Kamikaze 7 von Kashiwagi ================================================================================ Kapitel 3: Der Wind weht stark ------------------------------ Stille. Absolute Dunkelheit. Nur das fahle Licht des zunehmenden Mondes beleuchtet diese dunkle Strasse. Plötzlich ein Grunzen. Ein Schmatzen. Wenn man die Augen einer Katze besäße, so würde man zwei große ghulähnliche Wesen sehen, die über den leblosen Körper einer Frau gebeugt sind und sich anscheinend von ihr ernähren. Ihre Haut ist grau und ledrig. Ihre Füße gleichen mehr den Krallen einer Krähe, als irgendetwas menschliches. "Halt!" Eine zarte menschliche Stimme unterbricht ihr Festschmaus. Es ist Nanao. Sie trägt noch ihre alltägliche Schuluniform. Um ihr herum pulsiert ein violettes Licht. Ihre Haare und der Kragen ihrer Uniform werden von einem unsichtbaren Wind hoch geweht. Ihr Blick scheint sich auf etwas in die Ferne zu richten, als auf die zwei, doch die beiden wissen, dass sie damit gemeint sind. Sie grunzen abfällig zurück. "Ich habe euch gesagt, dass ihr nicht willkommen seid. Muss ich euch noch töten?" Sie streckt ihren rechten Arm aus und hebt ihn bis auf die Höhe ihrer Schulter an. Die Bandagen um ihre Hand lockern sich ein wenig, und, umgeben von dem gleichen mysteriösen violettem Licht, fangen an sich selbstständig zu bewegen. Eines der grunzenden Wesen rennt auf sie zu, um sie anzugreifen. Nanao richtet ihre Hand auf ihn und plötzlich fällt dieser tot um, schwarzes Blut spritzt aus tiefen Wunden in beiden Schultern. Der andere ist erschrocken und lässt die tote Frau aus seiner Hand zu Boden fallen. Das Gesicht der Frau ist vor Schmerz und Schreck entstellt. Da wo einst der Mund gewesen ist, klafft eine tiefes Loch -da haben wohl diese Youkai zuerst genagt. Der Dämon springt in die Luft und will Nanao von oben angreifen, doch schon wieder richtet sie einfach nur ihren Arm mit den Bandagen in die Luft. Der Youkai fällt tot zu Boden, die obere Hälfte seines Körpers landet links von dessen Partner, die untere direkt vor Nanaos Füssen. In diesem Augenblick lösen sich die toten Youkai in Staub auf und werden vom Wind verweht. Nanao geht schweigend zur Frau hin. Sie hebt ihre linke Hand und führt diesen zu ihrer Brust. Ihre rechte Hand hält sie über den Kopf der toten Frau. Nanao murmelt ein paar Wörter in einer fremden, unbekannten Sprache. Ein kleiner Wirbelwind bildet sich unter Nanaos rechten Hand und bildet scheinbar das Gesicht der toten Frau nach. Sobald die klaffende Wunde geschlossen wird, lässt Nanao die Leiche liegen und will fortgehen. Plötzlich hört sie ein langsames in-die-Hände-Klatschen. Sie dreht sich um und sieht Kamada Akira da stehen und ihr einen kleinen Applaus geben. Er trägt ein blaues Hemd und eine schwarze Hose, dazu einen dunkelblauen Mantel der ihm bis zum Knöchel reicht. "Wirklich hervorragend, Kamikaze Nanaban, ich bin beeindruckt." Hinter ihm tauchen drei Männer auf, die allesamt Halb-Tengu sind. Nanao weiß, dass auch sie zur Takou Familie gehören -alle Halbblüter in Kyoto sind mit den Takou verwandt. "Was wollt ihr?" Ihre Stimme ist kalt und distanziert, ganz anders als sie sonst normalerweise ist. Sie packt das Ende ihrer lockeren Bandage und wickelt diese um ihre Hand, den vier Männern nicht aus den Augen lassend. "Du weißt doch ganz genau was ich will." Er geht einen Schritt auf sie zu. "KOMM NICHT NÄHER!" Ihre Stimme ist sehr aggressiv. Das Licht um sie fängt an bedrohlich zu pulsieren. Ihre linke Hand ist so geformt, als würde sie einen imaginären Apfel in der Hand halten. "Nananana......" Akira hält seine Hände vor sich und tut so, als wollte er sich vor ihrer Aggressivität schützen. "Ich will lediglich nur darauf hinweisen, dass ich von dir immer noch keine Zustimmung bekommen habe." "Die wirst du auch nicht bekommen! Warum sollte ich mich jemals mit so einem Kotzbrocken wie dich verloben lassen?!" Ihre Augen fangen an zu leuchten. "Tse. Mimst mal wieder die Starke hier, was? Wo sind denn deine Unterlinge? Oder besitzt du noch keine? Vielleicht traut dir der alte Takou-jiji auch nicht?" Plötzlich lässt Nanaos Leuchten nach. Sie dreht ihm dem Rücken zu. Allerdings gibt sie Akira noch ein letztes Mal einen kalten Blick. "Halte dich aus meiner Ecke fern, Akira. Noch einmal warnen werde ich dich nicht." Mit diesen Worten geht sie ihren Weg. "Wo gehst du hin, Jin'ichi?" Tatsujirou und Shinji sitzen im Wohnzimmer. Tatsujirou liest ein Buch, während Shinji dabei ist, seine neuesten Fotografien eines Gebäudes auszuwerten. Beide schauen in Richtung Türeingang, wo Jin'ichi gerade steht und seine Jacke zumacht. "Ein wenig Luft schnappen. Will jemand mit?". Jin'ichi bleibt an der Türöffnung stehen und schaut die beiden anderen an "Nein danke, war schon genug an der frischen Luft." Tatsujirou antwortet und wendet sich wieder seinem Buch zu. "Nein danke, mein kleiner Cousin. Ich muß bis morgen Bilder eingereicht haben." Shinji lächelt verlegen und zeit mit seiner rechten Hand auf den Stapel Bilder die neben dem Tisch liegen und darauf warten ausgewertet zu werten. "Na gut, bis später dann, ihr zwei." Mit diesen Worten verlässt Jin'ichi das Haus. Die Luft ist kühl. Jin'ichi zieht den Reißverschluss seiner blau-weiß gestreiften Regenjacke hoch um sich vor der Kälte zu schützen. Eigentlich will er zu seiner kleinen Schwester. Aber um diese Uhrzeit? Jin'ichis kleine Schwester, ebenfalls Halb-Oni, aber erst 10 Jahre alt, ist die wichtigste Person in seinem Leben. Nur sie hatte ihren Bruder immer als Bruder betrachtet und nicht als einen Schandfleck der Familie. Jin'ichi schmunzelt ein wenig, während er in Richtung Bushaltestelle läuft. Ich denke, ich besorge ihr einfach ein kleines Geschenk. Es war zwar schon spät, aber die Geschäfte würden wohl noch ein bis zwei Stunden offen sein. Jin'ichis Bushaltestelle ist an einem kleinen Park gelegen. Während er da einsam steht und auf den Bus wartet, vernimmt er plötzlich ein Quietschen aus dem Park; es ist das Quietschen der Schaukel, die in dem Spielplatzbereich ist. Jin'ichi dreht sich verwundert um, um zu sehen, wer um diese Uhrzeit noch spielen will. Zu seiner großen Überraschung allerdings, ist es Nanao! Wie lange hatte sie sich wohl nicht mehr bei den Jungs blicken lassen? Eine Woche? Vielleicht. Und nun sitzt sie ganz alleine auf der Schaukel. Besorgt, verlässt er seine Position an der Bushaltestelle und läuft zu ihr rüber. Zu seinem Schrecken, stellt Jin'ichi fest, dass Nanao eigentlich eher auf der Schaukel hängt, anstatt darauf zu sitzen. Ihr Gesicht ist mit schwarzem Youkai-Blut bespritzt und selbst ihre Schuluniform ist verdreckt. Die Bandagen um ihre Arme sind locker und ebenfalls voller Blut, sogar ein wenig von ihrem eigenen Blut klebt daran. „Nanao!!“ Jin'ichi ruft entsetzt. Nanao erhebt mit aller Kraft ihren Kopf und schaut zu ihm auf. Alles was sie aufbringen kann ist ein gequältes Lächeln. „Jo.“ „'Jo' mich nicht an! Was hast du gemacht!? Was ist passiert?!“ Jin'ichi packt sie an den Schultern und will sie hochheben, doch Nanao wehrt sich mit einem aggressiven Schlag gegen seine Arme, so dass er loslässt. „Ich muss doch diese Gegend von Youkai befreien....“ Mit diesen Worten erhebt sie sich mit Mühe. Sie findet aber anscheinend nicht die Kraft und kippt somit in Jin'ichis Arme. „Mist....“ Sie flucht leise, wütend über den Zustand in der sie sich gerade befindet. „Ich bringe dich nach Hause.“ Jin'ichi lädt sie auf seinen Rücken. „Gut festhalten.“ Dann verwandeln seine Beine sich in muskulöse Beine eines Dämons; grau in der Hautfarbe und mit einem Fell überzogen. Er geht in die Knie und springt so weit und hoch, dass er sicher auf den Dach eines nächstgelegenen Flachdachhauses landet. Von da an springt er gekonnt und leise von Dach zu Dach, bis sie an dem Anwesen von Nanao gelangen. Dort verwandeln sich seine Beine wieder zurück und er läuft das letzte Stück bis zur Haustür. „Schnell helft mir mal!“ Kaum ist er durch die Tür, schreit Jin'ichi die anderen an. Tatsujirou und Shinji erheben sich und blicken alarmiert in seine Richtung. Noch alarmierter sind sie, sobald sie Nanao erkennen, die halb-bewußtlos an Jin'ichis Schultern hängt. „Mein Gott, was ist denn passiert?“ Shinji hebt fassungslos die Hände und schlägt sie auf dem Kopf. Tatsujirou hingegen nimmt wortlos Jin'ichi die Last ab und trägt Nanao bis in ihr Zimmer. Dort säubern Jin'ichi und Tatsujirou erstmal ihr Gesicht. Während Jin'ichi sich auf die Suche nach einem Dienstmädchen begibt, entschließt Tatsujirou schon einmal die Bandagen von ihrer Hand zu nehmen, damit die Arme gewaschen werden können und neue Bandagen umgelegt werden können. Als er jedoch die Arme von den schwarz-rot getränkten Mullbinden befreit, bietet sich ein Anblick des Grauens. Nanaos Hände und Arme sind voller tiefe Schnitte und blauen Flecken. „W...was zum Henker hast du angestellt...?“ Tatsujirou schaut Nanao überrascht an. Scheinbar hat er nicht damit gerechnet, dass es so schlimm unter den Bandagen aussehen könnte. „....Training...“ flüstert sie leise zurück und schließt die Augen. Tatsujirou versteht aber nicht so ganz was sie damit meint. Als nachher das Dienstmädchen kommt und Nanaos Kleider wechselt, gesteht diese dann kleinlaut, dass Nanao jeden Tag hart trainiere, um die Geschwindigkeit, für der sie bekannt gewesen sei, wieder zu erlangen. Tatsujirou und Jin'ichi sind neugierig geworden, und so muss das arme Dienstmädchen Nanaos Geschichte erzählen, bis zu dem Zeitpunkt an dem sie von dem alten Hijishima aufgenommen wurde. „Krass....mit 12 Jahren bereits eine gefürchtetes Gangmitglied sein....“ Jin'ichi lehnt sich auf dem Sofa zurück. Tatsujirou schweigt zunächst, dann aber sagt er in einem leicht verwunderten Ton. „Wenn sie solche Stärke und Agilität besitzt, wo ist das Ganze dann hin....?“ Gerade in diesem Moment stolpert Shinji die Treppe herunter. "Sie ist weg!!" Er keucht und seine Stimme ist wegen dieser Erschöpfung etwas schrill. Beide Jungs erheben sich erschrocken. "Wie, sie ist weg...? Die war doch noch bewusstlos?!" Jin'ichi stürmt hoch, dicht gefolgt von Tatsujirou. Als sie oben ankommen, sehen sie, dass die Tür zu ihrem Balkon offen steht. Tatsujirou rennt hinaus und schaut sich um. "Da, sie ist nicht weit!" Er deutet in eine Richtung. Ein normaler Mensch hätte dort nichts sehen können, doch Tatsujirous und Jin'ichis Augen sind besonders scharf. "Ok, ihr nach!" Jin'ichi dreht sich um und rennt die Treppen herunter, um nach draußen zu gelangen. Tatsujirou hingegen prüft die Höhe und springt aus dem Balkon. Er landet sicher auf dem Boden und zu genau der gleichen Zeit, als Jin'ichi durch die Tür stürmt. Beide rennen wortlos Nanao hinterher. Wo hatte sie nur solche Kraft, noch einmal mit voller Geschwindigkeit durch die nächtliche Stadt zu rennen? Bald haben sie sie eingeholt. Sie ist stehen geblieben; um ihr herum schwirrt die gefährliche lilafarbene Aura. Vor ihr steht ein großes Ungetüm, das eine Fusion aus mehreren Youkai besteht. Es blickt auf sie herab und will sie mit seinen amöbeartigen Gliedmaßen erschlagen, doch sie ist schneller und weicht gekonnt aus. Jin'ichi will ihr helfen, doch Tatsujirou hält ihn vorerst zurück. Nun bekommen die beiden eine Demonstration ihrer Kraft zu sehen: Nanaos Bandagen, die sich nun wie von Geisterhand von sich lösen, fangen an um sie herum zu tanzen. Sie schaut das Ungetüm einen Moment lang an -dann ist sie weg. Zumindest für das menschliche Auge. Tatsujirou kann gerade noch schemenhaft ihre Bewegungen erkennen; sie rast auf das Ungetüm zu und zerschneidet es in viele kleine Stücke -mit der Hilfe ihrer Bandagen. Nanao landet sicher auf der anderen Seite, während das Ungeheuer einen letzten Schrei von sich gibt, bevor es in tausend Teile zerfällt und alle Umstehende Personen mit dunklem Blut tränkt. Sie dreht sich zu den Jungs um. Ja, sie ist ganz anders als sonst. Ihre Augen wirken kühl und furchteinflößend. War dies die Gestalt des sagenumwobenen Kamikaze Nanaban? Plötzlich ist sie weg. Die Jungs schauen alarmiert umher, doch wie aus dem Nichts steht sie vor ihnen, ihre Hand nur wenige Zentimeter von ihren Hälsen entfernt. "Was wollt ihr beiden Nichtsnutze hier?" Ihre Stimme ist schroff. "Bitte...?! Willst du das von denjenigen behaupten, die sich um dich gekümmert haben, als du bewußtlos im Bett lagst?!" Tatsujirou ist erbost. Er stellt sich in Kampfposition; eine schwarze Aura umgibt ihn. "Hah! Du willst mich noch herausfordern? Was ein Narr! Komm doch!" Sie stellt sich normal hin -ohne Verteidigungs- oder Angriffsposition. Tatsujirou ist noch erboster über dies und greift sie schreiend an. Doch er erwischt sie nicht. Stattdessen tritt sie im allerletzten Moment zur Seite, packt ihn am Arm und mit nur einer Hand wirft sie ihn zurück. Tatsujirou kann sich gerade noch so fangen, dass er mit den Füßen aufkommt. "Gnkch!" „Komm doch!“ Ihre Stimme klingt höhnisch. Dieses Mal greift er sie mit einem Zauber an. Doch Nanao hat den passenden Gegenzauber parat und wendet die Attacke mit einem großen schwarzen Energieball erfolgreich ab. Nun greift sie ihn an; ohne sich scheinbar vom Fleck zu bewegen, verpasst sie Tatsujirou mehrere Male Schläge in den Magen oder ins Gesicht. Ein erfahrener Kämpfer, wie vielleicht Großvater Takou würde ihre Bewegungen sehen, würde sehen wie sie immer von ihrem Punkt aus auf Tatsujirou zu rennt, ihn schlägt, um dann wieder auf ihre ursprüngliche Position zurückzukehren. Doch Tatsujirou sieht nichts und kann deshalb nichts machen. Er krümmt sich vor Schmerz und setzt sich auf den Asphalt hin. „GENUG!!“ Jin'ichi schreit Nanao an. Zuerst scheint es, als wolle sie ihn ebenfalls angreifen, doch dann verblasst ihre Aura und Nanao selbst krümmt sich. Sie senkt sich auf die Knie und ist dabei um zufallen, würde Jin'ichi nicht zur Stelle sein und sie auffangen. „E...es tut mir leid....i-ich wollte nicht so weit gehen....habe keine...Kontrolle.....“ Ihre Worte sind flüsternd. „Schon gut, ruhig...“ Jin'ichi flüstert zurück. Er packt sie unter einem Arm, und mit dem anderen hilft er Tatsujirou wieder hoch. „Lasst uns zurück.“ „Ja.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)