Kamikaze 7 von Kashiwagi ================================================================================ Kapitel 1: Das Versprechen -------------------------- Anmerkung: Ich bin mir nicht sicher ob man wirklich z.B. "Rose Yonban" sagen kann. Ich will bewußt nicht "Yonban Rose" sagen, weil es ja übersetzt "die 4. Rose" bedeuten würde. Mit "Rose Yonban" möchte ich sagen "Rose, die 4.". Wer es besser weiß, möge mich bitte in dieser Hinsicht korrigieren! Danke. Des Weiteren möchte ich anmerken, dass ich davon ausgehe, dass die Leser mit den verschiedenen Anreden (chan, san, kun etc.) vertraut sind, sowie mit den verschiedenen Arten von Dämonen(Youkai). Das Geräusch von Motorrädern mit verkürzten Auspuffen. Überall der Geruch von Verwesung und verbranntem Plastik. Der einst mit Wasser befüllte Kanal ist bis auf ein paar Pfützen trockengelegt worden und dient mehr oder weniger als Müllkippe für nicht umweltbewusste Vorbeifahrer. Die Sonne, die gerade an ihrem höchsten Punkt steht, brennt unbarmherzig auf den Kanal herab und verstärkt den Geruch der Verwesung. Direkt oberhalb des Kanals befindet sich etwas Gras und trennt den Kanal von der wenig befahrenen Strasse. Ein alter Mann mit einer Glatze, der sich auf einen Gehstock stützt, geht langsam die Strasse herab, bevor er sich auf das weiche Gras setzt, um das kommende Geschehen zu beobachten. Er trägt ein graues Hemd und eine gemusterte Hose. Ein weiterer älterer Herr gesellt sich zu ihm. Dieser hat grauschwarze Haare und einen schwarzen Kimono. Die beiden nicken sich freundlich zu und schauen auf den Kanal hinab. Eine Straßenbande, bewaffnet mit allen möglichen Gerätschaften -von Rohren, Ketten bis zu großen Jagdmessern- läuft auf diesem dreckigen Kanal ab. Fast alle tragen einen weißen Mundschutz oder rote Halstücher um ihren Mund. Ihre langen Mäntel sind ebenfalls entweder weiß oder rot -oder beides. Auf den Rücken hat jedes Mitglied eine Zahl in großer schwarzer Schrift. Angeführt wird diese Truppe von einem Mann und einer Frau im weißen Mantel. Die Frau hat eine große "4" auf ihrem Rücken und Ärmel. Ihre blonden Haare sind hochgesteckt und mit einer tiefroten Spange zusammengehalten. Unter ihrem weißen Mantel trägt sie ein rotes ärmelfreies Oberteil, sowie eine weiße Hose. Ihre einst weißen Schuhe sind vor Dreck schwarz und grau. Die tiefgrünen Augen blicken hasserfüllt in die Ferne. Ihre Waffe besteht aus zwei langen Kettenpeitschen. Der Mann an ihrer Seite trägt einen rot-weiß gestreiften Mantel mit einer großen "3" am Rücken. Sein weißes Hemd ist mit der gleichen Zahl übersät. Seine weiße Hose wird von roten Streifen an der Seite durchzogen und werden von seinen roten Stiefeln gut komplementiert. Seine braunen Haare sind hochgegelt und mit kleinen Glöckchen dekoriert. Er wirkt recht groß, doch hager. Seine genieteten Handschuhe deutet darauf hin, dass er lieber mit seinen Händen zuschlägt, als eine Waffe wie eine Kette oder Ähnliches zu nehmen. Direkt hinter ihnen befindet sich ein junges Mädchen. Ihre Haare sind dunkelblond und sehr lang. Auch sie hat dunkelgrüne Augen, die vor Entschlossenheit glühen. Ihre gesamte Kleidung ist weiß, bis auf eine schwarze "7" auf ihrem Rücken. Sie trägt nietenbeschlagene Handschuhe und Stiefel. Der Rest der Gruppe sieht weniger edel aus. Die meisten Mäntel sind eher zerfetzt oder durchlöchert. Die Kleidung darunter -entweder schwarz oder rot. Insgesamt bildet diese Straßenbande eine Gruppe von etwa 12 Menschen. Ihnen gegenüber tritt nun eine weitere Straßenbande, die mit Motorrädern unterwegs ist. Sie tragen alle schwarz oder silberfarbene Mäntel. Jedes Mitglied hat den Kanji für "Yoru" entweder auf dem Mantel gedruckt oder am Arm tätowiert. Bis auf ein bis zwei Mitglieder, tragen keine weiteren Personen Masken. Wenngleich sie auch schöne Farben tragen, wirken sie weniger edel als ihre Gegner. Die Gesichter sind zum Teil vernarbt oder sehr ungepflegt. Und sie stinken. Nach Alkohol, Benzin, Öl und Zigaretten. Ihr Anführer scheint ein Mann Mitte 30 mit Dreitagebart zu sein. Sein Mantel ist ärmellos und zeigen seine volltätowierten muskulösen Arme. Er trägt ein Jagdmesser in seiner linken Hand. Seine blondierten Haare sind schulterlang und mit einem Gummiband zu einem Zopf gebunden. Die glänzende silberne Hose spiegelt die sengende Sonne. Beide Parteien bleiben zwei Meter voneinander entfernt stehen. "Jo." Der Mann mit der silbernen Hose grüßt die Anführer der Gruppe lässig. Beide heben wortlos die Hand zu einem Gruß. "Ihr habt ja eure Kleine mitgebracht." Fährt der Mann fort und beäugt das Mädchen hinter ihnen misstrauisch. "Du weißt, dass sie sehr gut ist. Wir waren der Ansicht, dass sie für einen wichtigeren Kampf bereit ist." Es ist die Nummer 3, die spricht. Der andere Mann spuckt verachtend auf den Boden. "Pft, wenn ihr meint. Aber es ist nicht meine Schuld, wenn sie krankenhausreif geschlagen wird." Mit diesen Worten hebt der Mann die Hand und seine Mitglieder stürmen schreiend vor. Ihre Gegner tun genau das Gleiche und bald ist diese Stelle im Kanal voll aufgewirbeltem Staub, Schweiß und Blut. Inmitten dieser Schlacht befindet sich das Mädchen mit den langen blonden Haaren. Sie tritt oder schlägt kräftig mit ihrer Faust zu. Ihre Bewegungen sind jedoch so schnell, dass viele Gegner sie gar nicht erst sehen können. "Los, los, los! Ihr müsst euch ständig in Bewegung halten, damit sie euch nicht trifft!!" Brüllt der Anführer mit der silbernen Hose seinen Leuten zu. Er ist selbst gerade mit dem Anführer der gegnerischen Gruppe beschäftigt. Die Nummer 3 hat schon mehrmals erfolgreich sein Gesicht mit Wunden dekoriert, die jetzt noch ein wenig bluten. Die alten Männer am oberen Rand des Kanals indes, diskutieren über die eigentliche Situation. "Das ist also die Kamikaze Nanaban?" Fragt der Kimono-Mann den Anderen und zeigt mit seinem Finger auf das junge Mädchen. Der Alte nickt und antwortet bescheiden, "Ja. Sie ist in den letzten Jahren sehr gut geworden. Ich würde sogar behaupten, dass sie mehr Potential als ihr Vater besitzt." "Ich hatte zuerst Bedenken, aber mit dem was ich sehe, bin ich bereit, dir zuzustimmen, Hijishi-kun. Ich werde meiner Familie von ihr berichten und die passenden Diener vorbereiten." Mit diesen Worten steht der im Kimono bekleideter Mann auf, wirft einen letzten Blick auf das Geschehen und geht weg. Der andere Mann bleibt noch sitzen und will den Kleinkrieg bis zu Ende folgen. Die Schlacht hat inzwischen einen eindeutigen Sieger hervorgerufen: Die weiß-rot bekleidete Straßenbande scheint gewonnen zu haben, denn die meisten ihrer Gegner liegen entweder bewußtlos auf dem Boden oder keuchend am Kanalrand. Das bedeutet allerdings nicht, dass sie selber keine Opfer gebracht haben: Auch in den Reihen dieser weißen Krieger scheint es viele Verletzte zu geben. Plötzlich hört man ein Klicken. Ein Krachen und der Geruch von Schießpulver. Jemand von den Verletzten schwarzen Straßengangmitglieder hat wohl eine Pistole mitgebracht und benutzt diese nun verbotenerweise. Er feuert mehrere Schüsse in Richtung Nummer 3, Nummer 4 und der kleinen Nummer 7. Sein Anführer sieht diese Aktion noch rechtzeitig und reißt das Mädchen, die gerade zu einem Schlag nach einem seiner Kameraden ausholen will, zu Boden. Das Mädchen hört nur ein Zischen wie die Pistolenkugel scharf an ihr vorbeigeht und das Ohr ihres gegnerischen Anführers streift. Ein nassdumpfer Aufschlag der Kugeln verzeichnet den Erfolg der Kugeln. Zwei Körper plumpsen neben ihr zu Boden, die Augen weit aufgerissen. Sie blickt in die Augen von Nummer 4, als diese mit letzter Kraft versucht, die Hand des Mädchens zu berühren. Das Mädchen reißt ihre Maske vom Mund und schreit. "MUTTER!!!!!!!" Erst dann sieht sie, wie der Mann mit der Nummer 3 auf dem Rücken genauso leblos neben der Nummer 4 liegt. Sie schreit laut auf und bricht in lautes Schluchzen aus. Stille, jeder verharrt in seinen Bewegungen. Der Anführer mit der silbernen Hose steht auf und schaut in die Richtung des Mörders. Ohne ein Wort zu verlieren, geht er auf den zitternden Jugendlichen hin, aus dessen linkem Arm Blut fließt. Er schnappt sich seine Pistole und haut ihm mit dem Griff ins Gesicht. "Du Idiot! Hatte ich nicht gesagt, KEINE FEUERWAFFE?!?!?!?!?! Du solltest dich am Besten sofort umbringen!" Doch der junge Mann hört die wütenden Worte seinen Anführers nicht mehr -er ist bewußtlos geworden. Als der Anführer zu den Leichen zurückkehrt, sinkt er neben diese auf die Knie. Er streichelt zunächst den Kopf der toten Frau, bevor er die Schulter des toten Mannes packt. Seine Augen wirken glasig -vielleicht hält er Tränen der Trauer zurück, vielleicht sind es auch Tränen der Wut. "Lebt wohl, Rose Yonban. Lebt wohl, Taiyou Sanban." Er verbeugt sich vor dem weinenden Mädchen und den trauernden Gegnern und entschuldigt sich, während die Sonne weiterhin unerbittlich auf die beiden Straßengangs herab scheint. Ein leichtes Plätschern. Allmählich nimmt das Geräusch zu, bis die Welt wie mit Wasserfarben gemalt aussieht -künstlich und unreal. Nanao steht mit ihrem weißen Mantel vor dem metallischen Tor zum Anwesen. Sie trägt weder einen Regenschirm, noch eine Kapuze, wodurch ihre warmen dunkelblonden Haare kalt und nass werden. Sie kann nirgendswo mehr gehen. Selbst die Mitglieder der "Numbers" sind sich einig gewesen- Nanao muss zurück, um wenigstens einen High School Abschluss zu schaffen. Sie ist nicht sonderlich erfreut darüber gewesen und hatte sich mit allen gezankt. Doch der neue Anführer ist jetzt nicht mehr ihr Vater. Sie kann sich nicht mehr hinter den starken Rücken ihres Vaters verbergen, wenn sie den anderen einen Streich gespielt hatte. Nie wieder würde sie das bittersüße Lächeln ihrer Mutter spüren, wenn sie dann ihre Tochter vom Schutz des Vaters wegzerrt und sie gehörig ausschimpft. Nein, "Nanashi Ichiban" weiß ihr Können zu schätzen, aber teilt mit allen anderen die Meinung, dass sie noch zu jung sei, ihr Leben mit "Nichtsnutzen" wie sie zu vergeuden. Sie musste sich seinem Willen beugen, schließlich ist sie nicht mehr als nur ein Mitglied der Numbers. Nun steht sie missmutig vor dem Haus ihres Urgroßvaters, Hijishima Ryuuske, oder auch einfach Hijishi-jiichan. Die Tore gehen langsam, mit einem schweren Ächzen auf. Zögernd tritt Nanao ein und läuft die große Einfahrt entlang, bis zu den Eingangstür des Hauses. Hinter ihr schließen sich die großen Tore mit einem erneuten Ächzen. Die Bediensteten lassen sie herein, geben ihr die Möglichkeit zu duschen und neue Kleider anzuziehen, bevor sie letzten endlich ihrem Urgroßvater gegenüber tritt. Der Empfangsraum ist sehr traditionell japanisch gehalten. Der Boden wurde mit Tatamimatten ausgelegt und die Schiebetüren sind komplett aus Holz und Papier. Nanao sitzt auf einem Kissen und schaut ihrem Gegenüber an. Das ist also ihr Urgroßvater. Er scheint sehr alt zu sein, obwohl das Nichtvorhandensein seiner Haare keine eigentliche Schätzung des Alters ermöglicht. Er trägt einen grauen Haori mit dem gedruckten Muster einer Berglandschaft. Dazu trägt er eine dunkelgraue Hakama-Hose. Sein Lächeln ist mild und gleicht die ihres Vaters auf fast unheimliche Weise. Die beiden werden durch einen kleinen Tisch getrennt, auf dem eine heiße Kanne mit wohl duftendem grünen Tee, sowie zwei Schalen zur Verfügung stehen. Hijishi-jiichan gießt ein wenig Tee in beide Schalen und reicht Nanao eine davon. Er wartet ab, bis sie einen Schluck davon getrunken hat, bevor er selber einen Schluck trinkt. Er räuspert sich ein wenig und fängt an zu sprechen. "Sei gegrüßt, Nanao-chan. Es ist lange her, als ich dich das letzte Mal gesehen habe. Damals warst du nur ein schreiendes Baby, aber jetzt hast du dich prächtig entwickelt." Nanao verzieht keine Miene, sondern bleibt brav und emotionslos auf ihrem Kissen sitzen. Sie schaut weiterhin ihren Urgroßvater an, in der Hoffnung er würde bald zum Punkt kommen. Ihn scheint es nicht zu kümmern, er fährt einfach weiterhin lässig seinen Monolog fort. "Das, was vor kurzem passiert ist, ist wirklich ein schrecklicher Unfall. Die gute Seite ist, du wurdest zu mir gebracht und dafür bin ich dankbar." Er nippt etwas Tee von seiner Schale. "Da ich nicht davon ausgehe, dass dir dein Vater das erzählt hat, werde ich dir von unserem Familiengeheimnis erzählen." Nun ist Nanao von seinen Worten gebannt. In der Tat, ihr Vater hatte nie etwas über seine Familienherkunft erzählt -lediglich dass er nicht der Tradition folgen wollte. "Über Jahrhunderte hinweg, ist unsere Familie dazu bestimmt worden, den südlichen Stadtteil von Kyoto zu beschützen." "Beschützen?" Es ist das erste Mal, dass sie spricht. Sie fragt sich gerade, was denn wohl vor wem beschützt werden sollte. "Ich weiß nicht ob du je davon gehört hast...aber es gibt sie. Die Welt der Youkai." Nanao bricht zunächst in ein leichtes Kichern aus, bevor es dann zu einem schallendem Gelächter wird. Ihr Urgroßvater lächelt verständnisvoll -wohl hat er nichts anders von ihr erwartet. "Du kannst sie noch nicht sehen. Da werde ich dir helfen. Nimm das hier bitte." Er reicht Nanao eine seltsam anmutende Kette. Es besteht aus einem kleinen diamantförmigen grünen Edelstein, der von zwei sich revolvierende Kreisen aus Metall umschlossen wird. Der Edelstein leuchtet auf eine unheimliche Art und Weise und scheint die Bewegung der Kreise verursacht zu haben. Nanao nimmt das seltsame Schmuckstück zögernd an. Vorsichtig legt sie es um ihren Hals und schaut ihren Urgroßvater erwartungsvoll an. Sofort, fängt das Licht des Edelsteines dunkler zu werden, und pulsiert in einem unbekannten Rhythmus. "Folge mir." Sagt er nur, und erhebt sich. Nanao tut das gleiche. Nun führt er Nanao durch seltsame, altmodische Gänge mit Wänden aus Papier hindurch, bis sie zum Garten gelangen. Schlagartig ändert sich Nanaos Wahrnehmung und das Licht um sie herum wird noch dämmriger als sie es ohnehin schon ist. "Siehst du den Gärtner dahinten? Sage mir wie er aussieht." Ihr Urgroßvater zeigt auf einen Mann in der Ferne. Nanao blinzelt und erkennt zunächst nichts Seltsames an den Mann mittleren Alters, der im Gebüsch für Ordnung sorgt. Doch dann erhebt er sich und winkt ihrem Urgroßvater zu. Seine Arme sind nicht die eines Menschen, sondern die eines...Monsters. Die Haut ist ledrig braun und scheint eine muskulöse Masse zu verbergen. Seine Hände gleichen vielmehr Klauen mit langen schwarzen Krallen. Jetzt erst erkennt Nanao, dass seine Augen gelb leuchten und in ihre Richtung starren. Sie schreit erschreckt auf, und geht ein Schritt zurück. "Wie es scheint, reagiert der Pendel auch auf dich, was dich als wahre Nachfolgerin darstellt." "W...was geht hier vor?!" Ihre Stimme ist barsch, doch noch recht zittrig. "Was du gesehen hast ist ein Youkai gewesen, genauer gesagt, er ist ein halber Oni." "Oni...? Youkai...? Das sind....Legenden...die existieren doch nicht!" "Oh, da irrst du dich meine liebe Nanao-chan. Sie gibt es tatsächlich. Und gerade solche Wesen, die Oni, sowie die Tengu werden dir helfen." "Helfen...? Wobei?" Nanao scheint sich allmählich wieder fassen zu können. "Dem Menschen gegenüber stehen viele Feinde, die sie nicht einmal sehen können. Einige davon sind zum Beispiel die der Youma. Oder Mononoke. Deine Aufgabe wird es sein, diese Gegend hier vor solch bösen Dämonen und Geistern zu beschützen. Ich habe dich speziell ausgesucht, wei-" "Du hast mich also hergeholt, weil du weißt, dass ich bereits Kampferfahrung besitze, nicht wahr?" Sie unterbricht ihren Urgroßvater mit einer leicht gereizten Stimme. "Nicht nur das. So traurig es auch sein mag, du bist die letzte der Hijishima Familie." Ihr Urgroßvater bleibt ruhig und gelassen. Nanao schweigt einen Moment. Sie schaut nochmal hinaus in den Garten und bemerkt neben dem Halb-Oni auch andere Angestellte die allesamt irgendwie Youkai-Blut besitzen. "Na schön. Ich werde diese Aufgabe übernehmen." Kapitel 2: Die neuen Arme des göttlichen Windes ----------------------------------------------- "So, das ist das letzte Stück Gepäck. Hier nimm das Jin'ichi." Ein Mann, etwa Ende Zwanzig, mit langen braunen Haaren, die zu einem Pferdeschwanz gebunden sind, nimmt eine schwere Sporttasche aus dem Taxi und reicht es einem Jungen, der fast zehn Jahre jünger ist, als er. Der Jüngere hat orange-farbene kurze Haare, die mit Gel locker in alle Richtungen fixiert worden sind. Er trägt einen grauen Pullover mit der Aufschrift "69" darauf, sowie graue Skaterhosen. Sobald der Ältere fertig ist, schließt er den Kofferraum, bezahlt den Taxifahrer und sieht dem gelben Wagen etwas trauernd hinterher. Dann richtet er sein dunkelviolettes Hemd und klopft imaginären Staub von seiner edlen schwarzen Hose ab. Er nimmt eine hellgelbe Sporttasche lässig auf seine Schulter. "Und, was hältst du davon, Tatsu?" Dabei spricht er allerdings nicht den anderen Jungen an, sondern eine weitere, dritte Person, die blank durch die Gitter des großen Anwesens der Hijishima starrt. Dieser Junge war ungefähr genauso alt wie der mit den orangenen Haaren, vielleicht ein wenig älter. Er hat kurzes, pechschwarzes Haar und hellblaue Augen. Er trägt ein weißes T-Shirt, darüber eine schwarze Jeans-Jacke. Seine schwarze Hose ist ebenfalls aus Jeans. Neben ihm ruht seine grüne und sehr alt wirkende Sporttasche, darauf ein schwarzer Rucksack. "Das sieht genauso schrecklich wie Zuhause aus. Ich hoffe, dass unser Ouji-sama nicht so einer ist." Er antwortet trocken und hebt seine Taschen vom Boden auf. "Hahahaha! Keine Sorge, ich habe mir sagen lassen, dass unser Ouji-sama ganz anders ist!" Der Mann lacht herzhaft auf, dass selbst der schweigende Dritte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen kann. Kurz darauf werden die drei auf das Grundstück gelassen und betreten das Haus. Ihr Gepäck wird sofort von Bediensteten in ihre zukünftigen Zimmer gebracht. Ein Butler verneigt sich vor den drei. "Bitte folgen Sie mir ins Teezimmer." Er führt die drei durch labyrinthartige Gänge, bis sie zu einer Papierwand und eine dazugehörige Schiebetür stoßen. Der Butler kniet sich hin und öffnet die Tür. Er verneigt sich. "Wenn ich stören darf, die Youkai sind soeben eingetroffen." Sofort im Anschluss steht der Butler wieder auf und lässt die drei jungen Männer passieren. Sie sind überrascht, ein fast leeres Zimmer vorzufinden. Bis auf ein Bild im Hintergrund und einen Tisch mit frischem Tee und leeren Bechern, befindet sich nichts Weiteres im Raum. "Setzt euch bitte." Eine junge Frauenstimme bringt deren Aufmerksamkeit auf eine kleine, fragil wirkende Person, die am Tisch sitzt. Sie sitzt sehr förmlich und trägt sogar ein Kimono in pfirsich-goldenen Farben. Ihre blonden Haare sind alle bis zum Nacken kurzgeschoren -bis auf zwei Strähnen die an den Seiten ihres Gesichtes herunterhängen. Diese reichen ihr bis zur Brust und sind leicht lockig. Ihr Gesicht wirkt friedlich, selbst ihre grünen Augen, die die drei Jungs anschaut, schauen so unschuldig drein, als hätte sie noch nie einer Fliege was zuleide getan. Ihre Hände sind jedoch seltsamerweise mit weißen Bandagen umwickelt. Die drei Männer tun wie geheißen und setzen sich vor dem Tisch hin. Das Mädchen schenkt jedem von ihnen einen Becher warmen grünen Tee ein. "Ich bin erfreut, dass ihr gekommen seid. Ich hatte mit eurer Ankunft erst im nächsten Jahr gerechnet." Sie schaut den älteren Mann zuerst an. "Du bist wohl Takou Shinji, nicht wahr?" Der Mann lächelt freundlich zurück "Ja, das bin ich wohl, haha!" Er antwortet so, als wäre er verlegen ihre Bekanntschaft zu machen. Anschließend verbeugt er sich tief und antwortet, "Ich, Takou Shinji, 27 Jahre alt und vom Beruf Fotograf, stelle mich euch zu Diensten, Ohime-sama." Der Junge mit den orangenen Haaren tut das Gleiche. "Ich, Takou Jin'ichi, 18 Jahre alt und noch Schüler, stelle mich euch zu Diensten." Der dritte im Bunde allerdings steht erschrocken auf. "BITTE?! Seit wann werden wir aus der Takou Familie von einem Püppchen regiert?!?" "Wußtest du das nicht, Tatsu? Ah, tut mir leid, dass ich dir das nicht früher gesagt habe..." Shinji spielt den Reue empfindenden. "Bitte mäßige deinen Ton in diesem Raum, Takou Tatsujirou." Das Mädchen spricht etwas schärfer als vorhin. "Ich lasse mich nicht von einem dahergelaufenen Mädchen, dass womöglich noch jünger ist als mich, herumkommandieren!!!!" Tatsujirou dreht sich um, um das Zimmer zu verlassen. Das Mädchen trinkt derweil ungestört ihren Tee weiter. Plötzlich fällt Tatsujirou auf die Knie. Er spürt wie etwas ihm allmählich die Luft zuschnürt und atmet deshalb lauter. Die Welt um ihn herum wird schummriger. Er dreht sich mit letzter Kraft zurück und sieht wie ein besorgter Shinji und Jin'ichirou auf ihn zulaufen und etwas sagen, doch er hört nichts mehr. Er wendet sein Blick an ihnen vorbei, und starrt das Mädchen an, dass ruhig ihren Tee weiter austrinkt und ihn nicht einmal einen Blick würdigt. Unglaublich, denkt er, bevor er bewußtlos wird. Als Tatsujirou wieder zu sich kommt, liegt er auf einem westlichen Bett aus Holz. Shinji sitzt neben ihm auf einem Stuhl und schaut Tatsujirou schmunzelnd an. "Du weißt was passiert ist, oder?" Fragt er den Jungen, der sich gerade an den Kopf packt. "Nicht wirklich. Ich weiß nur, dass ich keine Luft mehr bekommen habe." Tatsujirou richtet sich vorsichtig auf. Sein Kopf hämmert noch ein wenig. "Du hast Ohime-sama beleidigt und sie hat dich bestraft. So einfach." "Du glaubst doch wohl nicht, dass so eine Gestalt einen Zauber vollbringen kann?? Sie hat mich in dem Zauber nicht einmal angeschaut! Und Augenkontakt ist das Wichtigste bei schwarzer Magie!" Shinji seufzt und steht auf. "Du hast es wohl noch nicht begriffen, Kleiner." Er geht zur Tür raus. Bevor er die Tür hinter sich zumacht, sagt er: "Denke über deine eigenen Worte nach, Tatsujirou. Dann weißt du warum keiner von uns, ihr widersetzen wird." Tatsujirou ist wieder alleine in seinem Zimmer. Er schaut sich zunächst etwas um. Rechts ist ein großes Fenster mit Balkon und Blick auf den Garten. An der angrenzenden Wand sind Schreibtisch und -stuhl mit einem Regal voller neuer Literatur. Ihm gegenüber steht der große Spiegelschrank, wo seine gesamte Kleidung bereits eingeordnet ist. Links von seinem Bett steht ein kleiner Nachttisch mit Wecker und ein kleiner Hocker auf dem Shinji bis vorhin gesessen hat. Direkt dahinter scheint eine Tür zu sein, wohin sie führt weiß Tatsujirou noch nicht. Die Tür, durch die Shinji gegangen ist, befindet sich nämlich direkt daneben. Tatsujirou seufzt und wirft sich wieder aufs Bett. Die Kopfschmerzen lassen ein wenig nach und er kann etwas klarer nachdenken. Nein, sie kann unmöglich solch einen Zauber ausführen. Noch dazu ohne Blickkontakt. Dafür müßte sie mindestens 30 Jahre trainieren. Tatsujirou findet sich damit ab, dass er wohl einen Schwächeanfall bekommen hat, nach der ganzen Aufregung. Er hört wie eine Tür auf- und zugemacht wird. "Jin'ichi, ich bin nicht in der Stimmung...." Tatsujirou leiert seine Worte missmutig vor sich hin und dreht sich um. Anstatt seinen Cousin Jin'ichi anzutreffen jedoch, steht das Mädchen von vorhin vor ihm. Dieses Mal trägt sie normale Alltagskleidung: Ein hellblaues Sweatshirt mit zwei weißen Tauben aufgedruckt und einen schönen dunkelblauen Rock dazu. Die Bandagen trägt sie immer noch, wobei Tatsujirou erahnen kann, dass diese nur wenige Zentimeter in ihre langen Ärmel hineinreichen. Das Mädchen kichert etwas. "Hallo Tatsu-kun!" "Nenne mich nicht Tatsu-kun." "Hast du noch etwas Kopfschmerzen?" "Nein. Verschwinde." Jetzt zieht das Mädchen eine Miene. "Ist das alles was du zu sagen hast? Ich bringe dir extra ein Glas Wasser und Kopfschmerztabletten mit, sowie deine neue Schuluniform!" Tatsujirou schaut um sich, und tatsächlich, auf dem Nachttisch befindet sich ein Glas Wasser und eine Aspirintablette. Auf dem Hocker hat das Mädchen seine neue Schuluniform gelegt, bestehend aus einem weißen Hemd und einer dunkelblauen Hose. "Danke." Kommt es knapp aus ihm. Doch das scheint dem Mädchen nicht zu stören, im Gegenteil. Sie grinst ein wenig triumphierend und sagt, "Freut mich! Ich bin übrigens Nanao! Hijishima Nanao!" Ein paar Tage sind vergangen, doch Tatsujirou hat es bevorzugt, sich in seinem Zimmer einzuschließen. Er hat herausgefunden, dass die zweite Tür zum Bad führt, das er allerdings nicht benutzen darf, da es auch das Bad von Nanao ist. Während die anderen beiden sich sehr gut mit ihr verstehen, bleibt Tatsujirou weiterhin reserviert. Nun ist heute wieder Schulbeginn und ab heute muss er und Jin'ichi Nanao täglich in die Keio Privatschule begleiten. Allerdings sind beide in der Abschlussklasse, während sie gerade in die 2. gekommen ist. "Ohime-sama, kommt ihr endlich??" Es ist Jin'ichi, der sie ruft. Tatsujirou steht ungeduldig neben ihm. "Wir sollten ohne sie gehen. Schließlich hat sie das doch vorher auch geschafft. Wir sind ja nicht ihre Be-" "Entschuldigung, dass ihr so lange warten mussteeeeeeeet!! Aua!" Eine Nanao mit zerzausten Haaren rennt hastig die Treppe herunter und fällt noch auf der letzten Stufe hin. Während Jin'ichi etwas sprachlos ist, fängt Tatsujirou an höhnisch zu lachen. "Haha! So ein Tollpatsch! Wie willst du gegen einen Youma ankommen??" Er merkt nicht das Nanaos Gesicht ein wenig rot und die Augen glasig werden. Sie steht wortlos auf, packt ihre Tasche und läuft wortlos zur Tür heraus. "....Ich glaube das war nicht sehr nett von dir." Jin'ichi schaut ihr hinterher. Tatsujirous Miene verdüstert sich und er schaut verachtend auf Jin'ichi herab. "Hmpf. Und seit wann bist du der Schoßhund von jemandem geworden? So kenn ich dich nicht, Devil Jin." Mit diesen Worten verlässt auch er das Haus. Jin'ichi bleibt nichts anderes als zu seufzen und den anderen beiden zu folgen, nichtsahnend dass Shinji in einem Flur unweit von ihnen das ganze Geschehen mitbekommen hat. "Wir werden sehen..." murmelt er vor sich hin, bevor ein Bediensteter zu ihm kommt und ihn ans Telefon ruft. "Hallo?...Ja. Ich halte meine Versprechen...Nein...keine Sorge...ohne den Jungs wird sie nicht zu gebrauchen sein." Während seiner letzten Worte grinst Shinji bösartig vor sich hin. "Uwoooow...." Jin'ichi starrt fassungslos seine neue Schule an. Sie ist riesig groß mit einem eigenen Park. Alle Schüler scheinen aus gutem Hause zu stammen, was man an ihrer Gangart und Sprechweise erkennen kann. "Was ist, Jin? So viel prächtiger als unsere alte Schule ist sie nicht." Tatsujirou lächelt. "Ja, aber das sieht hier alles noch viel...." Bevor er den Satz zu Ende sprechen kann, wird er von einer Horde kreischender Mädchen aus der ersten Klasse unterbrochen. "KYAAAAAAAAAA!!! Wir haben zwei neue Bishounen an unsere Schule!!!!! Wie heißt ihr?" Sofort werden Tatsujirou und Jin'ichi von ihnen umzingelt, und sogar ein paar Mädchen aus der zweiten Klasse kommen nach. Es folgen Fragen auf Fragen, doch die Jungs schweigen und versuchen lediglich der Masse zu entkommen. Plötzlich ruft ein Mädchen "Kyaa! Hijishima-san ist da!!" Sofort rennen alle Mädchen weg und zu einem Mädchen mit kurzen Haaren hin...Hijishima Nanao! Sie wird umzingelt und von allen Seiten voll geplappert, doch es scheint sie nicht zu stören. Im Gegenteil, sie lächelt freundlich und geduldig. "Pft, man könnte meinen Hijishima-san wäre populärer als der gutaussehendster Junge auf der ganzen Schule!" Ein Junge mit kinnlangen schwarzen Haaren kommentiert das Geschehen. Er wendet sich die beiden zu. "Ich denke ihr geht auch in die Abschlussklasse? Freut mich, ich bin Kamada Akira. Wie heißt ihr?" Tatsujirou verzieht keine Miene. "Takou Tatsujirou. Und das ist ein Verwandter von mir, Jin'ichi." "Heeeh, ihr kommt also auf unsere Schule? Man kennt euch ja überall....ihr seid des Teufels Advokaten, nicht wahr?" Akira gibt ein anerkennendes Lächeln von sich Tatsujirou grinst zurück. Auch Jin'ichi lächelt böse. "Passt auf, dass ihr dann nicht der 'Kamikaze Nanaban' begegnet. Sie schlägt euch schneller zu Brei, als ihr überhaupt bis zwei zählen könnt." "Kamikaze Nanaban? Wer ist das denn?" Jin'ichi ist es, der die Frage stellt. Akira zeigt mit seinem Kopf in Richtung Nanao. "Bitte?" Jin'ichi kann seine Augen nicht trauen. Auch Tatsujirou staunt nicht schlecht. "Du meinst doch nicht Hijishima, oder?" "Doch, die meine ich. Sie kann friedlich wirken, doch manchmal tickt sie ohne Grund aus. Am Anfang des letzten Jahres war das noch recht schlimm. Sie ist deswegen oft von der Schule suspendiert worden. Aber plötzlich nach einem halben Jahr war sie fast wie ausgewechselt. Hin und wieder ist es aber doch passiert. Dann heißt es hier bei uns "Der Wind ist heute mal wieder stürmisch gewesen." Akira lacht ein wenig. "Naja, genug der Worte, ab in die Klasse! Sonst kriegen wir alle drei noch Ärger!" Doch selbst mit diesen Worten können Tatsujirou und Jin'ichi ihre Überraschung nicht verbergen. Diese grazile Person, deren Haut so bleich wie Porzellan war, jemand der wirklich wie eine Puppe aussieht, soll wegen körperlicher Verletzung öfters suspendiert worden sein? Der Klang einer schrillen Schulglocke. Überall die Stimmen von sich unterhaltenden Schülern. In einer verlassenen Ecke auf dem Schulcampus lehnt sich Nanao erschöpft gegen die Wand. "Puuuh..." seufzt sie, scheinbar erschöpft. In der Ferne hört man Mädchenstimmen. Wie es scheint, suchen sie nach ihr. "Verdammt...." Nanao umklammert ihr Pendel das violett leuchtet. Sie schaut es an. "Hätte ich gewußt auf was ich mich da wirklich einlasse...." "Was hältst du von ihr?" "Sie ist ganz nett, aber scheint sehr schwach zu sein. Ich weiß irgendwie nicht. Mein Leben ihr anzuvertrauen fände ich ehrlich gesagt wirklich etwas zu viel verlangt." "Ich weiß auch nicht, was sich der Alte dabei gedacht hat, ihr zu vertrauen..." Sind das nicht die Stimmen von Tatsujirou und Jin'ichi? Reden sie über mich? Denkt sich Nanao gerade. Wie können sie nur so etwas denken? Sie greift instinktiv zu ihrem Pendel, das sie gut unter ihrer Schuluniform versteckt hat. Sie schaut um die Ecke und tatsächlich, es sind die beiden. Jin'ichi sitzt lässig auf dem Boden, im Schatten eines großen Baumes. Tatsujirou steht neben ihm und hält ein Päckchen Orangensaft in seiner rechten Hand. Plötzlich halten die beiden in ihrem Gespräch inne. Sie blicken überrascht in ihre Richtung. Erwischt! Sie haben also doch über mich geredet. Sie schaut beschämt nach unten. "Ah, Nanao-chan! Was machst du in dieser verlassenen Ecke hier..." Jin'ichi ist aufgestanden und versucht verlegen das Thema zu wechseln, doch es gelingt ihm nicht. Tatsujirou schaut nur finster drein, sagt nichts. "Wie ich sehe, glaubt ihr nicht, dass ich euch beschützen könnte. Ich werde eurem Großvater eine benachrichtigen und eure Rückreise beordern." "Ah...warte, wir..." Doch Jin'ichi kann seine Worte nicht zu Ende aussprechen. Zu schnell ist sie weg. "Lass gut sein. Es ist besser so." Tatsujirou hält Jin'ichi am Schulter weg, als dieser ihr hinterherrennen will. "Dummkopf!" Jin'ichis Stimme ist schrill. "Das heißt noch lange nicht, dass wir uns nicht entschuldigen sollen!" Er schlägt Tatsujirous Hand zur Seite und marschiert davon. Tatsujirou verzieht eine wütende Miene und tritt gegen einen kleinen Kieselstein. Kapitel 3: Der Wind weht stark ------------------------------ Stille. Absolute Dunkelheit. Nur das fahle Licht des zunehmenden Mondes beleuchtet diese dunkle Strasse. Plötzlich ein Grunzen. Ein Schmatzen. Wenn man die Augen einer Katze besäße, so würde man zwei große ghulähnliche Wesen sehen, die über den leblosen Körper einer Frau gebeugt sind und sich anscheinend von ihr ernähren. Ihre Haut ist grau und ledrig. Ihre Füße gleichen mehr den Krallen einer Krähe, als irgendetwas menschliches. "Halt!" Eine zarte menschliche Stimme unterbricht ihr Festschmaus. Es ist Nanao. Sie trägt noch ihre alltägliche Schuluniform. Um ihr herum pulsiert ein violettes Licht. Ihre Haare und der Kragen ihrer Uniform werden von einem unsichtbaren Wind hoch geweht. Ihr Blick scheint sich auf etwas in die Ferne zu richten, als auf die zwei, doch die beiden wissen, dass sie damit gemeint sind. Sie grunzen abfällig zurück. "Ich habe euch gesagt, dass ihr nicht willkommen seid. Muss ich euch noch töten?" Sie streckt ihren rechten Arm aus und hebt ihn bis auf die Höhe ihrer Schulter an. Die Bandagen um ihre Hand lockern sich ein wenig, und, umgeben von dem gleichen mysteriösen violettem Licht, fangen an sich selbstständig zu bewegen. Eines der grunzenden Wesen rennt auf sie zu, um sie anzugreifen. Nanao richtet ihre Hand auf ihn und plötzlich fällt dieser tot um, schwarzes Blut spritzt aus tiefen Wunden in beiden Schultern. Der andere ist erschrocken und lässt die tote Frau aus seiner Hand zu Boden fallen. Das Gesicht der Frau ist vor Schmerz und Schreck entstellt. Da wo einst der Mund gewesen ist, klafft eine tiefes Loch -da haben wohl diese Youkai zuerst genagt. Der Dämon springt in die Luft und will Nanao von oben angreifen, doch schon wieder richtet sie einfach nur ihren Arm mit den Bandagen in die Luft. Der Youkai fällt tot zu Boden, die obere Hälfte seines Körpers landet links von dessen Partner, die untere direkt vor Nanaos Füssen. In diesem Augenblick lösen sich die toten Youkai in Staub auf und werden vom Wind verweht. Nanao geht schweigend zur Frau hin. Sie hebt ihre linke Hand und führt diesen zu ihrer Brust. Ihre rechte Hand hält sie über den Kopf der toten Frau. Nanao murmelt ein paar Wörter in einer fremden, unbekannten Sprache. Ein kleiner Wirbelwind bildet sich unter Nanaos rechten Hand und bildet scheinbar das Gesicht der toten Frau nach. Sobald die klaffende Wunde geschlossen wird, lässt Nanao die Leiche liegen und will fortgehen. Plötzlich hört sie ein langsames in-die-Hände-Klatschen. Sie dreht sich um und sieht Kamada Akira da stehen und ihr einen kleinen Applaus geben. Er trägt ein blaues Hemd und eine schwarze Hose, dazu einen dunkelblauen Mantel der ihm bis zum Knöchel reicht. "Wirklich hervorragend, Kamikaze Nanaban, ich bin beeindruckt." Hinter ihm tauchen drei Männer auf, die allesamt Halb-Tengu sind. Nanao weiß, dass auch sie zur Takou Familie gehören -alle Halbblüter in Kyoto sind mit den Takou verwandt. "Was wollt ihr?" Ihre Stimme ist kalt und distanziert, ganz anders als sie sonst normalerweise ist. Sie packt das Ende ihrer lockeren Bandage und wickelt diese um ihre Hand, den vier Männern nicht aus den Augen lassend. "Du weißt doch ganz genau was ich will." Er geht einen Schritt auf sie zu. "KOMM NICHT NÄHER!" Ihre Stimme ist sehr aggressiv. Das Licht um sie fängt an bedrohlich zu pulsieren. Ihre linke Hand ist so geformt, als würde sie einen imaginären Apfel in der Hand halten. "Nananana......" Akira hält seine Hände vor sich und tut so, als wollte er sich vor ihrer Aggressivität schützen. "Ich will lediglich nur darauf hinweisen, dass ich von dir immer noch keine Zustimmung bekommen habe." "Die wirst du auch nicht bekommen! Warum sollte ich mich jemals mit so einem Kotzbrocken wie dich verloben lassen?!" Ihre Augen fangen an zu leuchten. "Tse. Mimst mal wieder die Starke hier, was? Wo sind denn deine Unterlinge? Oder besitzt du noch keine? Vielleicht traut dir der alte Takou-jiji auch nicht?" Plötzlich lässt Nanaos Leuchten nach. Sie dreht ihm dem Rücken zu. Allerdings gibt sie Akira noch ein letztes Mal einen kalten Blick. "Halte dich aus meiner Ecke fern, Akira. Noch einmal warnen werde ich dich nicht." Mit diesen Worten geht sie ihren Weg. "Wo gehst du hin, Jin'ichi?" Tatsujirou und Shinji sitzen im Wohnzimmer. Tatsujirou liest ein Buch, während Shinji dabei ist, seine neuesten Fotografien eines Gebäudes auszuwerten. Beide schauen in Richtung Türeingang, wo Jin'ichi gerade steht und seine Jacke zumacht. "Ein wenig Luft schnappen. Will jemand mit?". Jin'ichi bleibt an der Türöffnung stehen und schaut die beiden anderen an "Nein danke, war schon genug an der frischen Luft." Tatsujirou antwortet und wendet sich wieder seinem Buch zu. "Nein danke, mein kleiner Cousin. Ich muß bis morgen Bilder eingereicht haben." Shinji lächelt verlegen und zeit mit seiner rechten Hand auf den Stapel Bilder die neben dem Tisch liegen und darauf warten ausgewertet zu werten. "Na gut, bis später dann, ihr zwei." Mit diesen Worten verlässt Jin'ichi das Haus. Die Luft ist kühl. Jin'ichi zieht den Reißverschluss seiner blau-weiß gestreiften Regenjacke hoch um sich vor der Kälte zu schützen. Eigentlich will er zu seiner kleinen Schwester. Aber um diese Uhrzeit? Jin'ichis kleine Schwester, ebenfalls Halb-Oni, aber erst 10 Jahre alt, ist die wichtigste Person in seinem Leben. Nur sie hatte ihren Bruder immer als Bruder betrachtet und nicht als einen Schandfleck der Familie. Jin'ichi schmunzelt ein wenig, während er in Richtung Bushaltestelle läuft. Ich denke, ich besorge ihr einfach ein kleines Geschenk. Es war zwar schon spät, aber die Geschäfte würden wohl noch ein bis zwei Stunden offen sein. Jin'ichis Bushaltestelle ist an einem kleinen Park gelegen. Während er da einsam steht und auf den Bus wartet, vernimmt er plötzlich ein Quietschen aus dem Park; es ist das Quietschen der Schaukel, die in dem Spielplatzbereich ist. Jin'ichi dreht sich verwundert um, um zu sehen, wer um diese Uhrzeit noch spielen will. Zu seiner großen Überraschung allerdings, ist es Nanao! Wie lange hatte sie sich wohl nicht mehr bei den Jungs blicken lassen? Eine Woche? Vielleicht. Und nun sitzt sie ganz alleine auf der Schaukel. Besorgt, verlässt er seine Position an der Bushaltestelle und läuft zu ihr rüber. Zu seinem Schrecken, stellt Jin'ichi fest, dass Nanao eigentlich eher auf der Schaukel hängt, anstatt darauf zu sitzen. Ihr Gesicht ist mit schwarzem Youkai-Blut bespritzt und selbst ihre Schuluniform ist verdreckt. Die Bandagen um ihre Arme sind locker und ebenfalls voller Blut, sogar ein wenig von ihrem eigenen Blut klebt daran. „Nanao!!“ Jin'ichi ruft entsetzt. Nanao erhebt mit aller Kraft ihren Kopf und schaut zu ihm auf. Alles was sie aufbringen kann ist ein gequältes Lächeln. „Jo.“ „'Jo' mich nicht an! Was hast du gemacht!? Was ist passiert?!“ Jin'ichi packt sie an den Schultern und will sie hochheben, doch Nanao wehrt sich mit einem aggressiven Schlag gegen seine Arme, so dass er loslässt. „Ich muss doch diese Gegend von Youkai befreien....“ Mit diesen Worten erhebt sie sich mit Mühe. Sie findet aber anscheinend nicht die Kraft und kippt somit in Jin'ichis Arme. „Mist....“ Sie flucht leise, wütend über den Zustand in der sie sich gerade befindet. „Ich bringe dich nach Hause.“ Jin'ichi lädt sie auf seinen Rücken. „Gut festhalten.“ Dann verwandeln seine Beine sich in muskulöse Beine eines Dämons; grau in der Hautfarbe und mit einem Fell überzogen. Er geht in die Knie und springt so weit und hoch, dass er sicher auf den Dach eines nächstgelegenen Flachdachhauses landet. Von da an springt er gekonnt und leise von Dach zu Dach, bis sie an dem Anwesen von Nanao gelangen. Dort verwandeln sich seine Beine wieder zurück und er läuft das letzte Stück bis zur Haustür. „Schnell helft mir mal!“ Kaum ist er durch die Tür, schreit Jin'ichi die anderen an. Tatsujirou und Shinji erheben sich und blicken alarmiert in seine Richtung. Noch alarmierter sind sie, sobald sie Nanao erkennen, die halb-bewußtlos an Jin'ichis Schultern hängt. „Mein Gott, was ist denn passiert?“ Shinji hebt fassungslos die Hände und schlägt sie auf dem Kopf. Tatsujirou hingegen nimmt wortlos Jin'ichi die Last ab und trägt Nanao bis in ihr Zimmer. Dort säubern Jin'ichi und Tatsujirou erstmal ihr Gesicht. Während Jin'ichi sich auf die Suche nach einem Dienstmädchen begibt, entschließt Tatsujirou schon einmal die Bandagen von ihrer Hand zu nehmen, damit die Arme gewaschen werden können und neue Bandagen umgelegt werden können. Als er jedoch die Arme von den schwarz-rot getränkten Mullbinden befreit, bietet sich ein Anblick des Grauens. Nanaos Hände und Arme sind voller tiefe Schnitte und blauen Flecken. „W...was zum Henker hast du angestellt...?“ Tatsujirou schaut Nanao überrascht an. Scheinbar hat er nicht damit gerechnet, dass es so schlimm unter den Bandagen aussehen könnte. „....Training...“ flüstert sie leise zurück und schließt die Augen. Tatsujirou versteht aber nicht so ganz was sie damit meint. Als nachher das Dienstmädchen kommt und Nanaos Kleider wechselt, gesteht diese dann kleinlaut, dass Nanao jeden Tag hart trainiere, um die Geschwindigkeit, für der sie bekannt gewesen sei, wieder zu erlangen. Tatsujirou und Jin'ichi sind neugierig geworden, und so muss das arme Dienstmädchen Nanaos Geschichte erzählen, bis zu dem Zeitpunkt an dem sie von dem alten Hijishima aufgenommen wurde. „Krass....mit 12 Jahren bereits eine gefürchtetes Gangmitglied sein....“ Jin'ichi lehnt sich auf dem Sofa zurück. Tatsujirou schweigt zunächst, dann aber sagt er in einem leicht verwunderten Ton. „Wenn sie solche Stärke und Agilität besitzt, wo ist das Ganze dann hin....?“ Gerade in diesem Moment stolpert Shinji die Treppe herunter. "Sie ist weg!!" Er keucht und seine Stimme ist wegen dieser Erschöpfung etwas schrill. Beide Jungs erheben sich erschrocken. "Wie, sie ist weg...? Die war doch noch bewusstlos?!" Jin'ichi stürmt hoch, dicht gefolgt von Tatsujirou. Als sie oben ankommen, sehen sie, dass die Tür zu ihrem Balkon offen steht. Tatsujirou rennt hinaus und schaut sich um. "Da, sie ist nicht weit!" Er deutet in eine Richtung. Ein normaler Mensch hätte dort nichts sehen können, doch Tatsujirous und Jin'ichis Augen sind besonders scharf. "Ok, ihr nach!" Jin'ichi dreht sich um und rennt die Treppen herunter, um nach draußen zu gelangen. Tatsujirou hingegen prüft die Höhe und springt aus dem Balkon. Er landet sicher auf dem Boden und zu genau der gleichen Zeit, als Jin'ichi durch die Tür stürmt. Beide rennen wortlos Nanao hinterher. Wo hatte sie nur solche Kraft, noch einmal mit voller Geschwindigkeit durch die nächtliche Stadt zu rennen? Bald haben sie sie eingeholt. Sie ist stehen geblieben; um ihr herum schwirrt die gefährliche lilafarbene Aura. Vor ihr steht ein großes Ungetüm, das eine Fusion aus mehreren Youkai besteht. Es blickt auf sie herab und will sie mit seinen amöbeartigen Gliedmaßen erschlagen, doch sie ist schneller und weicht gekonnt aus. Jin'ichi will ihr helfen, doch Tatsujirou hält ihn vorerst zurück. Nun bekommen die beiden eine Demonstration ihrer Kraft zu sehen: Nanaos Bandagen, die sich nun wie von Geisterhand von sich lösen, fangen an um sie herum zu tanzen. Sie schaut das Ungetüm einen Moment lang an -dann ist sie weg. Zumindest für das menschliche Auge. Tatsujirou kann gerade noch schemenhaft ihre Bewegungen erkennen; sie rast auf das Ungetüm zu und zerschneidet es in viele kleine Stücke -mit der Hilfe ihrer Bandagen. Nanao landet sicher auf der anderen Seite, während das Ungeheuer einen letzten Schrei von sich gibt, bevor es in tausend Teile zerfällt und alle Umstehende Personen mit dunklem Blut tränkt. Sie dreht sich zu den Jungs um. Ja, sie ist ganz anders als sonst. Ihre Augen wirken kühl und furchteinflößend. War dies die Gestalt des sagenumwobenen Kamikaze Nanaban? Plötzlich ist sie weg. Die Jungs schauen alarmiert umher, doch wie aus dem Nichts steht sie vor ihnen, ihre Hand nur wenige Zentimeter von ihren Hälsen entfernt. "Was wollt ihr beiden Nichtsnutze hier?" Ihre Stimme ist schroff. "Bitte...?! Willst du das von denjenigen behaupten, die sich um dich gekümmert haben, als du bewußtlos im Bett lagst?!" Tatsujirou ist erbost. Er stellt sich in Kampfposition; eine schwarze Aura umgibt ihn. "Hah! Du willst mich noch herausfordern? Was ein Narr! Komm doch!" Sie stellt sich normal hin -ohne Verteidigungs- oder Angriffsposition. Tatsujirou ist noch erboster über dies und greift sie schreiend an. Doch er erwischt sie nicht. Stattdessen tritt sie im allerletzten Moment zur Seite, packt ihn am Arm und mit nur einer Hand wirft sie ihn zurück. Tatsujirou kann sich gerade noch so fangen, dass er mit den Füßen aufkommt. "Gnkch!" „Komm doch!“ Ihre Stimme klingt höhnisch. Dieses Mal greift er sie mit einem Zauber an. Doch Nanao hat den passenden Gegenzauber parat und wendet die Attacke mit einem großen schwarzen Energieball erfolgreich ab. Nun greift sie ihn an; ohne sich scheinbar vom Fleck zu bewegen, verpasst sie Tatsujirou mehrere Male Schläge in den Magen oder ins Gesicht. Ein erfahrener Kämpfer, wie vielleicht Großvater Takou würde ihre Bewegungen sehen, würde sehen wie sie immer von ihrem Punkt aus auf Tatsujirou zu rennt, ihn schlägt, um dann wieder auf ihre ursprüngliche Position zurückzukehren. Doch Tatsujirou sieht nichts und kann deshalb nichts machen. Er krümmt sich vor Schmerz und setzt sich auf den Asphalt hin. „GENUG!!“ Jin'ichi schreit Nanao an. Zuerst scheint es, als wolle sie ihn ebenfalls angreifen, doch dann verblasst ihre Aura und Nanao selbst krümmt sich. Sie senkt sich auf die Knie und ist dabei um zufallen, würde Jin'ichi nicht zur Stelle sein und sie auffangen. „E...es tut mir leid....i-ich wollte nicht so weit gehen....habe keine...Kontrolle.....“ Ihre Worte sind flüsternd. „Schon gut, ruhig...“ Jin'ichi flüstert zurück. Er packt sie unter einem Arm, und mit dem anderen hilft er Tatsujirou wieder hoch. „Lasst uns zurück.“ „Ja.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)