Transmutation von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 5: Rejection -------------------- Als er aus der Dusche kam, wandten sich ihm sechs Gesichter zu. Zwei Wolfsköpfe und vier menschliche. Verwirrte, fragende Blicke trafen ihn, mit Seitenblick auf den blonden Wolf, der auf dem Fußboden lag und zwei Köpfe besaß. "Das ist Kay. Er gehört ab heute zu uns." Mehr gab es seiner Meinung nach nicht zu sagen. Hey, er wollte hier auch keinen Monolog halten, er hatte noch nie gerne viel geredet. Natürlich gab es Ausnahmen, aber heute war so keine, also nur die grobe Kurzfassung. Zwei Sätze, die alles bedeutende, seiner Meinung nach, ausdrückten. Doch die restlichen Rudelmitglieder schienen mit dieser Erklärung nicht annähernd zufrieden, doch keiner sagte etwas, als er Kay Klamotten holen ging und sie ihm hinwarf. Sein Opa hatte sie ihm geschenkt, und oh wunder, sie waren ihm viel zu groß. Er nahm an, dass sie dem Blonden dann also auf jeden Fall passen müssten. Ohne zu zögern kam der Neue seiner unausgesprochenen Aufforderung nach und verwandelte sich. Niemand von den Anwesenden hatte je eine so abstruse Umwandlung gesehen. Erst verwandelte sich nur der Körper bis zum Hals zurück, dann schmolzen die beiden Köpfe zusammen, wurden eins, nahmen menschliche Form an. Kay strich sich die etwas zu langen Haare aus dem Gesicht und zog sich an, während die anderen noch in stummer Verwunderung da saßen und ihn anstarrten. Hatten sie etwa gedacht, er hätte auch als Mensch zwei Köpfe? Wie soll dass den gut gehen, bitte schön? Außerdem würde er ja dann verdammt viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen, oder etwa nicht? Leon ging an dem jungen Mann vorbei, schaltete den Computer an. Bis jetzt hatte er jede der Identitäten der Mitglieder seines Rudels überprüft, also würde er hier auch nicht anders verfahren. Kay nannte ihm seinen vollen Namen, der Computer summte leise und führte wieder mal alles Mögliche an. Der Blonde war 25 Jahre alt, 1,98 groß, hatte als Jugendlicher schon einige Mal vor Gericht wegen Sachbeschädigung gemusst, et cetera, et cetera, nichts Welt bewegendes. Er ließ die Datei offen, falls auch die anderen sie sich ansehen wollten, denn anscheinend misstrauten sie dem Neuankömmling. Naja, wer würde einem zweiköpfigen Wolf anfangs nicht misstrauen? Man sagt ja, Augen können nicht lügen, aber in welches Augenpaar sollte man bei dem Kerl schauen? Vielleicht war er ja auch schizophren, hatte zwei Seelen, der einen konnte man vielleicht trauen, der anderen nicht...Vielleicht war sein Rudel auch einfach gegen alle Fremden misstrauisch, würde ihn nicht wundern, so wie es in dieser Stadt in letzter Zeit drunter und drüber ging. Er öffnete die Balkontür und trat hinaus, betrachtete die aufgehende Sonne und zog tief die frische Morgenluft ein. So erfrischend, so kühl. Sie verkündete einen warmen Tag. "Hey, alles okay? Hat der Kerl dir noch irgendwas getan?" Eine warme Hand platzierte sich auf seiner rechten Schulter, und Leon ließ Kay gewähren. Er hatte sich es ja auch schon in dessen Fell gemütlich gemacht. Wenn er nur daran dachte... "Nein, keine Sorge, alles okay. Ich wollte nur nicht, dass du damit rein gezogen wirst. Das ist eine Sache zwischen mir und ihm...Der Kerl hat irgendwie einen Hau weg." "Das kannst du aber laut sagen.", grinste der Blonde. Erschrocken zuckte der Schwarzhaarige zusammen, als etwas in seiner Hosentasche vibrierte. Oh, er hatte ja ganz vergessen sein Handy vorgestern aus dieser Hose zu holen und in die andere zu machen... Seufzend zog er es raus, er konnte sich ziemlich gut vorstellen, wer am anderen Ende der Leitung war, denn wer außer dieser Person würde schon am frühen Morgen anrufen?!? Kay nickte, und schloß die Balkontür hinter sich, sehr höflicher Mensch, gut erzogen. Naja, doppelt denken konnte er ja, das war vielleicht auch ganz nützlich. Psst! Er sollte so was nicht denken, das war nicht gerade sehr freundlich. Noch einmal atmete der 18jährige tief durch, dann ließ er das Handy aufklappen und hielt es sich ans Ohr. "Was soll denn das? Wo warst du gestern? Ich hab dich angerufen, aber du bist nicht ran gegangen! Ich hab mir Sorgen gemacht und hätte fast schon die Polizei angerufen! Was denkst du dir eigentlich dabei?", brüllte ihm auch sogleich eine wohlbekannte Stimme entgegen. "Beruhige dich, Opa, es ist alles okay, ich habe nur mein Handy zu Hause vergessen!" "Sag mal, dir geht's wohl zu gut! Du weißt doch genau, dass ich jeden Tag anrufe, warum tust du mir das an?" Mittlerweile klang der alte Mann ziemlich gekränkt, doch Leon wusste, dass er ihn im Grunde nur ärgern wollte. Sein Opa benahm sich manchmal echt wie ein kleines Kind. "Opa, lass gut sein." "Jaja, ich mach ja schon. Aber du bist okay, ja?" "Ja." "Und ,wie findest du das Programm, dass ich dir geschickt hab?" Das Lächeln war aus der Stimme raus zu hören, anscheinend war sein Großvater ganz schön stolz darauf. "Sehr nützlich, danke, Opa." "Ja, lass nur gut sein. Brauchst du sonst noch irgendwas?" "Nein, ich habe genug. Und wenn nicht, sage ich dir Bescheid." "Sicher?" "Ja, Opa." "Dann ist ja gut. Bis morgen." Der Schwarzhaarige klappte sein Handy wieder zu, als es gerade schon wieder klingelte. Was hatte der alte Mann jetzt schon wieder vergessen?!? "Ach ja, und Sam besteht darauf, dass du am Samstag auf ihren Geburtstag kommst! Glaub mir, die killt mich, wenn du da nicht auftauchst!" "Ich werde sehen, was sich machen lässt." "Du kommst, oder willst du schon so bald meiner Beerdigung beiwohnen?" "Jaja, ich komme, mach kein Drama." "Am Samstag um zwei, sei pünktlich, sonst bin ich schon mit einem Bein im Grab, bevor du auch nur ankommst!" Leon grinste. "Ich versuch's. Bis dann." Sollte er es mal drauf ankommen lassen, wie weit Sam wirklich gehen würde? Es wäre doch mal einen Versuch wert...Aber vielleicht ein ander' Mal...Im Moment hing er noch zu sehr an seinem Großvater, wer würde ihn denn sonst jeden Morgen um diese unmögliche Uhrzeit anrufen? Bei diesem Gedanken fiel ihm auf, dass er schon seit Tagen nicht mehr geschlafen hatte, aber auch keinerlei Müdigkeit verspürte. Trotzdem hielt er es für besser, sich hinzulegen, denn wenn er irgendwann doch müde werden würde, würde er das sicher zu einem ungünstigen Zeitpunkt... Wenn man Leon jetzt hier sehen würde, wären in zwei Minuten Feuerwehr und Polizei da. Von wegen Selbstmörder und ähnliches. Naja, mochte schon etwas seltsam rüber kommen, wenn man auf dem Dach eines Hochhauses saß und ins Leere starrte. Werwolf. Das war er. Tier. Mensch. Was genau? Eine Mischung? Ein Monster? Ein Wunder? Konnte jemand Antworten auf solche Fragen geben? Wohl kaum...Sein Leben...Seit seine Eltern verunglückt waren, war ihm so ziemlich alles egal, und über diese Einstellung hatte er auch niemanden in seiner Umgebung im Zweifel gelassen. Aber konnte er auch sein Werwolf Dasein einfach in diese Schublade packen, so wie er es sich und den anderen die ganze Zeit vorgaukelte? Bis jetzt hatte es zumindest geklappt...Aber wenn dann doch Gedanken aufkamen...Man konnte sie schließlich nicht immer verdrängen, denn wenn man sich nicht mit ihnen auseinander setzte, würde man glatt noch 'ne Psychose kriegen, was ihn bei sich gar nicht wundern würde, so seltsam wie er eh schon war...Da könnte doch ein bisschen Schizophrenie oder Depressivität auch nicht schaden, oder? Das Dasein als Werwolf brachte tausend gute Sachen mit sich, aber auch einige schlechte. Neue Feinde. Clayton verbannte er sogleich wieder in die hinterste Ecke seiner Gedanken. Wenn es jemand heraus fand, dann konnte er sich gleich irgendwo einliefern lassen, oder sich die Kugel geben. Aber hatte er eine Wahl? Hatte er je eine gehabt? Nein...Man hatte ihm diese Entscheidung aus den Händen gerissen. Er war ein Werwolf. Er konnte sich weder zurück verwandeln noch sonst irgendetwas dagegen tun. Es war geschehen und nicht mehr rückgängig zu machen. Außerdem...War es wirklich so schlimm? Er hatte neue Freunde...Neue Fähigkeiten...Er wusste, er war nicht mehr normal, war es vielleicht nie gewesen, denn er war schon immer anders gewesen. Aber das war eine andere Art von anders. Aber lief es nicht im Endeffekt auf das Gleiche hinaus? Entweder die Menschen akzeptierten einen so, wie man war, auch wenn man anders war, oder eben nicht... Es war wohl okay so. Musste wohl okay sein. Denn es war eh zu spät...Er würde schon damit klarkommen. Die nächsten Tage verbrachte er nicht viel Zeit als Wolf und auf den Straßen, einerseits um Clay nicht zu begegnen, andererseits, weil es mittlerweile einfach zu gefährlich war. Viele Menschen sind schon vorn Werwölfen zerrissen worden, weshalb die restlichen jetzt ziemlich empfindlich auf alles, was auch nur annähernd nach Hund oder Wolf aussah, reagieren. Da konnte man sich schon mal versengtes Fell holen, wenn man Lust dazu hatte. Auch sein Rudel verließ nur selten das Haus, und auch nur mit seiner Zustimmung. Er hielt zwar nicht viel davon, sie in seiner Wohnung einzupferchen wie Schafe, aber er wollte auch keinen von ihnen in nächster Zeit begraben wollen. Aber irgendwie ging ihm diese ständige Gesellschaft schon auf die Nerven. Nicht, dass was sie sagten, oder taten, sondern einfach, dass sie da waren, dass er nicht allein war, sondern ständig jemanden um sich hatte. Er war es nicht gewohnt und ehrlich gesagt, wollte er sich auch nicht daran gewöhnen... Deshalb beschäftigte er sich in den verbliebenen Tagen bis Samstag damit, raus zu bekommen, wie schnell Wohnungen in dem Haus gleich nebenan bezogen werden können, da dieses gerade erst gebaut wurde. Der Besitzer kannte ihn und seinen Großvater zufällig, er hatte schon viele Wohnhäuser gebaut und war damit auch ziemlich schnell reich geworden. Die Häuser waren sehr komfortabel und großzügig eingerichtet und kosteten demnach auch viel Geld, aber die die es sich leisten konnten, wohnten natürlich dort, denn es trug schon zum Ansehen bei. Der Besitzer sicherte ihm auch sofort zwei Wohnungen zu, eine mit zwei Schlafzimmer, die andere mit dreien. Es war Leon egal, wie sie zusammen wohnten, Hauptsache nicht mehr bei ihm! Ihm wurde garantiert, dass die Wohnungen schon fertig eingerichtet waren, und dass man nur noch seinen Krempel packen musste und einziehen musste, und zwar, wenn sie fertig waren, nächsten Montag. Der Schwarzhaarige war noch nie so erleichtert gewesen. So ließ sich das alles doch die restlichen Tage noch viel besser aushalten. Er erzählte den Fünfen, dass sie nebenan einziehen würden, und dass sie unter sich ausmachen sollten, wer wo wohnte. Er würde die Wohnungen bezahlen, denn sein Bekannter war für ihn auch ein Stück mit dem Preis runter gegangen, und sein Großvater würde eh bezahlen, also konnte es ihm auch egal sein. Und der hatte schließlich genug Geld. Einer der zehn reichsten Männer der Welt, der nichts lieber tat, als seinem Enkel alle Wünsche und noch viel mehr von den Augen abzulesen. Das Wetter war angenehm warm, als er am Samstag die Villa betrat. Er trug ein schwarzes Hemd und schwarze Hosen, seine Lieblingsfarbe, auch wenn manche Idioten behaupteten, es wäre keine Farbe, für ihn war es eine, Punkt um. Sollte noch mal jemand was anderes behaupten... Der Butler führte ihn in den Garten, wo schon einige Leute standen und plauderten, und als sein Geruchs- und Gefahrsinn anschlug, bemerkte er auch Clayton, der ihn anlächelte. Mist! Wie hatte er bloß vergessen können, dass das auch so ein Scheiß reicher Kerl war! Und Sam musste ihn natürlich kennen, das war so was von gar nicht fair! Aber er würde ihn einfach ignorieren, beziehungsweise so tun, als würde er ihn nicht kennen. Es konnte ja auch keiner wissen, dass er ihn kannte. Und Leon würde es ganz sicher nicht rum erzählen, hey, selbstmordgefährdet war er ja noch nicht! "Leon!" Eine korpulente, doch recht hübsch Frau kam auf ihn zugelaufen und schloß ihn ganz fest in ihre Arme, drückte ihm einen Kuss mit ihren scharlachroten Lippen auf und strahlte ihn an. "Ich bin so froh, dass du gekommen bist. Lass dich ansehen, du bist noch hübscher geworden." "Hey, Sam. Alles Gute zum Geburtstag." Er lächelte sie liebevoll an, nebenbei bemerkt, er lächelte fast nie!!! Aber für sie machte er doch gerne eine Ausnahme. Der Schwarzhaarige gab ihr noch einen kurzen Kuss auf den Mund und drückte ihr dann ein kleines Päckchen in die Hand. "Aber du musst mir doch nichts schenken, Herzchen!" "Will ich aber." Sam lachte und strich sich eine Strähne ihres dunkelblonden Haares hinters Ohr. "Na, dann wollen wir mal sehen, was du mir da Schönes ausgesucht hast." Clay musste sich stark davon abhalten, das Sektglas in seiner Hand zu zerdrücken, seine Muskeln zitterten merklich unter der Anspannung. Warum lächelte sein Wölfchen diese Frau so voller Liebe an? Er hatte ihn noch nie lächeln gesehen! Noch nie! Und er wollte es auch nicht so sehen, er sollte ihn anlächeln, und nicht diese Person! "Das ist das Schönste, was ich heute bekommen habe." Sams Augen glänzten und sie nahm die silberne Kette mit dem kreuzförmigen Anhänger aus der Schatulle. Das Kreuz war auch Silber und war mit kleinen Rubinen besetzt, die wunderbar mit ihrem roten Kleid harmonierten, was überhaupt die Lieblingsfarbe der etwa 40jährigen Frau war. "Leg es mir um, ja?" Sie strich sich die Haare aus dem Nacken, gab ihm das Kreuz und drehte sich zu ihm um. Immer noch lächelnd, legte er ihr die Kette vorsichtig um den Hals und schloß sie. "Danke, mein Schatz!" Die Dunkelblonde drehte sich zu ihm um und umarmte ihn schon wieder, und Leon erwiderte diese Umarmung, er liebte diese Frau einfach. Sie hatte sich um ihn gekümmert, nach dem seine Eltern tot waren. Sie war schon damals eine gute Freundin seines Großvaters gewesen, und er hatte sie auch in dessen zu Hause kennen gelernt. Und seit sie ihn das erste Mal dort getroffen hatte, hatte sie sich seiner angenommen, war für ihn Mutter, Schwester und Freundin geworden. "Komm, ich hab dich so lange nicht mehr gesehen, du hattest ja die ganze Zeit den Stress mit deinem Abschluss. Wir setzen uns jetzt dort hinten hin und reden erst einmal. Die anderen Gäste können mich für den Moment einfach mal." Sie grinste ihn zwinkernd an und er kam nicht umhin leise zu lachen. Sie war einfach so perfekt. Sam packte seine Hand und zog ihn durch die Menge, an seinem Großvater vorbei, der gerade etwas sagen wollte, als die Frau ihn auch schon weiter zog, auf eine Bank zwang und sich neben ihn setzte, und anfing zu reden und zu erzählen, zu fragen, und gar nicht mehr aufhören wollte. Und das tat sie alles auf russisch, dass sie ihm beigebracht hatte, da ihre Mutter Russin war. Leon fiel diese Sprache sehr einfach, weil er sie auch wunderschön fand, und außerdem konnte sie so auch keiner der Umstehenden verstehen. Es war so etwas wie ihre Geheimsprache, auch wenn sie nicht wirklich geheim war, wenn ein Russe irgendwo in der Nähe war. Clayton hörte seinem Gegenüber nur mit halbem Ohr zu. Den Rest seines Hörvermögens konzentrierte er auf die Frau und sein Wölfchen hinter sich. Sie waren geradewegs an ihm vorbei gegangen und hatten sich ein paar Meter hinter ihm hin gesetzt. Er ahnte, um was für eine Sprache es sich handelte, und er fand es einfach nur noch anbetungswürdig, wie Leon sie aussprach. Dieser warme Ton, und diese schönen Laute. Gott, er hätte ewig hier stehen können und einfach nur lauschen können. Nur unterbrach diese dumme Ziege sein Wölfchen andauernd, und dafür würde er sie am Liebsten erwürgen. Ein Freund winkte ihn zu sich, und schweren Herzens verließ er sein Eigentum und dessen wunderbare Stimme. "Weißt du, wer das dort hinten ist?" Den Braunhaarigen hatte es schon überrascht, dass sein Kleiner plötzlich hier aufgetaucht war, er hätte nicht gedacht, dass er in solchen Kreisen verkehrte. "Der Schwarzhaarige?" Clayton nickte. "Das ist der Enkel von Eric Carlson, der, dem diese riesige und wahnsinnig erfolgreiche Computerfirma gehört. Die Eltern des Kleinen sind bei einem Unfall vor Jahren ums Leben gekommen. Sein Großvater hat sich seitdem um ihn gekümmert. Der Junge ist wahnsinnig intelligent. Er hätte wahrscheinlich jedes Jahr eine Klasse überspringen können, wenn er gewollt hätte, aber ich habe gehört, er hätte mal gesagt, dass er sich nicht so anstrengen würde, weil wenn er in eine andere Klasse käme, die Leute ja erst wieder kapieren müssten, dass sie ihn gefälligst in Ruhe lassen sollten, und das wäre ihm zu viel Stress gewesen. Leon ist schon ziemlich gleichgültig anderen gegenüber. Ist kein Mensch, der die Gesellschaft von anderen gerne hat, deswegen zeigt er sich auch nur selten irgendwo auf Geburtstagen oder ähnlichem. Kennst du das Spiel, dieses Air Force Zero? Das vor sechs, sieben Jahren raus kam und immer noch der Hit bei Jugendlichen ist?" Clayton nickte. Ja, er hatte doch schon einmal davon gehört, hatte es auch schon ein oder zwei Mal gespielt, aber wirklich daran erinnern tat er sich nicht. "Das hat er entworfen, als er elf war. Ihm war langweilig, seine Computerspiele stellten keine Herausforderungen mehr an ihn und da sein Großvater ihm alles über Computer, Programmieren und so weiter, beigebracht hatte, hat er sich einfach selbst ein Spiel erfunden. Als sein Großvater das dann merkte, hat er es auch bald auf den Markt gebracht. Der Kleine ist wirklich ungemein schlau, aber ungemein abweisend. Ist glaub ich vor ein paar Monaten 18 geworden, oder so." Leon. So hieß sein Wölfchen also. So ein schöner Name. Und sein Kleiner war noch so jung und so clever. Wow. Da hatte er ja echt den Hauptgewinn gezogen. Clayton grinste. Den würde er sicher nicht so schnell gehen lassen, auch wenn er ein gebissener war. Dafür war er einfach zu schön. "So, du kümmerst dich jetzt wieder um deine Gäste, okay? Sonst sind die nachher alle wütend auf dich. Und ich werde gleich mal wieder gehen. Du weißt ja, ich mag solche Menschenaufläufe nicht." Sam seufzte. "Okay, hast ja recht. Aber ich meld mich wieder bei dir, okay? Und dann machen wir was zusammen...Ich will dich so bald wie möglich wiedersehen." Leon lächelte. "Ich dich auch, also abgemacht." "Mensch, Junge, die hat dich ja belagert. Ich hab schon gedacht, ich kann heute gar nicht mehr mit dir reden. Du schielst so Richtung Ausgang, willst du etwa schon fliehen?" Leon nickte, er würde so schnell von hier verschwinden, wie auch nur irgend möglich. "Und mich allein lassen? Dir lässt sie es durchgehen, aber wenn ich mich verpfeifen würde, könnte ich mir schon mal in der Zwischenzeit mein Grab schaufeln. Mensch, ist das ungerecht." Der alte Mann machte ein leicht beleidigtes Gesicht, und ein belustigtes Glitzern schlich sich in die hellbraunen Augen seines Gegenübers. "Stell dich nicht so an, alter Mann, du wirst es wohl überleben." "Du herzloses Kind, du. Du bist echt total verzogen." Leon grinste. "Ja, genau, und das ist deine Schuld." "Getroffen und versenkt.", stöhnte der 63jährige. "Nimm's nicht so schwer." "Eric!" Sein Großvater verdrehte die Augen, und wandte sich dann lächelnd zu dem Mann um, der ihm die Hand schüttelte und ihn anlächelte. "Wie geht es dir?" "Gut, und dir, Joseph?" "Auch gut. Darf ich vorstellen, dass ist Clayton Riche, du hast ja sicher schon mal von ihm gehört." "Sicherlich. Eric Carlson, angenehm." Leons Großvater schüttelte ihm die Hand und nickte dann in Richtung seines Enkels, der keine Anzeichen von Erkennen oder sonst etwas zu sehen gab, sondern stumm dem Braunhaarigen die Hand schüttelte, der ihn anlächelte. "Das ist mein Enkel, Leon." "Erfreut, dich kennen zu lernen, Leon." "Gleichfalls.", brummte der Schwarzhaarige nur noch, bevor er sich eiligst verabschiedete und sich einen Weg durch die Menge bahnte. Wie zur Hölle konnte man so viele Menschen einladen? Und dann auch noch die falschen! Draußen angekommen, schnappte er sich seinen Helm und wollte ihn gerade überziehen, als ihn eine bekannte Stimme inne halten ließ. "Du fährst schon?" "Nein, ich ziehe nur meinen Helm an, steige aufs Motorrad, steige wieder ab und ziehe ihn wieder aus. Und dann gehe ich wieder rein." "Sehr witzig." Leon schwieg, drehte sich immer noch nicht zu Clayton um, der keine drei Meter von ihm entfernt stand. "Kannst du überhaupt noch fahren?" Nee, ich hab's verlernt, Blödmann. Und zwar innerhalb einer Stunde, ich bin ja sooo doof. "Wenn du was getrunken hast, ich kann dich auch mit dem Auto heim fahren." Das Grinsen schwebte grade zu vor Leons Gesicht und am liebsten hätte er ausgeholt und mitten rein geschlagen. "Ich trinke nicht.", fauchte er stattdessen nur. "Ah ja. Hast wohl Angst, die Kontrolle zu verlieren, oder? Das magst du gar nicht, nicht wahr? Du wirst nicht gern kontrolliert, sondern kontrollierst lieber selbst, oder irre ich mich? Hast du deshalb so viel Angst vor mir und dem, was ich tue?" Erstens habe ich keine Angst, Mistkerl, und zweitens verkehre ich nur nicht gern mit Perversen! Am liebsten hätte er das diesem arroganten Fatzke an den Kopf geworfen, doch er tat es nicht. Es hätte wahrscheinlich sowieso zu nichts geführt. "Ich wusste nicht, dass ich mich gerade in der Sprechstunde eines Psychiaters befinde, der jeden Satz auseinander nimmt, den ich von mir gebe.", knurrte der Schwarzhaarige noch, bevor er den Helm anzog und auf sein schwarzes Motorrad stieg, nur um gleich darauf damit zu verschwinden. Länger als nötig musste er diese Gesellschaft echt nicht haben. Wenn Clayton sich kontrollieren lassen würde, wäre das alles wahrscheinlich halb so wild. Aber er war genau wie er, er wollte die alleinige Kontrolle. Er würde sie niemals teilen, und das war vielleicht das, was den Schwarzhaarigen am Meisten abschreckte. Er hatte nie behauptet, nicht bi zu sein, oder? Hatte er was übersehen? Sicher nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)