Mr. Svensson von Coventina ================================================================================ Kapitel 7: Sechster Teil ------------------------ Es ist unmöglich, dass ich sterben sollte Durch solchen niedern Unterthan als du. Dein Reden weckt nur Wut, nicht Reu in mir. Shakespeare, König Heinrich VI – II. Teil   Mit einem Mal ist alles wieder da, als wäre es nie weg gewesen. Der Geruch von Duschgel und Shampoo auf seiner Haut und in seinen Haaren, das Gefühl von Feuchtigkeit, die langsam durch meinen Anzug zieht, weil seine Unterarme noch nass sind. Das Gewicht seines Kinns auf meiner Schulter, der Lufthauch an meiner Wange, als er spricht. Die prickelnde Erregung, als seine Lippen nach meinem Ohrläppchen haschen und er mich beißt. Als wäre es gestern gewesen. Als würde ich noch immer vor diesem Spiegel stehen und ihn ansehen, ihn dabei beobachten, wie seine Hände die Hose meines Anzugs öffnen und hinein gleiten. Das Gefühl seiner warmen Finger auf meiner Erektion, sein heißer Atem an meinem Ohr. Ich verspreche dir, heute Nacht bring ich dich auch da hin. Du Bastard! „Wie können sie es wagen..“ Ich gebe mir nicht einmal Mühe, meine Wut und meine Trauer zu verschleiern, als ich den Blick endlich von dem Foto und den Erinnerungen losreißen kann, die damit verbunden sind. „Sieh mal einer an. Der eiskalte Schwede kann ja doch Emotionen zeigen.“ Starricks Stimme trieft vor Zynismus. An dieser Stelle muss ich dem Justizbeamten ein Lob aussprechen: Seine Weitsicht, mich hier gefesselt zurück zu lassen, rettet Starrick gerade das hübsche Gesicht. Ich schnelle zwar im ersten Moment vor, bleibe aber an der Rückenlehne des Stuhls hängen, dessen Rahmen sich schmerzhaft in meine Arme gräbt. Mein Kiefer zittert, so fest beiße ich die Zähne zusammen, um nicht zuzulassen, dass die Emotionen einfach aus mir heraus brechen. Wenn wir uns jemals in einer dunklen Gasse begegnen du widerliches Arschloch, dann wisch ich dir dein selbstgefälliges Million-Dollar-Lächeln mit der Faust aus dem Gesicht. Es ihm wenigstens in Gedanken entgegen zu schreien, hilft. In meiner Brust schlägt mein Herz so heftig, dass ich das Gefühl habe, man kann es durch den dünnen Stoff des Shirts sehen, das ich trage. Gleichzeitig bekomme ich noch immer unheimlich schlecht Luft, weil mir die Wut und die Trauer gleichermaßen die Kehle zuschnüren. Starricks blaue Augen mustern mich mit einer so perfiden Befriedigung, dass mir dabei zusätzlich schlecht wird. Ich habe meine Stimme nach meinem ersten Ausruf noch nicht wieder gefunden, doch ich kann zumindest eines tun: Ich spucke auf das Blatt Papier, das noch immer neben dem Foto liegt. Einen weiteren Blick auf das Bild vermeide ich, doch ich treffe wenigstens den Deal, den Starrick mir „angeboten“ hat. „Ficken Sie sich ins Knie Starrick“, fauche ich ihm über den Tisch entgegen, nach wie vor unbeherrscht. Nur langsam sinke ich auf den Stuhl zurück und versuche, meinen jagenden Puls zur Ruhe zu zwingen. Starrick erlaubt sich ein leises Lachen. „Wenn ich gewusst hätte, wie sie auf ein Foto ihrer Piloten reagieren, hätte ich diesen Trumpf schon früher ausgespielt.“ Moment Mal.. meiner Piloten? Starrick hat das Bild wieder zu sich gezogen und ich habe den Blick davon abgewandt, will es mir nicht noch einmal unvorbereitet ansehen. Doch diese Aussage verwundert mich. Logan und Calvin waren nicht „meine“ Piloten. Es waren Kameraden und mehr als das, doch anscheinend weiß Starrick das nicht. Ich muss mich dazu zwingen den Blick wieder zu heben und als ich ihn ansehe weiß ich, dass seine Gedanken zumindest in die richtige Richtung gehen. So oder so: Meine Reaktion war eindeutig und heftig genug. Und wenn Alexander erst ... Mir weicht alle Farbe aus dem Gesicht. Oh nein, bitte nicht … Alexander darf dieses Bild unter keinen Umständen sehen. Wenn Starrick dem Deutschen dieses Foto vor die Nase knallt, dann wird Alexander zusammenbrechen. Was Logan und ich hatten, war kaum mehr als eine Affaire. Nicht weil ich mir nicht mehr gewünscht hätte, sondern weil Logan mir nicht mehr hatte geben wollen. Weil er nicht der „Typ“ für monogame Beziehungen war, wie er selbst immer sagte. Wenn er hier war, dann hatten wir zwar ein recht exklusives Bettverhältnis, aber nichts desto trotz: Ich wusste, dass er mir nicht auf Dauer treu sein würde. Anfangs hatte das wehgetan, aber ich war auch verdammt jung und naiv gewesen. Mit den Jahren hatte sich eine gewisse Normalität eingeschlichen und ich war ganz sicher kein Kind von Traurigkeit. Das soll seinen Verlust auf keinen Fall schmälern, doch es bedeutet einfach etwas anderes als Cals Tod für Alexander bedeutet. Man muss dazu wissen: Der Deutsche ist nicht geoutet. Zumindest hat er nie diese „Hört alle her, ich bin schwul“- Rede gehalten. Trotzdem wusste in unserer Einheit jeder, dass ihn und Cal mehr als Freundschaft oder Kameradschaft verbindet. Die beiden haben sogar zusammen gewohnt. Nicht in der Kaserne sondern außerhalb, als Heimschläfer. Ich weiß, dass Alexander Calvin über alles geliebt hat, auch wenn die beiden Männer sehr seltsame Arten hatten, das zu zeigen. Als wir an diesem Morgen den Anruf bekamen, habe ich ihn das erste Mal vollkommen hilflos gesehen. Für ihn ist eine Welt zusammen gebrochen und er konnte sich nicht einmal verabschieden, wir konnten uns nicht einmal verabschieden. Wir konnten nicht trauern. Nicht hier im Knast. Wenn Starrick Alexander dieses Foto zeigt, dann will ich mir die Folgen nicht ausmalen. Oder vielleicht – daran will ich gar nicht denken: Er hat es bereits getan. In den kalten, arroganten blauen Augen kann ich dafür aber keinen Hinweis finden. Wenn Alexander den Deal angenommen hätte, dann wäre es das erste gewesen, was Starrick mir unter die Nase reibt. Doch entweder hat er sich einfach nur bemerkenswert gut unter Kontrolle, oder er hat Alexander schlicht und ergreifend noch nicht besucht. Ich hoffe auf letzteres und versuche, meine Fassung wieder zu erlangen und den Schweißausbruch eben mit meiner Wut zu erklären. „Sie wollen mir allen Ernstes etwas von Menschlichkeit erzählen Starrick?“ Ich kann nicht verhindern, dass ich ihm die Worte förmlich entgegen Spucke. „Logan und Calvin Cartwright sind gestorben, weil sie diesem Land gedient haben und damit auch ihnen. Sie beschweren sich darüber, dass ich kein Bedauern über Rawlinsons Tod an den Tag lege, aber sie haben die Nerven, zwei im Dienst gefallene Soldaten für ihre perfiden Zwecke einzuspannen? Lassen sie sich eines gesagt sein: Wenn es die beiden wieder lebendig machen würde, dann würde ich Männer wie Rawlinson mit Freude im Lake Ontario ertränken!“ Starricks Augen verengen sich und er beugt sich nach vorn. Seine Nasenflügel beben. Er weiß nicht genau, was er mit dieser Aussage anfangen soll – und kann. Hier wird nichts aufgezeichnet und außer uns beiden ist niemand hier. Selbst wenn ich ihm jetzt laut und deutlich sagen würde, dass ich Rawlinsons Tod zu verantworten habe: Er könnte es mir nicht nachweisen. „Und wie würden sie das anstellen Svensson? Würden sie ihnen auch ..“ „Ach kommen sie Starrick, so plump sind nicht Mal sie“, würge ich seine Ausführungen ab. „Ersparen sie uns die Peinlichkeiten. Ich unterschreibe ihr beschissenes Angebot nicht, nicht für Rawlinson, nicht für seine Familie, nicht für Calvin und Logan – und auch nicht um ihren gottverdammten Arsch zu retten. Entweder das Gericht erkennt, dass Mr. Dreyfuß und ich mit dieser Sache nichts zu tun haben, oder wir werden verurteilt. Eines ist aber sicher: Von ihrer Gnade wird sich keiner von uns beiden abhängig machen.“ Ich habe mein Gesicht endlich wieder unter Kontrolle und auch meine Stimme gehorcht mir wieder. Die Lehne des Stuhls ist unbequem, dennoch lehne ich mich nach hinten, um mehr Abstand zwischen mich und Starrick zu bringen. Er begreift, dass er hier zu nichts mehr kommt, ich sehe es in seinen Augen und seiner Haltung. Seine Schultern sind ein wenig tiefer gesunken. Hat er wirklich gehofft, mich soweit provozieren zu können, dass ich etwas Unbedachtes sage? Du glaubst doch nicht wirklich, dass du mich so rumgekriegt hättest? Da hättest du mehr Erfolg gehabt, wenn du die Hosen runtergelassen hättest, lieber Nathan. Er nickt abwesend, packt seine Dokumente wieder ein und erhebt sich schließlich, geht zur Tür hinüber und klopft dagegen. Es dauert eine Weile, bis der Beamte kommt, um sie zu öffnen, doch wir haben uns nichts mehr zu sagen. Zumindest dachte ich das. Als der Beamte die Tür schließlich aufzieht, schaut Starrick noch einmal zurück. „Sie haben wirklich kein Gewissen Svensson. Fünf Jahre Knast mit Aussicht auf vorzeitige Entlassung erscheinen wie ein Klacks gegen einen 7 Jahresvertrag mit General Dynamics. 7 Jahre Waffenentwicklung. Ich bin sicher, sie schaffen noch ein paar Cartwrights.“ Damit ist er hinaus und lässt mich mit dem dringenden Wunsch zurück, nicht Rawlinson, sondern ihm beim Schwimmen „geholfen“ zu haben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)