Perfect Girlfriend von abgemeldet (ItaDei, inc. Sidepairings) ================================================================================ Kapitel 20: Perfect Realisation ------------------------------- Ukon stieß einen Fluch aus, der an 'Was in drei Teufelsnamen...' erinnerte, allerdings mit wesentlich mehr unflätigen Ausdrücken garniert war. Offensichtlich hatte Naoise ungefragt seine Besetzung geändert, denn Kimimaro beobachtete gleichgültig die Szene von dem provisorischen Backstagebereich aus. Deidara staunte darüber, wie unauffällig er getauscht haben musste. Tayuya balancierte am Rand der Bühne auf ihrem halb zerbrochenen Treppengeländer, ein Überbleibsel aus einer früheren Vorführung. Eigentlich hätte sie vor dem prachtvollen Banner des Herrschaftshauses stehen müssen, während ihr Haar dramatisch im Wind flatterte. Momentan hatte der Wind sich gelegt, und die Treppe knackte bedrohlich. Trotzdem lachte niemand. Irgendwie musste es ihnen gelungen sein, die Tragik der Situation zu vermitteln, und Deidara war absolut sicher, dass das mehr eine göttliche Fügung war. Oder Sakon besaß unentdecktes schauspielerisches Talent. Mindestens eins von beidem war nötig, um dieses Theaterstück zu retten. Sakon warf dem Publikum einen vernichtenden Blick zu und wandte sich theatralisch Deirdre zu. Stille. Vielleicht hätte Kimimaro sich nicht gerade Jugo als Ersatz aussuchen sollen. Und vielleicht war es ebenfalls eine göttliche Fügung, dass Sakons ursprüngliche Rolle ausgerechnet die des mehr oder weniger spontanen Verräters war, der Naoise hinterrücks erstechen sollte. "Erstich ihn!" Aoi gab sich Mühe, gleichzeitig tot auszusehen und Jugo Anweisungen zu geben. Die Zuschauer warteten in verwirrtem Schweigen, das wahrscheinlich nicht mehr lange anhalten würde. Bis dahin musste Naoise tot sein. Hoffentlich war Jugo dafür nicht zu gutmütig. Hinter den Kulissen vergrub Anko das Gesicht in den Händen. "Könnt ihr mir erklären, was das soll?" "Wir haben getauscht.", sagte Kimimaro einfach, als wäre das nicht offensichtlich. Itachi fühlte sich wenig getröstet, nur weil er jetzt wusste, warum Ukon ein konspiratives Gespräch mit Tayuyas Exfreund gehabt hatte – er hatte verhindern wollen, dass Sakon die Rolle nahm oder aufgezwungen bekam. Kimimaro hatte das nicht eingehalten. Alles sehr romantisch, aber dafür gab es gleich ein Problem mehr. "Er kann ihn nicht erstechen...", knurrte Anko und fuhr sich durch die aufgesteckten Haare. "Ihr Intelligenzbestien seid nicht darauf gekommen, dass Sakon sein altes Kostüm noch trägt... Das ist nicht dafür geschaffen, mit einem Holzschwertchen durchbohrt zu werden!" Im Klartext: das Schwert würde abbrechen. Damit wäre der dramatische Höhepunkt also auch ruiniert. Itachi seufzte und schüttelte den Kopf. Dieses plötzliche Liebesgeständnis mal ausgeschlossen, was hatte an diesem Abend überhaupt geklappt? Tayuya mochte wie betäubt stehen, aber sie war nicht taub. Der Balkon, ursprünglich eine Requisite für 'Romeo und Julia', würde nicht ewig halten. Dass er marode war, war eingeplant gewesen – eigentlich sollte sie hier ohnehin nicht so lange stehen. Was in ihr vorging, war für einen Beobachter nicht zu erkennen, und so stieß das Publikum überraschte Laute aus, als sie ihre Röcke zusammenraffte und sich über das Geländer schwang, bevor der Balkon unter ihr wegbrach. Die gesamte Bühne bebte, als sie auf den Brettern aufsetzte, und Gott sei Dank fiel kein Scheinwerfer herunter. Es herrschte Stille. Jugo war nicht sicher, ob er Naoise immer noch erstechen sollte, deshalb hielt er sein Kurzschwert unschlüssig in der Hand. Sakon hatte sowieso vergessen, dass es seine Bestimmung war, in diesem Moment zu sterben. Er ging langsam herüber zu Tayuya, die am Boden kniete und hilfesuchend zu allen Seiten blickte. Deidara zog lediglich die Schultern hoch. Er hielt es für keine gute Idee, unvermittelt zum Text zurückzukehren. Die Zuschauer schwiegen, diesmal vermutlich in Erwartung einer romantischen Szene. Leider war an Sakons unruhiger Miene zu erkennen, dass er sein Pulver bereits verschossen hatte – große Reden lagen ihm nicht. Das Licht um sie erlosch allmählich, bis das Rampenlicht auf sie gerichtet war und der Rest im Dunkeln lag. Tayuya schien ebenso wie ihr Mitdarsteller um Worte zu ringen. Ankos Augen huschten zögernd hin und her. Entweder, sie vertraute darauf, dass einer von beiden einen brillanten Einfall hatte... oder sie ließ die Szene auf die klassische Weise beenden. Sie war nicht bereit, den Erfolg des Theaterstücks, in das sie so viel Arbeit gesteckt hatte, dem Zufall zu überlassen. Dennoch... Was für Auswirkungen würde ein tragisches Ende haben, nachdem die Lage sich so entwickelt hatte? Abrupt schaltete sich auch der verbliebene Scheinwerfer aus. Orochimaru zog eine entmutigte Grimasse, als die Zuschauer mit unwilligen Rufen reagierten – das hatte ja so kommen müssen. Sie verstummten jedoch, als die um die Sitzreihen verteilten Boxen mit leisem Brummen Musik ankündigten. Das Licht flimmerte über die Bühne. Tayuya war inzwischen aufgestanden und hatte den Kopf an Sakons Schulter gelegt, was ihr spontane Jubelrufe einbrachte. Unvermeidlich klickten Fotoapparate. Es war mit absoluter Garantie nicht gedacht gewesen, dass das Stück mit einer Gesangseinlage endete, obwohl das Publikum dieses heitere Ende mit Begeisterung aufnahm. Anko rieb sich den Nacken, halb zufrieden, halb genervt. Immer diese überzogenen Auftritte... Eine Prinzessin zu retten reichte. Warum musste Pein eine ganze Theater-AG retten, und das zu allem Überfluss mit 'Let Me Entertain You'? Und das, ohne wie Mr. Nice Guy herüberzukommen... Faszinierend. Offenbar kam Tayuya mit diesem Wechsel wesentlich besser zurecht. Konan stand mitten auf der Bühne, diesmal mit Shorts unter dem Rock, und das mit ihrem entsetzlich coolen Freund, der für ihrer aller Mühen die Lorbeeren einsammelte, die Beleuchtung war mal wieder mies, überall lagen Requisiten herum, die Musik war ganz und gar unromantisch, aber hey – Sakon und sie durften die Tanzeinlage machen. Sie trennte ihr Kostüm mit einem Ruck an den Seiten auf, um etwas mehr Beinfreiheit zu bekommen, und zerrte 'Naoise' ins provisorische Rampenlicht. Das war das richtige Ende für eine Aufführung. Itachi war nicht direkt anwesend, als die Musik begann. Demnach sah er nicht, was sich ereignete, konnte es sich allerdings denken. Wunderbar, die Welt war gerettet – Zeit, sich zu verziehen. Er wollte nicht anwesend sein, wenn die gesamte AG sich auf die Bühne begab. Das Risiko, erkannt zu werden, war ihm zu hoch. Außerdem machte ein Erfolg diese Konstruktion nicht weniger gefährlich. Die kurzfristig angebrachten Seile, die Kulissen und größere Requisiten festhielten, hatten sich so oder so bedrohlich gelockert. Itachi knotete sie auf und fing an, sie haltbarer festzuzurren. Hauptsache, er war beschäftigt. "Itachi." Mit eiserner Selbstdisziplin schaffte er es, nicht zusammenzuzucken. Es war nicht sosehr die Erwähnung seines richtigen Namens. Vielmehr die Person, die ihn aussprach. "Du musst auf die Bühne. Zugabe geben.", zischte er und hielt den Blick starr auf die Knoten gerichtet. Kisame überging seine Anweisungen völlig. "Hat diese Maskerade irgendeinen Sinn oder war dir einfach mal danach?" Itachi presste bei dem betont sarkastischen Tonfall die Lippen aufeinander. "Was geht's dich an? Du hast aufgelegt!" "Aus Versehen! Es ist nicht so, als ob-" "Es ist verdammt egal, warum du es getan hast, du hast es jedenfalls getan!" Mit diesen Worten löste Itachi einen der Knoten und überließ es Kisame, die sich zur Seite neigenden Kulissen festzuhalten. Er kletterte über Kisten von Materialien hinweg und schließlich ganz aus der Bühnenanlage. "Itachi, warte!" Der ärgerliche Ton ließ ihn zusammenfahren. Er könnte tatsächlich warten... doch dazu war es zu spät. Er hatte entgültig genug von diesem Abend. Er wollte nach Hause, sofort. Die Bühne vibrierte unter dem Tumult, der auf ihr herrschte. Wenn es an diesem Abend einen Preis für den blödesten, unelegantesten und zumindest amüsantesten Abschluss einer Tragödie zu verleihen gegeben hätte, wäre er der Theater-AG sicher gewesen. Inzwischen hatte sich so ziemlich alles auf der Bühne versammelt, dem Tanz-Logenplatz. Die Zuschauer bejubelten entweder Peins lückenlose Gesangseinlage oder versuchten einfach, die Sitzreihen zu einer Tanzfläche umzubauen. Vor ungefähr zwanzig Sekunden war Iruka von Kotetsu und Izumo auf die Bühne geschubst worden, und mit dieser wenig freundlich wirkenden Geste war offenbar kurz und schmerzlos der bisher heftigste Streit zwischen ihm und Kakashi begraben worden. Auf ein Neues. Deidara fand, dass das alles nach einem Riesenspaß aussah. Vielleicht würde er Itachi motivieren können, mit ihm zu kommen – als gelungener Abschluss. Das hier war der niemals erwartete Triumph, das musste gefeiert werden. Das Problem war, dass Itachi nicht mehr anwesend war. Anko hatte achselzuckend gemeint, 'sie' sei eben schon verschwunden, und hatte Ukon mit sich gezerrt, bevor er den Ausklang des Stücks sabotieren konnte. Deidara hatte noch nie einen Tanz erlebt, der sosehr an einen Ringkampf erinnerte. Kisame kommentierte seine Frage ohne den üblichen Sarkasmus und damit, dass 'sie' auf dem Weg nach Hause sei. Deidara nahm sich nicht die Zeit, darüber nachzusinnen, woher er das wusste. Er kletterte umständlich von der Bühne herunter und rannte auf den Parkplatz zu. Das war der Weg, den Itachi normalerweise nahm. Die Laternen waren bereits eingeschaltet, deshalb bemerkte er ihn. Itachi stand direkt unter einer Laterne und studierte sein Äußeres mit einem Taschenspiegel. Der Lärm der Herbstfeier drang nur gedämpft herüber. "Itachi, un!" Itachi klappte den Taschenspiegel mit einem energischen Klicken zu und drehte sich zu ihm um. In den fahlen Lichtverhältnissen war das schwer zu erkennen, doch zu seiner Verwirrung erkannte Deidara eine Art Enttäuschung. Hatte Itachi jemand anders erwartet? "Wie oft habe ich dir gesagt, dass du diesen Namen nicht benutzen sollst?!" Die ungewohnte Schärfe in seiner Stimme war erschreckend. Deidara kam allmählich zum Stehen und beäugte ihn verwundert, während er nach Luft schnappte. "Wozu hast du ihn mir sonst verraten, un?" Itachi schnaubte und beließ es bei einem finsteren Blick. "Willst du schon gehen? Ich würde gern noch bleiben, und... kommst du mit, un? Tanzen?" "Warum sollte ich?" Das war nicht Itachis sonstiger, leise ironischer Umgangston, mit dem er solche Vorschläge beantwortete. Deidara war ein wenig eingeschüchtert. War das so eine Art extreme Stimmungsschwankung? "Na ja, es... scheint Spaß zu machen, und immerhin... du bist mein Freund, un!" "Nein." Itachi wandte sich wieder ab und machte Anstalten, das Schulgelände zu verlassen. Deidara hielt ihn reflexartig am Handgelenk fest. Man ging nicht, bevor das Gespräch nicht beendet war. "Schon gut, wir müssen nicht tanzen, können wir nicht trotzdem bleiben? Noch ein bisschen, un?" Itachis dunkle Augen fixierten ihn unwillig, und er versuchte, seinen Arm mit einem Ruck freizubekommen. Deidara reagierte etwas zu spät, umschloss jedoch unbeirrt seine Finger. "Was ist denn los mit dir, un?!" Itachi zog noch einmal, ohne Erfolg. "Lass mich los." "Reg' dich deswegen nicht gleich so auf! Was hast du überhaupt, un?!" Itachis ohnehin blasse Haut fing an, unter dem Druck weiß anzulaufen. Er verzog den Mund, halb aus Schmerz, halb aus Ärger. "Du verstehst es nicht... Ich bin nicht dein Freund." "Haarspalterei, un." Itachi streckte seine freie Hand aus und wand die andere mit ihrer Hilfe frei. Dabei ging er so ruhig und präzise vor wie bei einem Unterrichtsexperiment. Sein Griff war bei weitem nicht so stark wie Deidaras, dennoch warnte den Blonden eine Stimme aus dem Unterbewusstsein davor, ein Kräftemessen daraus zu machen. Er ließ zu, dass Itachi seine Finger löste und die fremde Hand achtlos fallen ließ. "Du verstehst es wirklich nicht. Es reicht mir mit dieser Maskerade." Er rieb sich die immer noch verfärbte Haut an seinem Gelenk und hielt Deidaras Blick ausdruckslos stand. "Noch besser! Warum fängst du dann nicht endlich an, als Junge zur Schule zu gehen, un?!" Itachis Augen verengten sich um ein winziges Stück. Er hatte Recht – Deidara begriff nicht ansatzweise, warum er plötzlich so abweisend war. Nachdem sie die letzte Zeit ständig zusammen verbracht hatten, war er ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass sie Freunde waren. Und er hatte nie den Eindruck gehabt, dass das Itachi in irgendeiner Weise unangenehm war. "Du bist doch ein netter Kerl, deshalb tue ich dir einen Gefallen und beende diese lächerliche Alibibeziehung." Deidara starrte ihn stumm an. Itachis Stimme klang so höhnisch, als wäre ihr ziemlich kurioser Pakt wirklich nur eine einzige Tortur gewesen. Das war nicht wahr. Und Itachi durfte nicht einfach anfangen, das zu behaupten! "Wieso soll das ein Gefallen sein?! Und warum jetzt, un?! Der Monat ist fast um, Konan und Pein sind sowieso das neue 'Traumpaar', also-" Itachi machte einen Schritt auf ihn zu und legte beide Handflächen auf Deidaras Wangen. Sein Blick war eindringlich. Er zog ihn ein Stück zu sich herunter und küsste ihn auf die Stirn. Seine Stimme war sanft und weich, als er sprach. "Deine Sünden sind dir vergeben." Damit drehte er sich um und verschwand aus dem Licht der Straßenlaterne. Deidara war nicht gefasst genug, um ihm zu folgen. Er verstand die Welt nicht mehr. Nach den neusten Erkenntnissen war Itachi dieses Getues überdrüssig geworden, oder er hatte schlicht... überreagiert. Das war ihm schon mal passiert, und irgendetwas an diesem Abend hatte ihm diese gewisse Sicherung erneut durchknallen lassen. Deidara erleichterte diese Erklärung immens. Itachi konnte ihn leiden, sonst hätte er ihn nicht geküsst. Ein rein platonischer Kuss, den er sich hätte sparen können, wenn er dieses Kapitel wirklich hätte abschließen wollen. Wenn er sich richtig erinnerte, hatte ihn noch nie jemand auf die Stirn geküsst. Itachi war demnach gleich sein doppelter erster Kuss. Ein Grund mehr, ihn morgen in der Schule zu fragen, welcher Teufel ihn da geritten hatte. "Hm?" Manche Menschen sind zu keiner Zeit ein Ausbund an Höflichkeit. Aber dass Sasori sich mit demselben unartikulierten 'Hm' meldete, das Itachi sonst benutzte, machte Deidara zusätzlich fertig. Und in dieser Nacht war er bereits vollkommen fertig. "Sasoriii! Sasori, Sasori, Sasori! Un!" Niemand ist darauf vorbereitet, um zwei Uhr nachts von einem Mehr-oder-weniger-Freund angerufen zu werden. Auch Sasori nicht. "... Ja?" Am anderen Ende der Leitung polterte es so laut, dass Sasori sich trotz seines kaum halbwachen Zustands Sorgen machte, ob das Haus bei Morgengrauen noch stehen würde. "Vega und Atair... Sie sind..." "Weggeflogen?" Das war eigentlich zu erwarten gewesen. Deidara ließ ständig Türen und Fenster offen und vergaß, sie wieder zu schließen. "Nein, verdammt! Ganz anders, un!" Seit wann gebrauchte Deidara das Wort 'verdammt'? Das musste er sich von jemand anders angewöhnt haben. "Und was?" Deidara stieß einen frustrierten Laut aus und trommelte anscheinend mit den Fäusten auf etwas herum. "Sie sind schwul! Ich habe nie gemerkt, dass Atair ein Männchen ist, un!" Es folgte eine Reihe sehr verschiedenen klingender 'Un's und unverständlichen Gemurmels. Sasori schwieg andächtig und meldete sich erst in einer Atempause. "... Und?" "... Was 'und', un?" "Wo ist das Problem?" Dass Kanarienvögel unter Umständen schwer zu unterscheiden waren, empfand Sasori nicht recht als Anstoß zum Ausflippen. Und schon gar nicht um zwei Uhr nachts. Deidara atmete hörbar ein. "Glaubst du, dass ich auch... schwul bin, un?" Stille. Deidara biss sich auf die zitternden Lippen, sein unregelmäßiger Atem rauschte in der Leitung. Sasori schwieg. Widerspruchslos gab es Meinungen, die Frohnaturen oder Künstler generell als homosexuell einstuften. Sasori selbst war die Idee bisher noch nicht gekommen. Kinder, die ihre Eltern nur in den Ferien trafen, entwickelten zwangsweise andere Kontakte zu ihrem Umfeld. Außerdem war es normal, dass in diesem Alter Panik wegen diesem Thema aufkam. Trotzdem lehnte Sasori es ab, 'Wieso solltest du?' zu erwidern. So unsinnig die Gründe sein mochten – wer richtete seine sexuelle Orientierung schon nach seinen Haustieren aus? – erfahrungsgemäß gab es noch andere Punkte für diesen Verdacht. "Wäre das so schlimm?" "Natürlich ist es schlimm! Es ist... abnormal, un!" Ebenfalls keine ungewöhnliche Angst. Sasori sparte sich weise den Kommentar, dass Deidara so oder so schon einige abnormale Dinge hinter sich hatte. "Hat deine Freundin dir das an den Kopf geworfen?" "Das ist kein... Also... Nein, das hat nichts damit zu tun... Das heißt... un..." Sasori machte einen halbherzigen Versuch, daraus irgendetwas zu folgern, und seufzte schwer. "Können wir das morgen diskutieren?" Seine einzige Antwort war ein gleichmäßiges Tuten in der Telefonleitung. Am nächsten Tag gab es zwei äußerst quälende Fragen für Deidara. Erstens: Hatte Itachi sich von seinem Stimmungsumbruch erholt? Und zweitens: Angenommen, er war tatsächlich homosexuell – Sasori hatte sein Gewissen diesbezüglich nicht gerade beruhigt – war er dann in Itachi verliebt? Eigentlich gänzlich unmöglich. Kitschig gesagt müsste er ganz nervös und rot werden, wenn er ihn sah. Natürlich freute er sich, ihn zu sehen. Man freute sich nun mal, wenn man einen Freund sah. Da war kein... sexuelles Interesse. Itachis Lächeln war zweifellos hübsch und irgendwie anziehend, trotzdem reichte das nicht, um sich zu verlieben. Wäre das so gewesen, hätte er mit ihm im selben Bett nicht geschlafen wie ein Stein und die Akte 'Wir haben uns freiwillig geküsst' nicht einfach beiseite geschoben. Allerdings... Wenn es nicht so wäre, hätte er nicht festgestellt, dass Itachi einen schönen Körper hatte, trotz der nach seinem Geschmack viel zu hellen Haut. Er hätte ich nicht mit zum Tanzen nehmen wollen und seine Hände nicht so stur festgehalten. Und er wäre nicht so aufgekratzt gewesen, nur weil er von ihm auf die Stirn geküsst worden war. Deidara suchte die Umgebung nach Itachi ab. Die Halle war voll von Schülern, doch der Richtige war offensichtlich nicht unter ihnen. Tayuya war bei Sakon und Temari gefangen in einem Interview der Schülerzeitung, deshalb hatte er bei seinen 'Freundinnen' ebenso wenig Erfolg. Deidara erwog, Sasuke zu fragen und ließ es letztendlich, da der Teenager nicht gerade den Eindruck eines fröhlichen, hilfsbereiten Menschen machte. Wenigstens war er nicht der einzige mit einem Scheißtag. Notgedrungen musste Deidara warten, bis die Geschichtsstunde begann. Iruka war im Gegensatz zu ihm noch völlig aufgelöst vor Glück und vergaß meistens mitten im Satz, was er hatte sagen wollen. Deshalb kritzelte er ein Schema an die Tafel und ließ es die Schüler abschreiben, anschließend bezog er Posten neben dem Fenster und beobachtete Kakashi bei seiner Sportstunde. Allmählich ging Deidara diese Schule auf die Nerven. Verliebte hatten seine Laune schon vor dieser ganzen Angelegenheit nicht gebessert, und jetzt wurde er regelrecht allergisch gegen ihren Anblick. Itachi kümmerte sich nicht um ihn. Er übernahm sorgfältig das Tafelbild in sein Heft und hob nicht mal den Kopf. Deidara seufzte und riss ein Blatt aus seinem Block. Nachdenklich drückte er seinen Kugelschreiber gegen den Mundwinkel, unschlüssig, was er schreiben sollte. Er entschied sich für eine simple. unverfängliche Mitteilung: Ich muss mit dir reden. Den Moment, in dem Iruka nicht aufpasste, musste er nicht abwarten, deshalb faltete er den Zettel zusammen und warf ihn in die Reihe vor sich. Itachi hielt kurz inne und betrachtete das Stück Papier. Dann schob er es mit seinem Stift zu Konan. "Post." Das neuernannte 'Dreamgirl der Konoha High' runzelte die Stirn und entfaltete den Zettel. Deidara fiel reichlich spät ein, dass er ihn an Itachi hätte adressieren sollen. Dass Konan inzwischen so etwas wie Fanpost laufend bekam, hätte er wissen müssen. Er zog eine Grimasse in Itachis Richtung – prompt drehte Konan sich nach dem um, der ihr diese Nachricht gesandt hatte. Seine Grimasse quittierte sie mit dem Vertiefen der Falten auf ihrer Stirn und nahm ihre Arbeit wieder auf. Deidara nahm ein neues Blatt und schrieb: Warum hast du das gestern getan? Und diesmal setzte er Itachis Mädchennamen auf die Außenseite. Itachi musste das irgendwie erraten haben. Und er reagierte damit, dass er den Zettel umdrehte und es auf Konan abwälzte, ihn zu lesen. Deidara ließ seinen Kopf auf die Tischplatte knallen. Glücklicherweise verzichtete Konan auf eine sofortige Antwort. Das hieß, er konnte das Missverständnis noch klären. Möglichst bevor er von irgendjemandem – wahrscheinlich Pein – zu einem Fleck auf dem Schulhof verarbeitet wurde. Das war dramatisiert, doch es gab Schöneres, als zu testen, ob die Schülerzeitung das letzte 'Paar des Monats' bereits vergessen hatte. Deidara holte Luft, um Itachi direkt anzusprechen, als dieser die Hand hob. "Kann ich zur Toilette?" Iruka winkte ihn wortlos hinaus und vertiefte sich in das Beiwohnen bei der Reckturnerei. Der soeben versöhnte Freund war vermutlich interessanter als ein Haufen Schüler. Deidara sank enttäuscht auf seinem Platz zusammen. Diese Welt hatte sich gegen ihn verschworen. Diese Überzeugung hielt noch ungefähr bis zum Ende des Schultags an. Er kam Sasori gegenüber nicht auf das Thema der gestrigen Nacht zurück. Sie verbrachten die Pausen schweigend in der Bibliothek. Im Nachhinein konnte Deidara sich nicht erinnern, ob und was er gelesen hatte. Wahrscheinlich hatte er lediglich ein Buch durchgeblättert, ohne ansatzweise zu verstehen, welchen Inhalt es hatte. Sasori hatte die Verschlossenheit seines Freundes ohne erkennbare Proteste akzeptiert. Deidara war froh, dass er nicht unbedingt darauf aus war, ein klärendes Gespräch zu führen, wie das vielleicht bei anderen der Fall gewesen wäre. Das ständige Seufzen übernahm er heute ohnehin selbst. Auch das kommentierte Sasori nicht. Alles, was der Rothaarige tat, war ihm seine vermaledeite Handynummer auf den Unterarm zu schreiben. Deidara lächelte schwach – es kitzelte. Und Sasori konnte es nicht leiden, Dinge mit giftversehenen Stiften auf Haut anstatt auf Papier zu schreiben. Der Tag war die ganze Zeit schwül und bewölkt gewesen. Nun war der Himmel bleigrau und die Luft zäh wie Sirup. Nichts, was Deidara abhielt, den Weg zu rennen, den er schon einmal genommen hatte, jedoch in der irrigen Annahme, Itachi sei ein Mädchen. Gut, das war ausgeräumt, und das Problem war dasselbe. Das hieß, die Situation war am Monatsende ziemlich gleich wie die am Anfang. Na ja, ein Dutzend naiv-romantischer Vorstellungen waren zu Bruch gegangen. So was ließ sich erneuern. Das unangenehme Klima bewirkte, dass Deidara sein T-Shirt am Rücken klebte, als er Itachi einholte. Sie befanden sich irgendwo in diesem Apartmentviertel, in dem für Deidara alles gleich aussah, und in nicht allzu ferner Zukunft würde über ihnen ein Gewitter losbrechen, das die sommerliche Hitzeperiode endlich beendete. Um nicht wieder in den Konflikt zu geraten, Itachis richtigen Namen zu benutzen und ihn damit zu verärgern, schloss Deidara zu ihm auf und legte ihm die Hand auf die Schulter. Die Schwüle um ihn herum war abartig. Itachi drehte sich um, offensichtlich überrascht, ihn zu treffen. Deidara hatte nach der Geschichtsstunde keine Versuche mehr gemacht, mit ihm allein zu reden, sie waren sich nicht einmal über den Weg gelaufen. "Äh... Hi, un. (wunderbare Aneinanderreihung von Vokalen)" Itachi maß ihn mit einem kurzen Blick und streifte die Hand ab. Die wortlose, brüske Reaktion nahm Deidara ein wenig den Wind aus den Segeln. Er war es nach wie vor nicht gewohnt, und wenn er ehrlich war, hatte er nicht damit gerechnet, dass Itachis Überzeugung sich nicht geändert hatte. "Warum bist du gestern abgehauen, un?" Eine bessere Frage fiel ihm auf die Schnelle nicht ein. Er gehörte nicht zu der Sorte Mensch, die sich auf Gespräche vorbereitet. "Ich hatte keine Lust mehr." "Ist das auch eine von deinen zweideutigen Aussagen, un?" Itachi zog seine Brauen ein winziges Stück hoch. Der Bürgersteig um sie leerte sich bereits. "Wenn du das so verstehen möchtest-" "Ich möchte das aber nicht so verstehen, un!" Deidara stellte frustriert fest, dass er Itachis unbeteiligter Miene nicht gewachsen war. Falls der andere überhaupt etwas dachte, das entfernt mit seinem mehr-oder-weniger-Exfreund zu tun hatte, war es ihm nicht anzumerken. "Und?" "Nichts 'und'! Du bist unfair, un!" Das nahe Donnergrollen ließ ihn zusammenzucken und lenkte ihn von seinen eigenen Worten ab. "Du bist von der Pflicht entbunden, eine Rolle zu spielen, die du eh nicht mochtest. Das ist fair." Itachi klang, als sei er überzeugt von der Richtigkeit dieser Erwiderung. So, wie man aus einem Geschichtsbuch vorliest, etwa. "Und was ist... wenn das gar nicht stimmt, un?" Itachi hob den Kopf, etwas zu ruckartig. Ein großer, warmer Regentropfen zerplatzte unter seinem Auge. Er vermischte sich mit Gesichtspuder und legte ein Stück ursprüngliche Hautfarbe frei, die aus irgendeinem Grund viel besser zu ihm passte. Deidara blinzelte nach besten Möglichkeiten das herabströmende Wasser weg. Der Wolkenbruch begann jetzt erst richtig und prasselte mit ungehinderter Wucht auf den Asphalt – oder worauf er ansonsten auftraf. Itachi war blass. Glücklicherweise hatte er darauf verzichtet, seine Augen zu schminken. Die Farbe war allmählich, verstohlen aus seinen Wangen gewichen. Er biss sich auf die Unterlippe. Deine Sünden sind dir vergeben. Was für ein theatralischer Satz, der so gar nicht zu ihm passte. Deidara wusste nicht und wollte eigentlich nicht wissen, woher er ihn gehabt hatte. Zögernd legte er seine beiden Hände erneut auf Itachis Schultern. Die Muskeln unter dem nassen Stoff zitterten, ob aus Anstrengung oder eines anderen Gefühls, war nicht festzustellen. Würden sie noch mehr zittern, wenn er das vom gestrigen Abend wiederholte? Und wenn er nicht richtig zielte? Der Regen schien in seinen Ohren zu dröhnen, obwohl er in Wahrheit vermutlich nicht so laut war. Der Griff an seinen Handgelenken erschreckte ihn, als sie zu ihm zurückgedrückt wurden wie ein nicht erwünschtes Geschenk. "Du verstehst es nicht.", begann Itachi ruhig, genauso sanft wie gestern. Unvermittelt holte er aus. Seine Ohrfeige war ein unangenehmes, lautes Klatschen, wie ein Pistolenschuss. "Ich bin nicht wie du! Du hast keine Ahnung, du hältst das alles für einen Scherz! Mir macht das keinen Spaß!" Sein ebenmäßiges, anziehendes Gesicht verzerrte sich zu einer rageartig zornigen Grimasse. Diesen Itachi kannte er nicht. "Idiot." "Keine Angst, ich entführe dich nicht in ein Stundenhotel, un." Itachi murmelte leise 'Idiot' und nahm hinter ihm auf dem Sattel Platz. Deidara sah ihm teilnahmslos nach, als er in dem Regenvorhang verschwand. Keine allzu schlimme Beleidigung, wirklich nicht. Unbeteiligt betrachtet. Aber so war es schlimm. Viel schlimmer als jegliche Panik wegen verdrehter Orientierungsprobleme oder verwirkter Chancen auf Normalität. Das hier tat einfach nur weh. Kommentar: Ich weiß nicht, ob das jetzt die Erwartung von 'Sie sollen sich näher kommen' entsprach. Generell höre ich das auch nicht gern, das gebe ich offen zu. Ich gebe mir Mühe, eine Jungenfreundschaft aufzubauen, was mit zwei Charakteren, die sich eigentlich hassen, nicht ganz einfach ist, und das schließt aus, dass 'alles ganz schnell' geht. Zu Deidaras Panikausbruch: Nein, ich habe keine Homophobie. Das ist die erste Rechtfertigung, die leider obligatorisch ist. Es gibt Statistiken, nach denen Menschen, die sich selbst als homosexuell erkennen, zuerst an Selbstmord denken. Für eine diesbezügliche Durchschnittsnatur wie Deidara ist das also ein ziemlicher Weltzusammenbruch und nicht auf eventuelle Abneigungen meinerseits zurückzuführen. Erfahrungsgemäß musste der vorige Absatz sein, weil sich bisher immer jemand ereifert hat. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)