seto.“ Noch ein Schlag. Und noch einer. Er schmeckte sein eigenes Blut, aber kein einziges Mal schrie er auf oder beschwerte sich. Als seine Mathematikstunde vorbei war und Gozaburou sich zum Abendessen verzog, atmete er tief ein. »Moki...«, waren seine einzigen Gedanken, dann taumelte er ins Badezimmer, um sich das Blut abzuwaschen. Er durfte seinen Bruder nicht sehen. Er sollte erst Erfolge vorweisen können. Seto fühlte sich einsam und er wusste nicht, ob er seinen Bruder jemals wiedersehen würde. Die Hoffnung, dass sie sich eines Tages wiedersehen würden und sie gemeinsam lachen konnten, war alles, was ihm blieb. Gozaburou ahnte nicht, dass er sich seinen eigenen Konkurrenten großzog und dass dieser eines Tages ihm seine Firma wegnehmen und komplett umstrukturieren würde. Im Laufe der Zeit wuchs Kaibas Hass. Sein Zorn. Doch er hatte gelernt, nichts davon zu zeigen und seinem gönnerischen Stiefvater, dem er sein Leben verdankte, bedingungslosen Gehorsam zu zeigen, sich niemals etwas anmerken zu lassen und stets alle Befehle zu befolgen. Mokuba entfernte sich von ihm. Sein Ziel verlor er aus den Augen. Seto verlor sich selbst. Er hatte es Atem zu verdanken, dass er in der Lage war, aus der Spirale des Hasses auszutreten. Dass dieses Monster ihn immer noch gefangen hielt, wollte er selbst nicht glauben. Denn er wollte sich niemals mit der Vergangenheit konfrontieren. Sie wegschließen. Doch ihm wurde klar, dass die Vergangenheit ihn festhielt und ihm Angst machte. Dass er von selbst nicht in der Lage war, das zu überwinden, was ihn so sehr einnahm und bis heute sein Leben bestimmte. Er hatte Mokuba nie von den Misshandlungen erzählt. Sie hatten sich nur selten gesehen. Wenn Gozaburou eine Feier besuchte, nahm er seine beiden Kinder mit, nur um in den Medien das Bild eines wunderbaren Mannes vor zu heucheln, der trotz seiner Waffen an Frieden und Liebe glaubte. Diesen Mann, den er in den Medien mimte, gab es nicht und hatte es auch nie gegeben. Kaiba hatte die Gala Abende geliebt, denn sie bedeuteten, dass er seinen Bruder wiedersehen konnte – auch wenn sie nicht miteinander reden durften – und dass er eine Woche vor diesen keine Schläge oder sonstige Misshandlungen zu fürchten brauchte. Er war froh, dass Mokuba bis heute unbehelligt von all dem, was sein Leben und seinen Charakter geprägt hatte, aufwachsen konnte. Gerade weil er seinem Bruder nie die Wahrheit gesagt hatte und diese tief in sich einschloss, fiel es ihm so schwer, andere Menschen zuzulassen oder mit diesen zu agieren. „Kaiba-kun. Lass uns zusammenarbeiten, aber nicht nur, um Spherium zu vollenden, sondern um an unseren Persönlichkeiten zu wachsen. Du sagst, dass ich skrupelloser werden muss und du möchtest, dass Mokuba dich nicht zurücklässt. Ich denke, wir können uns gegenseitig dabei helfen.“ „Yuugi...“, sagte dieser nur. Dass Yuugi ihm näher gekommen war und nur wenige Zentimeter von ihm entfernt stehen blieb, hatte er nicht mitbekommen. Er wollte nicht, dass ausgerechnet Yuugi seine Schwächen sah. Niemand sollte sie sehen. Die Narben auf seiner Seele. Obwohl Kaiba ihm keine Antwort gab, war sich Yuugi sicher, dass dieser zugestimmt hatte und dass dieser Vertrag – dass Spherium – ihnen beiden helfen würde, ihre Probleme zu überwinden. Yuugi war zurückhaltend, schüchtern und oftmals viel zu unterwürfig. Während Kaiba kein Blatt vor den Mund nahm, gerne provozierte und pure Dominanz ausstrahlte. Er war jemand, vor dem man sich fürchtete und das wusste dieser selbst am besten. Er spürte es ja jedes Mal, wenn er mit seinen Angestellten sprach oder nur an ihnen vorbeiging. „Wir treffen uns nächste Woche noch mal. Ich werde auch daran denken, dass du keinen schwarzen Kaffee trinkst.“, kam es von dem Firmenleiter und Yuugi starrte ihn nur an. „Ehehehehe...“, lachte Yuugi peinlich berührt und kratzte sich an der Wange. War ja klar, dass dem scharfsinnigen Kaiba so etwas nicht entging. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)