Perfect Girlfriend von abgemeldet (ItaDei, inc. Sidepairings) ================================================================================ Kapitel 24: Perfect Ending -------------------------- Im ersten Moment verstand Deidara den simplen Satz gar nicht. Er passte nicht ins Thema, deshalb musste er notgedrungen sein Sichtfeld erweitern. Er öffnete den Mund, um sein Unverständnis auszudrücken, dann drang der Sinn zu ihm durch, und er schloss ihn wieder. Itachis Züge waren glatt, fast entrückt. An dieser Entscheidung gab es nichts zu rütteln. Sobald er das begriffen hatte, kam die Frage auf. Warum, und warum gerade jetzt? "Warum...?" Seine Stimme hatte ihren Klang, selbst das Satzanhängsel verloren. Er hörte sie kaum. Itachi musterte ihn mit stillem Bedauern. "Ich kann so nicht leben." Er streckte die Hand aus, doch Deidara zog seine eigene geistesgegenwärtig zurück. Dann sprang er auf, ließ das Portrait, auf das er bis vorhin so stolz gewesen war, achtlos liegen und stürmte aus dem Zimmer. Eine Tür schlug mit lautem Knallen zu, die Tür des einzigen Raumes, für den er den Schlüssel nicht irgendwo in der Wohnung verloren hatte. Hastig drehte er ihn im Schloss und ließ sich an dem hellen Kiefernholz heruntersinken. Das Bad begrüßte ihn mit unbarmherzigen weißen Kacheln. Es war ihm unbegreiflich. Itachi war nie durchschaubar, doch er hatte... er war ihm nie unglücklich erschienen. Und eine unbestimmte Gewissheit sagte ihm, dass er es auch nicht gewesen war. Trotzdem hatte Itachi während der letzten zwei Wochen keinen Moment in Erwägung gezogen... so weiterzuleben. Itachis Schritte auf dem Flur waren leise und ohne erkennbare Eile. Stoff raschelte, als er sich auf der anderen Seite der Tür auf den Boden setzte. Deidara spürte die schwache Erschütterung, mit der er ebenfalls seinen Rücken gegen die hölzerne Barriere lehnte. Er schwieg. Natürlich war es egoistisch. Deidara hatte es nichts ausgemacht, nicht mal, als Itachi versucht hatte, seine konfusen Eindrücke von jenem Tag ihm gegenüber in Worte zu fassen. Man konnte Dinge nicht bloß daran festmachen, wie man selbst damit zurechtkam, und wenn er recht überlegte, war es klar gewesen, dass Itachi nicht einfach damit... leben konnte. Es war schon mehr als verwunderlich, dass er nicht aus dem Gleichgewicht geraten war, nachdem sein Gehirn die 'Schranke', die es zum Schutz gegen immense psychische Schäden errichtet hatte, wieder aufgehoben hatte. Und dennoch... Er wollte Itachi nicht gehen lassen. "Es tut mir leid." "Tut es nicht, un." Seine Stimme war so spröde, dass der höhnische Tonfall darin unterging. Wofür er letztendlich dankbar war, denn ihm war nicht danach, auch noch einen Streit vom Zaun zu brechen. Itachi überging das einfach, vielleicht hatte er gar nicht bemerkt, dass es eine Erwiderung gegeben hatte. "Ich wäre sehr gerne bei dir geblieben, wirklich." Deidara schwieg, während er versuchte herauszufinden, worauf er selbst wartete. "Irgendwie hätte es schon funktioniert mit Sasori und dir – wird es auch noch. Aber was soll aus Sasuke werden?" Die letzte Frage bat um Verständnis, und Deidara schwieg hartnäckig weiter. Er hörte den Schwarzhaarigen seufzen. "Ich gehe morgen. Es... wäre vielleicht schön, wenn du bis dahin... wenigstens ein Mal da raus kämst." Und es klang nicht mal sarkastisch. Itachi hatte eine Art, Dinge auszudrücken, die durch ihre Einfachheit erst kompliziert wurde. Itachi blieb noch eine Weile sitzen – Deidara spürte den schwachen Druck gegen die Tür – dann stand er auf. Die Wohnungstür wurde tatsächlich nicht geöffnet, ansonsten drangen keine Geräusche herein. Die Stille war so absolut, dass Deidara glaubte, nicht mehr atmen zu können. Er brauchte tatsächlich mehrere Stunden, um sich endlich zum Verlassen des Badezimmers durchzuringen. Und nicht etwa, weil er nicht wusste, wie er Itachi gegenübertreten sollte – es war banale Lethargie. Allein der Gedanke, dass er damit Zeit vergeudete, die er mit irgendwelchen unvergesslichen Ereignissen hätte prägen können, war derart paradox, dass es ihn lähmte. Als er sich schließlich erhob, war es mitten in der Nacht. Der Flur war dunkel, und es roch schwach nach Ölfarbe und Milchkaffee. Wie lange es wohl dauern würde, bis alle Faktoren, die Itachis Gegenwart bezeugten, sich verflüchtigt hatten? Wie bescheuert, damit jetzt schon anzufangen. Itachi schlief mit zynischer Ruhe. Auf 'seiner' Seite des Bettes (der Rechten, entgegengesetzt zum Fenster), mit dem Gesicht zur Tür. Nicht festzustellen, ob er auf ihn gewartet hatte. Deidara ließ sich so vorsichtig wie nötig auf der freien Seite nieder und warf die Decke über seinen Unterkörper. Itachi ließ sich nicht stören. So, Resümee. Das war das letzte Mal für sehr, sehr lange Zeit, wenn nicht für immer, dass sie zusammen in einem Bett schlafen würden. Er würde zukünftig nicht mehr aufwachen und wissen, dass es irgendjemanden gab, der sein Leben in die richtigen Bahnen lenkte, mit ihm für Sozialwissenschaft lernte, ins Kino ging, auf seine eigene Weise Verständnis für manche Ängste hatte und... tausend winzige Dinge tun würde, zum Beispiel eben nicht morgens als Erstes die Vorhänge aufreißen und das Sonnenlicht hereinlassen, die unheimlich wichtig waren. Er wollte gar keine herzerwärmenden Erinnerungen, und er wollte Itachi ebenso wenig aufwecken, um ein letztes Mal mit ihm Sex zu haben. Er wollte schlichtweg, dass alles so weiterlief wie in den letzten zwei Wochen. Gedankenverloren drückte er den Kopf ins Kissen. Draußen heulte eine Sirene auf, als ein Krankenwagen vorbeifuhr. Der klagende Tonfall brachte Itachis Worte zurück in sein Gedächtnis. Du bist echt ein netter Kerl. Damit hatte alles angefangen. Nein, eigentlich schon viel früher. Er hatte den Übergang von pubertärer Schwärmerei zu unbeholfener Freundschaft und letztlich angenehm warmer Liebe bloß nicht bemerkt. Ich liebe dich. Und damit sollte alles enden? Wie auf's Stichwort drehte Itachi sich um, anscheinend nicht begeistert davon, dass dieser bereits abebbende Krach seinen Schlaf gestört hatte. Er war vielleicht für den Bruchteil einer Sekunde wach, dann schmiegte er sein Gesicht unkoordiniert an Deidaras Hals und hielt ihn mit einem Arm in einem losen Griff fest. Es stimmte also doch irgendwie, was in diesen sinnlosen Liebesliedern beschrieben wurde. I don't wanna close my eyes I don't wanna fall asleep 'Cause I'd miss you, babe And I don't wanna miss a thing 'Cause even when I dream of you The sweetest dream would never do I'd still miss you, babe And I don't wanna miss a thing… [© Aerosmith: 'I Don't Want To Miss A Thing'] Deidara war froh, dass er danach ebenfalls einschlief. Sonst wären ihm ziemlich sicher die Tränen gekommen. Die Vorhänge waren tatsächlich noch zu, als er erwachte. Aber der regelmäßige Atem an seinem Hals fehlte. Deidara setzte sich ruckartig auf. Itachi war fort. Die Decke auf der leeren Seite war ordentlich glattgestrichen, das Kissen aufgeschüttelt. Er war einfach verschwunden... ohne sich wenigstens zu verabschieden. Wie von der Tarantel gestochen sprang Deidara aus dem Bett, ohne sich Zeit zum Umziehen oder wenigstens Haare bürsten zu nehmen. Wenn Itachi allen Ernstes noch Ordnung geschaffen hatte, bevor er gegangen war, hieß das, dass er getrödelt hatte. Und in dem Fall konnte er ihn eventuell einholen. Er wollte ihn ja gar nicht aufhalten. Es war lediglich unhöflich, ohne Abschied zu gehen. Wenn es Schutzengel gab, hatten sie heute wohl ihre liebe Mühe. Deidara schaffte es, so ungefähr jede Sicherheitsvorschrift, die selbst Vorschulkinder kannten, zu ignorieren - und dabei nicht verletzt zu werden. Er wusste, wo die Polizeiwache war. Es war einer der Hauptsitze, deshalb war es entsprechend wahrscheinlich, dass Itachi dorthin gehen würde. Und wenn er nur schnell genug rannte und verdammt viel Glück hatte... Ein einziges Mal hatte er es. Itachi hatte sogar eine individuelle Art, zusammenzuzucken, wenn ihm jemand mit jeder Menge Schwung auf die Schulter schlug, während er einen aufgehängten Stadtplan las. Er musterte ihn mit ausgesprochen ruhiger Miene. "Du bekommst einen Hitzschlag, wenn du so in der Sonne herumrennst." Deidara hätte fast gelacht. Allerdings fehlte ihm dafür erstens die Luft und zweitens der Humor. Alles hätte er erwartet, doch nicht so eine überflüssige Bemerkung. Seine schweißverklebten Finger umklammerten stur Itachis Oberarm, selbst dann noch, als er wieder zu Atem gekommen war. "Was... was denkst du dir dabei, einfach zu... gehen, un?!" Der fassungslose Ton schien Itachi unangenehm zu sein, er schob den Gurt seiner Umhängetasche auf der Schulter herum. "Wollte dich nicht wecken." Deidara schnaubte abfällig. "Blödsinn, un." Itachi begegnete seinem Blick unbeirrt. "Nein." Er zögerte kurz und fügte hinzu: "Das schließt ein, dass ich es nicht geschafft habe, mich zu verabschieden. Zu feige." Er sprach das letzte Wort aus wie eine Diagnose, Grippe oder Allergie. Deidara rüttelte so fest an seinem Arm, dass der Gurt der Tasche herunterrutschte. "Das ist überhaupt nicht feige, wenn man bedenkt, was du willst. Aber... du hättest wenigstens einen Zettel oder so was schreiben können, un!" Ob ihn das besänftigt hätte, stand auf einem anderen Blatt und zwar jetzt nicht weiter wichtig. Wichtig war, keinen Streit anzufangen und irgendwie... irgendwie noch auszudrücken, was in ihm vorging. Itachi legte vorsichtig seine Hand auf die, die nach wie vor seinen Oberarm festhielt, als fürchtete er, sie würde gleich zurückgezogen werden. Seine Haut war kalt. "Schreibst du mir... ab und zu?" Er sah Deidara mit seinen absurd dunklen Augen an, fast flehentlich. Es erweckte geradezu den Zwang, das nicht mehr ertragen zu müssen. Deidara schmetterte ihn geradezu gegen sich; seine Finger vergruben sich im schwarzem Haar und formten sich zur einer Kralle. Diesmal brach seine Stimme wirklich. "Ich schreibe dir jeden Tag! Und ich... ich bringe dir die Hausaufgaben und mache Notizen, bis du den Stoff kapiert hast, un! Meinetwegen schreibe ich auch die Prüfungen für dich! Und ich besuche dich und bringe meine Post persönlich vorbei, damit du... ja liest, was für einen Schund ich denke, und... wenn du zurückkommst, gehen wir... irgendwo hin und kommen nie wieder, un!" Der Wortschwall wurde begleitet von einem so heftigen Tränenausbruch, wie Deidara ihn noch nie erlebt hatte. Nicht mal, als er sich als Kind das Schlüsselbein gebrochen hatte. Es klang so lächerlich, wie ein vorschnelles Versprechen. Na ja, vielleicht war es vorschnell, und er hatte mal wieder keine Ahnung, weil es seine erste Liebe war. Doch möglicherweise hatte er keine Ahnung und Itachi war trotzdem seine große Liebe. Und er machte sich lieber lächerlich, als etwas zu bereuen. Itachi atmete zitternd ein. Deidara redete sich ein, dass es daran lag, dass er nicht genug Luft bekam. Und das, was seinen Nacken herunterlief, stempelte er als Schweiß ab, obwohl er es nicht mal selbst glaubte. "... Irgendwo hin?", wiederholte er langsam mit spröder Stimme. Deidara nickte in das wirre Haar hinein. Er spürte einen ruckartigen, kräftigen Druck um seine Taille, bevor Itachi aus seiner Umarmung hervortauchte – und rannte. Es dauerte nicht lange, bis er zwischen Fußgängern und Häuserblöcken verschwunden war. Das war also das Ende. Der Satz war nicht unbedingt freundlich und in seiner ganzen Art geradezu abartig kurz für etwas so Wichtiges. Deidara wischte sich mit dem T-Shirt-Ärmel über die Augen, um die nervtötenden Blicke der Passanten loszuwerden, und war froh, dass keine Tränen nachkamen. Ohne besondere Eile machte er sich auf den Rückweg: momentan gab es noch Anzeichen für Itachis Präsenz in der Wohnung. Er würde sich erst in Bitterkeit eingraben, sobald das nicht mehr so war. Und sobald es die nicht mehr gab... Zum zweiten Mal an diesem Tag schreckte ihn ein Auto auf. Und diesmal kein Krankenwagen, sondern ein mattschwarzer Eos mit quietschenden Reifen und völlig überhöhter Geschwindigkeit. Ausdruckslos beobachtete Deidara, wie der Wagen eine rote Ampel überfuhr, gefolgt von einem unheilverkündenden Blitz. Kurz darauf hielt er mit laufendem Motor am Bürgersteig. Deidara hatte gerade noch Zeit, um sich zu wundern, was diese Raserei in der Innenstadt sollte und ob Itachi die Wache bereits erreicht hatte, als eine der hinteren Türen aufflog und irgendjemand ihn am Arm hineinriss. Unmittelbar danach setzte das Auto sich mit jaulendem Motor in Bewegung. "Musste das sein?!" Verwirrt sah Deidara sich um, wobei er sich an der Kante der Sitzbank festklammern musste, damit ihn die Kurven nicht gegen die Wände schleuderten. "Kisame, was soll das werden, un?!" Kisame sah nicht so aus, als wäre er nicht besonders beeindruckt von seiner verstörten Verfassung. "Schnall dich an." Deidara ignorierte ihn. Er hatte soeben den Besitzer der ersten Stimme ausgemacht und er war genauso wenig begeistert von dessen Anwesenheit wie er von seiner. "Okaa-san, du bringst uns alle um! Fahr' langsamer!" Sasuke war blass und verhalten wütend. Vermutlich hatte ihm bisher niemand erklärt, weshalb sie hier sämtliche Verkehrsregeln brachen. Mikoto achtete nicht auf ihn. Sie riss das Lenkrad grob herum und brachte einige Fußgänger durch energisches Hupen dazu, die Straße gar nicht erst zu betreten. Ihr Gesichtsausdruck war unmöglich zu lesen. Sie war ebenso seriös gekleidet wie sonst und außer ihrem ständigen Auf Die Lippen Beißen war nicht zu erkennen, ob sie nervös war. Dank ihrer rigorosen Fahrweise erreichten sie die Polizeiwache zumindest wesentlich eher. Sobald die Reifen stillstanden, sprang Mikoto Uchiha aus dem Wagen und marschierte mit so weit ausgreifenden Schritten, wie ihr Rock es erlaubte, auf den Haupteingang zu. Sasuke musste laufen, um sie einzuholen. Das Auto blieb unverschlossen. "Was... was soll das alles, un?!" Hilfesuchend drehte er sich zu Kisame um. Mikoto besaß zugegebenermaßen einiges an Geld und Einfluss, doch damit würde sie jetzt nichts mehr ausrichten können. Zu seiner Schande musste er bekennen, dass ein Teil von ihm dennoch den Gedanken, sie würde Itachi ein zweites Mal retten, sehr begrüßte. Kisame schob ihn mit ungewöhnlich verschlossener Miene vorwärts, damit sie nicht den Anschluss verloren. "Alles zu seiner Zeit." Der Tonfall war entgültig. Kisame schien fortfahren zu wollen, überlegte es sich allerdings anders und förderte stattdessen ein ehemals ordentlich zusammengefaltetes Taschentuch zu Tage. Für Deidara ein dezenter Wink, dass er abgewrackt aussehen musste, und gleichzeitig eine willkommen wortlose Geste. Mikoto hatte offenbar eine genaue Vorstellung, wohin sie wollte. Ihre Absätze knallten auf dem schmierig grauen Flur, und niemand hielt sie auf. Sie hatte Sasukes Hand in einem krampfhaften Griff, obwohl er ohne größere Anstrengungen mit ihr mithielt. Er hatte das Fragen aufgegeben. Wenn man die Szene als Außenstehender beobachtete, musste es wohl ziemlich eigenartig gewirkt haben – eine schöne, elegante Frau, die einen angespannten Teenager mit sich zerrte, gefolgt von einem sichtlich verblüfften und erschöpften Jungen mit verquollenen Augen, der von einem Hünen mit äußerst ungewöhnlicher Hautfarbe geschoben wurde. Aber niemand sagte etwas, auch wenn Mikoto ihr Kommen nicht angekündigt hatte – für dieses sprach die sichtlich überraschte Sekretärin, die in einem fensterlosen Büro im Kern der Wache saß und vor Schreck ihre Aktenablage umstieß, als die Tür ohne Klopfen aufgerissen wurde. Mikoto beachtete sie nicht weiter. Sie hielt selbstbewusst auf eine weitere, recht unscheinbare Tür zu. "Sie können da jetzt nicht rein!", empörte sich die Frau und kam umständlich um ihren Schreibtisch herum. Mikoto schob sie grob zur Seite und ließ Sasukes Hand los, um die Klinke herunterzudrücken. Diese Mikoto war weder sanft noch liebevoll. Deidara fragte sich verunsichert, was sie hier wollte – möglicherweise wollte sie eine Aussage gegen ihren Sohn machen. Was erklärte, warum sie Sasuke mitgebracht hatte. Ich denke, er fürchtet nichts sosehr wie Sasukes Verachtung. Die Jalousien im Raum waren halb heruntergelassen, und es roch nach englischem Tee. Zudem war es ausgesprochen unordentlich. Die holzgetäfelten Wände waren beklebt mit Zeitungsartikeln – teilweise mit Überschriften, die überhaupt nicht in eine Polizeiwache zu passen schienen – und an der Decke baumelte eine altmodische, staubigrote Schirmlampe. Alles in allem widerlegte das Büro effektiv und auf ironische Weise sämtliche Klischees aus Krimis. Itachi fuhr herum, als sie eintraten. Er war weiß wie ein Bogen Papier, und in einer Hand schloss er – zu Deidaras Erstaunen – vorsichtig den zusammengeklappten Fächer ein, den er ihm geschenkt hatte. Auf seiner Stirn glitzerten winzige Schweißperlen. Der Anblick tat Deidara weh. Er hatte nie sehen wollen, wie Itachi am Ende seiner Kraft war. "Okaa-san-" "Halt den Mund, Itachi." Mikotos Stimme war klar und scharf wie eine Peitsche. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Person, die hinter dem unaufgeräumten Schreibtisch saß und alles mit stillem Interesse verfolgte. Es schien Jahre herzusein, seit Deidara sich beschwert hatte, er wolle Yondaime als Sportlehrer zurück. Und anscheinend war dieser seit seiner plötzlichen Kündigung nicht untätig gewesen. er bedachte die beiden älteren Schüler mit einem freundlichen Nicken, als seien sie hier zu einer Sportstunde versammelt, und verschränkte ruhig die Arme. "Guten Tag." Mikoto überging die Begrüßung einfach. Sie würdigte Itachi keines Blickes und baute sich vor Yondaimes Schreibtisch auf. "Er lügt." Yondaime legte gelassen seinen blonden Kopf schief. "Er ist jedenfalls nicht weit gekommen.", stellte er fest und erhob sich von seinem Platz. Mikoto ließ sich von seiner leise tadelnden Formulierung nicht aus dem Konzept bringen. "Nao Uchiha ist nicht bei einem Straßenkampf getötet worden." Itachi zog den Kopf ein Stück zwischen die Schultern, als fürchtete er, geschlagen zu werden. "Aber er ist auch nicht an einem Messerstich gestorben." Yondaime nickte wieder. Itachis aufgerissene Augen huschten verstört herum, während er daran scheiterte, die Vorgänge zu begreifen. Deidara wäre so gerne zu ihm gegangen, hätte Kisames mahnender Griff ihm nicht klargemacht, dass er sich nicht einmischen durfte. Noch nicht. "Ich habe ihn erschossen... mit seiner eigenen Waffe." Sasuke ließ sich gegen die Wand fallen – es mochte auch nur ein geschickt abgefangener Fall rückwärts sein. Die Farbe war aus seinem Gesicht gewichen, doch er versuchte nicht einmal, seinen Gedanken Ausdruck zu verleihen. "Das stimmt doch nicht." Itachi wich dem Blick seiner Mutter erstmals nicht mehr aus und betrachtete sie mit einer Mischung aus Verzweiflung und Angst. Und diesmal konzentrierten sich diese Gefühle nicht mehr auf seine Zukunft, sondern auf sie. "Hätte die starke Blutung dich nicht so erschreckt, wäre dir aufgefallen, dass der eigentliche Stich nicht tief war. Du hast nicht mal ein wichtiges Organ schwer verletzt." Mikoto sprach so kühl von dieser Tat, als wäre es eine Unaufmerksamkeit im Unterricht. "Als ich ihn fand, war er bei Bewusstsein." Sie verlor allmählich ihren kühlen Ton, mied jetzt ihrerseits Itachis Blicke. Yondaime lauschte ihr, ohne sich etwas anmerken zu lassen, und Sasuke starrte wie betäubt auf den Boden. "Er war Schuld an allem, aber es gab keinen anderen Weg... Er wäre sonst davongekommen. Er war kein Amateur." Mikoto legte eine bittere Pause ein. Nao schien nicht mal ein persönlicher Verlust zu sein, unbedeutender als der Fakt, dass ihre Fähigkeit, Menschen zu analysieren, sich in ihm getäuscht hatte. "Ich habe keinen Schuss gehört.", unternahm Itachi den nächsten Angriff auf ihr Geständnis. Langsam hatte wohl jeder in diesem Büro den Überblick verloren. "Ich habe den Schall mit einem Kissen gedämpft. Den restlichen Schuss hast du wegen dem Schock nicht realisiert.", erklärte Mikoto ohne Anzeichen einer Regung. "Anschließend war es nicht schwer, ihn über die Grenze zu bringen und zu behaupten, er sei bei einem Überfall in Suna versehentlich erschossen worden." Sie stieß spöttisch die Luft aus. Sasuke zuckte zusammen. "Wahrscheinlich, weil kaum jemand dort geglaubt hat, er sei tatsächlich tot, sondern es sei bloß ein Trick." Yondaime überflog den aufgeschlagenen Ordner, den er unbemerkt aus einem der Fächer gezogen hatte. Er neigte unmerklich den Kopf als Zeichen, dass sich ihre Aussage mit seinen Informationen deckte. "Warum hättest du das tun sollen?" Itachi klang beinahe störrisch. Mikoto überwand die Distanz zwischen ihnen mit einigen Schritten. Das helle Sonnenlicht ließ ihr makellos geglättetes Haar schimmern. "Ich habe dir das bereits gesagt, als du fragtest, warum ich ihn heiraten sollte." Ihr Ton wurde etwas weicher, und Deidara war erleichtert, dass sie ihre harsche Fassade für's Erste abgelegt hatte. "Euer Vater war nicht perfekt, doch er hat nie... zugelassen, dass ihr in etwas hineingezogen werdet, das nicht für euch bestimmt war." Der Themenwechsel fiel Itachi offenbar nicht sonderlich auf. Er zog seine Mutter in eine unbeholfene, zittrige Umarmung, und danach konnte Deidara sein Gesicht nicht mehr erkennen. "Wir gehen... frische Luft schnappen." Kisame verpasste ihm schon wieder einen Schubs, diesmal nach draußen, an der verärgerten Sekretärin vorbei auf den Flur. Das schummrige Neonlicht brachte ihn zurück in die Gegenwart. "Was war das für eine Aktion?! Sag nicht... du wusstest das alles, un." Deidara beäugte Kisame halb misstrauisch, halb ungläubig. Dieser zuckte lediglich mit den Schultern und ließ sich auf einem der blauen Plastikstühle nieder. "Nicht alles." "Und was, un?" Kisame verzog den Mund, was entweder eine Grimasse oder ein Grinsen sein konnte. "Itachi hat mich angerufen, bevor er losgegangen ist." "Nicht wahr, un!" Deidara fühlte sich ein wenig... gekränkt. Er bekam kein einziges Wort des Abschieds, und Kisame... Das war absolut nicht fair. Jetzt grinste Kisame wirklich. "Da du ihn höchstwahrscheinlich bald wiedersiehst, muss ich dir wenigstens nicht das bestellen, worum er mich gebeten hat..." Deidaras Herz machte einen Sprung. "Was denn, un?" "Alles zu seiner Zeit." "Das höre ich schon zum zweiten Mal an diesem Tag, un!" Kisame scherte sich nicht weiter um seine Proteste. 'Das wiederholt er noch für dich' war das Einzige, was er zu diesem Thema weiter äußerte. Die Warterei dauerte ewig, doch Deidara bestand starrköpfig darauf, sich nicht vom Fleck zu rühren. Als Itachi schließlich erschien, bewegte er sich so unsicher, als fürchtete er, die Gesetze der Schwerkraft würden sich jede Sekunde ändern. Trotz der verstrichenen Zeit wirkte er nicht so, als hätte er ansatzweise begriffen, was Mikoto ihm eröffnet hatte. Deidara war recht überzeugt, dass tröstende Worte da keine Hilfe sein würden. Andererseits hatte er keine Lust mehr, herumzusitzen – sie hatten so gut wie den ganzen Tag auf der Wache verbracht, und dazu sollte nicht auch noch die Nacht angehängt werden. "Darfst du endlich gehen, un?" Itachi nickte mechanisch. Deidara nahm seine Hand und zog ihn mit sich nach draußen. Es waren kaum Menschen unterwegs, der Himmel rosa-orange verfärbt. Laut Wetterbericht der letzte schöne Abend vor dem Herbsteinbruch. "Wir tun nun etwas Blödes: wir rennen diese Straße runter, bis zum Hafen. Erfahrungsgemäß ist es nützlich, wenn man keine Energie mehr zum Kopfzerbrechen hat, un." Itachi hatte nicht zugehört, was allerdings nicht so gravierend war. Deidara zerrte ihn so lange mit, bis er von sich aus anfing zu laufen. Die wenigen Passanten warfen neugierige Blicke zur Polizeiwache, für den Fall, dass gleich ein Einsatzwagen mit Blaulicht vorbeifuhr und die Richtungen brauchte. Deidara fiel sein japsender Atem erst auf, als sie den Hafen tatsächlich erreicht hatten. Die untergehende Sonne spiegelte sich im jadegrünen Wasser und überspielte damit gekonnt, wie brackig und verdreckt es war. Itachi stützte sich keuchend auf den Oberschenkeln ab und lächelte andeutungsweise. "Blöder Plan." "Ich hab doch gesagt, dass er blöd ist, un." Deidara wedelte ihm vor dem Gesicht herum und bekam einen genervten Blick zur Belohnung. "Hat jedenfalls funktioniert, un." Itachi lehnte mit einem finalen Seufzen den Kopf an Deidaras Schulter. Seine Augen starrten auf irgendetwas in der Ferne. "Und jetzt?" Deidara legte ihm den Arm um die Schultern und setzte eine erschrockene Miene auf. "Stimmt! Wir schreiben bald Chemie, und ich habe überhaupt nichts gelernt... Und wenn das schlechte Wetter einsetzt, werde ich depressiv, un..." Itachi lächelte ein wenig breiter. Nur ein wenig. "Nicht auszudenken." Deidara kickte einen Stein ins Wasser. Er tauchte mit einem hohen Platschen ein und zog weite Kreise. "Du hilfst mir ja, wenn's ernst wird, un." Itachi schob mit einem Fuß etwas Schutt ins Hafenbecken. Die Oberfläche geriet völlig in Aufruhr. Die lächerliche Steinwerferei war ein erstaunliches Synonym für sein bisheriges Leben. "Du Idiot, kannst du nicht aufpassen..." Kein kreatives Kompliment, keine zärtliche Liebeserklärung, keine enthusiastische Zukunftsplanung. Aber dafür der Satz, mit dem alles angefangen hatte. Sie haben eine neue Nachricht. 5:15 am: Bevor du beim Abhören dumme Bemerkungen machst, ich weiß sehr gut, dass du nicht zu Hause bist, Sasori, un. Aber ausnahmsweise habe ich Gründe, um diese Zeit anzurufen. Da staunst du, was, un? Zu aller erst meine verspäteten Glückwünsche! Wie ich sehe, hat es deine Oma überlebt, dass du wirklich an der juristischen Universität von Suna aufgenommen bist – aber mal ehrlich, das hat keinen überrascht, un. Du hast jede Menge verpasst hier – was heißt 'Fernprüfung', du Freak hast es geschafft, die Diplomzeremonie zu versäumen (vergleichbar mit dem 'Graduation Day' amerikanischer Highschools)... Und obwohl ich wenig Zeit habe, entlade ich das Wichtigste auf dieses Band, un. Anbei, freue mich darauf, dich in den Semesterferien zu sehen. Wehe, du bist da verhindert, un. Tja, Sakon hat Tayuya mitten während der Zeremonie heroisch einen Heiratsantrag gemacht, und ich wette, sie nimmt ihn an, und wenn ihre Eltern dagegen sind, brennen sie durch. Und wir haben eine erfolgreiche Schulband mit Pein und Konan, surprise, surprise, un. Ich habe es mir zu Herzen genommen, dass du meintest, ich sollte mich mit Kankuro vertragen – ehrlich! Es ist bloß so... stell deine Fachdiagnose bei der hochgeheimen Überraschungsparty, die Temari anlässlich deiner Rückkehr schmeißen wird, un. Er trägt keine blöden Katzenohren mehr, aber er ist trotzdem besessen von dir. Ist er eigentlich in dich verliebt, un?! War nicht ernst gemeint. So, wenn ich die Band gerade erwähnt habe, Kisame hat eine Basketballmannschaft gegründet, un! Und sie sind nicht schlecht. Zumindest, wenn Anko und Ukon nicht gerade aneinandergeraten – sie mögen sich, ganz sicher, un. Iruka-sensei und Kakashi-sensei kriegen das mit dem Heiraten nicht auf die Reihe. Irgendwie ist das mit den Ringen keine glückliche Angelegenheit... na ja, die schaffen es schon, un. Wir haben haufenweise niedliche neue Pärchen, wenn ich das so ausdrücken darf – Jahr der Liebe oder so. Und obwohl es dich wahrscheinlich nicht interessiert, ich habe noch genug Zeit, um eine Rückblende auf mein Leben zu geben, un. Von der 'Uchiha-Tragödie' – so nennt die Presse das – hast du sicher gehört, geht ja nicht anders. Wenigstens hat Mikoto Uchiha mildernde Umstände bekommen, und Sasuke muss nicht in eine Pflegefamilie, un. Wäre auch dämlich gewesen. O-oh... Jetzt muss ich mich erstrecht beeilen, un. Äh... Itachi hat sich die Haare abgeschnitten, übrigens. Sind immer noch lang, bloß nicht mehr so lang, un. Zweieinhalb Minuten weniger Haarewaschen. Schon gut. Trotz diesem ganzen Trubel hat Itachi keinen Nervenzusammenbruch und hält es mit mir aus, un. Schwer zu glauben, ich weiß... Der eigentliche Grund, warum ich diese Nachricht hinterlasse, ist der, dass ich nach der Woche Urlaub, die mir vergönnt ist, jede Menge zu tun haben werde und... ich nicht will, dass du denkst, ich hätte dich vergessen. Wow, endlich hab ich's gesagt – jetzt kann ich es nicht zurücknehmen, un. Deshalb die Nachricht. Für eine Woche werden wir sinnlos versuchen, diesen ganzen Prozess zu vergessen, und dann... keine Ahnung. Ich will Künstler werden, un. Und wenn du zurückkommst, kannst du bitte Itachi das mit der Historik ausreden? Das ist so- Ähm... jetzt ist es böse auf mich. Hat er gehört, un. Werd' nicht krank und lern' nicht zu viel, okay? Bis bald bei deiner glorreichen Rückkehr, un. Und - ich weiß sehr wohl, dass ich das schon mal gesagt habe - egal, was kommt, du bleibst mein Freund. Ich hab dich lieb, un. Ende 124 Seiten – ich bin platt. Und tatsächlich 'Ende' zu schreiben war irgendwie bewegend. In diesem Sinne meine ebenso bewegende Ein-Satz-mit-drei/vier-Worten-Rede: Danke für's Lesen. Sollte die Sequel veröffentlicht werden, wird sie sich zwei Jahre später darum drehen, wie Itachi in Iwagakure Deidaras Eltern vorgestellt wird – und welchem Zweck das dient. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)