Mr. Svensson von Coventina ================================================================================ Kapitel 1: Erster Teil ---------------------- Kann ich doch lächeln, und im Lächeln morden? Und rufen: schön! zu dem, was tief mich kränkt. Die Wangen netzen mit erzwungnen Tränen Und mein Gesicht zu jedem Anlass passen. - Shakespeare, König Heinrich VI. – III. Teil   „Meine Damen und Herren, hiermit erkläre ich den fünften Verhandlungstag in der Sache Mr. Arnor Svensson und Mr. Alexander Dreyfuß gegen den Staat Kanada wegen schwerer Körperverletzung mit Todesfolge für eröffnet.“ Der fünfte verdammte Tag. „Die Anklage ruft erneut Mr. Arnor Svensson in den Zeugenstand. Es sind noch einige Fragen offen geblieben.“ Natürlich. Wie die letzten drei Verhandlungstage auch. Ich erhebe mich mechanisch von dem bequemen Stuhl, auf dem ich bis eben noch gesessen habe. Mit stoisch ruhiger Miene setze ich mich auf den mir zugedachten Platz neben dem Richter und falte die Hände in meinem Schoß. Vor mir taucht kurze Zeit später der Staatsanwalt auf, der schon die letzten Tage versucht hat, neue Informationen aus mir heraus zu quetschen. „Nun Mr. Svensson. Mir ist noch immer nicht ganz klar, wie ihre Spuren auf das Boot gekommen sind, von dem Mr. Rawlinson, gefangen in seinem verknoteten Anzug, in den Lake Ontario gestoßen wurde.“ Ganz einfach: Weil ich da war. Weil ich diesem besoffenen Idioten die Ärmel hinter dem Rücken verknotet habe, während Alexander ihn festgehalten hat. Dann habe ich ihn festgehalten und Alexander hat die Sache mit den Schnürsenkeln erledigt. Danach ist er versunken wie ein Stein und als er 10 Minuten später wieder nach oben trieb, war er tot. „Herr Staatsanwalt, ich habe es ihnen doch bereits erklärt. Wir waren in einem gehobenen Club in der Innenstadt - bis zur Sperrstunde. Ein Kollege wusste von einer Strandparty und wir fuhren hin, mit einem Taxi. Alle zusammen, wie unser lieber Taxifahrer ebenfalls schon mehrfach zu Protokoll gegeben hat. Am Strand sind wir alle gemeinsam auf der Party eingefallen, die noch in vollem Gange war und wir alle hatten die hervorragende Idee, mit unseren Anzügen ins Wasser zu springen. Es gab viele der kleinen Motorboote, die im seichten Wasser vor Anker lagen und wir alle sind auf mindestens drei Booten gewesen. Ich war dort, ich war auf dem Boot - aber ich habe Rawlinson nicht angerührt. Ich habe mich bis zur Besinnungslosigkeit besoffen, mich in den Sand gelegt und bin eingeschlafen. Mehr weiß ich nicht mehr." „Sie wählen die gleichen Worte, wie schon bei ihrer letzten Aussage Mr. Svensson. Können sie ihre Lügen bereits auswendig?“ Ja du Bastard. „Sie waren also auf dieser Party und sind mit ihrem teuren Designeranzug im Wasser herumgeschwommen?“ „Ja, genau das sagte ich.“ „Wie viel hat der Anzug sie gekostet?“ „Ich habe keine Ahnung, die Quittung habe ich nicht mehr. Den Anzug auch nicht, der war nach dem unfreiwilligen Bad vollkommen ruiniert. Aber ich wüsste nicht, was er zur Sache beitragen sollte.“ „Deswegen haben sie ihn also entsorgt?“ „Ich habe den Anzug entsorgt, weil er nass und“, ich halte kurz inne, sammle mich und verziehe etwas das Gesicht „… mit Erbrochenem gesprenkelt war. In meinem Zustand wollte ich nur raus aus diesem Ding und habe ihn im nächsten Mülleimer entsorgt. Hätte ich ihn noch mal mit nach Hause nehmen und waschen sollen?“ Ich hätte ihn zumindest in meinem Kamin verbrennen können, dann hätte ich dieses verdammte Problem jetzt nicht. „Eine Reinigung hätte diesen Anzug sicher wieder herstellen können.“ „Das kann sein, aber ich war verkatert, mir war übel und ich habe es so entschieden. Ich habe mehr Anzüge im Schrank hängen als Sie zählen können, wieso also den einen behalten wenn er ohnehin erst wieder hätte aufgearbeitet werden müssen? Ich wiederhole es gerne noch einmal: er war voller Sand und ich habe ihn vollgekotzt. Der Mülleimer war quasi ein Wink des Schicksals.“ Mir gefällt nicht, wie er grinst. Ich habe ihn gerade beleidigt. Nicht das erste Mal in diesem Prozess. Heute scheint ihn das ganz und gar nicht mehr zu ärgern. Zu schade..„Ein Wink des Schicksals sagen sie, pure Absicht und die Hoffnung Beweismittel zu vernichten sage ich.“ „Hören Sie Herr Staatsanwalt ...“ Ich mahne mich zur Ruhe und versuche die gleichgültige Miene beizubehalten, obwohl ich dem eingebildeten Paragraphenreiter in diesem Moment gern meine Faust ins Gesicht gezimmert hätte. „Wenn ich hätte verheimlichen wollen, dass ich diesen Anzug getragen habe, dann hätte ich Ihnen ein Lügenmärchen nach dem anderen erzählt. Aber als man mich verhört hat und mich fragte, ob ich wirklich in Shorts und Unterhemd bei einem Geschäftsessen gewesen sei, da habe ich Ihnen postwendend und ohne jeden Druck gesagt, wo sich meine Kleidung befindet.“ Weil ich wusste, dass sie früher oder später auf den Container am Strand kommen. Nicht meine glorreichste Idee. Außerdem hat es mir mein Anwalt geraten. „Welchen Sinn würde es bitte machen, wenn ich Spuren verwischen will? Also noch mal für sie zum Mitschreiben: Ich war mit Rawlinson zuerst Essen, dann im Club, dann am Strand. Wir haben alle gebechert ohne Ende. Zum Strand sind Rawlinson, Mr. Dreyfuß hier, ich und ein mir bis zu diesem Abend unbekannter Kollege Rawlinsons im gleichen Taxi gefahren. Am Strand haben wir die hirnrissige Idee gehabt, mit unseren teuren Anzügen ins Wasser zu springen. Nach dem wir aus dem Wasser wieder draußen waren und etwas getrunken hatten - da war Rawlinson noch mit an der Bar – haben wir uns in den Sand gelegt. Dort bin ich eingeschlafen und dort bin ich aufgewacht. Mehr ist nicht passiert.“ Ich bleibe tatsächlich ruhig, auch wenn meine Worte an Schärfe dazu gewonnen haben. Angst, irgendwie von dieser Aussage abzuweichen, habe ich keine. In unzähligen Vorgesprächen und den letzten drei Verhandlungstagen habe ich sie so oft wiederholen müssen, dass sie sich wie ein Mantra in mein Hirn gebrannt hat. Das scheint inzwischen auch der Staatsanwalt zu begreifen, doch er weigert sich aufzugeben. Eigentlich eine Eigenschaft, die ich an Männern wirklich schätze. Er könnte mir sogar gefallen. Er ist wohl knapp über 30, hat ein attraktives Gesicht und unnatürlich blaue Augen, trotz seiner schwarzen Haare. Aber er ist leider auch der Feind und außerdem, wie der Ring an seinem schlanken Finger zeigt, verheiratet. Auch wenn sein inzwischen vierter Versuch, mich im Zeugenstand auflaufen zu lassen, von Risikobereitschaft zeugt: Dafür, mit einem potentiellen Mörder in die Kiste zu springen, fehlt ihm der Schneid. Ganz sicher ist er auch nicht schwul. Für einige Augenblicke starrt er mich direkt und durchdringend an, als wolle er die Wahrheit aus meinem Hirn saugen. Ich erwidere seinen Blick so unbeteiligt, wie es in der Situation möglich ist, zucke nicht einmal zusammen, als der Mann die Faust vor mir auf den Tisch donnert. „Ich weiß, dass sie ihn getötet haben Svensson, ich weiß es und ich werde-“ „Einspruch euer Ehren! Wir haben in den letzten vier Tagen für dieses Wissen nicht einen einzigen Beweis gesehen, außerdem bedroht er meinen Mandanten“, höre ich bereits die Stimme meines Anwalts von der Seite und kurz darauf die Stimme des Richters, der seinen „Bluthund“ wieder zurückpfeift. Ich sehe ihm reglos nach, als er sich umdreht, um zu seinem Tisch zurück zu kehren, auch wenn ich Mühe habe, das dünne Lächeln zu unterdrücken. Nun Herr Staatsanwalt. Mit diesem Wissen sind wir schon zu dritt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)