Mr. Svensson von Coventina ================================================================================ Kapitel 28: Zwanzigster Teil ---------------------------- Nun wohl, du sollst bereit uns immer finden Und uns an dieser Farb' als Feind' erkennen, Die meine Freunde tragen dir zum Trotz. -          Shakespeare, König Heinrich VI. I. Teil   Eine Woche später hat sich so etwas wie Normalität eingeschlichen. Nach einem langen Telefonat mit meinen Eltern und meiner Schwester in Schweden, das sehr emotional gewesen ist und der Versicherung, sie so bald wie möglich zu besuchen, habe ich endlich eingekauft und mich wieder mit Lebensmitteln und Getränken eingedeckt. Ich gehe wieder regelmäßig Laufen – meistens mit Alexander und mein Haus ist grundgereinigt. Nicht nur, weil ich gefühlt jede Ritze geputzt habe, sondern auch, weil ein Team von Spezialisten mein Arbeitszimmer und mein Wohnzimmer von Wanzen und – wer hätte es gedacht – einer Kamera befreit hat. Eine weitere kleine Überwachungskamera befand sich in meinem Schlafzimmer und ich frage mich wirklich, welche Erkenntnisse Starrick dabei gewinnen wollte. Meine Gedanken driften in eine sehr eindeutige Richtung und ich beeile mich, sie wieder zur Ordnung zu rufen. Es ist schade, dass ich sein Gesicht nicht sehen konnte, als man ihm mitteilte, dass seine kleine Überwachungsaktion aufgeflogen ist. Ich bin sicher, er wird nicht sehr begeistert gewesen sein. Alexander schläft inzwischen wieder in seiner Wohnung. Der Friedhofsbesuch und die Aufräumaktion in seiner Wohnung haben ihm tatsächlich geholfen, sich der Realität etwas besser stellen zu können. Owen hat mich trotzdem gebeten, ein Auge auf ihn zu haben, denn da ist immer noch die Sache mit dem Gras. Es hilft Alexander dabei einzuschlafen, weil er sonst nicht zur Ruhe kommt. Ob es wirklich so viel besser ist als andere Beruhigungsmittel, ist schwer zu sagen. So oder so habe ich Owen versprochen, auf seinen Konsum zu achten. Ich möchte nicht, dass er weiter abstürzt, als das durch den Prozess ohnehin passiert ist. Nach dem streng getakteten Tag im Gefängnis habe ich Mühe, meinem Tag hier draußen eine ähnliche Struktur zu verleihen. Einerseits will ich all die Dinge tun, die ich ‚drinnen‘ nicht tun konnte: Fernsehen, Essen wann ich will, Joggen wann ich will, nackt durch die Wohnung laufen oder schlicht und ergreifend Zeit im Garten verbringen, wenn mir danach ist. Auf der anderen Seite muss ich zusehen, dass ich in einen anständigen Tag-Nacht Rhythmus finde, denn wenn ich in zwei Wochen wieder arbeiten gehe, wäre das von Vorteil. Am Ende ist es der Gedanke an die Arbeit, der mich in mein Büro treibt. Ich habe den Raum seit meiner Rückkehr gemieden, weil Owen dort die ganze Post gebunkert hat, die während meiner Gefängniszeit hier angekommen ist. Ich hatte ihm die Erlaubnis gegeben, sich um meine Rechnungen und Finanzen zu kümmern, denn es war unklar, wie lange ich einsitzen würde. Meine Eltern, vor allem meine Mutter, waren schockiert über die Festnahme gewesen und hatten vorgehabt, sofort zurück zu kommen, um das Haus in Stand zu halten und mich zu unterstützen, doch Owen konnte sie schließlich überzeugen, dass ihre Anwesenheit hier nicht helfen würde. Am Ende hätte Starrick meine Eltern bedrängt oder sie als Druckmittel eingesetzt und das hätten weder sie noch ich gebrauchen können. Also hat Owen sich gekümmert und da ich von meiner Zeit beim Militär noch ausreichend Rücklagen hatte, haben die sieben Monate kein unüberwindbares Loch in meine Finanzen gerissen. Vor allem in Anbetracht des Gehalts, das ich schon sehr bald wieder ausgezahlt bekomme. Ich verlasse das Büro noch einmal, genehmige mir ein großes Glas Whisky und lasse mich damit schließlich schwer in meinen Schreibtischstuhl fallen. Mein Rechner, der selbstverständlich von Starrick und seinen Schergen konfisziert worden war, ist mir im Laufe der Woche wieder ausgehändigt worden. Owen hat ordentlich Druck gemacht und nach dem Starrick den Ast auf dem er saß selbst abgesägt hat, war man mehr als kooperativ, was unser Arbeitsmaterial anging. Die gleichen Techniker, die meine Wohnung auf Wanzen gefilzt haben, haben auch dieses Gerät noch einmal überprüft und mir dann wieder ausgehändigt, so dass mein Schreibtisch ziemlich aufgeräumt aussieht – von den Stapeln Briefe einmal abgesehen. Vieles ist Werbung, die ich direkt in den Müll werfen kann, doch dazwischen verstecken sich auch andere Dinge. Zwei dicke braune Umschläge tragen den Stempel der Armee. Es sind die Dokumente, die Logans Tod betreffen. Ich nehme noch einen Schluck Whisky, dann öffne ich den ersten. Die nüchternen Zeilen verraten mir nicht viel über die tatsächliche Todesursache. Vermutlich werde ich davon auch in den anderen Briefen nichts lesen, denn ich bin zwar Logans Notfallkontakt, aber kein Angehöriger. Außerdem ist es fraglich, ob die Untersuchung des Vorfalls überhaupt schon abgeschlossen ist. Da es kein Selbstmord war, kann eine Untersuchung des Vorfalls bis zu einem Jahr in Anspruch nehmen. Wenn ich mehr über den Hergang erfahren will, muss ich also warten, oder jemanden fragen, der dabei war. Ich lege den Brief zur Seite und greife den nächsten. Er ist jüngeren Datums und enthält eine Bescheinigung darüber, dass Logans Habseligkeiten zur Abholung freigegeben wurden, und sie zu einem Stützpunkt meiner Wahl transferiert werden. Offenbar hat Logans Familie kein Interesse an den Sachen, oder aber Logan hat festgelegt, dass ich sie bekommen soll. Da ich weiß, dass ich mir mit der Abholung Zeit lassen kann, wandert auch dieser Brief zur Seite. Der Rest des Stapels besteht größtenteils aus geöffneten Rechnungen oder Abrechnungen meiner Bank. Ich überfliege sie nur grob, ehe ich mich im Stuhl zurücklehne. Ich weiß nicht was ich erwartet hatte, aber die Ausbeute ist vergleichsweise mickrig. Einerseits ist es beruhigend, hier draußen nicht zu viel verpasst zu haben, andererseits versetzt es mir einen Stich, wie sehr die Welt wohl auf meine Anwesenheit verzichten kann. Bei meinen E-Mails sieht es nicht viel anders aus. Allerdings ist mein Postfach bei weitem nicht so voll, denn ich hatte im Gefängnis die Möglichkeit, meine Mails zu checken. Ich überfliege den Spamordner und leere ihn schließlich, lösche die unzähligen Werbemails und starre dann für eine ganze Weile auf den Bildschirm, ohne genau zu wissen, was ich als nächstes anfangen soll. Mein Blick fällt auf einen Stapel von Gerichtsakten, den mir Owens Kanzlei in Kopie für meine eigenen Unterlagen zugesendet hat und mit einem erschreckenden Automatismus wandern meine Gedanken weiter zu Nathan Starrick. Der blauäugige Staatsanwalt hat es mit seinem Auftritt auf dem Friedhof endgültig geschafft, zu meinem Staatsfeind Nr. 1 zu avancieren und ich frage mich, ob das allwissende Internet nicht etwas zu seinem wenig ruhmreichen Ende zu sagen hat. Kurze Zeit später klicke ich mich immer ungläubiger durch unterschiedlichste Nachrichtenportale. Starricks Konterfeit ziert nicht nur eine Titelseite sondern mehrere. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wie groß die Wellen waren, die unser Fall geschlagen hat. Owen hatte ganz zu Beginn des Verfahrens gesagt, dass wir Interviews kategorisch ablehnen sollen, und ich hätte das auch getan, wenn ich denn eine Anfrage bekommen hätte. Es gab aber keine, die jemals zu mir durchgedrungen wäre. In beinahe jedem Artikel den ich lese, fällt der eigentliche Grund der Verhandlung, nämlich Rawlinsons Tod, unter den Tisch. Zentrales Thema ist der Kampf David zwischen Goliath, Staatsanwaltschaft gegen Rüstungskonzern, der wegen der Industriespionage zu jedwedem Mittel greift. Während Kriegsgegner flammende Artikel über die Narrenfreiheit von Großkonzernen schreiben, wettern Rüstungsbefürworter, dass der Konzern selbst nur bedingt etwas für die Dinge kann, die seine Mitarbeiter in ihrer Freizeit tun – und ich gebe ihnen Recht. Nicht weil ich prinzipiell auf ihrer Seite stehe, auch wenn es selbstverständlich die Konflikte der Welt sind, die mir meine Arbeit finanzieren. Nein, ich stehe auf ihrer Seite, weil General Dynamics rein gar  nichts mit dieser Sache zu tun hat. Was in dieser Nacht auf dem See passiert ist, betrifft nur mich, Alexander und Rawlinson. Dick oder seine Firma haben damit wirklich nichts zu tun, denn am Ende war es eine persönliche Sache zwischen drei Männern, die eben zufällig auch in der gleichen Branche arbeiteten. Natürlich interessiert das die Presse nicht im Geringsten. Stattdessen werden Alexander und ich zu Steigbügelhaltern des Teufels stilisiert, während Nathan Starrick als Ritter in leuchtender Rüstung den Kampf um Gerechtigkeit aufnimmt. Überall strahlen mir seine blauen Augen entgegen und je weiter ich scrolle, desto extremer wird der Personenkult um diesen Mann. Er gibt Interviews, nicht nur an Zeitungen und einschlägige juristische Fachzeitschriften, nein, auch an Klatschblätter. „Wer ist der gutaussehende Staatsanwalt, der sich gegen GD stellt?“ „In den Krieg mit Dolce & Gabbana – so sexy verteidigt Nathan Starrick Recht und Ordnung“ Verdammt anthrazit passt zu diesen blauen Augen aber auch wie Arsch auf Eimer. Ich überfliege den Artikel nur knapp und kann Starricks überhebliche Stimme regelrecht hören. Sein Einsatz für die Familie Rawlinson wird so selbstlos dargestellt, dass mir förmlich schlecht wird. Er hat wirklich keine Gelegenheit ausgelassen, sich zu profilieren. Einige Artikel verlinken Videos zu Interviews, die er direkt nach dem Prozessauftakt gegeben hat. Nichts davon habe ich mitbekommen, denn obwohl Journalisten während des Prozesses zugelassen waren, waren Bildaufnahmen im Gerichtssaal verboten. Da Alexander und ich stets durch einen Seiteneingang ins Gerichtsgebäude gebracht worden waren, haben wir den Andrang nie gesehen, den ich jetzt auf einigen Aufnahmen sehen kann. Um die Anfänge besser zu verstehen, suche ich spezifisch nach Artikeln aus der Anfangszeit des Prozesses. Sie zu finden ist gar nicht so leicht, denn der Auftakt der Verhandlung hatte noch keine derart große Resonanz gefunden. Erst nach und nach zerrt Starrick alles Mögliche ans Licht, um uns in den Augen der Öffentlichkeit – und damit auch in den Augen der Jury – zu diskreditieren. Der vorletzte Prozesstag wird in den Medien bereits zu einem Sieg stilisiert, Starrick als Triumphator über das vermeintliche Böse bezeichnet. Ich klicke auf das zugehörige Video, das eine Stellungnahme Starricks beim Verlassen des Gerichtssaales zeigt. Der vorletzte Prozesstag wird in den Medien bereits zu einem Sieg stilisiert, Starrick als Triumphator über das vermeintliche Böse bezeichnet. Ich klicke auf das zugehörige Video, das eine Stellungnahme Starricks beim Verlassen des Gerichtssaales zeigt. „Ich denke, ich spreche für uns alle, wenn ich sage, dass wir wesentlich beruhigter schlafen, wenn Mr. Svensson und Mr. Dreyfuß für immer hinter Schloss und Riegel kommen. Mit dem Urteil, das nach dem heutigen Verhandlungstag sicher zu unseren Gunsten ausfallen wird, ist der erste Schritt gemacht, General Dynamics und die korrupten Geschäfte dieses Konzerns für immer aus Kanada zu verbannen.“ Und mit dem Konzern alle seine Mitarbeiter ins sämtlichen Werken und Abteilungen.. Ich leere mein Glas mit einem entschiedenen Zug und stelle es zur Seite, ehe ich das Video wieder abbreche und die Seite schließe. Natürlich interessiert es Starrick nicht, dass an GD nicht nur fragwürdige Geschäfte hängen, sondern auch Arbeitsplätze in der Industrie. Dicks Firma – so ungern ich das auch zugeben will – ist einer der größten und besten Arbeitgeber im Umkreis. Durch den ausgezeichneten Umsatz und die enge Zusammenarbeit mit dem Militär zahlt die Firma ihren Mitarbeitern mehr, als in der Stahl- und Rüstungsindustrie Standard ist. Mit mehr Geld in der Tasche lässt sich das schlechte Gewissen auch etwas besser ignorieren. Ich springe zurück zu den aktuellsten Artikeln. Es ist kein Wunder, dass Starricks tiefer Fall ähnlich breit getreten wird, wie sein rasanter Aufstieg. Jeder Skandal ist ein gefundenes Fressen für die Presse und Helden können binnen Minuten zu Feindbildern mutieren. Tatsächlich titelt The Star, die wichtigste Tageszeitung Torontos, am Tag der Verfahrenseinstellung: „The district attorney falling of his high horse”* In der kurzen Zusammenfassung des Artikels ist weiterhin zu lesen: „Neue Beweise belegen die Unschuld der beiden angeklagten General Dynamics Ingenieure. Staatsanwalt Nathan Starrick verliert den Mammutprozess gegen den Rüstungskonzern auf Grund unsauberer Ermittlungsarbeit.“ Ich nage an meiner Unterlippe. Das ist definitiv Dicks Werk. Verständlicherweise will er den Ruf der Firma wiederherstellen. Dass es auf Starricks Rücken geschieht kann ich meinem Chef dabei nicht einmal übel nehmen. Nach allem was ich jetzt weiß, ergibt Dicks Hilfsbereitschaft und der für uns so entgegenkommende Vertrag noch mehr Sinn. Starrick hat sich mit seiner Herangehensweise wirklich Feinde gemacht. Sein Plan, es direkt mit Dick und General Dynamics aufzunehmen, war dann aber wohl doch zu ambitioniert oder zumindest nicht genügend abgesichert. Wieder scrolle ich durch die Bilder und fange seinen Blick ein. Er war sich einfach eine Spur zu sicher. Glaubte an einen schnellen, leichten Sieg mit mächtig Prestige. Er hatte alle Trümpfe auf seiner Seite: Das Motiv, die Tatsache, dass wir die letzten waren, die Rawlinson lebend gesehen hatten, die Industriespionage und der dem Treffen vorangegangene Streit. Die trauernde Familie, die Rawlinson zurücklässt. Die Presse, die sich nur zu willig auf den ‚bösen‘ Rüstungskonzern gestürzt hat. Trotzdem hat es nicht gereicht. Jetzt ist er derjenige, der alles verliert. Die perfide Befriedigung, die sich ob dieser Tatsache in mir breit macht, erinnert mich auf erschreckende Weise an das Gefühl auf dem schwankenden Boot. Die Erinnerung wabert durch mein Hirn und ich versuche sie zu fassen, doch es gelingt mir nicht. Stattdessen richtet sich meine Aufmerksamkeit auf ein Foto mit einem so vertrauten Gesicht darauf. Ich klicke auf den Link und kurze Zeit später habe ich den ganzen Artikel vor mir, der mir das Herz in die Hose rutschen lässt. Der Fall General Dynamics: Ist die russische Mafia in den Mordfall involviert? Unter der Überschrift prangt jenes Foto, das mich gerade dazu verleitet hat, den Artikel zu öffnen: Alexej, offenbar auf dem Weg ins Gericht, flankiert von zwei Polizeibeamten. Die Aufnahme muss am letzten Verhandlungstag entstanden sein, daran lassen die Blessuren in seinem Gesicht keinen Zweifel. Mit klopfendem Herzen überfliege ich den Artikel. … teilen sich seit sieben Monaten eine Zelle… mehrere körperliche Auseinandersetzungen… mehrere Verstöße gegen das Waffen- und Betäubungsmittelgesetz… Gefälligkeitsaussage?... GD schließt neuen Vertrag über Waffenlieferungen nach Russland einen Tag nach Prozessende… vorbestraft wegen ähnlich dubioser Geschäfte… Korruptionsverdacht erhärtet… Von meinem Nacken breiten sich nach und nach eisige Schauer über meinen Rücken aus und ich fahre mir mit einer Hand durchs Gesicht. Das Bild, das sich nach und nach vor meinem inneren Auge zusammensetzt, gefällt mir nicht. Die Vorstellung, dass Alexej oder seine Vorgesetzten tatsächlich mit General Dynamics Geschäfte gemacht haben und wir dabei Teil eines Deals waren – ganz gleich wie der ausgesehen hat – behagt mir ganz und gar nicht. Natürlich spuckt die Suche für ‚Alexej Marosov‘ keine brauchbaren Ergebnisse aus. Wie sagte Owen doch gleich? Der Kerl ist schlimmer als Teflon, an ihm bleibt nichts haften. Damit hat er wohl Recht. Ich lehne mich in meinem Stuhl zurück und starre auf das Foto, dass Alexej auf dem Weg ins Gericht zeigt. Noch bin ich nicht am Ende meiner Möglichkeiten angekommen. Dank Cal habe ich ein paar passable Tricks und Kniffe gelernt, wenn ich mehr über Leute herausfinden möchte, als die zunächst von sich preisgeben wollen. Doch ich mache mir in dieser Hinsicht keine Illusionen: Wenn die russische Mafia oder der Geheimdienst involviert ist, reichen meine Fähigkeiten nicht aus. Eher bricht mir der Versuch, mehr über Alexej herauszufinden, das Genick. Ich sollte es wohl einfach auf sich beruhen lassen und nach vorne schauen. Mich weder mit Starrick und seinem Schicksal beschäftigen, noch mit meinem ehemaligen Zellengenossen. Ich sollte froh sein, dass ich hier sitze, in meinem eigenen Haus. Mehr oder weniger frei das zu tun was ich will. In Anbetracht der Dinge, die in jener Nacht auf dem Boot geschehen sind, wäre das sicher das Klügste. Es ist wirklich eine zweite Chance und ich weiß, dass ich keine dritte bekommen werde. Trotzdem kann auch der Whisky das Gefühl nicht niederkämpfen, zu einer Schachfigur in einem größeren Spiel degradiert worden zu sein. Ein Spiel, in dem jeder nach seinen ganz eigenen Regeln spielt und jeder falsche Schritt bereits das Ende bedeuten kann. Ich hasse es, machtlos zu sein. Tatenlos zusehen zu müssen, wie sich die Dinge um mich herum entwickeln. Das gleiche Gefühl war es, das mich bei Rawlinson zur Unbesonnenheit verleitet hat und auch jetzt treibt es mich an, etwas an der Situation zu ändern. Wenn man bedenkt, wohin es mich das letzte Mal geführt hat, sollte ich es eigentlich besser wissen.   Der unnatürlich laute Gong meiner Haustürklingel verhindert, dass ich meine gerade wiedergewonnene Freiheit in blindem Aktionismus gefährde. Ich zucke so heftig zusammen, dass ich beinahe das leere Glas auf dem Tisch umstoße. Ein schneller Blick auf mein Handy zeigt, dass ich keine Nachricht erhalten habe. Alexander hätte mit Sicherheit geschrieben, wenn er vorgehabt hätte, hier aufzukreuzen. Auch Owen hätte sich angemeldet. Mit einem flauen Gefühl im Magen mache ich mich auf den Weg zur Haustür. Kurz überlege ich, einen Blick durch eines der schräg angelegten Küchenfenster riskieren, doch noch ist es hell draußen und der Besucher würde die Bewegung im Inneren des Hauses deutlich sehen. Ich habe also nur die Wahl mich totzustellen, oder die Türe zu öffnen. Mach dich nicht verrückt Arn. Was erwartest du? Ein Liquidierungskommando, geschickt von Starrick persönlich? Deine Phantasie treibt eindeutig zu wilde Blüten.. Ich straffe mich und öffne die Tür. Nicht zu weit, um sie im Zweifelsfall schnell wieder schließen zu können, aber weit genug, um sehen zu können, wer da vor meiner Tür steht. Das darf doch wohl nicht wahr sein… „Hey..“ Chey… „Da wäre noch eine offene Rechnung zu begleichen…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)