Spherium von Yuugii (Kaiba/Yuugi) ================================================================================ Kapitel 7: Kapitel 7 -------------------- Erst am nächsten Morgen sah er Kaibas Notierungen auf seinem Entwurf und wie er einige Linien ausgebessert hatte. Als er die Worte seines größten Rivalen las, konnte er nicht anders, als einmal laut zu schniefen. Kaibas Schrift war wunderschön und erinnerte ihn mehr an ein Kunstwerk, so dass er sich etwas für seine eigene erbärmliche Handschrift schämte. Dass Kaiba sich die Mühe gemacht hatte, seinen Entwurf zu verinnerlichen und ihm auch noch ein Treffen anbot, um ihm bei seinem Herzenswunsch zu helfen, machte ihn sentimental. Yuugi hatte nie daran gezweifelt, dass Kaiba tief in seinem Inneren ein guter Mensch war. Jemand, der sich um andere sorgte und bereit war, für seinen geliebten Bruder den Tod zu wählen, wenn er ihn damit beschützen konnte. „Ach ja, und du sollst mehr Ordnung halten.“, kam es spöttisch von seinem Großvater, der ein freches Grinsen im Gesicht hatte und die Arme verschränkte. Yuugi murrte leise vor sich hin und schnürte seine Schuhe zu. Obwohl es nur ein Treffen war und er nicht einmal wusste, ob Kaiba ihm wirklich bei seinem Projekt helfen wollte, hatte er sich ungewöhnlich herausgeputzt. Eine weiße Bluse, eine violette Weste und eine dunkle beinahe schwarze Jeans, die seine schlanken Beine betonte und es ihm erlaubte, sich schnell zu bewegen. Nicht, dass er weglaufen wollte. Vor allem nicht vor Kaiba. Wenn es etwas gab, das Kaiba nicht ausstehen konnte, dann war es Schwäche und Menschen, die sich vor Herausforderungen versteckten, anstatt sie zu bewältigen. So viel wusste er von dem Brünetten und vielleicht war es auch genau diese Einstellung, diese Unerschütterlichkeit, die der Firmenchef nach außen hin zeigte, die ihn so sehr faszinierte und dazu inspirierte, niemals aufzugeben und um seine Wünsche zu kämpfen. Yuugi erinnerte sich daran, wie sein Dozent über ihn lachte, als er ihm von seiner etwas anderen Idee erzählte. Ein Spiel, das an Schach und Capsule Monsters erinnerte, wo es das Ziel des Spielers war, die gegnerischen Lebenspunkte mithilfe von ausgeklügelter Strategie zu senken und so das Match für sich zu gewinnen. Ähnlich wie in Dungeon Dice Monsters wollte Yuugi, dass das Spielbrett – eine Kristallkugel die an eine altertümliche Sphäre erinnerte – in verschiedenen Vektoren aufgeteilt wurde, die der Spieler für sich beschlagnahmen musste, um so einen Weg zum Kontrahenten zu schaffen. Kaiba hatte ihm eine Nachricht hinterlassen, die besagte, dass er die Regeln überarbeiten musste und diese klar verständlich umschreiben sollte, so dass man diese schnell verstand, aber sich dennoch einleben musste. Dass dieses Beschreiben eine seiner Schwächen war, wusste Yuugi zu gut. Er hatte viele Ideen und er hatte sich viele Gedanken gemacht, wie der Spielablauf sein sollte, dennoch hatte er selbst auch das Gefühl, dass irgendetwas fehlte und der Entwurf noch lange nicht fertig war. Yuugi hatte sich gewünscht, dass Kaiba ihm half. Sie beiden liebten Spiele. Sie waren eben echte Gamer und jemand wie Kaiba, der ihn immer wieder herausforderte und eine wahre Bedrohung für seinen Titel darstellte, gab ihm Kraft und Motivation, um seine eigenen Spiele zu entwickeln. In gewisser Weise war der Firmenchef Yuugis Vorbild. Langsam kam er dem Firmengelände näher und atmete noch einmal tief durch. Sofort fiel ihm die edle und äußerst teuer aussehende Einrichtung im Eingangsbereich auf. Selbst die Töpfe der Pflanzen sahen kostspielig aus. Yuugi wunderte sich, ob die Töpfe aus Marmor waren. Ungewollt warf er einen Blick auf den Boden. Eindeutig Marmor. Schwarzer Marmor. Der Boden sah aus wie frisch gebohnert. Er konnte sein eigenes Spiegelbild in diesem erkennen und fühlte sich etwas unwohl, da er sich so verloren in all diesem Reichtum fühlte. Kaiba schien die Kombination aus Schwarz, Gold und Weiß zu mögen. Beim genauen Hinsehen konnte Yuugi erkennen, dass die dunklen Wände leicht im Licht schimmerten und wohl mit Goldstaub versehen waren. Die Rezeptionistin starrte ihn bereits eine ganze Weile an, doch er war so sehr damit beschäftigt, seine Umgebung zu betrachten, dass er dies nicht mal bemerkte. Als diese sich dann mehrmals laut räusperte, schreckte Yuugi auf und warf ihr einen fragenden Blick zu. Im Moment erinnerte er wohl mehr an einen Welpen, der nach Hilfe bettelte als an einen zukünftigen Geschäftspartner. Die Frau sagte dazu glücklicherweise nichts weiter und wies ihn dazu an, den Fahrstuhl in den obersten Stock zu nehmen, da Kaiba-sama bereits auf ihn wartete. Yuugi staunte nicht schlecht, als die Frau ihren Chef ganz normal mit '-sama' ansprach. War es etwa unverschämt von Yuugi gewesen, dass er den Brünetten immer noch beim gängigen '-kun' ansprach? Er überlegte fieberhaft, wie er Kaiba am besten gleich anreden sollte. Er wollte nicht unterwürfig erscheinen, da er genau wusste, dass dieser ihn dann nicht mehr ernst nehmen und sich auch noch über ihn lustig machen würde, aber er wollte auch nicht zu freundschaftlich an die Sache herangehen. Er fuhr mehrere Minuten im Fahrstuhl. Genügend Zeit, um über dieses Dilemma nachzudenken. »Wenn ich 'sama' sage, wird er vielleicht sogar sauer. Und 'san' ist so ungewohnt. Wenn ich 'kun' sage, denkt er, dass ich ihn nicht ernst nehme... Arg, was tun? Hätte ich doch nur Katsuya um Rat gefragt!«, dachte er und verzweifelte leicht an diesen Gedanken. Er zuckte zusammen, als ihm eine elektronische Stimme die Etage verkündete. Jetzt war nun wirklich keine Zeit, um sich über so einen Kleinkram den Kopf zu zerbrechen. Atem hätte ihn sicher dasselbe gesagt und ihn dazu geraten, Kaiba bloß nicht denken zu lassen, dass er etwas Besseres wäre. Es wäre wichtig, dass man Kaiba auf selber Augenhöhe begegnete und seinem Ego Paroli bot, wenn man von ihm ernst genommen werden wollte. Auch wenn Yuugi nun älter war und viel mehr Selbstvertrauen hatte und sich seiner nicht gerade schämte, so hatte er immer noch arge Probleme, sich solchen Persönlichkeiten wie Kaiba dominant gegenüber zu verhalten. Yuugi fand nicht, dass er sich verstecken musste, aber gewisse Minderwertigkeitskomplexe fesselten ihn bis heute. Er war einfach viel zu zurückhaltend und achtete etwas zu sehr darauf, sich den Menschen in seiner Umgebung anzupassen, um bloß nicht aufzufallen. Mit Mokuba hatte er über seine Schüchternheit geredet. Wusste Kaiba auch davon? Wie sehr Yuugi sich genierte, das zu sagen, was er sagen wollte und stattdessen lieber Konflikten aus dem Weg ging? Vor der Bürotür angekommen, blieb er einige Minuten stehen, um sich wieder zu sammeln und sich selbst dazu zu ermutigen, jetzt bloß keine Angst oder falsche Scheu zu zeigen. »Du musst dich nicht verstecken! Yuugi, du kannst das! Kaiba ist auch nur ein Mensch!«, sprach er sich selbst gut zu und legte eine Hand auf seine Brust, in der Hoffnung, dass auch sein Herz wieder langsamer schlug und ihm die Nervosität nicht anzusehen war. „Komm endlich rein, Yuugi!“, hörte er plötzlich eine laute Stimme, die ihn so sehr erschrak und aus der Bahn warf, dass er beinahe umgefallen war. Fragend sah er sich um und versuchte herauszufinden, wer ihn angesprochen hatte. Es handelte sich um den Lautsprecher. Kaiba befand sich wohl in seinem Büro und wartete darauf, dass dieser endlich eintrat. Erst jetzt bemerkte Yuugi auch die Überwachungskamera über ihn, die jeden seiner Schritte verfolgte und dem Firmenchef verriet, dass Yuugi wie angewurzelt vor der Tür stand und sich nicht traute endlich anzuklopfen. Dem Firmenchef musste der Geduldsfaden gerissen sein. Anstatt, dass Yuugi, wie von Kaiba bereits gefordert, die Tür öffnete, sah er die Kamera mit großen Augen an. Es waren nur wenige Sekunden vergangen. Zeit, die Kaiba nicht mehr opfern wollte. „YUUGI!“, wiederholte die Stimme noch mal. So laut und fordernd, dass Yuugi sich sofort wieder fasste, an die Tür klopfte und brav darauf wartete, dass er hineingerufen wurde. Dass Kaiba dies bereits indirekt getan hatte, kam ihm gar nicht in den Sinn. Dieser knurrte und antwortete dann äußerst genervt: „Komm rein!“ Yuugi tat wie ihm geheißen und sah ihn an, als hätte er den Teufel persönlich vor sich sitzen. Kaiba saß an seinem Schreibtisch, seine Augen wurden durch seinen etwas zu langen Pony so verdeckt, dass sein Gesichtsausdruck finster wirkte und Yuugi das Gefühl hatte, dass er sich in einer Position befand, in der er Ehrfurcht zeigen musste. Seine Beine fühlten sich auf einmal so weich wie Pudding an und er umkrallte den Umschlag in seinen Händen, um sich selbst daran zu hindern, zu zittern. Seine Hände wurden feucht und er biss sich auf die Unterlippe, um sich selbst davon abzuhalten, etwas Dämliches zum Besten zu geben. Obgleich er versuchte, seine Nervosität zu verstecken, so war sie ihm so deutlich anzusehen, dass selbst Kaiba Erbarmen hatte und seine sonst so finstere Miene sich erhellte und er ihn darum bat, Platz zu nehmen. „Uhm...“, begann Yuugi stotternd. Kaiba wusste von Mokuba, dass Yuugi nicht gerade zur der Sorte Mann gehörte, die sofort zum Punkt kam und einen direkt und unverhohlen ansahen. Vielleicht war das auch genetische Veranlagung, da sein Großvater, Sugorokou Mutou, auch schnell vom Thema abschweifte. Yuugi wandte seinen Blick gen Boden, seine Hände zitterten leicht und Kaiba konnte aus seiner Stimme heraushören, wie unsicher dieser war. „Also... ehm... Kaiba-kun“, setzte er wieder an, rügte sich selbst für seine Wortwahl und fing von vorne an. Wieso kam er jetzt auf die Idee ausgerechnet 'kun' zu sagen, wo es sich doch hierbei eindeutig um ein ernstes Gespräch handelte? Am liebsten hätte er sich im nächsten Mauseloch verkrochen und wäre nie wieder raus gekommen. „Ich meine Kaiba-sama“, sprudelte es dann aus ihm heraus. Kaibas Reaktion darauf war so deutlich, dass man sie einfach nicht übersehen konnte. Verständnislos zog er die Brauen hoch, lehnte sich in seinem Bürostuhl zurück und seufzte, womit er Yuugi nur noch unsicherer werden ließ, so dass dieser wieder von vorne anfing und entschuldigend den Kopf vorneigte. Kaiba hatte immer gewusst, dass Yuugi und Atem in ihrer Persönlichkeit nicht unterschiedlicher sein konnten, aber damit, dass der echte Yuugi so schüchtern war, hatte er nicht gerechnet. „Kaiba-san...?“, kam es dann beinahe fragend von Yuugi, der nun resigniert den Kopf senkte und sich versuchte wieder zu fassen. Mit Kaiba Seto, dem wohl meist gefragten Mann der Welt, in einem Raum und dann noch so eine wichtige Angelegenheit, die geklärt werden musste und das einzige, das ihm einfiel war, sich bis in die Knochen zu blamieren. Na toll. Gut gemacht. Das gab ein Fleißsternchen. „Yuugi, komm wieder runter. Ich schätze es, dass du mich ernst nimmt, aber das ist zu viel des Guten. Nenne mich so, wie du mich sonst auch immer nennst. Es gibt keinen Grund, sich zu verstellen.“ Yuugi atmete tief ein und lauschte seinem Herzschlag, befahl seinem Herz sofort langsamer zu schlagen, hob dann seinen Kopf wieder und blickte dem Brünetten direkt in die Augen. Seine Wangen waren leicht gerötet. Bereits in der Schule hatte Yuugi Probleme damit gehabt, seine Gedanken offen kundzugeben und es war der Pharao, der ihm mehrmals gesagt hatte, dass er dringend üben musste vor großem Publikum zu sprechen, wenn er seine Schüchternheit überwinden und ein normales Leben führen wollte. Da dies Atems Rat war, hatte er sich freiwillig dazu gemeldet, die Rede bei ihrer Schulabschlussfeier zu halten und zu seinem eigenen Erstaunen hatte dies besser geklappt als zu Anfang gedacht. Das hatte er natürlich auch Katsuya, Anzu, Honda, Bakura und Otogi zu verdanken, die jedes Mal, wenn er wieder anfing zu stottern oder dabei war, den Mut zu verlieren, ihn ermutigten und ihm Beifall klatschen oder gar wie in einem Fußballstadion laut pfiffen, um ihn von seinen Bedenken abzulenken. Das war nun acht Jahre her und seitdem hatte er es vermieden, vor großen Menschenmengen zu sprechen. Kaiba hatte aus Rücksicht auf ihn ihre Duelle stets so arrangiert, dass sie allein im Duel Dom waren und niemand sie stören konnte. Während seines Studiums war es für Yuugi nie notwendig geworden, große Referate zu halten und wenn er welche hielt, dann meist vor kleinen Gruppen und bekannten Gesichtern, die ihm etwas Sicherheit gaben. Da es sich bei diesem Gespräch mit Kaiba jedoch um seinen Herzenswunsch, sein Projekt, an dem er bereits seit mehreren Jahren tüftelte, handelte, war er jedoch umso aufgeregter. Was wäre, wenn Kaiba sein Spiel für total dumm halten würde? Das würde Yuugis Selbstvertrauen pulverisieren und vielleicht hatte Kaiba bei seinen Notizen sogar Rücksicht genommen, um nicht seine Gefühle zu verletzen. Obwohl er gefasst wirkte, hatte Yuugi tausende von Fragen und Zweifel, die ihn plagten und dazu brachten, sich selbst in Frage zu stellen. War das, was er tat, wirklich gut genug? War er bereits weit genug, um selbst Spiele zu schaffen? „Yuugi, kommen wir zum Punkt. Spherium ist phänomenal.“ Angesprochener sah ihn nur perplex an. War das nun im guten oder im schlechten Sinne gemeint? Kaiba musste instinktiv gespürt haben, dass Yuugi seine Worte nicht richtig zu interpretieren wusste, weshalb er sich nun wieder nach vorne lehnte, seine Ellbogen auf dem Schreibtisch abstützte und seine Hände so faltete, dass er sein Kinn auf diesen ablegen und immer noch herausfordernd grinsen konnte. Dieses Grinsen verunsicherte Yuugi etwas, aber er glaubte daran, dass Kaiba ein guter Mensch war und dass man ihm vertrauen konnte. Für einen Moment legte er alle Zweifel und Sorgen ab und fand sein Selbstbewusstsein wieder. „Inwiefern? Findest du es gut genug, um mich zu unterstützen, Kaiba-kun?“ »Endlich hat er sich beruhigt...«, schoss es Kaiba durch den Kopf und er ließ sich den Spaß nicht nehmen, seinen Rivalen ein bisschen zappeln zu lassen. „Sag du es mir. Ist Spherium gut genug, dass die KC Geld hinein investiert? Bist du überzeugt von deinem Spiel?“ Yuugi schluckte. War Spherium ein gutes Spiel, das mit den hohen Standards und Erwartungen der KC mithalten konnte? In seinem Kopf herrschte wildes Durcheinander. Er liebte Spiele und über Spherium hatte er sich jahrelang Gedanken gemacht. Tag ein und Tag aus hatte er überlegt und sehr viel Zeit in den Entwurf gesteckt. Keine andere Firma wollte ihn und seine Idee haben. Sein Spiel, das er zu gern eines Tages vollendet sehen wollte. Zu unkonventionell, nicht massentauglich, hieß es. Zu kompliziert. Zu anstrengend und langatmig. Da könnte man doch genauso gut Dungeon Dice Monsters spielen. Oder Capsule Monsters. Oder Schach. Wo die Notwendigkeit aus Duel Monsters noch mehr rauszuholen und dieses Franchise bis zum Erbrechen auszuschlachten? Die Kritik, die Yuugi bekommen hatte, hatte ihn dazu gebracht, nicht nur an seinem Spiel, sondern auch an sich selbst zu zweifeln. Außer seinem Großvater und seinen Freunden hatte niemand Interesse oder gar Verständnis gezeigt. Katsuya unterstützte ihn immer. Auf ihn konnte er immer zählen und sie redeten über alles, was sie in ihrem Leben bewegte. Katsuya wusste mehr über ihn, als irgendjemand anders. Doch wenn es um Spiele ging, konnte dieser nicht mithalten. Katsuya liebte Duel Monsters und träumte immer noch davon, seinen Erzfeind Kaiba in einem Duell vernichtend zu schlagen und als Legende in die Geschichte einzugehen und auch so verbrachten die beiden viel Zeit in der Spielhalle oder zu Hause, wo sie dann gemeinsam Videospiele oder analoge Brett- und Kartenspiele spielten. Aber Spherium überstieg Katsuyas Verstand. Er machte ihm keinen Vorwurf. Niemals. Yuugi wusste selbst, dass die Regeln des Spieles dem Spieler selbst Köpfchen abverlangten und er wusste auch, dass Spherium immer noch in der Entwicklungsphase war. Für jemanden, der nicht in seinen Kopf schauen konnte, war es durchaus schwierig, das nachzuvollziehen, was Yuugi dachte. Was dieser sich für sein Spiel vorgestellt hatte. Also wollte er Katsuya damit nicht überfordern und hatte sich die letzten Monate etwas zurückgezogen, um seinen Traum zu verwirklichen und herauszufinden, was Spherium fehlte, damit es ein gutes Spiel wurde, das nicht nur ihn selbst, sondern auch Menschen weltweit begeistern konnte. Er wollte nicht das Franchise ausschlachten, sondern ein Spiel erschaffen, was nicht nur ihm Freude brachte. „Ja, das bin ich. Spherium wird ein Erfolg.“, sagte er dann mit fester Stimme. „Gute Antwort, Yuugi. Das sehe ich nämlich auch so.“, antwortete Kaiba und griff hastig zu einer seiner Schubladen, holte einen Block und einen weißen Kugelschreiber heraus, auf dem mit goldenen Schriftzeichen 'Kaiba Seto' eingraviert war. Der Mann hatte Stil, ging es Yuugi durch den Kopf und musterte seinen Gegenüber weiter, der auf diesen Block wortlos etwas aufschrieb, ohne den Kopf auch nur einmal zu heben. Gerade als Yuugi noch mal auf sich aufmerksam machen wollte, hob Kaiba den Blick und schob ihm den Block entgegen. Moment. Das war kein Block im Sinne von Notizblock, sondern ein Vertrag, wo Kaiba mehrere Häkchen gesetzt hatte und seine eigene Unterschrift drunter gesetzt hatte. „In deinem kleinen Jugendzimmer kannst du nicht arbeiten. Du brauchst einen richtigen Arbeitsplatz und Leute, die Ahnung vom Entwickeln und Programmieren haben. Mit meinem Hologrammsystem und meiner Technik sollte es dir viel leichter fallen, konzentriert bei der Arbeit zu bleiben.“ Yuugi sah den Mann vor sich einfach nur fassungslos an. Das musste ein Traum sein. Vielleicht hatte er am Abend doch zu viel getrunken und lag nun bewusstlos in einer Straßenecke? Dabei hatte er extra aufgepasst, nicht zu viel zu trinken, da er Alkohol generell nicht so gut vertrug und das Zeug auch so nicht sonderlich lecker fand. Der Umeshi war zwar lecker, da der Geschmack von Pflaumen überwog, aber auf das Brennen in der Kehle und den bitteren Nachgeschmack konnte er gut und gerne verzichten. Da trank er lieber Calpis oder Ramune, obwohl sein Großvater ihn sicher ausgeschimpft hätte, da zu viel Zucker ungesund wäre und er doch lieber Tee oder Wasser trinken sollte. Aber Mokuba zuliebe hatte er auch etwas getrunken, obwohl er beileibe kein Trinker war oder jemand, der gerne auf Feste oder in Kneipen ging. Da war er lieber zu Hause, saß auf dem Sofa und schaute seinen Lieblingsanime, nur um bei der nächsten Genkidama voller Spannung in seine Packung Teriyaki Kartoffelchips zu beißen und laut vor sich hin zu knuspern. „Yuugi, träum' nicht.“, ermahnte Kaiba ihn und hielt seinem neuen Geschäftspartner den Kugelschreiber vor die Nase. „Ich kann das doch nicht annehmen...“, stammelte Yuugi und nahm den Vertrag in die Hände. „Warum? Nimm dir ein Beispiel an Atem und zeig mal etwas Selbstbewusstsein. Weder du noch Spherium müssen sich verstecken.“ „Ich weiß, aber ich habe doch gar kein Geld und...“, brachte er heraus und erwischte sich selbst dabei, wie seine Augen langsam feucht wurden. Wieso waren da plötzlich Tränen? Vor Erleichterung, dass jemand sein Spiel gut fand oder vor Trauer, dass er sich nicht traute, dieses viel zu verlockende Angebot anzunehmen? „Yuugi, die Konditionen sind einfach. Ich unterstütze dich auf eigene Gefahr. Du zahlst gar nichts. Sollte Spherium doch ein Flop sein, habe ich mich geirrt und wir vergessen, was passiert ist. Sollte dein Spiel aber gut ankommen – und glaub mir, das wird es, da ich höchstpersönlich dies abgesegnet habe und alles, was ich anfasse zu Gold zu wird – kannst du mir die Entwicklungskosten zurückzahlen.“ „Kaiba-kun...“, murmelte Yuugi und schüttelte den Kopf. Jetzt bloß nicht anfangen zu heulen! Er war doch ein Mann und jemand wie Kaiba ließ sich nicht von Tränen beeindrucken. Er sollte jubeln und lachen, dass sein Wunsch endlich wahr wurde und nicht wie ein Kind schluchzen. Also ergriff er den Kugelschreiber und unterschrieb den Vertrag, ohne weiter über irgendwelche Konsequenzen nachzudenken. Er vertraute Kaiba. Sicher hatte dieser in der Vergangenheit so einiges getan, was nicht gut war, aber dieser eiskalte Mann aus der Vergangenheit existierte nicht mehr. Kaiba wollte ein wahrer Duellant sein und um dieses Ziel zu erreichen, musste er seinen Hass ablegen. Das hatte Atem selbst gesagt. Und auch Yuugi glaubte, dass seine traumatische Vergangenheit ihn daran hinderte, sich selbst zu entfalten und Gefühle zuzulassen. Kaiba war kein schlechter Mensch. „Danke.“ Ein warmes Lächeln lag auf Yuugis Lippen. Ein Lächeln, das Kaiba erwiderte. Dann erhoben sich beide von ihren Stühlen und verneigten sich leicht voreinander. „Im Übrigen gibt es noch eine weitere Voraussetzung.“ Yuugi hob den Blick und befürchtete bereits das Schlimmste. Wollte Kaiba, dass er den Kontakt zu seinen Freunden aufgab oder sich gar mit ihm duellierte? Letzteres wäre ja nicht so schlimm gewesen, aber allein der Gedanke, nicht mehr mit Katsuya oder seinen anderen Freunden Zeit verbringen zu können, machte ihn ganz schwermütig. „Solltest du deinen Arbeitsplatz, den ich dir übergebe, auch nur ansatzweise so verdrecken wie dein Zimmer, endet unsere Kooperation. Ist das klar?“ Yuugi wurde knallrot. Wie peinlich! Wie sollte er Kaiba denn jetzt noch ins Gesicht sehen? „V-verstanden...“, nuschelte Yuugi nur und hielt sich die Hände vors Gesicht. Kaiba grinste nur. Yuugi war es so offensichtlich anzusehen, dass er sich schämte, dass nicht einmal mehr Kaiba das Verlangen spürte, diesen weiter aufzuziehen. Entweder das, oder er wollte Yuugi nicht wieder in eine Situation bringen, wo ihm die Tränen sichtbar in den Augen standen und dieser panisch einen Ausweg suchte. Immerhin war es nicht so, dass er nicht gemerkt hatte, dass Yuugi Angst hatte. Blind war er immerhin nicht und so viel Einfühlungsvermögen beherrschte Kaiba gerade noch. „Gut, dann lass uns doch noch einen Kaffee trinken und wir reden über alles Weitere und die zukünftigen Abläufe.“ „Wie? Jetzt?“ Das Erstaunen in Yuugis Gesicht war ihm so deutlich anzusehen, dass Kaiba sich ärgerte. „Wann denn? Denkst du, ich hätte dich einfach so zwischen meine Termine geworfen und muss dich jetzt möglichst schnell raus scheuchen?“ „Nun, Mokuba sagte, dass du nie Zeit hättest. Deshalb dachte ich, dass wir uns beeilen müssen.“ Kaiba schluckte hart und für einen Moment verlor er sein Gleichgewicht. Für einen winzigen Moment ließ er seine verletzliche und ängstliche Seite durchscheinen. Einmal mehr wurde Yuugi bewusst, dass der Mann vor ihm ein Mensch war und kein perfekter Roboter, ohne Gefühle oder gar Fehler. Dass die Beziehung der beiden Brüder sich im Laufe der Zeit verändert hatte, war ihm nicht entgangen und auch die lauten Beschwerden Mokubas am Vorabend, hatten ihn in seiner Annahme bestärkt, dass sich langsam etwas ändern musste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)