Mr. Svensson von Coventina ================================================================================ Kapitel 9: Achter Teil ---------------------- Auf jeden Fall seid nicht zu rau in Worten. Denn er ist stolz, ihn reizen harte Reden. -     Shakespeare, König Heinrich VI. – II. Teil Der nächste Tag kommt viel zu früh. Ich habe keine Ahnung, wie lange Alexej und ich auf dem Boden zugebracht haben. Der Russe hatte mich nach einer Weile wieder losgelassen und meinen Kopf zurück auf das Kissen gebettet. Erst als meine Gesichtsfarbe seiner Meinung nach wieder einen „normalen“ Zustand erreicht hatte, durfte ich mich wieder aufrappeln. Er half mir, in unserer kleinen Waschnische sicher zu stehen und mir – endlich – das Gesicht zu waschen und die Zähne zu putzen. Mit einer Flasche Wasser bugsierte er mich schließlich in sein Bett. Unter anderen Umständen hätte ich mich vermutlich gewehrt, doch zu diesem Zeitpunkt war ich froh, dass da jemand war, der sich um mich gekümmert hat. Ich hoffte nur inständig, dass Alexej nicht am Ende der sein würde, der mir den Dolch in den Rücken rammt. Die Sonne scheint bereits in die Zelle, als ich am nächsten Morgen die Augen öffne. Was mich geweckt hat sind Stimmen von der Tür. Alexej steht vor der Durchreiche und nimmt gerade unser Frühstück entgegen. Offenbar ist mir das erste Weck-Kommando entgangen. Seltsam, dass der Wachmann sich nicht darüber beschwert, dass ich offenbar noch schlafend im Bett liege. Ich kämpfe mich in eine sitzende Position hoch, streiche mein verstrubbeltes Haar nach hinten und fahre mir mehrfach mit der Hand durchs Gesicht. Ich fühle mich gerädert und bei dem Gedanken an die letzte Nacht spüre ich erneut ein unangenehmes Ziehen im Brustkorb. Ohne darüber nachzudenken, massiere ich die Stelle leicht. Alexej bemerkt es, als er das Tablett auf dem kleinen Tisch abstellt. „Richte den Blick nach vorn, nicht zurück.“ Seine Stimme kratzt. Ohne Kaffee am Morgen ist sein Dialekt noch schlimmer, was mir aller Widrigkeiten zum Trotz ein Schmunzeln aufs Gesicht zeichnet. Ich kämpfe mich mühsam auf die Füße. Nach meinem verkrampften Panikanfall von gestern fühlen sich meinen Muskeln schrecklich an. „Ich habe das dumpfe Gefühl, dass der Sport heute wirklich Mord sein wird…“ erkläre ich mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht und lasse mich auf den Hocker fallen, um mich dem recht kargen Frühstück zu widmen. Sterneküche gibt es hier nicht, aber man verhungert auch nicht. Hat man einen guten Draht zu den Häftlingen, die in der Küche arbeiten, gibt es auch ab und an Extras. Alexejs Tablett ist dafür ein ganz hervorragendes Beispiel. Die doppelte Portion Müsli, Marmelade und Aufschnitt, dazu ein weiteres Brötchen und Joghurt. Letzteren isst er nicht, also mehr für mich. Überhaupt teilt der Russe gern, was er hat, zumindest wenn er einen leiden kann. Obwohl er nicht viel länger einsitzt als ich, hat er hier einen gewissen Ruf. Liegt vielleicht einfach daran, dass er besser vernetzt ist und schon wesentlich öfter im Knast gesessen hat als ich. Er weiß, wie Gefängnisse funktionieren, was er sich erlauben kann und was nicht und zu wem er gehen muss, um zu bekommen, was er braucht. Wen er zurechtstutzen muss, damit er den Respekt der Gruppe hat. Es ist beeindruckend ihm dabei zuzusehen, wie er seine Mithäftlinge und das Personal analysiert und ihr Verhalten und ihre Beziehungen zu seinem Vorteil ausnutzt. Ich habe nie einen Agenten oder Mitarbeiter des Geheimdienstes so „persönlich“ kennen gelernt wie ihn, doch er macht Bond alle Ehre. Anpassungsfähig wie ein Chamäleon und unglaublich intelligent, auch wenn man das auf den ersten Blick gar nicht von ihm erwartet. Irgendwie fällt es mir auch schwer, ihn mir in einem Anzug vorzustellen, aber das mag daran liegen, dass ich ihn nur in diesem orangenen Overall kenne – oder nackt. Vielleicht ist es besser, dass er in meiner Gegenwart keinen Anzug trägt, denn vermutlich würde ich dann alles daran setzen, ihn schnellstmöglich aus demselben zu zerren. Ich beobachte ihn dabei, wie er sich Marmelade von der Oberlippe leckt. Er bemerkt es nicht mal wirklich, so beiläufig ist die Bewegung. Der Löffel in meiner Hand hat auf halbem Weg vom Becher zu meinem Mund inne gehalten. Was zur Hölle tue ich hier? Komm schon Arn.. musst du dich das wirklich fragen? Die Frage, die viel wichtiger ist: Wird es helfen, die nächsten 48 Stunden zu überstehen? Demonstrativ schiebe ich mir den Löffel voll Joghurt in den Mund. „Hast du noch Wäsche? Zusammen kriegen wir vielleicht eine Maschine voll.“ Gewaschen werden unsere Klamotten in der Wäscherei. Auch dort kann man als Häftling arbeiten. Mir ist schon aufgefallen, dass Alexej seine Klamotten immer ziemlich schnell zurückbekommt, während ich schon verdammt lange warten musste. Seit dem sehe ich zu, dass wir beide nur einen Wäschesack gemeinsam abgeben und da wir heute ohnehin ein paar Stunden auf dem Sportplatz haben, ist es eine gute Chance. Er nickt abwesend und kaut zufrieden auf seinem Brötchen herum. „Wir geben ihn nach dem Duschen ab“, stimmt er dem Vorschlag zu und schickt meine Gedanken damit wieder auf Wanderschaft. Draußen hört man ja allerlei über Duschen um Gefängnis. Vor allem als schwuler Mann in einem Männerknast „sollte man ja ganz vorsichtig sein“. Wieso genau hat sich mir nie erschlossen. Ja, sicher, es sind Gemeinschaftsduschen. Privatsphäre gibt’s nicht, auch wenn du dir den Sack rasieren willst. Dazu gibt’s Einwegrasierer und einen Beamten, der dafür sorgt, dass du mit dem Ding keinen Unfug anstellst. Ja, geduscht wird nackt und ja, da rennen schon einige leckere Kerle rum. Kerle mit mächtig Dreck am Stecken. Natürlich nur im Übertragenen Sinne […] Aber die Anspannung und die Scham verhindert in der Regel jede Erektion. Außerdem ist die Zeit in der Dusche streng getaktet. Stundenlanges stehen im lauwarmen Wasserstrahl gibt es nicht. Man gewöhnt sich dran und man schaut nicht nach rechts oder links. Auch nicht dann, wenn die Seife nach unten fällt. Jeder ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass es irgendjemanden interessieren würde… es sei denn, man steht mit Alexej unter der Dusche. Es ist eine Sache, sich einfach nur schnell zu waschen. Eine andere ist es dabei zuzusehen, wie sich der Kerl neben dir wäscht, der dir nur Stunden zuvor herrlichst den Schwanz geblasen hat und der jede freie Minute im Knast damit verbringt, sich und seinen Körper fit zu halten. Aber auch dann, wenn man plötzlich mit einer nicht zu verachtenden Latte in der Gemeinschaftsdusche steht, bedeutet das nicht sofort, dass sich alle anderen Mithäftlinge auf einen stürzen. Es gibt den ein oder anderen dummen Kommentar, doch je weniger Angriffsfläche man bietet, desto weniger passiert. Ich meine, mal ehrlich: Wie machen es die ganzen verklemmten und panischen Kerle im Schwimmbad? So oder so: Die Aussicht darauf, später mit Alexej zusammen in der Dusche zu stehen und meine Gedanken beim Anblick seines nackten Körpers ein wenig schweifen zu lassen, hat etwas für sich. Sex – oder in diesem Fall: Der Gedanke an all das, was ich mit ihm unter der Dusche anstellen würde, wenn wir a) allein und b) unbewacht wären – lenkt mich hervorragend von den Geschehnissen des letzten Tages ab. Mein aufmerksamer Russe bemerkt meinen leicht verträumten Gesichtsausdruck und kickt mir unter dem Tisch unsanft gegen das Schienbein. „Hey, lange genug geschlafen Златовласка*.“ Ich hasse es, wenn er mir russische Spitznamen gibt. Bei Gelegenheit werde ich ihm schwedische verpassen. Aber nicht jetzt, das wäre viel zu platt. Irgendwann, wenn er nicht damit rechnet und am besten vor Publikum. Vermutlich kann ich mich dann auch von meinem geraden Nasenrücken und ein paar Rippen verabschieden, aber das wird es dann auf jeden Fall Wert gewesen sein! Er lacht leise, vermutlich weil ich aussehe, als hätte ich gerade in eine Zitrone gebissen. Grunzend versenke ich den Löffel wieder im Joghurt und esse schweigend weiter. Wo war ich gerade unterbrochen worden?  Achja: Nackter Alexej unter der Dusche. Sehr gut, weiter im Text. Man sollte nicht meinen, dass ich es dermaßen nötig habe. Als Alexander und ich in zwei separaten Streifenwagen vom Firmengelände kutschiert wurden, hatte ich noch nicht gewusst, was auf uns zukam. Mit einem hämmernden Schädel und verzerrten Erinnerungen an die vergangene Nacht hatte ich nicht einmal eine Ahnung, was man mir und meinem Kollegen überhaupt vorwarf. Als die Erinnerung dann Stück für Stück gemeinsam mit der Ernüchterung in meinen Verstand sickerte, war ich mir absolut sicher gewesen, in einem schlechten Film gefangen zu sein. Wie die Firmenpolitik es verlangte, hatten Alexander und ich jede Aussage ohne anwesenden Anwalt verweigert. Wir hatten Owen kontaktiert und danach war der Prozess ins Rollen gekommen. Noch am gleichen Abend fand ich mich in der Zelle wieder, in der ich jetzt noch immer sitze. Keine Kaution – keine Freiheit unter Auflagen. Ganz ehrlich, wie soll man in so einer Situation noch ans Vögeln denken? Richtig: Gar nicht. Falsch gedacht. Allerdings musste mir „Gott“ oder in diesem Fall eher der Teufel persönlich eine wandelnde Versuchung auf zwei Beinen in die Zelle setzen. Verdammter Russe. Trotz des Schocks plötzlich hier gelandet zu sein, trotz der unsicheren Situation in den ersten Tagen und dem fraglichen Ausgang meines eigenen Falls, hatte meine Libido keine zwei Wochen Ruhe gegeben. Es war allerdings auch SEHR schwer an sich zu halten, wenn der „Mitbewohner“ oben rum gern Adamskostüm trägt und sich nachts tiefenentspannt selbst befriedigt. Ich kann mich noch sehr gut an das erste Mal erinnern, an dem ich es bewusst mitbekommen habe. Ich hatte einfach nicht schlafen können, hatte die Decke angestarrt und mich selbst bedauert, als mir die seltsamen schleifenden Geräusche von unten plötzlich seltsam vorgekommen waren. Dazu das leise, zufriedene Keuchen. Ich hatte ein paar Minuten zugehört, mich dann langsam aufgesetzt und im schwachen Licht einen Blick über die Bettkante nach unten geworfen. Der Anblick war nicht wirklich überraschend gewesen. Alexej hatte auf dem Rücken gelegen, die Shorts nach unten gezogen, oben ohne und natürlich mit weit geöffneten Augen. Sein Mund hatte sich zu einem breiten Grinsen verzogen und er hatte seine Stimme nicht weiter gedämpft, nach dem ich ja ohnehin wach war. Ich kann mich an das Glänzen in seinen Augen erinnern, die fordernden Bewegungen seiner Finger, mit denen er sich über die eigene Erektion strich. Sein Stöhnen, als er sich endlich Erlösung verschafft hatte, ließ ein eisiges Kribbeln über meine Wirbelsäule nach unten rauschen. Sein Brustkorb hatte sich hektisch gehoben und gesenkt, das wenige Licht hatte flackernde Schatten darauf geworfen. „Das nächste Mal weck mich vorher, dann habe ich wenigstens was davon.“ Ungläubig hatte er die Augen aufgerissen, dann angefangen dröhnend zu lachen – und beim nächsten Mal hatte er meiner ‚Bitte‘ Folge geleistet. Ich war also definitiv ausgelastet, auch wenn wir nie miteinander geschlafen hatten. Weder er noch ich hatten je einen Versuch in diese Richtung unternommen. Vielleicht aus unterschiedlichen Gründen, aber das spielte keine Rolle. Was ich in Gedanken mit ihm anstelle, muss ich ja nicht verraten. So oder so: Heute würde ich definitiv Gelegenheit haben mein Kopfkino wieder mit neuem Stoff zu versorgen und wenn ich Alexej darüber hinaus noch ein wenig provozieren kann, komme ich sicher auf meine Kosten und kann Starrick und dessen Ansage einmal mehr verdrängen. Der Joghurtbecher ist leer, wie ich etwas abwesend feststelle, als ich mir zum zweiten Mal den leeren Löffel in den Mund stecke. Alexej beobachtet mich, teils besorgt, teils amüsiert. Ich bemerke seinen Blick, als ich mich wieder auf das hier und jetzt fokussiere und lasse es mir nicht nehmen, letzte Spuren des Joghurts vom Plastiklöffel zu lecken. Seine rechte Augenbraue wandert langsam in die Höhe, während seine Augen der Bewegung meiner Zunge folgen. Ich spüre, wie sich die Luft zwischen uns auflädt. Alexej fängt langsam an zu grinsen. „Scheint guter Joghurt zu sein“, bemerkt er glatt. Ich stecke den Löffel zurück in den leeren Becher und lege ihn auf das Tablett. „Ist guter Joghurt. Könnte aber salziger sein.“ Jetzt lacht er wirklich. Etwas, das er nicht oft tut. Nicht gut für sein Image hier drinnen, aber ein wirklich angenehmer Anblick. Weniger so, als wolle er einem gleich den Schädel einschlagen, auch wenn sein Todesblick im richtigen Moment mehr als anregend ist. Er mustert mich erneut, jetzt nicht mehr besorgt sondern nur noch amüsiert. Am Glänzen in seinen Augen erkenne ich, dass die Zungenakrobatik ihre Wirkung nicht verfehlt hat. Also vorerst genug mit weiteren Andeutungen, wir wollen uns ja nicht den Spaß verderben. Nach dem Frühstück packen wir unsere Dreckwäsche in einen der dafür vorgesehenen Beutel, ehe wir beide Sportklamotten anziehen. Für den einfachen Hofgang trägt man die Overalls, doch zum Sport darf es – zu meiner Freude – ein Trainingsanzug sein. So bequem der Overall auch ist, für Sport finde ich ihn gänzlich ungeeignet. Besonders lange müssen wir nicht darauf warten, abgeholt zu werden. Der durchgeplante Tag funktioniert hier einwandfrei. Auf dem Gang laufen bereits andere Häftlinge nach draußen, um frische Luft zu schnappen und sich endlich die Beine zu vertreten. Sport gibt es in Gruppen, die meistens willkürlich zusammengewürfelt werden. Nie mehr als 10 Mann, so dass es für das Wachpersonal händelbar bleibt. Draußen haben wir 3 Stunden Zeit uns die Beine zu vertreten. Neben einem Spielfeld für diverse Mannschaftsspiele gibt es eine Laufbahn, die selbiges umrundet und einige Geräte, die zum Training mit Eigengewicht gedacht sind. Ich verliere keine Zeit. Normalerweise gehe ich jeden Tag joggen, manchmal sogar zwei Mal am Tag. Hier drin eingesperrt sein verbietet mir das und die Zelle bietet nicht genügend Raum für anständigen Ausdauersport. Kaum draußen auf dem Hof reihe ich mich bei den anderen ein, die hier bereits ihre Runden drehen. Die Luft ist kalt, der Himmel bewölkt. Sieht nach Regen aus, doch das ist mir vollkommen gleich. Adrenalin pumpt durch meine Adern, als mein Kreislauf langsam immer mehr in Schwung kommt. Laufen ist wie eine Sucht. Der Rausch, den die Anstrengung mit sich bringt, ist mit nichts anderem zu vergleichen. Für eine gefühlte Ewigkeit bin ich in meiner ganz eigenen Welt, in der es nichts anderes zählt als meine Füße, die in beständigem Rhythmus auf die Bahn treffen. Immer schneller, als ginge es um mein Leben. Letztlich tut es das auch. Das Laufen gibt mir Kontrolle zurück, Kontrolle über meinen Verstand und meinen Körper. Über die Situation, in der ich mich befinde. Kontrolle ist wichtig, vor allem in den nächsten Stunden. Ich kann mir nicht erlauben sie noch einmal so zu verlieren, wie letzte Nacht. Drastische Situationen erfordern drastische Maßnahmen. Ich lege noch einen Zahn zu. „HEY!“ Chey.. Etwas trifft mich hart an der Schulter und reißt mich aus meiner Konzentration. Etwas unelegant weiche ich dem Basketball aus, der vor mir auf die Bahn prallt und fange ihn auf, während ich versuche nicht zu stolpern, sondern auszulaufen. „Genug im Kreis gerannt, Златовласка. Nutz deine Größe mal für was Sinnvolles.“ Ich kann nicht anders als die Augen zu verdrehen. Es ist nicht so, dass ich Mannschaftssport nicht schätze, aber eigentlich möchte ich die drei Stunden hier draußen nach meinen Vorstellungen nutzen. Ich schaffe es endlich meinen Lauf abzubremsen und  drehe mich zu der Stimme um, die von unweit hinter mir ertönte, nur um fast den Ball fallen zu lassen. Na sieh mal einer an.. Alexej steht vielleicht 10 Meter von mir entfernt – mal wieder oberkörperfrei. Sein Shirt liegt wohl auf dem Haufen anderer Klamotten auf einer Bank neben dem Spielfeld. Die Hose sitzt verboten tief auf seiner Hüfte, bringt seine Bauchmuskeln nur noch mehr zur Geltung. Er setzt sich ganz bewusst in Szene und genießt meinen Blick, der in ungeniert mustert. „Die anderen brauchen Hilfe und ich ernstzunehmende Konkurrenz. Also?“ Mein Mundwinkel zuckt. Konkurrenz also? Das kann er haben. Locker lasse ich den Ball aus der Hand auf den Boden fallen, schlage ihn locker ein paar Mal auf und fange ihn dann wieder mit einer Hand. Mein Blick gleitet kurz über die anderen Mitspieler. Außer dem Russen stehen noch 4 andere Männer auf dem Feld, die erwartungsvoll zu uns hinüber sehen. Na dann – Lass die Spiele beginnen Ich hole leicht aus und lasse den Ball in Richtung Alexej springen, während ich nach hinten greife und mein Shirt in einer lässigen Bewegung über meinen Kopf ziehe. Eigentlich ist es vollkommener Unsinn sich hier draußen auszuziehen, zumal die Temperaturen nicht so hoch sind, doch es gehört irgendwie dazu. Hier geht es nicht darum, das T-Shirt vor Schweiß zu bewahren und alle Kerle, die hier oben ohne ihre Muskeln zeigen, wissen das auch. Ich höre den Russen lachen, als ich auf das Spielfeld komme. Seine Augen zeigen wieder dieses ganz bestimmte Funkeln, als er sich zu seinem Team stellt und das Spiel kurze Zeit später von vorn beginnt. Zwei Stunden später fließt mir der Schweiß in Strömen über Brust und Rücken. Mein Körper ist nicht begeistert, nach der unruhigen, heftigen Nacht zu derartigen Höchstleistungen gezwungen zu werden, doch darauf kann ich keine Rücksicht nehmen. Der Russe ist ein verdammt harter Gegner und meine Größe allein verschafft mir keinerlei Vorteil. Die anderen vier Mitspieler haben sich irgendwann an die Seitenlinie verzogen. Dort stehen auch die restlichen Häftlinge, die mit uns Hofgang haben – und die komplette Wachmannschaft, die sich offenbar köstlich darüber amüsiert, wie der Russe und ich uns gegenseitig beharken. Seine Wurftechnik ist nicht so fokussiert wie meine. Wer hätte es gedacht?! – Granatenzielwerfen bei der Armee ist also DOCH zu etwas gut! Dafür kann er höher springen als ich das je bei einem Menschen gesehen habe. Mit etwas Anlauf schafft er es mit Leichtigkeit über mich hinweg zu segeln. Wenn ich aufrecht stehe**. Ich habe das Spiel anfangs nicht besonders ernst genommen, doch Alexejs Art, jeden Korb mit einer Arroganz und Selbstverständlichkeit als gegeben hinzunehmen, hat meinen Kampfgeist geweckt. Ich habe die letzten Wochen und Monate hier drin vielleicht nicht so viel trainiert wie dieser sibirische Kampfkoloss, aber ich war verdammt noch mal bei der Armee und weiß, zu welchen Leistungen ich meinen Körper zwingen kann, wenn es notwendig ist. Gerade hat Alexej den Ball und lässt ihn locker aus dem Handgelenk auf den Boden prallen. Der letzte Korb gab Punkte für mich, er überlegt sich also gerade eine neue Taktik. Ich gehe locker in die Knie, auch wenn meine Oberschenkel schon protestieren. Die schnellen Richtungswechsel und die ständige Lauerhaltung beanspruchen andere Muskelgruppen als der Dauerlauf, den meine Beine sonst gewohnt sind. Wir taxieren uns für einige Sekunden, während der Ball unaufhörlich auf den Boden schlägt. Beiläufig wischt sich Alexej Schweiß aus dem Gesicht und streicht sich mit dem Daumen über die Lippe. Seine Zungenspitze blitzt für den Bruchteil einer Sekunde auf und leckt über seinen Daumen. DAS ist definitiv kein Zufall. Er zwinkert mir zu, den Mund jetzt zu einem frechen Grinsen verzogen, als er merkt, dass ich ein wenig aus dem Konzept geraten bin. Dann springt er vorwärts, lässt den Ball aufprallen und sprintet auf mich und den Korb in meinem Rücken zu. Er täuscht seinen Lauf nach rechts an, doch dieses Mal bin ich gewarnt. Ich sehe, wie sein Körper sich anspannt, um im letzten Moment nach links zu schnellen und komme ihm zuvor. Er macht seinen Ausfallschritt, springt nach oben und will den Ball im Korb versenken, trifft aber nur meine Hand, die ihm den Ball abnimmt. Unsere Körper prallen aneinander, nackte Haut auf nackter Haut, ein Gefühl, dass wie ein elektrischer Schlag in meine Eingeweide fährt. Ich habe nur keine Zeit es zu genießen, immerhin will der eroberte Ball ja auch verteidigt werden. Ich lande knapp vor Alexej und schaffe es, mich im Landen halb um die eigene Achse zu drehen. Johlen von der Außenlinie zeigt an, dass mit diesem Ballwechsel keiner gerechnet hat. Ich dribbele den Ball, gehe weiter in die Hocke, als Alexejs Körper auch schon warm und schwitzend in meinem Rücken auftaucht. „Du hast ja richtig Feuer heute, Златовласка.“ Seine Hand schlägt mir flach auf meine angespannten Oberschenkel, so weit oben, dass er gut und gerne auch meinen Hintern hätte treffen können. Ich weiche ihm seitlich aus und bewege mich schnell wieder auf den zweiten Korb zu, Alexej weiterhin im Rücken, der inzwischen so nah an meinen Rücken herangerückt ist, dass wir uns beide kaum sinnvoll bewegen können. Pfiffe von der Seitenlinie und erneutes Johlen. Fehlt nur noch, dass er mir den Schweiß vom Nacken leckt. „… ihn fertig Alexej!“, schallt ein Ruf vom Rand zu uns herüber. Ich wage einen kurzen Blick zu der Gruppe, die meinen Gegner anfeuert. „Nach seinem Date mit dem blauäugigen Stecher letzte Nacht ist der doch keine Konkurrenz für dich!“ Der Ball entgleitet meinen Fingern und ich bin einen Hauch zu langsam. Alexej entwendet ihn mir locker und dreht postwendend auf dem Absatz um, um zurück zu meinem Korb zu hechten. Für einen Herzschlag haben die gebrüllten Worte jenen „blauäugigen Stecher“ vor mir lebendig werden lassen, zusammen mit dem Gefühl keine Luft zu bekommen. „Fick dich!“, keife ich zurück und wetze hinter Alexej her, der wohl dachte, jetzt ein Schaulaufen veranstalten zu können. Als er meine Schuhe knapp hinter sich hört und einen Blick über die Schulter wirft, setzt er hastig zum Sprung an. Soweit lasse ich es aber nicht kommen. Mit vollem Körpereinsatz, dieses Mal von meiner Seite, renne ich ihn einfach über den Haufen und nehme ihm den Ball ab als er zur Seite wegtaumelt. Oh oh.. wer wird denn da gleich wütend werden? Hat was von einem Kampfstier, nur ohne Hörner. Oder eher: Nur mit einem Horn. In der Hose. Ich bin schon wieder auf den Weg zu meinem Korb, als er mir erneut den Weg versperrt und ich seinen breiten Brustkorb im Rücken spüre. Um den Affen an der Seitenlinie Zucker zu geben, presst er jetzt sogar seine Hüfte gegen meinen Arsch. Vielleicht in der Hoffnung mich aus dem Konzept zu bringen, so wie die Worte vom Rand das eben schon einmal bewerkstelligt haben. Zu dumm, dass mich nicht stört, was Alexej den anderen Kerlen an der Seitenlinie damit verdeutlichen will. Zeit, dem Kerl Paroli zu bieten. Ich drängele Alexej seitlich noch ein wenig weiter, bis ich die Drei-Punkte-Linie erreicht habe. Dann hole ich etwas Schwung, beuge mich vor, presse dem Russen absichtlich die Hüfte noch fester in den Schoß, spüre wie er sich versteift, mache einen Ausfallschritt und springe ab. Alexej folgt mir viel zu spät nach oben, der Ball segelt über seinen Kopf hinweg und landet donnernd im Korb. Sein Gesicht zeigt eine Mischung aus Überraschung und Anerkennung, während eine schrille Trillerpfeife uns darauf aufmerksam macht, dass unsere Zeit hier draußen beendet ist. „Gut gespielt“, brummt er anerkennend und wendet sich ab, um den Ball zu holen. Ich kann einfach nicht wieder stehen. Mit einem deutlichen Klatschen landet meine Hand auf seinem Arsch. „Du auch Snygging***“   Offenen Mundes dreht er sich zu mir um. Ich zwinkere ihm zu und gehe dann einfach weiter auf die Bank zu, auf der mein Shirt liegt. Die Gespräche sind etwas leiser geworden und ich spüre die Blicke, die auf mir liegen. Gut möglich, dass ich gleich mit dem Gesicht voran auf dem Platz liege – aber das war es wert. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)