Kamikaze 7 von Kashiwagi ================================================================================ Kapitel 2: Die neuen Arme des göttlichen Windes ----------------------------------------------- "So, das ist das letzte Stück Gepäck. Hier nimm das Jin'ichi." Ein Mann, etwa Ende Zwanzig, mit langen braunen Haaren, die zu einem Pferdeschwanz gebunden sind, nimmt eine schwere Sporttasche aus dem Taxi und reicht es einem Jungen, der fast zehn Jahre jünger ist, als er. Der Jüngere hat orange-farbene kurze Haare, die mit Gel locker in alle Richtungen fixiert worden sind. Er trägt einen grauen Pullover mit der Aufschrift "69" darauf, sowie graue Skaterhosen. Sobald der Ältere fertig ist, schließt er den Kofferraum, bezahlt den Taxifahrer und sieht dem gelben Wagen etwas trauernd hinterher. Dann richtet er sein dunkelviolettes Hemd und klopft imaginären Staub von seiner edlen schwarzen Hose ab. Er nimmt eine hellgelbe Sporttasche lässig auf seine Schulter. "Und, was hältst du davon, Tatsu?" Dabei spricht er allerdings nicht den anderen Jungen an, sondern eine weitere, dritte Person, die blank durch die Gitter des großen Anwesens der Hijishima starrt. Dieser Junge war ungefähr genauso alt wie der mit den orangenen Haaren, vielleicht ein wenig älter. Er hat kurzes, pechschwarzes Haar und hellblaue Augen. Er trägt ein weißes T-Shirt, darüber eine schwarze Jeans-Jacke. Seine schwarze Hose ist ebenfalls aus Jeans. Neben ihm ruht seine grüne und sehr alt wirkende Sporttasche, darauf ein schwarzer Rucksack. "Das sieht genauso schrecklich wie Zuhause aus. Ich hoffe, dass unser Ouji-sama nicht so einer ist." Er antwortet trocken und hebt seine Taschen vom Boden auf. "Hahahaha! Keine Sorge, ich habe mir sagen lassen, dass unser Ouji-sama ganz anders ist!" Der Mann lacht herzhaft auf, dass selbst der schweigende Dritte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen kann. Kurz darauf werden die drei auf das Grundstück gelassen und betreten das Haus. Ihr Gepäck wird sofort von Bediensteten in ihre zukünftigen Zimmer gebracht. Ein Butler verneigt sich vor den drei. "Bitte folgen Sie mir ins Teezimmer." Er führt die drei durch labyrinthartige Gänge, bis sie zu einer Papierwand und eine dazugehörige Schiebetür stoßen. Der Butler kniet sich hin und öffnet die Tür. Er verneigt sich. "Wenn ich stören darf, die Youkai sind soeben eingetroffen." Sofort im Anschluss steht der Butler wieder auf und lässt die drei jungen Männer passieren. Sie sind überrascht, ein fast leeres Zimmer vorzufinden. Bis auf ein Bild im Hintergrund und einen Tisch mit frischem Tee und leeren Bechern, befindet sich nichts Weiteres im Raum. "Setzt euch bitte." Eine junge Frauenstimme bringt deren Aufmerksamkeit auf eine kleine, fragil wirkende Person, die am Tisch sitzt. Sie sitzt sehr förmlich und trägt sogar ein Kimono in pfirsich-goldenen Farben. Ihre blonden Haare sind alle bis zum Nacken kurzgeschoren -bis auf zwei Strähnen die an den Seiten ihres Gesichtes herunterhängen. Diese reichen ihr bis zur Brust und sind leicht lockig. Ihr Gesicht wirkt friedlich, selbst ihre grünen Augen, die die drei Jungs anschaut, schauen so unschuldig drein, als hätte sie noch nie einer Fliege was zuleide getan. Ihre Hände sind jedoch seltsamerweise mit weißen Bandagen umwickelt. Die drei Männer tun wie geheißen und setzen sich vor dem Tisch hin. Das Mädchen schenkt jedem von ihnen einen Becher warmen grünen Tee ein. "Ich bin erfreut, dass ihr gekommen seid. Ich hatte mit eurer Ankunft erst im nächsten Jahr gerechnet." Sie schaut den älteren Mann zuerst an. "Du bist wohl Takou Shinji, nicht wahr?" Der Mann lächelt freundlich zurück "Ja, das bin ich wohl, haha!" Er antwortet so, als wäre er verlegen ihre Bekanntschaft zu machen. Anschließend verbeugt er sich tief und antwortet, "Ich, Takou Shinji, 27 Jahre alt und vom Beruf Fotograf, stelle mich euch zu Diensten, Ohime-sama." Der Junge mit den orangenen Haaren tut das Gleiche. "Ich, Takou Jin'ichi, 18 Jahre alt und noch Schüler, stelle mich euch zu Diensten." Der dritte im Bunde allerdings steht erschrocken auf. "BITTE?! Seit wann werden wir aus der Takou Familie von einem Püppchen regiert?!?" "Wußtest du das nicht, Tatsu? Ah, tut mir leid, dass ich dir das nicht früher gesagt habe..." Shinji spielt den Reue empfindenden. "Bitte mäßige deinen Ton in diesem Raum, Takou Tatsujirou." Das Mädchen spricht etwas schärfer als vorhin. "Ich lasse mich nicht von einem dahergelaufenen Mädchen, dass womöglich noch jünger ist als mich, herumkommandieren!!!!" Tatsujirou dreht sich um, um das Zimmer zu verlassen. Das Mädchen trinkt derweil ungestört ihren Tee weiter. Plötzlich fällt Tatsujirou auf die Knie. Er spürt wie etwas ihm allmählich die Luft zuschnürt und atmet deshalb lauter. Die Welt um ihn herum wird schummriger. Er dreht sich mit letzter Kraft zurück und sieht wie ein besorgter Shinji und Jin'ichirou auf ihn zulaufen und etwas sagen, doch er hört nichts mehr. Er wendet sein Blick an ihnen vorbei, und starrt das Mädchen an, dass ruhig ihren Tee weiter austrinkt und ihn nicht einmal einen Blick würdigt. Unglaublich, denkt er, bevor er bewußtlos wird. Als Tatsujirou wieder zu sich kommt, liegt er auf einem westlichen Bett aus Holz. Shinji sitzt neben ihm auf einem Stuhl und schaut Tatsujirou schmunzelnd an. "Du weißt was passiert ist, oder?" Fragt er den Jungen, der sich gerade an den Kopf packt. "Nicht wirklich. Ich weiß nur, dass ich keine Luft mehr bekommen habe." Tatsujirou richtet sich vorsichtig auf. Sein Kopf hämmert noch ein wenig. "Du hast Ohime-sama beleidigt und sie hat dich bestraft. So einfach." "Du glaubst doch wohl nicht, dass so eine Gestalt einen Zauber vollbringen kann?? Sie hat mich in dem Zauber nicht einmal angeschaut! Und Augenkontakt ist das Wichtigste bei schwarzer Magie!" Shinji seufzt und steht auf. "Du hast es wohl noch nicht begriffen, Kleiner." Er geht zur Tür raus. Bevor er die Tür hinter sich zumacht, sagt er: "Denke über deine eigenen Worte nach, Tatsujirou. Dann weißt du warum keiner von uns, ihr widersetzen wird." Tatsujirou ist wieder alleine in seinem Zimmer. Er schaut sich zunächst etwas um. Rechts ist ein großes Fenster mit Balkon und Blick auf den Garten. An der angrenzenden Wand sind Schreibtisch und -stuhl mit einem Regal voller neuer Literatur. Ihm gegenüber steht der große Spiegelschrank, wo seine gesamte Kleidung bereits eingeordnet ist. Links von seinem Bett steht ein kleiner Nachttisch mit Wecker und ein kleiner Hocker auf dem Shinji bis vorhin gesessen hat. Direkt dahinter scheint eine Tür zu sein, wohin sie führt weiß Tatsujirou noch nicht. Die Tür, durch die Shinji gegangen ist, befindet sich nämlich direkt daneben. Tatsujirou seufzt und wirft sich wieder aufs Bett. Die Kopfschmerzen lassen ein wenig nach und er kann etwas klarer nachdenken. Nein, sie kann unmöglich solch einen Zauber ausführen. Noch dazu ohne Blickkontakt. Dafür müßte sie mindestens 30 Jahre trainieren. Tatsujirou findet sich damit ab, dass er wohl einen Schwächeanfall bekommen hat, nach der ganzen Aufregung. Er hört wie eine Tür auf- und zugemacht wird. "Jin'ichi, ich bin nicht in der Stimmung...." Tatsujirou leiert seine Worte missmutig vor sich hin und dreht sich um. Anstatt seinen Cousin Jin'ichi anzutreffen jedoch, steht das Mädchen von vorhin vor ihm. Dieses Mal trägt sie normale Alltagskleidung: Ein hellblaues Sweatshirt mit zwei weißen Tauben aufgedruckt und einen schönen dunkelblauen Rock dazu. Die Bandagen trägt sie immer noch, wobei Tatsujirou erahnen kann, dass diese nur wenige Zentimeter in ihre langen Ärmel hineinreichen. Das Mädchen kichert etwas. "Hallo Tatsu-kun!" "Nenne mich nicht Tatsu-kun." "Hast du noch etwas Kopfschmerzen?" "Nein. Verschwinde." Jetzt zieht das Mädchen eine Miene. "Ist das alles was du zu sagen hast? Ich bringe dir extra ein Glas Wasser und Kopfschmerztabletten mit, sowie deine neue Schuluniform!" Tatsujirou schaut um sich, und tatsächlich, auf dem Nachttisch befindet sich ein Glas Wasser und eine Aspirintablette. Auf dem Hocker hat das Mädchen seine neue Schuluniform gelegt, bestehend aus einem weißen Hemd und einer dunkelblauen Hose. "Danke." Kommt es knapp aus ihm. Doch das scheint dem Mädchen nicht zu stören, im Gegenteil. Sie grinst ein wenig triumphierend und sagt, "Freut mich! Ich bin übrigens Nanao! Hijishima Nanao!" Ein paar Tage sind vergangen, doch Tatsujirou hat es bevorzugt, sich in seinem Zimmer einzuschließen. Er hat herausgefunden, dass die zweite Tür zum Bad führt, das er allerdings nicht benutzen darf, da es auch das Bad von Nanao ist. Während die anderen beiden sich sehr gut mit ihr verstehen, bleibt Tatsujirou weiterhin reserviert. Nun ist heute wieder Schulbeginn und ab heute muss er und Jin'ichi Nanao täglich in die Keio Privatschule begleiten. Allerdings sind beide in der Abschlussklasse, während sie gerade in die 2. gekommen ist. "Ohime-sama, kommt ihr endlich??" Es ist Jin'ichi, der sie ruft. Tatsujirou steht ungeduldig neben ihm. "Wir sollten ohne sie gehen. Schließlich hat sie das doch vorher auch geschafft. Wir sind ja nicht ihre Be-" "Entschuldigung, dass ihr so lange warten mussteeeeeeeet!! Aua!" Eine Nanao mit zerzausten Haaren rennt hastig die Treppe herunter und fällt noch auf der letzten Stufe hin. Während Jin'ichi etwas sprachlos ist, fängt Tatsujirou an höhnisch zu lachen. "Haha! So ein Tollpatsch! Wie willst du gegen einen Youma ankommen??" Er merkt nicht das Nanaos Gesicht ein wenig rot und die Augen glasig werden. Sie steht wortlos auf, packt ihre Tasche und läuft wortlos zur Tür heraus. "....Ich glaube das war nicht sehr nett von dir." Jin'ichi schaut ihr hinterher. Tatsujirous Miene verdüstert sich und er schaut verachtend auf Jin'ichi herab. "Hmpf. Und seit wann bist du der Schoßhund von jemandem geworden? So kenn ich dich nicht, Devil Jin." Mit diesen Worten verlässt auch er das Haus. Jin'ichi bleibt nichts anderes als zu seufzen und den anderen beiden zu folgen, nichtsahnend dass Shinji in einem Flur unweit von ihnen das ganze Geschehen mitbekommen hat. "Wir werden sehen..." murmelt er vor sich hin, bevor ein Bediensteter zu ihm kommt und ihn ans Telefon ruft. "Hallo?...Ja. Ich halte meine Versprechen...Nein...keine Sorge...ohne den Jungs wird sie nicht zu gebrauchen sein." Während seiner letzten Worte grinst Shinji bösartig vor sich hin. "Uwoooow...." Jin'ichi starrt fassungslos seine neue Schule an. Sie ist riesig groß mit einem eigenen Park. Alle Schüler scheinen aus gutem Hause zu stammen, was man an ihrer Gangart und Sprechweise erkennen kann. "Was ist, Jin? So viel prächtiger als unsere alte Schule ist sie nicht." Tatsujirou lächelt. "Ja, aber das sieht hier alles noch viel...." Bevor er den Satz zu Ende sprechen kann, wird er von einer Horde kreischender Mädchen aus der ersten Klasse unterbrochen. "KYAAAAAAAAAA!!! Wir haben zwei neue Bishounen an unsere Schule!!!!! Wie heißt ihr?" Sofort werden Tatsujirou und Jin'ichi von ihnen umzingelt, und sogar ein paar Mädchen aus der zweiten Klasse kommen nach. Es folgen Fragen auf Fragen, doch die Jungs schweigen und versuchen lediglich der Masse zu entkommen. Plötzlich ruft ein Mädchen "Kyaa! Hijishima-san ist da!!" Sofort rennen alle Mädchen weg und zu einem Mädchen mit kurzen Haaren hin...Hijishima Nanao! Sie wird umzingelt und von allen Seiten voll geplappert, doch es scheint sie nicht zu stören. Im Gegenteil, sie lächelt freundlich und geduldig. "Pft, man könnte meinen Hijishima-san wäre populärer als der gutaussehendster Junge auf der ganzen Schule!" Ein Junge mit kinnlangen schwarzen Haaren kommentiert das Geschehen. Er wendet sich die beiden zu. "Ich denke ihr geht auch in die Abschlussklasse? Freut mich, ich bin Kamada Akira. Wie heißt ihr?" Tatsujirou verzieht keine Miene. "Takou Tatsujirou. Und das ist ein Verwandter von mir, Jin'ichi." "Heeeh, ihr kommt also auf unsere Schule? Man kennt euch ja überall....ihr seid des Teufels Advokaten, nicht wahr?" Akira gibt ein anerkennendes Lächeln von sich Tatsujirou grinst zurück. Auch Jin'ichi lächelt böse. "Passt auf, dass ihr dann nicht der 'Kamikaze Nanaban' begegnet. Sie schlägt euch schneller zu Brei, als ihr überhaupt bis zwei zählen könnt." "Kamikaze Nanaban? Wer ist das denn?" Jin'ichi ist es, der die Frage stellt. Akira zeigt mit seinem Kopf in Richtung Nanao. "Bitte?" Jin'ichi kann seine Augen nicht trauen. Auch Tatsujirou staunt nicht schlecht. "Du meinst doch nicht Hijishima, oder?" "Doch, die meine ich. Sie kann friedlich wirken, doch manchmal tickt sie ohne Grund aus. Am Anfang des letzten Jahres war das noch recht schlimm. Sie ist deswegen oft von der Schule suspendiert worden. Aber plötzlich nach einem halben Jahr war sie fast wie ausgewechselt. Hin und wieder ist es aber doch passiert. Dann heißt es hier bei uns "Der Wind ist heute mal wieder stürmisch gewesen." Akira lacht ein wenig. "Naja, genug der Worte, ab in die Klasse! Sonst kriegen wir alle drei noch Ärger!" Doch selbst mit diesen Worten können Tatsujirou und Jin'ichi ihre Überraschung nicht verbergen. Diese grazile Person, deren Haut so bleich wie Porzellan war, jemand der wirklich wie eine Puppe aussieht, soll wegen körperlicher Verletzung öfters suspendiert worden sein? Der Klang einer schrillen Schulglocke. Überall die Stimmen von sich unterhaltenden Schülern. In einer verlassenen Ecke auf dem Schulcampus lehnt sich Nanao erschöpft gegen die Wand. "Puuuh..." seufzt sie, scheinbar erschöpft. In der Ferne hört man Mädchenstimmen. Wie es scheint, suchen sie nach ihr. "Verdammt...." Nanao umklammert ihr Pendel das violett leuchtet. Sie schaut es an. "Hätte ich gewußt auf was ich mich da wirklich einlasse...." "Was hältst du von ihr?" "Sie ist ganz nett, aber scheint sehr schwach zu sein. Ich weiß irgendwie nicht. Mein Leben ihr anzuvertrauen fände ich ehrlich gesagt wirklich etwas zu viel verlangt." "Ich weiß auch nicht, was sich der Alte dabei gedacht hat, ihr zu vertrauen..." Sind das nicht die Stimmen von Tatsujirou und Jin'ichi? Reden sie über mich? Denkt sich Nanao gerade. Wie können sie nur so etwas denken? Sie greift instinktiv zu ihrem Pendel, das sie gut unter ihrer Schuluniform versteckt hat. Sie schaut um die Ecke und tatsächlich, es sind die beiden. Jin'ichi sitzt lässig auf dem Boden, im Schatten eines großen Baumes. Tatsujirou steht neben ihm und hält ein Päckchen Orangensaft in seiner rechten Hand. Plötzlich halten die beiden in ihrem Gespräch inne. Sie blicken überrascht in ihre Richtung. Erwischt! Sie haben also doch über mich geredet. Sie schaut beschämt nach unten. "Ah, Nanao-chan! Was machst du in dieser verlassenen Ecke hier..." Jin'ichi ist aufgestanden und versucht verlegen das Thema zu wechseln, doch es gelingt ihm nicht. Tatsujirou schaut nur finster drein, sagt nichts. "Wie ich sehe, glaubt ihr nicht, dass ich euch beschützen könnte. Ich werde eurem Großvater eine benachrichtigen und eure Rückreise beordern." "Ah...warte, wir..." Doch Jin'ichi kann seine Worte nicht zu Ende aussprechen. Zu schnell ist sie weg. "Lass gut sein. Es ist besser so." Tatsujirou hält Jin'ichi am Schulter weg, als dieser ihr hinterherrennen will. "Dummkopf!" Jin'ichis Stimme ist schrill. "Das heißt noch lange nicht, dass wir uns nicht entschuldigen sollen!" Er schlägt Tatsujirous Hand zur Seite und marschiert davon. Tatsujirou verzieht eine wütende Miene und tritt gegen einen kleinen Kieselstein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)