Violence... (3.Platz des Frühlingswettbewerbs)   von LumenSpei
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                                  Kapitel 1: 
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Widmung: Sokki-chan, Saule, Biggi, Lulu, Micha, Verena, den Teilnehmern und der
Jury^^

Violence...
(Wettbewerbsbeitrag für den Frühlings-FanFicwettbewerb)


Prolog:
* Wo bin ich?? * Ein Mädchen zieht ängstlich durch die blutrote Ebene. Sie
weiß nicht, woher sie kam und wohin sie gehen wird. Das einzige, was sich in
ihrem Gedächtnis festhält ist, dass sie schnellst möglich weg muss. Weg, fort
aus dieser Gegend. Sie ist müde. Es kommt ihr vor, als hingen an ihren Füßen
Bleigewichte, die sie immer wieder zurückzogen. Vom Schweiß feuchte Strähnen
hängen ihr in die Stirn und versperren ihr die Sicht. Sie spürt, dass sie
nicht allein ist. Doch dieses Gefühl gibt ihr keine Sicherheit. Nur Angst.
Angst vor dem, was hinter ihr her ist. Angst, vor der Stimme, die hinter ihr
herruft: "Siehst du es??? Spürst du es?? Riechst du das Blut?? Du bist gierig,
süchtig danach. Du willst es, willst Blut. Blut so rot wie reife Kirschen,
Blut, süßes Blut...". "Nein!!!!!! Hör auf!! Ich will kein Blut!! Ich will es
nicht!!". Das Mädchen sinkt auf den Boden. Krämpfe schütteln ihren Körper.
Zusammengekrampft sitzt sie zwischen zwei kleinen Hügeln. Tränen laufen ihre
Wangen hinab. "Siehst du es??? Siehst du die Hügel neben dir?? Das warst du,
du!!! Niemand anderes als du!!! Du warst gierig nach Blut!! Süchtig nach dem
kirschroten Blut!!!!". "HÖR AUF!!!! Ich will es nicht mehr hören!!".
Schutzsuchend kriecht das Mädchen zu einem der beiden Hügel. Es will sich
verstecken, verkriechen vor der grausamen, quälenden Stimme in ihrem Kopf.
Furchtsam drängt es sich ganz dicht an die Erhebung. Seine Augen sind weit
geöffnet. * Ich will nach Hause... Mama... * Leise beginnt das Mädchen zu
weinen. Es sehnt sich nach seiner Mutter. Nach ihren Armen und ihrer Stimme, die
sie einhüllen in einen Mantel von Geborgenheit. "Du willst zu deiner Mama???
Schau unter den Hügel!! Dort ist deine Mama!!". Erst jetzt bemerkt es, dass der
Hügel von einer Plane überzogen ist. Es zittert. Soll es wirklich unter die
Plane sehen??? Oder ist es nur wieder ein Trick der Stimme, die sie andauernd
hört?? Die eisige Stimme, die in ihrem Kopf herum spuckt und ihr Angst
einjagt??? Aber... was soll sie sonst tun?? Hier gibt es nichts. Niemand kann in
dieser Gegend leben. Die Sonne brennt vom Himmel auf das rote Gestein unter
ihren Füßen. Es glüht schier und versengt ihre Füße. Zögerlich nimmt sie
ein Ende der Plane in die Hand. "Na los! Tu es!!" Mit dem Mut der Verzweiflung
reißt das Mädchen die Plane weg. Zuerst sieht sie nichts. Das weiß darunter
blendet sie. Als ihr Blick langsam klarer wird, sieht sie, wie langsam rote
Rinnsale über das undefinierbare Weiße laufen. "Mama??" "Jaaa. Dort liegt sie,
deine Mama!!!!". "NEIN!!!!!!" Hysterisch kreischend wirft sich das Mädchen
über den toten, weißen Körper seiner Mutter. "Mama!!!!!" Erneut stürzen
Tränen aus ihren Augen die Wangen hinab. "MAMA!!!!!" Doch all ihr Schreien
nützt nichts. Ihre Mutter ist tot. Sie liegt da, verstümmelt. Zerstückelt von
einer Bestie. "Siehst du sie??? Siehst du ihr Blut??? Du warst es!! Du hast sie
umgebracht!!!!!!! Du warst es. Mörderin!!! Mörderin!!! Du warst gierig nach
Blut. So gierig, dass du sogar deine Mutter umgebracht hast, um deinen Durst zu
stillen!!!!". "NEIN!!!! Hör auf!!!". Das Mädchen bäumt sich auf. Streckt
ihren Oberkörper zum Himmel. "Willst du mich umbringen?? Mich töten?? Mir die
Kehle mit deinen Finger durchschneiden??? Mir die Stimmbänder herausreißen???
Du bist durstig!! Durstig nach Blut!!! Du merkst es schon selbst nicht mehr. Du
willst mich doch töten, oder??? Willst sehen, wie mein Blut über meinen
leblosen Körper rinnt. Willst sehen, wie mein Herz schlägt. Willst meine
Todessschreie hören. Hören, wie ich unter Krämpfen dich anbettele mich zu
töten. An meinen Schreien hören, dass nur noch der Tod meine letzte Hoffnung
ist. Das ist doch, was du willst, oder?? Du willst deine Vorstellung ausleben.
Das ist es doch, was du willst!!! Das macht nur jemand, der gierig, durstig,
süchtig ist nach Blut!!! Nach Blut!! Kirschrot und süßer als Nektar und
Ambrosia.". Das Mädchen schlägt wild um sich. Es schreit in wilder Panik und
fürchterlicher, quälender, den Verstand raubender Angst. Die Angst vor dieser
Stimme, der Leiche ihrer Mutter, dieser unwirtlichen Gegend und die Angst vor
sich selbst schnürt ihr schließlich die Kehle zu. Drückt ihr die Luft ab, um
sie zu ersticken, sie umzubringen als Rache für diesen grausamen Mord an ihrer
geliebten Mutter. Erneut will sie schreien, weinen und um sich schlagen, doch
die Angst, die ihr Herz mit einer Klaue aus Angst umschließt, macht es
unmöglich. Krampfhaft versucht es zu atmen. Die leere Lunge mit Luft zu
füllen. Doch die eisige Hand der Angst schließt sich um ihre Kehle und drückt
zu. Je mehr Luft sie will, desto schwerer wird es für das Mädchen zu atmen.
Ihre Haut wird bleich. Ihre Kraft schwindet. Ihre Krämpfe werden leichter. Und
kurz vor der Bewusstlosigkeit, vergisst sie auch die Angst. Plötzlich strömt
wieder Luft in ihre Lunge. Füllt und bläht sie. Ruhelos lässt das Mädchen
seinen Blick schweifen. Überall hin, suchend nach Rettung aus dieser Gegend und
vor dieser Stimme. Sie sieht überall hin, nur nicht auf den leblosen, kalten
Körper der Mutter. "Los!!! Sieh hin!!". Das Mädchen hört wieder diese kalte
Stimme. Sie scheint diesmal näher zu sein. Näher als vorher. Näher als je
zuvor. Ganz dicht an ihrem Ohr. Lockend ruft die Stimme das Mädchen. "Los, sie
hin!!" Flüstert die Stimme. Eine Hand streicht über ihren Rücken. Wärme und
Geborgenheit geht von dieser Hand aus. Doch noch immer fürchtet sich das
Mädchen davor, sich umzudrehen. "Sieh mich an..." Sie fühlt warmen Atem in
ihrem Nacken und sanfte Küsse, die ihre verbrannte Haut sanft beruhigen. Das
Mädchen zittert und bebt unter diesen zärtlichen Berührungen. "Sieh mich
an...". Die Stimme klingt auch nicht mehr fremd, sondern vertraut, freundlich
und warm. Und dann merkt das Mädchen, dass sie gefesselt ist. Gefesselt an
diese wunderbare, verführerische Stimme. "Sieh mich an, mein kleines
Wölfchen...". Und das Mädchen dreht sich tatsächlich um. Es blickt in zwei
wunderschöne, tiefbraune Augen, die aussehen wie Schokolade. "Mein kleines
Wölfchen... " Die Hand gleitet über ihren Rücken zu ihrem Kinn. Alle Angst
des Mädchens ist verschwunden. Es spürt nur noch Verlangen. Verlangen, in
diesen Augen zu versinken. Verlangen diesen Mund zu küssen, der sie mit
liebevollen Worten umarmt. Verlangen, von dieser Hand überall berührt zu
werden. Sie leckt sich wie ein hungriges Tier über die Lippen. Dann berührt
sie sanft den Mund mit dem ihrigem. Sie spürt, wie ihr der Verstand geraubt
wird. Fühlt, wie sie nicht mehr sie selbst ist. Nimmt wahr, dass es alles um
sie herum verschwimmt. Die Farben ineinander verlaufen, sich mischen zu einem
grässlichem Rot. Einem Rot wie Blut. Und immer weiter versinkt sie in diesem
Kuss, in dieser blutroten Welt, und in dem Verlangen nach diesem Körper, an den
sie sich drückt und der ihr den Verstand raubt.

* Was für ein seltsamer Traum  * Violenta rieb sich die Augen. Verschlafen
schob sie die Decke ein wenig zurück und setzte sich auf. Sie erinnerte sich
nur schemenhaft an den Traum von letzter Nacht. Aber sie wusste, dass eine
Stimme darin vorgekommen war. Eine grausame Stimme. Schrecklich und
furchteinjagend. Und trotzdem... Trotzdem zärtlich, wärmend und...
verführerisch... Violenta erinnerte sich an ein Paar wunderschöner Augen. So
braun und glänzend wie in der Sonne geschmolzene Schokolade. Sie strich sich
ihre lange dunkle Mähne aus der Stirn. Noch immer zeigte die Stimme in ihrem
Traum Nachwirkungen. Sie fühlte sich benommen und alles verschwamm vor ihren
Augen. Müde ließ sie sich zurückfallen. Ein heftiger Schmerz durchzuckte
ihren gesamten Körper. * Verdammt * Wie vom Blitz getroffen sprang sie aus dem
Bett und durchwühlte es. Doch sie fand nichts, an dem sie sich hätte verletzen
können. * Was ist nur los mit mir?? * Sie sah an sich herunter. * Oh mein
Gott... * Ihre gesamte Haut war tiefrot und geschwollen. Vorsichtig strich sie
mit einer Hand über ihr rechtes Schienbein. Die Haut darauf war heiß und
trocken. Violenta glaubte fast, sie würde unter ihrer Berührung reißen. Eine
Erinnerung kam in ihr auf. Eine Erinnerung an den Traum der letzten Nacht. An
die unerbittliche Sonne, die ihre Haut versengt und sie schier ausgetrocknet
hatte. Vorsichtig setzte sie sich auf ihr Bett. * Es wird schlimmer. Von Nacht
zu Nacht. * Seit ihrem 14. ten Geburtstag wurde sie von schrecklichen
Albträumen heimgesucht, die immer mehr ihr gesamtes Leben einvernahmen und ihr
die Verletzungen, die ihr in Morpheus Reich zugefügt wurden, behielt sie
nachhaltig. Ganz am Anfang waren sie immer gleich verschwunden. Doch plötzlich
wurde es schlimmer. Sie wachte jeden Tag mit einer anderen auf. Einmal war fast
ihr Bein abgetrennt gewesen. Vorsichtig legte Violenta ihre Hände um eine
verbrannte Stelle. Sie konzentrierte sich stark darauf. Dann fühlte sie, wie
sich ihre Macht unter den Händen sammelte und ihre Haut kühlten. Die Rötung
ging zurück und die Verbrennungen heilten. Das weiße Licht, dass von ihren
Händen ausging berührte bald ihren ganzen Körper, wobei sie am Rücken einige
Schwierigkeiten hatten. Danach fühlte sie sich erschöpft. Das gewohnte
Kopfweh, dass sie bekam, wenn sie zu viel von ihrer Macht verbrauchte stellte
sich ein. * Jetzt ist wieder der ganze Tag im Eimer... Blödes Kopfweh. * Aber
trotzdem war sie irgendwie froh, dass sie Kopfweh hatte. Es verhinderte, dass
sie erneut einschlief und wieder von einem ihrer seltsamen Träume gefangen
wurde. "Violenta, bist du schon wach???". Rief von unten eine freundliche Stimme
herauf. "Ja Mama. Ich geh gleich ins Bad rüber.". "Vergiss nicht, dass du deine
Wäsche herunterträgst." "Bestimmt nicht..." Violenta stand auf und suchte sich
ihre Kleidung zusammen. * Wie gut, dass Mama nichts von meinen Träumen und
meiner... Gabe... weiß * Sie ging ins Bad und stellte sich unter die Dusche.
Vorher aber sah sie sich noch mal im Spiegel an, ob sie auch wirklich alle
verbrannten Stellen geheilt hatte. Wie sanfter Regen lief das kühle Wasser
ihren Körper hinab. Violenta wusste, dass sie "anders" war. Sie wusste es,
seitdem sie im Alter von 5 Jahren bemerkt hatte, dass sie durch bloße
Willenskraft kleinere Verletzungen heilen konnte. Sie hatte es niemandem gesagt.
Auch nicht, als sie vor 4 Jahren einen Brief bekommen hatte. Ein Brief, der
einfach durch ein Fenster geflattert war. Ein Brief in dem stand, dass sie eine
Hexe war. Ein Brief von Hogwarts. Doch nie, nie wäre sie fortgegangen. Ihre
Mutter alleingelassen. Jedenfalls nicht für so lange. Natürlich, sie hätte in
den Ferien heimfahren können. Aber die Zeitspanne zwischen den Ferien war
einfach zu kurz gewesen. Sie konnte eine Woche wegbleiben. Vielleicht auch zwei.
Aber länger nicht. Sie wusste, dass auch ihre Mutter noch immer träumte.
Träumte von der schrecklichen Nacht, die nun schon fast 15 Jahre her war.
Träumte von der Nacht, in der sie gezeugt worden war. Ihre Mutter hatte es ihr
nie erzählt, doch auch sie konnte sehen, was ihre Mutter träumte. Sie wusste,
warum sie Violenta hieß. Violence... das Wort für Gewalt. Sie wusste, dass in
jener Nacht ihre Mutter zu etwas gezwungen wurde, was sie nicht wollte. Und dass
es das Schlimmste gewesen war, dass ihr jemals wiederfahren ist. Und sie wusste
auch, wer ihr Vater war, ein Zauberer. Ein Hexenmeister. Deshalb hasste sie
sich. Hasste die Magische Welt, die ihrer Mutter so etwas grausames angetan
hatte. Sie kannte nicht das warum und wieso. Nur das es ein Zauberer gewesen
sein musste. Denn wenn ihre Mutter eine Hexe wäre, hätte sie sich wehren
können. Ja, sie hasste die Welt der Magie. Und dennoch benutzte sie selbst
Magie, um ihre Wunden zu heilen. Die Wunden, die man ihr in den Albträumen
zufügte. Aber sie tat es nur, damit sich ihre Mutter nicht um sie sorgte. Damit
sie hier weiter leben konnten. Als Menschen. Verborgen vor jeglicher Zauberei.
"Violenta, bist du fertig???" Ihre Mutter rief herauf. "Jaa. Komme gleich.".
Violenta hangelte nach einem Handtuch und rubbelte sich ab, während sie aus der
Dusche stieg. Sie löste den Knoten an ihrem Hinterkopf, den sie sich gesteckt
hatte, damit ihre Haare nicht nass wurden. Mit einer schwungvollen Kopfbewegung
fiel ihr Haar ihren Rücken hinab. Seidiges, weiches Haar. Lang und glänzend
braun. Die Farbe ihrer Haare zu bestimmen war immer ein Rätsel für Violenta
gewesen, denn es hatte immer dann, wenn sie es versuchte andere Nuancen.
Jedenfalls kam es ihr so vor. Violenta fasste sich an den Kopf und massierte
leicht ihre Schläfen. *Mein Kopf platzt gleich...* Sie atmete tief ein, um den
hämmernden Schmerz hinter ihrer Stirn zu verdrängen. "Violenta?? Bist du schon
fertig??". "Komm schon!!!" *Mal schauen, wie ich an die Aspirin von Mama
komme...* Sie zog sich schnell an und lief die Treppe hinunter. 
"Guten Morgen, Mama." Ihren Kopfschmerz überspielend drückte Violenta ihrer
Mutter einen Schmatz auf. "Morgen. Das Frühstück ist schon fertig.". Violenta
setzte sich an den Küchentisch und nahm sich hungrig ein Brötchen. Denn noch
immer hielt die Erschöpfung und die Benommenheit des Traumes an. "Morgen kommt
doch der Neue, oder??" Ihre Mutter setzte sich zu ihr an den Tisch. "Ja. Aber
keiner weiß eigentlich, wie er heißt oder von wo er zuzieht.". Violenta
bestrich sich ein Brötchen. "Du kannst ihn dann ja mal mitnehmen. Er hat es am
Anfang sicherlich nicht leicht, Freunde zu finden.". "Kann ihn ja mal fragen...
Er hat sich eine äußerst günstige Zeit ausgesucht, wo wir doch am Mittwoch
ins Camp fahren. Da nehmen die Lehrer nicht so viel Stoff durch. Und die ganzen
Prüfungen haben wir letzte Woche schon geschrieben.". "Hast du dir eigentlich
schon überlegt, was du mitnehmen willst???" Interessiert sah ihre Mutter
Violenta in die Augen. Es waren dunkle, fast schwarze Augen, ohne dass se
bedrohlich aussähen. Das, was ihre Mutter immer wieder auffiel, war die gelbe
Korona um die Pupillen ihrer Tochter. Sie gaben den Augen fast ein... ja man
könnte sagen, ein fast wölfisches Aussehen... "Keine Ahnung... Ich werde
morgen ein bisschen einkaufen... Da wird sich schon noch was finden." Violenta
riss ihre Mutter aus den Gedanken. "Mh?? Oh ja. Natürlich. Sag nur, wenn du
Geld brauchst." "Nein, nein, ich hab selber noch genug von meinem Ostergeld."
Violenta wusste, dass sie, wenn sie Geld brauchte ihre Mutter nur darum zu
bitten brauchte. Aber irgendwie war sie zu stolz dazu. Sie wollte so bald wie
möglich auf eigenen Beinen stehen können, damit sich ihre Mutter sich nicht
mehr darüber zu sorgen brauchte, sich genügend um sie zu kümmern. 
"Vielleicht ist der Neue ja der Sohn der Familie, die neben uns einzieht." "Ja,
kann schon sein. Wie spät ist es eigentlich???" "Kurz vor zehn, wieso???" "Ich
wollte mich heute mit Tasse treffen. Sie hat gesagt, ich sollte sie sobald ich
aufstehe anrufen, weil sie sonst wieder den ganzen Tag verschläft." "Telefon
liegt im Wohnzimmer. Du kannst sie ja zum Frühstück einladen." "Ja, mach ich.
So wie ich sie kenne, würde sie das sogar vergessen." Violenta war schon auf
halbem Weg zum Wohnzimmer, als ihr Blick aus dem Treppenfenster fiel. Nebenan
luden gerade zwei Männer Möbel aus einem Lastwagen. Eine Frau und ihr Mann
schauten ihnen dabei zu und versuchten ungeschickt, irgendwie zu helfen. Hinter
den Möbelpackern kam ein Junge zum Vorschein. Violenta schätzte ihn ungefähr
so alt wie sich selbst. Seine schwarzen Haare fielen ihm ins Gesicht und er
strich sie mit einer anmutigen Bewegung lachend zurück. *Irgendetwas an ihm ist
seltsam... * Violenta haftete ihren Blick an ihn. Und plötzlich, als hätte er
es gespürt, drehte sich der Junge um und blickte ihr in die Augen. Schokobraune
Augen, die im Sonnenlicht glänzten. Violentas Augen weiteten sich vor Schreck.
*Oh mein Gott... * Sie wollte den Blick losreißen. Sich aus dem Bann der Augen
befreien, die sie unentwegt anschauten und die ihr in die Seele zu schauen
schienen. Augen die alles zu ergründen schienen. Ihre tiefsten Geheimnisse.
Dunkle Geheimnisse. Abnormale Geheimnisse. Irgendwo in ihrem Kopf erklang das
kalte, grausame Lachen aus ihren Träumen. Die Stimme, die so furchterregend und
zärtlich zugleich war. Violentas Kopf schien zu explodieren. Blut tauchte vor
ihren Augen auf und im Hintergrund diese dunklen, tiefen Augen. "Lass mich los.
Lass mich los..." Violentas Stimme war nur ein heiseres, leises Krächzen. Und
plötzlich, war es vorbei. Der Junge hatte sich abgewandt. Das Leben lief
weiter. Und alles hatte nur wenige Sekunden gedauert. Violenta lief nach oben
ins Wohnzimmer. Zitternd nahm sie das Telefon in die Hand und tippte eine Nummer
blindlings ein. Sie hielt das Telefon an ihr Ohr. Das Blut rauschte in ihren
Ohren und ihr Herz schlug wild. Sie betrachtete sich kurz in dem kleinen
Spiegel, der an der Wand hing. Ihr Gesicht war kalkweiß und ihre Augen
blutunterlaufen. Das gleichmäßige Klingeln am anderen Ende der Leitung
beruhigte sie ein wenig. "Hallo??" Eine verschlafene Stimme meldete sich.
"Tasse??? Kommst du bitte rüber??? Ich soll dich zum Frühstück einladen."
"Ich hör's in deiner Stimme. Raus mit der Sprache. Was ist passiert??" Die
Stimme klang besorgt. "Ich hatte wieder so einen Traum..." "Was??? Ich komm
gleich. Mach dir keine Sorgen. Bin gleich da." Violenta hörte nur ein leises
Tuten. Ein leichtes Lächeln umspielte ihren Mund, als sie an ihre beste
Freundin dachte. Sie war vergesslich, tollpatschig und naiv. Aber sie war die
beste Freundin, die sich Violenta wünschen konnte. Sie hatten sich irgendwie
gefunden, obwohl sie so verschieden waren. Während Tasse ihre ehemaligen Lover
mit 14 schon nicht mehr zählen konnte, hatte Violenta selbst noch nie einen
Freund gehabt. Tasse, die eigentlich Anastasia hieß, hatte ein kindliches,
süßes Aussehen. Violenta selbst aber wurde auf älter geschätzt als sie
eigentlich war. Man konnte von ihr nicht behaupten, dass sie nicht hübsch war,
aber irgendetwas an ihr schreckte alle ab, die sich ihr näherten. Nur Tasse,
mit ihrem naiven Wesen hatte diese seltsame, alles abweisende Aura um Violenta
herum nicht gespürt, und war offen auf sie zu gekommen, als sie sich das erste
Mal begegnet waren. *Was würde ich nur ohne sie machen??? * Violenta seufzte
leise und ging wieder hinunter. Sie wagte es nicht mehr, aus dem Fenster zu
sehen. 
Unten legte sie gerade ein Gedeck für Tasse auf, als es auch schon an der Tür
klingelte. "Ich komm schon!!!" Als Violenta die Tür öffnete stand aber nicht
wie erwartet Tasse vor der Tür, sondern der Junge von neben an. "Wa...Was...?"
Mehr brachte Violenta nicht heraus. Ein dicker, fetter Pfropfen steckte in ihrer
Kehle. "Ich wollte nur mal kurz 'Hallo' sagen und mich vorstellen. Ich bin
gerade mit meiner Family im Nachbarhaus eingezogen. Also, ich bin Káge
Chikara." Der Junge strich sich seine widerspenstigen, dunklen Haare aus der
Stirn. "Ich weiß, dass das ein komischer Name ist. Aber meine Eltern kommen aus
Japan. Wie heißt eigentlich du?" Er blickte Violenta in die Augen. Doch der
furchteinflößende Ausdruck lag nicht darin. "Ich? ... Ich bin Violenta." Káge
sah sie etwas verwundert an, lächelte dann aber. Violenta lächelte zurück.
*Komisch... dieser Junge hat irgendetwas an sich... Ich weiß nicht...
Irgendwie, vertraut... und doch... ich bin mir sicher, dass wir uns noch niemals
begegnet sind... Verrückt... * "VIIIIIIOOOOOO!!!!!!!" Eine laute Stimme riss
Violenta aus den Gedanken. Sie sah an dem Nachbarsjungen vorbei und sah Tasse,
die wie eine Verrückte auf sie zugerannt kam. "Nicht so schnell. Irgendwann
errennst du dich noch.", sagte sie lachend, als Tasse vor ihr keuchend zum
Stehen kam. "Ich... bin so... schnell gekommen, wie... ich konnte...Puuuh."
Erschöpft hängte sie einen Arm über die Schulter von Violenta und stützte
sich mit ihrem ganzem Gewicht auf ihre Freundin. Violenta schien es noch nicht
einmal zu bemerken. "Tasse, darf ich vorstellen, das ist Káge. Er ist gerade
neben uns eingezogen." "Freut mich..." Tasse strich sich kurz mit der Hand den
Schweiß aus dem Gesicht und klatschte Káge freundschaftlich auf die Schulter.
"Bist du der Neue, der in unsere Klasse kommt?? Oder gehst du auf die
Privatschule??" "Nein, nein. Ich werde in die normale Schule gehen. So wie alle
anderen auch. Ich hoffe wir kommen in eine Klasse. Wenn dort so äußerst
hübsche und freundliche Mädchen wie euch zur Schule gehen, würde ich am
liebsten mein ganzes Leben lang Schüler bleiben." "Öh...". Perplex sahen sich
die beiden Freundinnen an. "Ich geh dann mal nach Hause. Ich hoffe, wir sehen
uns morgen!! Bye!!" Völlig überrumpelt sahen Tasse und Violenta Káge nach,
der soeben im Nachbarhaus verschwand. "Lass uns reingehen." Violenta öffnete
die Tür. "Komm schon..." Tasse ließ sich von ihrer Freundin mitziehen.
"Gott,  sah der guuuut aus..." vor Entzückung die Augen verdrehend biss Tasse
in ein Stück Marmeladenbrot. "Der wär doch was für dich." Neckend sah sie
ihre Freundin an, die ihr gegenüber eine Tasse Kakao schlürfte. "Musst du
schon wieder damit anfangen??" "Es ist mein vollster Ernst!!" "Anastasia, wie
oft soll ich dir noch sagen, dass du mir in solchen Sachen nicht reinreden
sollst???" "Ach komm schon, musst du denn Anastasia zu mir sagen?? Ich finde den
Namen so grässlich. Der sah doch wirklich gut aus. Außerdem konnte er die
Augen gar nicht von dir lassen. Er hat dich die ganze Zeit angesehen." Violenta
seufzte. Es brachte nichts, sich mit ihrer Freundin auf diesem Gebiet zu
streiten. Sie sah sowieso in jedem halbwegs vernünftigen Typ den idealen Freund
für sie. "Wenn er doch sooooo gut aussieht, warum angelst du ihn dir dann
nicht??" "Weil ich jetzt Single aus Überzeugung bin." "Ach ja?? Für wie
lange?" Violenta sah ihre Freundin schief an, die sich gerade das zweite Brot
schmierte. "Solange, bis ich sechzehn bin." Stolz klopfte sich Tasse auf die
Brust. "Du hattest schon mehr als 10 Freunde in drei Jahren. Und du willst bis
du 16 bist auf Entzug gehen?? Das schaffst du nie." "Ach ja??" "Ja." Ohne sich
auf weitere Diskussionen einlassend stürzte Violenta ihren Kakao hinunter.
Beleidigt biss Tasse in ihr Marmeladenbrot. "Jetzt sag mal, von wem..." "Nicht
hier. Mom könnte uns hören. Lass uns raufgehen..." Violenta stand auf. "Willst
du es ihr wirklich nicht sagen?? Ich meine, das ist doch nicht normal!!" "Was
ist nicht normal?" Violentas Mutter steckte den Kopf zur Küchentüre herein.
"Äh, äh, dass der Junge von neben an so verdammt gut aussieht." *Gerettet. *
Violenta war ihrer Freundin dankbar, dass sie ihr unangenehme Fragen und
Erklärungen ersparte. "Ach so. Ich bin dann draußen im Garten. Oder ich helf
den Nachbarn beim Einziehen." "Ja ok. Wir gehen dann rauf in mein Zimmer." "Wenn
ihr was braucht. Ihr braucht euch nur was zu nehmen." "Ja machen wir. Danke."
Mit einem Lächeln verschwand Violentas Mutter. 
Im Vorbeigehen strich sie über ein Gemälde, dass sie selbst gemalt hatte. Es
zeigte einen jungen Mann, der glücklich von der Leinwand herablächelte und
alle, die an ihm vorübergingen aufmerksam zu beobachten und zu überwachen
schien. *Weißt du, was für eine wundervolle Tochter du hast?? * Ihr Blick
wanderte über das ebenmäßige Gesicht, über die schwarzen Haare, die etwa
schulterlang waren und blieb an den dunklen, fast schwarzen Augen hängen. Diese
schienen wissend zurückzublinzeln. *Sie versucht alles, um ihre Alpträume vor
mir zu verbergen, damit ich mir keine Sorgen mache. Sie ist ganz wie du. Obwohl
du einer von seinen Dienern warst... sie hat alle deine guten Seiten. * Sie
lächelte das Bild an. Erinnerungen kehrten beim Anblick des jungen Mannes
zurück. Alte wunderschöne, aber auch grausame Erinnerungen. Und Sehnsucht.
Sehnsucht sich wieder von seinen Armen wiegen zu lassen und die Zeit anzuhalten.
Kurze Momente der Vertrautheit und der Liebe. Tränen traten in ihre Augen. *Wo
bist du nur?? Ich vermisse dich schrecklich... Severus... Wo bist du nur... ??
Ich weiß, weinen hilft nichts... Aber, manchmal, manchmal geht es nicht
anders... * Kleine Salzbäche traten über ihre Augenränder und fluteten ihre
Wangen. Verstohlen wischte sie sich über das Gesicht. Sie lächelte das Gesicht
noch einmal schwermütig an und verschwand dann im Garten.  

Indessen waren Violenta und Tasse in Violentas Zimmer gegangen. Es war nur
spärlich eingerichtet. Ein großes Bett in der Mitte, ein Schrank neben der
Tür zum Balkon, zwei Sitzsäcke. Nur die Fantasyposter und die Wandmalereien
verliehen dem Raum eine persönliche Note. Oft saßen die beiden hier gemeinsam
und unterhielten sich. Tasse fühlte sich in diesem Raum, wie in ihrem eigenem
Zimmer. Das einzige, dass sie jedes Mal, wenn sie wieder Violentas Zimmer betrat
neuentdeckte, war der riesige, mannshohe Spiegel, der dem Bett gegenüber
aufgestellt war. Sein pechschwarzer Rahmen war mit okkulten Symbolen verziert.
Nur am oberen Ende prangte ein großer, roter Stein, der wie ein blutrotes Auge
alles und jeden beobachtete. "Ich frag mich immer noch, warum du dieses alte
Ding nicht wegwirfst und dir einen neuen schöneren zulegst." Sie klopfte gegen
das morsche Holz. "Ich weiß auch nicht, irgendwie häng ich an dem Ding."
Verträumt strich Violenta über den Rahmen. *Ich werde dich nie, nie
hergeben... * "Sag mal, was hast du eigentlich heute schon wieder geträumt??
War es schlimmer, als das letzte Mal??" Tasse ließ sich in einen Sack fallen.
Das Material gab unter ihr nach und passte sich ihrem Körper an. Violenta
setzte sich neben sie in den anderen Sack. "Ja. Langsam weiß ich nicht mehr,
was ich tun soll. Jedes Mal brauche ich mehr Kraft, damit alles weggeht."
Violenta erinnerte sich an den Morgen, als Tasse entdeckt hatte, was geschah,
wenn sie Alpträume hatte. Violenta hatte bei ihr übernachtet und vorher
gebetet, dass sie keinen Traum habe. Aber wie es das Schicksal so wollte, hatte
sie einen gehabt. Das Bett war voller Blut gewesen. Ganz zu schweigen von
Violenta selbst. Entsetzt war Tasse aufgesprungen und wollte schon nach ihrer
Mutter rufen, als Violenta ihr den Mund zuhielt und ihr alles erzählte. Von
ihren Träumen und den Verletzungen, die sie manchmal davontrug. Und von ihrer
Gabe, ihren Körper zu heilen, was sie auch gleich demonstrieren musste, weil
Tasse ihr es sonst nicht geglaubt hätte. Überhaupt hatte sie das auch ziemlich
nötig gehabt, da ihr Körper mit Schnitt- und Schürfwunden übersäht gewesen
war. Dabei hatten sie herausgefunden, dass Violenta ihre Gabe nicht nur bei sich
selbst, sondern auch bei anderen Personen anwenden konnte. Seitdem konnte sie
wahrlich nichts mehr voneinander trennen. Tasse gab Violenta das Gefühl, normal
zu sein und sie ihr, das Gefühl unnormal zu sein. "Ich meinte nicht das danach,
sondern von was!! Was hast du geträumt?? Vielleicht können wir so
herausfinden, was genau deine Probleme sind und wie wir sie, einfach wutsch,
beseitigen können." Aufmunternd sah Tasse ihre Freundin an. Die aber schaute
mit einem Blick der Hoffnungslosigkeit zurück. 
"Du kannst dich wieder nicht erinnern, oder?" "Ja. Das ist es ja gerade. Ich
weiß nicht, wer oder was mir diese,... diese Sachen antut. Genau das macht mir
Angst. Ich weiß nie, was auf mich zukommt, wenn ich abends ins Bett gehe.
Tasse, ich habe Angst vorm Schlafen!! Ich bin müde. Jeden Tag klappen mir fast
die Augen zu. Ich will endlich wieder wie ein normaler Mensch abends ins Bett
gehen können..." Violenta traten Tränen in die Augen. Bei Gott, sie war
wahrlich keine Heulsuse, aber die ganzen Alpträume und Verletzungen trieben sie
an den Rand des Wahnsinns. "Hey, keine Panik. Wir packen das." Tasse drückte
ihre Freundin kurz an sich. "Was für eine Art von Verletzung hattest du denn??
Vielleicht können wir daraus etwas schließen." Diesmal stieß Tasses Blick auf
einen kleinen Funken Hoffnung in Violentas tiefschwarzen Augen. Sie schniefte
kurz. "Es waren Verbrennungen. Am ganzen Körper. Meine Haut war so trocken wie
Pergament. Es tat höllisch weh." "Verbrennungen also. Pergamentartige Haut...
Also hat dich etwas verbrannt. Kannst du dich an Feuer erinnern??" Violenta
überlegte. Krampfhaft versuchte sie sich an ihren Traum zu erinnern. Sie ließ
ihren Blick durch das Zimmer schweifen. Plötzlich schien ein Bild auf der
Oberfläche des Spiegels aufzuflackern. Es zeigte eine weite, rote Ebene. Nur
zwei Hügel hoben sich ab. Und zwischen ihnen ein Schatten. Es war der Schatten
eines Mädchens. Violenta sah sie an. Ihr Gesicht wurde von langem, schwarzem
Haar verdeckt. Doch Violenta wusste auch so, wer das Mädchen war. Sie selbst.
Auf ihrem ganzen Körper waren Verbrennungen und die Haut pellte sich an manchen
Stellen ab. Doch so plötzlich, wie das Bild im Spiegel aufgetaucht war,
verschwand es auch wieder. Nach dem kurzen Aufflackern der Vision, sah Violenta
wieder sich selbst und einen Teil von Tasses Rücken im Spiegel. *Was war das??
Hab ich mir das nur eingebildet, oder... war es eine... Vision?? * "Was ist
nun?? Kannst du dich an ein Feuer erinnern??" Tasse riss sie aus ihren
Überlegungen abrupt heraus. "Hm??" "Ob du dich an ein Feuer erinnern kannst."
Violenta sah ihre Freundin an. *Nein, es war kein Trugbild. Es war ein
Ausschnitt aus meinem Traum... * "Nein..." sagte Violenta leise. Enttäuscht
schaute ihre beste Freundin sie an. "Da war kein Feuer. Die Sonne hat mir die
Haut verbrannt. Es war unglaublich heiß. Ich bin durch eine rote Ebene gezogen
und neben mir waren zwei Hügel... Aber... irgendetwas sagt mir, dass das keine
Hügel waren, sondern irgendetwas anderes... Etwas schreckliches..." Violenta
sah Tasse in die tiefdunkelblauen Augen.  "Heißt das, dass deine Verbrennungen
eigentlich ein Sonnenbrand war?" "Nein, nein. Meine Haut war wirklich verbrannt.
An manchen Teilen schaute sogar das Fleisch heraus. Alles war heiß und
geschwollen. An den Stellen an denen ich im Traum etwas anhatte sind sie nicht
ganz so schlimm gewesen, aber trotzdem... So extrem war es noch nie." Violenta
schaute zu Boden. Sie schämte sich, andauernd ihre Freundin mit ihren Problemen
zu belasten. In solchen Momenten fühlte sie sich schwach und hilflos. Wie ein
kleines Kind. Orientierungslos ohne eine helfende Hand. Verloren ohne fremde
Unterstützung. "Hmm. Also, ein extremer Sonnenbrand." "Extrem extrem." "Okay.
Dann eben ein extrem extremer Sonnenbrand. Wie wär's, wenn du dich das nächste
Mal vorher mit Sonnencreme einschmierst?? So Lichtschutzfaktor 40. So was gibt
es doch, oder??" "Tasse... Ich glaub nicht, dass das so einfach wird...
Außerdem, glaubst du wirklich, dass Sonnencreme etwas bringt??" "Um Sonnenbrand
vorzubeugen fällt mir eben nur Sonnencreme ein. Du könntest natürlich in
einer Badewanne mit Eiswürfeln schlafen. Aber da erfrierst du ja eher..."
Violenta seufzte. Sie glaubte nicht wirklich, dass Sonnencreme in ihrem Fall
etwas brachte. Aber sie sah auch ein, dass es so einfach nicht weitergehen
konnte und durfte. Jedes Mal waren ihre Verletzungen schlimmer und jedes Mal
brauchte sie mehr Kraft, um diese auch wieder vollständig zu heilen. Ihre
Kopfschmerzen wurden schlimmer und die schlaflosen Nächte nahmen zu. Langsam
begann auch die Schule unter ihren Alpträumen zu leiden. Doch weder ihre Lehrer
noch ihre Mutter durften etwas von ihren Träumen wissen. Denn wenn sie ihnen
das erzählte, musste sie ihnen alles erzählen. Und das war etwas, was Violenta
um jeden Preis verhindern wollte. 
"Hoffentlich kommt dieser Káge in unsere Klasse." Violenta seufzte. "Warum??
Ich dachte, du wolltest bist du 16 bist Single bleiben. Warum also dann??" "Na
ja, er scheint wenigstens nett zu sein. Kein solcher Idiot, wie die Hallodris in
unserer Klasse." "Ach ja?? Bis jetzt warst du mit jedem deiner ,Hallodris'
mindestens einmal zusammen. Und immer noch laufen sie dir wie herrenlose
Hündchen nach. Mich wundert es, dass du noch nicht als ,Klassenschlampe'
bezeichnet wirst." "Hey!! Ich bin doch keine Schlampe!!" Empört schaute Tasse
Violenta an. "Das weiß ich doch. Tut mir leid, dass ich das gesagt habe. Diese
ganzen Alpträume machen mich noch fertig." Tasse seufzte. "Das weiß ich doch.
Du musst mal auf andere Gedanken kommen. Lass uns morgen mit diesem Káge
shoppen gehen." Tasses Augen strahlten. Sie hatte schon eine genaue Vorstellung,
was sie tun wollte. Zuerst würden sie ein wenig in der Stadt herumlaufen und
plötzlich würde sie in der Menge verschwinden, damit Violenta und Káge sich
näher kennen lernten. Sie wusste auch schon, was sie dann tun würden. Die
beiden würden sich einander nähern und Ende nächster Woche hatte ihre beste
Freundin einen festen Freund, der obendrein auch noch gut aussah. In Gedanken
rieb sich Tasse die Hände. *Ja, genau. Das ist es, was Vio braucht. Einen
festen Freund. Dann träumt sie von ihm und hat nicht diese blöden Alpträume.
Vio, das werden die schönsten Wochen deines Lebens. * "Warum willst du Káge
mitnehmen?? Du willst mich doch nicht schon wieder verkuppeln, oder??" Tasse
schaute auf. "I... Ich doch nicht. Ich dachte nur, dass wir ihn ein bisschen
herumführen und ihm alles zeigen, damit er sich schneller einlebt." "Jaja...
Und das soll ich dir glauben??" Tasse erntete skeptische Blicke von ihrer
Freundin. "Natürlich!! Außerdem muss ich euch gar nicht verkuppeln, denn so
wie ihr zwei euch angeschaut habt, habt ihr euch sowieso sofort ineinander
verguckt. Hab ich nicht recht??" Tasse grinste. Sie wusste genau, dass Violenta
das auf die Palme brachte. Sie liebte es, wenn sie gespielte Streitereien
austrugen. Doch diesmal ließ Violenta sie ins Leere laufen. "Wenn du meinst..."
Enttäuscht schwieg Tasse. 
Das Schweigen, das zwischen ihnen herrschte, war aber nichts Unangenehmes. Es
hatte vielmehr etwas mit inniger Vertrautheit und tiefer Freundschaft zu tun.
Wortlos streckte Violenta ihre Hand aus. Sie konzentrierte sich auf die Hebel
der großen Fenster über ihnen. Ein dünner Lichtfaden bildete sich an ihrer
Fingerspitze. Er wurde länger, teilte sich und hob sich zu den Hebeln der
Fenster empor. Die Enden wickelten sich um die Griffe und schoben die Fenster
bis zum Anschlag hinauf. Der Wind stieß zu ihnen hinunter und fuhr durch ihre
Haare. Die langen, glatten schwarzen Haare von Violenta wurden zu einzelnen
Strähnen zerteilt und flatterten im Wind. Die schulterlangen blonden Locken von
Tasse blieben hingegen in einem Buschen beieinander. Nur mühsam lösten sich
einige Strähnchen und streckten sich der Sonnen entgegen. Ein leichter Schmerz
machte sich in Violentas Kopf bemerkbar. Violenta bemerkte ihn fast nicht.
Diesen Schmerz nahm sie für solche Augenblicke gerne hin. 
Sie liebte es, wenn der Wind ihre Kleidung bauschte und an ihren Haaren zerrte.
Dann fühlte sie sich frei. Frei von all ihren Sorgen. Frei sein. Das war ihr
großer Traum. Freiheit, das für das viele Völker schon so oft gekämpft
hatten. Freiheit um das zu tun, was man tun wollte. Nicht das, was man musste.
Freiheit um auf dem Boden zu sitzen und den Wind zu spüren. Freiheit, die Natur
zu fühlen. Zu einem Teil des ganzen zu werden. Eins mit dem Wind, der Erde, dem
Wasser, dem Feuer, der ganzen Natur. Denn all diese Dinge waren wunderschön.
Schöner als alles, was Violenta sich vorstellen konnte. In der Natur gab es
kein Gut und Böse. Kein Lebewesen war aus seinem tiefsten Inneren böse. Das
Böse, das waren Neid, Verleumdung, Lüge und Gier. Und aus diesen wurde der
Hass geboren. Hass, der so abgrundtief werden konnte, dem anderen so schlimmes
anzutun, dass für diesen der Tod eine Erlösung war. Hass den anderen nicht nur
zu töten, sondern vollkommen auszulöschen. Hass so groß, dass man ihn
förmlich spüren konnte, wenn er einen traf. Hass war das letzte, was Violenta
fühlen wollte. Und dennoch, trotzdem fühlte sie, wie auch in ihr ein Körnchen
Hass steckte.  Sie bemerkte, wie es wuchs, wenn sie aufwachte und merkte, dass
ihr im Traum wieder Schaden zugefügt worden war. Sie spürte, wie es sich
aufbäumte, wenn sie ihre Wunden heilen musste, um ihrer Mutter keine Sorgen zu
bereiten. Violenta wollte verhindern, dass dieses Körnchen wuchs. Doch sie
wusste, dass sie das nicht verhindern konnte. Denn sie hatte Angst vor den
Alpträumen und Angst vor der Reaktion ihrer Mutter auf ihre Verletzungen und
ihre ,Gabe'. Und Angst war ein Teil des Hasses. Violenta befand sich in einem
Teufelskreis, denn sie hatte Angst vor dem Hass und sie hasste ihre Angst. Eines
von den beiden Gefühlen musste sie ins Gegenteil umwandeln. Doch das war in
etwa so schwer, wie Tasse dazu zu bewegen als alte Jungfer zu sterben. Es war
also so gut wie unmöglich.
"An was denkst du grade, Tasse?" Violenta hielt die Augen geschlossen und reckte
ihren Kopf in den Wind. "Ich denke daran, ob sich fliegen genauso anfühlt."
Violenta sah Tasse an. Tasses Kopf lag in ihrem Nacken und sie hatte sich halb
auf den Sitzsack gelegt. Violenta betrachtete sie. Ein komischer, wilder
Ausdruck lag in ihren Augen. Die gelbe Korona um ihre Pupillen weitete sich
solange, bis sie die dunkle Farbe ihrer Augen fast verdeckte. Lautlos glitt sie
von ihrem Sack herunter auf den Boden. Violenta war plötzlich nicht mehr sie
selbst. Sie bemerkte, was sie tat, wusste aber nicht warum. Sie wollte, dass ihr
Tun aufhörte, konnte ihren Körper jedoch nicht beherrschen. Plötzlich
strömten die verschiedensten Gerüche auf sie ein. Sie unterschied den Geruch
von Glockenblumen und Tulpen, sie bemerkte, dass ihre Mutter im Garten
arbeitete. Obwohl sie wusste, dass nicht weit von ihrem Haus eine Schnellstraße
entlang führte, nahm sie die Abgase war. Der Wind schmeckte nach Frühling und
näherndem Sommer. Aber der Geruch, den sie am intensivsten roch, war der von
Tasse, die noch immer nicht bemerkte, wie ihre beste Freundin sie ansah.
Violenta verspürte plötzlich Hunger. Sie war hungrig. So hungrig, alles zu
essen, was sich anbot. Und in ihrem Blickfeld lag Tasse. Breit ausgestreckt und
ahnungslos in welcher Gefahr sie sich befand. Violenta sah, wie sich ihre Brust
regelmäßig hob und senkte. Auf allen vieren kroch sie voran, immer näher auf
den Sitzsack hinzu. Ihr Körper wurde muskulöser und geschmeidiger. Der Rücken
länger. In ihrer Hose wurde es ihr langsam zu eng. Warum wusste sie nicht.
Violentas Kopf zog sich in die Länge. Sie leckte sich über die Lippen und
bemerkte die scharfen Zähne, die so spitz wie Dolche waren. Ihre Hände und
Füße krampften sich zusammen und wurden zu mächtigen Pranken. *Oh mein Gott,
was geschieht mit mir?? Stop!! Aufhören!!! Ich will das nicht!! * Doch Violenta
hatte die Kontrolle über ihren Körper verloren. Gedanken rasten durch ihren
Kopf. Und ihr Körper kroch näher auf Tasse zu. Violenta spürte, wie ihr
Körper, der ihr nicht mehr gehorchte, einen letzten Blick auf Tasses Kehle
warf. *NEEEEIIIIIIIIIIINNNN!!!!!!!! AUFHÖREN!!!! * >>Denkst du wirklich, dass
du dich selbst aufhalten kannst?? Glaubst du wirklich, dass du den Wolf in dir
bezwingen kannst?? Nur durch deine Gedanken?? Meinst du, dass du den Tod deiner
Freundin verhindern kannst?? Nein, das glaubst du nicht wirklich. Du willst es
so. Aber du wirst es nicht schaffen. Ich spüre, wie die Wölfin in dir nach
Blut giert und dein Körper danach schreit. Werde eins mit der Wölfin. Glaub
mir, es wird dir gefallen!! << Die schreckliche Stimme in ihrem Kopf war wieder
da. Die schreckliche, verführerische Stimme. *Niemals, niemals werde ich einem
Mensch das Leben nehmen, nur um meine eigene Gier zu stillen. Niemals!!! * >>Oh
doch. Eines Tages wirst du es nicht mehr aushalten können. Und wenn es soweit
ist, werde ich da sein. Ich werde bei dir sein und dir zusehen, wie du das Blut
deines Opfers trinkst. Dich darin förmlich ersäufst. Ich werde da sein und
meinen Triumph über dich feiern. Weißt du, es kann, wenn du deine Gier nicht
mehr zurückhalten kannst, jeder dein Opfer sein. Es könnte einen Passanten auf
der Straße treffen. Eine alte Oma oder ein kleines Kind. Es könnte aber auch
jemand aus deinem näheren Umfeld sein. Menschen, die du kennst. Lehrer,
Klassenkameraden. Freunde. Oder... deine Mutter... << *NEIN!!! Hör auf mich zu
quälen. Du lügst!!! Nie in meinem Leben werde ich so etwas grausames tun!!! *
>>Warum bist du so stur?? Oh natürlich wirst du grausam sein. Warum glaubst du
denn, heißt du Violenta?? Weil es ein klangvoller Name ist?? Sicherlich nicht.
<< *Violence... die Gewalt... * Violenta war verwirrt. Stimmte das etwa, was die
Stimme ihr ins Ohr säuselte?? War sie wirklich ein Wolf?? Ein grausames Tier,
dass die Menschen seit Jahrtausenden fürchteten?? War sie wirklich gierig nach
Blut?? Nach leuchtend kirschrotem, süßem Blut??? *Nein. Niemals. Niemals werde
ich einen Menschen töten. Niemals. Hörst du??? Niemals, niemals. * >>Sag
niemals nie!! << Die Stimme lachte. Lachte über sie. Über das, was sie gesagt
hatte. Sie hatte das nicht einfach so dahergesagt. *Bei Gott. Ich schwöre, das
ich niemals einen Menschen töten werde. Niemals!!! * 
"NIEMALS!!!!" Violenta schreckte hoch. Ihr Herz flatterte. Tasse hatte sich
über sie gebeugt. "Was, was ist passiert?? Du, du bist nicht tot?? Aber wie...
?" Tasse sah sie lächelnd an. "Nein. Du hast nur geträumt." "Was??" "Du bist
eingeschlafen, nachdem du mich gefragt hast, was ich gerade fühle." *Dann war
alles nur ein Traum?? * "Hast du irgendwelche Verletzungen?? Oder
Verbrennungen??" Tasse blickte sie an. In ihren Augen lag ein Ausdruck von
Sorge. Violenta sah an sich herunter. "Nein. Ich glaube nicht. Ich fühle mich
nur nicht besonders..." Violenta ließ den Kopf in ihre Hände sinken. Obwohl
sie keine Magie hatte anwenden müssen, hatte sie der Kampf gegen die Stimme ihr
eine Menge Kraft gekostet. Ihre Glieder waren schwer und so erschöpft, als
wäre sie einen Trimm-dich Pfad fünfmal im Schnelldurchgang durchgelaufen. Aber
dennoch raste ihr Blutdruck genauso wie ihre Gedanken. *Was hatte dieser Traum
zu bedeuten?? Werde ich wirklich irgendwann einmal einen Menschen töten?? Oder
war es nur eine Metapher?? Ein bildlicher Ausdruck. Ein Vergleich mit etwas
anderem... Oder ist auch das eine Lüge?? Liegt vielleicht die Lösung irgendwo
anders?? Was ist, wenn der Traum von dieser Nacht eine Art Vision war?? Etwas,
das passieren könnte, aber nicht passieren wird?? Oder könnte es nicht
passieren und es passiert??? * "Vio??" Tasse sah, dass ihre Freundin erschöpft
war. "Ich denke, dass du jetzt Ruhe brauchst. Ich werde nach Hause gehen. Trink
eine heiße Milch mit Honig. Das beruhigt mich immer. Wenn du, was ich nicht
glaube schlafen willst..." Tasse kramte umständlich in ihrer Hosentasche.
"...kannst du die hier nehmen. Wenn du sie nimmst, hast du keine Träume. Das
haben irgendwelche Wissenschaftler mal  herausgefunden." Tasse lächelte sie an.
"Wir sehen uns dann morgen." Zur Aufheiterung drückte sie Violenta noch einmal
kurz. Dann verschwand sie aus dem Zimmer.

Er spürte es. Er spürte es genau, dass sie in Gefahr war. An diesem Vormittag
hatte er es bemerkt. Die Aura von ihr hatte eine große Erschütterung gespürt.
Sie hatte fast ihr Potential ausgeschöpft um es rückgängig zu machen. Und
dann, um Mittag war die zweite Erschütterung zu spüren gewesen. So stark, dass
er sich hatte beherrschen müssen, als es geschah. Alle hatten gesehen, wie er
fluchtartig den Saal verlassen hatte. Jetzt war er hier. In seinem Büro. Hier
hatte er wenigstens seine Ruhe. Ruhe vor dem ganzen Betrieb, der draußen
herrschte. Der immer noch kühle Wind pfiff durch ein paar Ritzen in den Wänden
und unter der knarrenden Tür hindurch. Doch er schmeckte nach Frühling und
versprach das baldige Kommen der Zeit der Wärme. Er sah sich im Raum um. Obwohl
er alles schon in und auswendig kannte, ließ er gerne einen Blick durch sein
Büro schweifen. Regale bedeckten fast die ganzen Wände. Sie waren mit kleinen
und großen, dünnen und bauchigen Fläschchen und Büchern zugestellt. In der
einen Ecke war eine Truhe mit den Sachen, die nicht mehr in die Regalen
hineingepasst hatten. In der anderen stand ein mannshoher Spiegel. Sein
pechschwarzer Rahmen war mit alten Runen und verschiedenen Symbolen bedeckt.
Vereinzelt blitzten Edelsteine auf, die in den Holzrahmen eingearbeitet waren.
Ein blutroter, großer Rubin thronte an der Spitze des Rahmens. Der Spiegel
selbst war nicht gerade die neueste Arbeit und schon stumpf. Aber er spiegelte
immer noch gut und für seine Zwecke ausreichend genug. Er hatte davon gehört,
mit dem Besitzer des zweiten Spiegels kommunizieren zu können, aber der zweite
war verschollen. Auf der ganzen Welt galt sogar dieser Spiegel, der hier in
seinem Büro stand als spurlos verschwunden. Nur durch Zufall hatte er seinen
wirklichen Wert in einem der Läden in der Winkelgasse erkannt und das gute
Stück für einen Spottpreis erstanden. Er stand auf und strich fast zärtlich
über das morsche Holz. Der Spiegel zeigte ihm alles das, was er sehen wollte.
Doch er war anders als Nerhegeb. Er zeigte die Wirklichkeit. Aber nur die
Vergangenheit und die Gegenwart. Mit dem anderen Spiegel konnte man, soweit die
Legende, sogar in die Zukunft sehen. Das einzige, was die Spiegel niemals
zeigten, war ihr eigener Bruder. So blieb es ihm selbst verborgen, wo der zweite
war und wer sein Besitzer war. Er sah hinein. Sein Spiegelbild zeigte sich ihm.
Die lange schwarze Robe schleifte am Boden und seine schwarzen Haare hingen
schlaff wie eh und je auf seine Schultern herab. Seine dunklen Augen blickten
ihm starr und kalt entgegen. *Ich möchte mir wahrlich nicht selbst im Dunkeln
begegnen... * Er schmunzelte. Heute war das erste Mal seit langem, dass er sich
seine Augen genauer ansah. Das Licht in ihnen war erloschen, seit dem Tag vor
über 15 Jahren. Seine Haare flogen ihm ins Gesicht, als er den Kopf
schüttelte. Er verdrängte jegliche Gedanken an die Vergangenheit. Es zählte
das hier und jetzt. Denn im Moment war sie in Gefahr. Sie. Seine Tochter...

Violenta betrachtete die Tabletten, die Tasse ihr in die Hand gedrückt hatte.
Sie verspürte Sehnsucht nach einem tiefem traumlosem Schlaf, aus dem sie ohne
Verletzungen aufwachen würde. Sie wollte, dass die ständige Müdigkeit und
Erschöpfung nachließ, die ihren Körper förmlich lähmte. Langsam stand sie
auf und wankte hinunter in die Küche. Aus halbgeschlossen Augen sah sie, dass
sie keinen Honig mehr hatten. *Mach ich mir eben eine Schokolade... * Sie
fröstelte. Der Wind blies sachte durch das geöffnete Küchenfenster. Violenta
wollte es schließen, aber sie fühlte selbst dazu zu schwach. Sie goss Milch in
eine große Tasse und stellte sie ihn die Mikrowelle. Während sich die Tasse im
Inneren dieser drehte, holte Violenta Schokoladenpulver hervor. Ein leises, aber
aufdringliches Piepen sagte ihr, dass die Milch fertig war. Vier Teelöffel
Schokoladenpulver lösten sich in der heißen Milch auf. Violenta schlang ein
Küchentuch um die Tasse, damit sie sich nicht verbrannte und tapste zurück in
ihr Zimmer. Mit letzter Kraft schloss sie die großen Fenster und schlüpfte in
ihren Schlafanzug. Sie schob die Decke beiseite und trank in vorsichtigen Zügen
ihre Schokolade. Dazwischen setzte sie einmal kurz ab, um eine der Tabletten zu
schlucken. Bei den letzten Schlucken wurde ihr Getränk dunkler und schmeckte
immer mehr nach Schokolade. Ein warmes Gefühl machte sich in ihrem Bauch breit.
Sie kuschelte sich tief in ihre Decke hinein und umarmte ihren Kuschelteddy, den
sie seit Kindesbeinen an hatte und legte ihren Kopf auf das Federkissen, das sie
warm und kuschlig empfing. Violenta seufzte. Sie hatte im Gefühl, dass sie
heute ruhig schlafen würde. Und noch während sie das dachte, fiel sie in einen
tiefen, traumlosen Schlaf. Diesmal würde sie keine Stimme hören. Kein Traum
würde ihr eine Verletzung zufügen. Ihr Körper würde sich erholen. Violenta
wusste, dass das lange dauern würde. Sehr lange.

Als am Montagmorgen ihre Mutter in Violentas Zimmer schaute, fand sie ihre
Tochter schlafend vor. Violentas Mutter lächelte. Violenta hatte keine
Alpträume. Ein leichtes Lächeln umspielte ihre schmalen Lippen. Ihr Organismus
hatte anscheinend auf totale Sparflamme geschaltet, um seine Reserven zu
füllen. Sie hatte während des Nachmittags und der gesamten Nacht keinen Mucks
von sich gegeben, geschweige denn war aufs Klo oder etwas trinken bzw. essen
gegangen. Violentas Mutter setzte sich an ihre Bettkante und strich ihrer
Tochter eine Strähne aus dem Gesicht. *Du hast es wirklich nicht leicht, meine
Kleine. Langsam beginnt es bei dir. Mein Teil in dir beginnt zu erwachen. Ich
seh es in deinem Verhalten und deinem Aussehen. Deine Augen haben bereits einen
leichten Gelbschimmer angenommen und deine Haare wachsen immer schneller. Du
wirst vorsichtiger und bist gern allein. Aber liebes Kind, denke immer daran,
ein Wolf braucht ein Rudel um überleben zu können. * Zärtlich küsste sie
Violenta auf die Stirn. *Dann werd ich mal in der Schule anrufen.* Ein letztes
Mal sah sie ihre schlafende Tochter an, dann schloss sich die Tür mit einem
leisen Klicken. 
Als Violenta wieder alleine schlafend in ihrem Bett lag, geschah mit dem Spiegel
etwas seltsames. Das Spiegelbild von Violentas Zimmer verschwamm. Die Farben
vermischten sich und in einem wilden Strudel tanzten kleine, strahlende Lichter
mit ihnen. Der Rubin und die Edelsteine im Rahmen begannen von einem
fremdartigem Licht beleuchtet zu funkeln und die Runen und Symbole leuchteten in
einem hellen weißblau. Immer wieder neu vermischten sich die Farben und Formen
im Spiegelglas. Der Tanz jedoch wurde langsamer und die Farben sammelten sich an
bestimmten Punkten. Schließlich stoppte der ganze Strudel und hielt still. Doch
das Bild war verschwommen und wie von einem dichtem, weißem Nebel verschleiert
und verhüllt. Plötzlich jedoch wurde das Bild klarer und der Nebel löste
langsam seine Klammern und gaben das Bild auf einen Mann frei. Aufrecht stand er
im Spiegel. Seine schulterlangen Haare waren genauso schwarz wie die bodenlange
Robe. Seine dunklen Augen strahlten eine große Autorität aus und seine Haltung
zeigte, dass er sich seiner selbst bewusst war. In seinem Blick jedoch lag ein
leiser Schleier der Besorgnis, die jedoch jemandem, der ihn nicht kannte,
entgehen würde. Seine Haut war blass und spannte sich um die hohen
Wangenknochen. Den Mann umgab eine seltsame Aura, die sogar Violenta in ihrem
tiefen Schlaf erreichte. Sie bewegte sich leicht und ihr Gesicht drehte sich in
Richtung Spiegel. Plötzlich riss sie ihre Augen auf. Doch sie schlief, denn
ihre Pupillen drehten sich langsam ins Innere der Augenhöhle zurück. Ihre
Augenlider sanken wieder über ihre Augäpfel. Violenta gab einen leisen Seufzer
von sich. Sie spürte die Präsenz der Person in ihrem Spiegel. Sie hörte, wie
sie mit einer leisen, warmen Stimme "Schlaf gut, mein kleines Mädchen" zu ihr
fast zärtlich sagte. Sie fühlte die Aura des Zaubers um ihn und seine Macht.
Doch Violenta fühlte sich geborgen in der Nähe dieser Aura. Sie gab ihr Liebe
und ein Gefühl von Sicherheit. Denn es war die Aura ihres Vaters, der weit
entfernt in einem alten Schloss in seinem Büro stand und sie durch einen
Spiegel beobachtete. Die Besorgnis in seinen Augen verschwand und tiefe Liebe
trat an ihre Stelle. Er konnte ihre Macht fast greifen, die tief in ihrem Herz
schlummerte. Er musste sie nur erwecken. Wenn sie doch nur hierher gekommen
wäre. Wenn sie doch nur nicht die Magie so hassen würde. Wenn sie doch... aber
dieses 'wenn' war seine Vorstellung, wie es sein könnte. Aber es war nicht so.
Er musste es so versuchen, ihre Kraft zu wecken. Er musste es heimlich machen.
Wenn jemand herausfinden würde, dass er, das sogenannte Ekelpaket von ganz
Hogwarts Frau und Kind hatte, war er geliefert. Denn so etwas würde sich
schnell herumsprechen. Denn er, dessen Name nicht genannt wurde durfte davon
erfahren. Er wusste, das würde ihn, den Verräter verletzlich  machen, wenn er
seine Familie in seine Gewalt brächte. 
Denn er, der dunkle Lord wusste, dass es unter ihnen, seinen Anhängern einen
Überläufer gegeben hatte. Einen jungen Mann, dessen Zauber so stark gewesen
war, sich aus seinem Bann zu befreien. Und es musste jemand gewesen sein, der
dies gut hatte verstecken können. Er wusste nur nicht, wer es war. Doch er
wartete, wartete in seinem dunklem, dreckigem Loch darauf wieder emporzukommen
und erneut Schrecken zu verbreiten. Und er wartete darauf, den der ihn verraten
hatte zu vernichten. Er dessen Name nicht genannt wird hatte überall seine
Helfershelfer. Und, wie man munkelte auch einen Sohn. Seinen einzigen Sohn. Eine
Ausgeburt des Teufels selbst. Doch der Teufel hatte Intelligenz, ein hübsches
Gesicht, Charme und Ausstrahlung. Die Waffen, mit denen er sich die Welt der
Menschen untertan machen konnte. Doch noch war er jung. Niemand wusste, wie er
hieß, wie er aussah, wo er sich aufhielt und wie weit er in den dunklen
Künsten schon bewandert war. Doch das, was alle spürten, war die Gefahr, die
von diesem Jungen ausging.     

Als Violenta wieder erwachte, war die Sonne bereits wieder auf tiefem Stand. Auf
ihrem Nachttisch stand ein Blumenstrauß und Süßigkeiten. Obwohl sie nur einen
Tag gefehlt hatte, hatte man ihr Geschenke zukommen lassen, als würde sie im
Krankenhaus liegen. Die Süßigkeiten konnten nur von Tasse kommen. Lächelnd
öffnete sie die beigelegte Karte und las das, was in krakeliger Tintenschrift
auf die Karte geschrieben war:

Hi du,
hast du ausgeschlafen??? Als du heute nicht in der Schule warst, hab ich mir
gleich gedacht, dass du wahrscheinlich schläfst. Du kannst Hefteinträge und
Hausi von mir abschreiben. Káge ist jetzt wirklich in unsere Klasse gekommen.
Er hat sich auf den freien Platz neben dir gesetzt. Ich hab gesagt, dass du
sicherlich nicht dagegen hast. Die Mädchen haben ihm natürlich gleich schöne
Augen gemacht, aber er hat sie nicht mal angeschaut. Als wir ihn gefragt haben,
wann er Geburtstag hat, hat er gesagt, dass er das nicht wüsste, weil er ein
Findelkind sei. Armer Kerl... Aber er hat die ganze Zeit nur von dir erzählt.
Du wärst so nett und hübsch. Als du heute dann nicht gekommen bist, hat er
sich wirklich Sorgen um dich gemacht. Ich hab gesagt, dass du wahrscheinlich
krank bist und mich ein bisschen mit ihm unterhalten. Rat mal, über was wir
geredet haben. Über dich!!! Keine Sorge, ich hab ihm nichts "Komisches"
erzählt. Aber er scheint sich wirklich Hals über Kopf in dich verliebt zu
haben. Und er hat es noch nicht mal verheimlicht!! Ein paar Jungs haben ihn ganz
eifersüchtig angeschaut. Ich glaub, er ist nicht der einzige, der etwas von dir
will. 
So, jetzt ist der Zettel bald aus. Viele Grüße von mir, Káge und der Klasse,
Tasse

Violenta las den Zettel einige Male durch. Das Lächeln von Káge tauchte vor
ihrem innerem Auge auf. *Nein, das stimmt sicher nicht... * Sie lächelte
traurig. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sich ein Junge für sie
interessierte. Aber dennoch hüpfte ihr Herz vor Aufregung. Violenta befahl ihm,
es solle aufhören, aber je stärker sie es sich wünschte, dass es aufhören
solle so stark zu klopfen, desto stärker wurde es. Und Káges Augen tauchten
vor ihr auf. *Nein, Violenta hör auf damit....* Sie rief sich selbst zur
Besinnung. *Ich werde mich nicht verlieben!! * Violenta atmete tief durch. Dann
erinnerte sie sich an den Blumenstrauß. Sie kniete sich in ihr Bett, um ihn
besser betrachten zu können. Ein kurzer Seufzer entrang sich ihr, als ihr der
anmutige Duft der Rosen in die Nase stieg. Sie betrachtete sie. Eine weiße,
eine blaue und eine rote Rose, umrahmt von blühenden Kirschzweigen. *Weiß für
die Reinheit, blau für die Romantik und rot für die Liebe* Leichte Röte
überzog ihr Gesicht. *Von wem der wohl ist?? Hör auf so zu denken!!!
Wahrscheinlich hat Mama ihn mir reingestellt... * Doch plötzlich fiel ihr ein
kleiner weißer Umschlag auf, der an einen der Kirschzweige gebunden war.
Überrascht sah Violenta ihn an und drehte ihn zwischen den Händen um ihn von
allen Seiten betrachten zu können. *Kein Absender... Von wem...???* Káges Bild
drängte sich ihr wieder auf und ihr Herzklopfen begann von neuem sie an den
Rand des Wahnsinns zu treiben. Aber es war der schönste Wahnsinn, den Violenta
je erlebt hatte. Mit zittrigen Fingern zog Violenta die Lasche des Umschlags
auf. Sie atmete noch einmal kräftig durch und zog dann nervös den kleinen
Brief heraus.

Liebe Violenta,

wenn sich zwei Menschen mit reinem Herzen zur Zeit der Kirschblüte treffen, 
kann es sein, dass sich aus der anfänglichen Romantik Liebe entwickelt.  

Ich hoffe, dass es dir bald wieder besser geht und wir uns so bald wie möglich
wiedersehen. Deine dunklen, funkelnden Augen, haben mich in den Bann gezogen. In
dieser Nacht habe ich davon geträumt, wie es wäre, deine Haut zu berühren und
deinen sinnlichen Mund zu küssen. So durch deine Haare zu fahren, wie der Mond
die Nacht durchquert. Es war der schönste Traum, den ich je in meinem ganzen
Leben geträumt habe. Es mag sich vielleicht kitschig anhören, aber so war es.

Ich wünschte, dass wir irgendwann gemeinsam diesen Traum träumen können, um
ihn Wirklichkeit werden zu lassen. 
In Liebe,
Káge

Káges Brief trieb Violenta die Röte ins Gesicht. Tränen traten ihr in die
Augen. Immer wieder und wieder las sie den Brief durch. Sie konnte es gar nicht
fassen, dass er etwas für sie empfand. Und es war nicht irgendetwas!! Er hatte
sich in sie verliebt!!! Violenta könnte hüpfen vor Freude. Nun hatte sie es
sogar schwarz auf weiß, dass Káge in sie verliebt war. Dann hatte Tasse doch
recht gehabt, mit den angeblichen Blicken, die er ihr zugeworfen haben sollte.
Sie lachte vor Freude. Das Herzklopfen störte sie nicht mehr, ja es machte sie
sogar noch glücklicher!! In ihr ging die Sonne auf und strahlte aus ihren
Augen, die tränenverhangen waren. Doch es waren Tränen der Freude. Sie
öffnete mit einer Handbewegung die Fenster und stellte ihre Stereoanlage auf
höchste Lautstärke. Es war ihr egal, ob sich ihre Mutter oder die Nachbarn
beschwerten. Violenta sprang aus dem Bett. Mit wenigen Handgriffen zog sie ihren
Schlafanzug aus und schlüpfte in das Kleid, das als einziges seiner Art in
ihrem Schrank hing. Es war von reinem lilienweiß und ein weiter, leichter Rock
umschlang ihre Beine. Ihre Schultern waren frei und wurden nur von ihren
schwarzen Haaren bedeckt. Ihre klopfende Brust wurde von einem besticktem Mieder
umschlossen und der weiche Stoff schmiegte sich ein kleines Stück über den
Ellbogen an ihre Arme. Lachend drehte sie sich um die eigene Achse. Immer noch
hielt sie den Liebesbrief von Káge in der Hand. Ihre helle Stimme erklang und
Violenta sang laut das Lied, das im CD-Player lief mit. Ihr Herz schlug im
wilden Takt der Bässe und ihre Stimme jubilierte mit der Sängerin, die das
Gefühl, das in Violenta herrschte besang, um die Wette. Selbst der Wind schien
ihr Freudenfeuer zu spüren und bauschte den Rock mit leichten, warmen Böen.
Die untergehende Sonne färbte ihr weißes Kleid rot und zauberte einen roten
Schimmer in Violentas dunkle Haare. Mit der untergehenden Sonne wurde Violentas
Tanz langsamer und erschöpfter. Schließlich gaben ihre Beine nach und sie sank
auf den Boden. Ihr Puls raste vor Anstrengung und Schweißperlen liefen über
ihr Gesicht. 
"Überanstreng dich nicht!!!" Violenta sah erschreckt hoch. War etwa sie
gemeint?? Die Stimme gehörte eindeutig Káge. Sie sah sich um. Ihr Blick blieb
am Nachbarbalkon hängen. Röte überzog ihr erhitztes Gesicht. Sie wischte sich
den Schweiß von der Stirn und drehte die Musik leiser. "Hast du mir etwa
zugesehen??" Káge lächelte. "Du kannst sehr schön singen. So wie ein Engel."
Violenta lächelte schüchtern. Ein flaues Gefühl machte sich in ihrem Magen
breit. In ihrem Bauch schien jemand mit einer Duschbrause gegen ihren Körper zu
spritzen. "Danke." Ihr Blick richtete sich auf den Boden und ihre Hände
krampften sich um den Brief. Als sie daran dachte, was ihr Gegenüber für sie
empfand wurde ihr heiß und kalt. "Hast du den Strauß bekommen??" Erschrocken
sah Violenta auf. Káge lächelte. Auch er schien nervös zu sein. Seine Hände
klammerten sich um das Holzgeländer des Balkons. "Ja. Hab ich. D... den Brief
auch..." Violenta lächelte schüchtern. Erwartungsvoll sah Káge sie an. Seine
Augen waren geweitet und er schien den Atem anzuhalten. "Vielen... vielen Dank
dafür..." Violenta malte mit ihren Zehen Herzchen auf den Fußboden. Ein dicker
Kloß steckte in ihrem Hals. "Und? Was sagst du??" Káge schien sie mit seinen
Blicken zu durchbohren. *Was sag ich jetzt?? Soll ich sagen, dass ich ihn auch
liebe?? Aber... liebe ich ihn überhaupt?? Ist das, was ich fühle wirklich
Liebe?? Verrückt. Ich habe solange darauf gewartet und jetzt?? Violenta
entscheide dich. Ja oder nein?? Ein dazwischen gibt es nicht!! * Verwirrung
machte sich in ihr breit. Zweifel schlichen sich ein. Wusste sie eigentlich, wie
es sich anfühlte, verliebt zu sein?? Sie wusste doch eigentlich nicht einmal,
was dieses Wort überhaupt bedeutete. Liebe... das war nur ein Wort, das in
ihrem Wortschatz so selten auftauchte, dass sie gar nicht wusste, was es genau
bezeichnete. Alles redete davon, die ganze Welt drehte sich nur um die Liebe.
Aber wusste überhaupt jemand, was die Liebe eigentlich war?? Violenta wurde
immer unsicherer in ihren Gefühlen. Verstört sah sie Káge an. "I... ich weiß
es nicht..." In ihren Augen lag ein Leiden, dass er nicht definieren konnte.
"Fühlst du dich nicht gut?? Du bist so blass?? Soll ich rüberkommen??" Doch er
bekam keine Antwort. Wie von Zauberhand schlossen sich die Fenster und Violenta
verschwand hinter einem der Rollos. Káge stand allein auf dem Balkon. Er warf
dem Mond einen verschwörerischen Blick zu und verschwand in seinem Zimmer.

Er spürte sie schon wieder. Die Erschütterung in der Magie seiner Tochter.
Doch diesmal schien ihre Macht zu wachsen. Im Geist reiste er zu ihr. Das
Klassenzimmer um ihn herum verschwamm und sein Geist ließ die Mauern Hogwarts
hinter sich. Er kam in einem kleinen Städtchen an. Ihre Aura zog seinen Geist
an. Von weitem hörte er laute Musik, die aus der Richtung von Violentas Aura
ertönte. Kurz über ihr blieben seine Gedanken stehen. In einem langen, weißen
Kleid wirbelte sie zur Musik durch ihr Zimmer. Violentas Gesicht strahlte. Ihre
Haare wehten um ihren Körper. Sie schien glücklich zu sein. Äußerst
glücklich. Mit ihrer engelsgleichen Stimme sang sie die Lieder, die der
CD-Player spielte laut mit. Aber nach ca. einer Stunde ging ihr die Kraft aus
und sie ließ sich auf dem Fußboden nieder. Erst jetzt fiel ihm der Junge auf,
der auf dem Balkon des Nachbarhauses stand. Er fühlte etwas, das von ihm
ausging, aber er konnte es nicht definieren, was es war. Sie sprachen
miteinander, aber er selbst konnte nicht verstehen, was. Er fühlte nur die
Zweifel, die in seiner Tochter aufstiegen. Dann schlossen sich die Fenster und
er war mit seiner Tochter allein in ihrem Zimmer. Sie weinte bittere Tränen.
Ihm tat das Herz weh, als er sie so sah. Zusammengekauert auf dem Boden und von
Weinkrämpfen geschüttelt. Sein Geist strich ihr übers Haar, doch sie bemerkte
es nicht. Ratlos sah er sich in ihrem Zimmer um. Wenn er in ihrem Alter gewesen
wäre, hätte er es sicher genauso eingerichtet. Plötzlich erschrak er. In
Violentas Zimmer stand der Zwillingsspiegel, den er nicht hatte auffinden
können. Er spürte, seine geheimnisvolle Macht und die Magie, die ihm
innewohnte. Erstaunt und zugleich erschrocken blickte er dorthin, wo sein
Spiegelbild hätte sein müssen, aber natürlich war dort nichts, weil kein
Spiegel, nicht einmal ein Zauberspiegel, die Macht hätte, den Geist und die
Gedanken eines Wesens zu spiegeln. Violenta zuckte. Anscheinend schien sie seine
Anwesenheit zu spüren. "Wer... wer bist du??" Sie setzte sich auf und richtete
ihren Blick auf seinen unsichtbaren Geist. Er versuchte mit ihr zu
kommunizieren. "Ich bin... einfach nur irgendjemand." Er durfte ihr auf keinen
Fall sagen, dass er ihr Vater war. "Und... wo bist du?? Ich kann dich nicht
sehen, aber ich fühle, dass du da bist." "Sieh in deinen Spiegel..." *Wenn ich
meinem Körper befehle zu dem Spiegel zu gehen und durch ihn in dieses Zimmer zu
sehen, vielleicht kann ich dann durch diesen Spiegel zurücksehen. * "Wie heißt
du?? Oder... ich meine, hast du überhaupt einen Namen?? Ich heiße Violenta."
"Ich weiß. Ich heiße Severus." Endlich!! Sein Körper hatte das Büro
erreicht. Er signalisierte Severus, dass er durch den Spiegel zu ihnen ins
Zimmer sah. "Woher??" "Erzähl ich dir gleich. Sieh weiterhin in deinen Spiegel
und erschrick nicht vor dem, was passiert." Severus beschwor die Macht des
Spiegels. Die Steine begannen zu funkeln und die Farben tanzten wieder ihren
wilden Tanz. Als sich die Oberfläche des Spiegels wieder glättete, sah
Violenta den Körper des Geistes in ihrem Spiegel. Irgendwie kam ihr diese
Person vertraut vor und vor dem, was mit dem Spiegel geschehen war, hatte sie
sich auch nicht gefürchtet. Es war ihr nur natürlich vorgekommen, dass er
magische Kräfte hatte. Irgendwie hatte sie das schon immer gewusst. *Das liegt
wahrscheinlich darin, dass ich so eine seltsame Gabe hab. Komisch, dieser
Mann... ich kenne ihn, da bin ich mir sicher... Nur... woher??? * Severus' Geist
flog durch den Spiegel und vereinte sich mit seinem Körper. Dieser  bewegte
sich plötzlich viel menschlicher als vorher. Er öffnete den Mund und Worte
drangen an ihr Ohr. Vorher hatte sie die Worte nur in ihrem Herz wahrgenommen,
jetzt hörte sie sie auch wirklich. Die Stimme war volltönend und erweckte in
ihr ein Gefühl von Geborgenheit. "Violenta... wie geht es dir und deiner Mom??
Bist du gut in der Schule?? Hast du einen Freund?? Wer ist deine beste
Freundin?? Was machst du in deiner Freizeit??" Severus Augen schienen
überzugehen, als er ihr endlich all diese Fragen stellen konnte, die ihm auf
der Seele brannten. Er hatte es solange nicht gekonnt, weil ihre Kraft noch
nicht groß genug gewesen war, damit er mit ihrem Geist kommunizieren konnte.
Erstaunt sah Violenta ihn an. Dieser Schwall von Fragen musste sie erschreckt
haben. Severus entschuldigte sich kleinlaut. "Macht doch nichts. Dann will ich
mal anfangen, oder?? Erzählst du mir dann auch etwas von dir??" Er nickte.
Violenta lächelte. Diese Begegnung, war zwar etwas verrückt, aber sie freute
sich über den seltsamen Besuch in ihrem Spiegel. "Also: In der Schule lieg ich
etwas über dem Durchschnitt. Meine beste Freundin heißt Anastasia, aber alle
sagen nur Tasse zu ihr. Sie ist etwas verrückt, aber sie ist die einzige, der
ich anvertrauen kann, dass ich... äh... äh..." Violenta suchte nach Worten.
"Dass du eine Hexe bist?" half Severus ihr auf die Sprünge. Entgeistert sah
Violenta ihn an. Woher wusste er von ihrer Gabe?? Sie hatte es doch so gut
geheimgehalten. Nicht mal ihre Mutter wusste davon. Niemand, außer sie und
Tasse. Und sie war sich sicher, dass Tasse nichts rumerzählt hatte. "Woher
wusstest du das?? Ich bin mir sicher, dass Tasse nichts erzählt hat. Und ich
selbst habe dich noch nie getroffen." Sie suchte in seinen Augen nach einer
Antwort. Doch sie sah nur in zwei tiefe, dunkle Abgründe. Irgendwie kamen ihr
diese Augen bekannt vor. "Ich weiß es einfach. Ich war genau wie du. Meine Gabe
ängstigte mich. Ich hatte Angst vor mir selbst und davor, dass mich meine
Eltern deswegen als Missgeburt betrachten könnten. Ich versuchte sie tief zu
vergraben. Aber meine Macht wuchs, ich wurde mit ihr vertraut und machte sie mir
zu Nutze. Es gibt viele Leute wie dich. Du musst sie nur finden." , Severus
lächelte ihr aufmunternd zu. *Seltsam. Dieses Lächeln ist mir auch so
vertraut... Irgendwoher kenne ich ihn. Bloß... woher?? * 
Plötzlich hatte sie eine Vision. Eine Vision aus einer längst vergangenen
Zeit. Sie sah Severus und ihre Mutter dicht beieinander stehen. Ihre Hände
ineinander verschlungen. Langsam  beugte sich Severus über sie und küsste ihre
Mutter zärtlich und so vorsichtig, als könne sie jeden Augenblick in seinen
Armen zerbrechen. Sie spürte die Liebe, die zwischen ihnen herrschte. Aber
plötzlich wurde die romantische Atmosphäre gestört. Ein Schatten tauchte
hinter den beiden auf. Ein Licht blitzte auf. Severus schien wie verändert. Er
packte ihre Mutter und riss ihr die Kleider vom Leib. Als sie sich wehrte,
schlug er ihr brutal ins Gesicht. Entsetzt schlug Violenta die Hände vor den
Mund. Sie konnte nicht glauben, was sie sah. Sie erlebte vermutlich gerade den
Moment... den schrecklichen Moment, in dem sie gezeugt worden war. Ihre Mutter
wand sich verzweifelt unter Severus, der sie nur noch brutaler schlug. Violenta
schrie. Sie wollte diese Grausamkeiten nicht mehr sehen. Doch als sie die Augen
schloss verschwand die Vision nicht. Violenta brach in Tränen aus. Da spürte
sie eine Hand an ihrer Schulter. "Lass mich!! Du, du..." Violenta stieß die
Hand weg und sah auf. Severus stand neben ihr im Zimmer. "Du... du grausames...
grausames...". Das Wort blieb Violenta im Halse stecken. Ein dicker Kloß saß
in ihrer Kehle und ließ ihre Stimme verstummen. Sie hörte, wie Severus ein
paar Worte murmelte. Plötzlich verschwand die Vision und sie war wieder in
ihrem Zimmer. Noch immer rannen Tränen ihre Wangen hinunter. Sie konnte es
nicht fassen. Severus, der ihr so vertraut erschienen war, hatte ihre Mutter
vergewaltigt. Noch immer suchte sie nach Worten, die sie ihm an den Kopf werfen
konnte. Sie wollte ihn verletzen. Dafür verletzen, dass er ihre Mutter so
verletzt hatte. Ihren Körper wie auch ihre Seele. Das einzige, was sie wollte,
war Rache. "Violenta. Hör mir zu..." Er berührte sie wieder sanft am Arm.
"NEIN!!" Wütend schlug sie seine Hand weg und stand auf. Blitze zuckten um ihre
Finger. Immer wieder versuchte sie, die Tränen hinunterzuschlucken. Doch der
Erfolg war, dass sich weitere Schluchzer breit machten und ihr die Stimme
nahmen. Ihr Körper schien in Flammen zu stehen. Ihr Haar und ihr Kleid wurden
von einer geheimnisvollen Macht umwirbelt. Violentas Augen wurden kalt wie Eis.
Immer noch sah sie ihre Mutter, wie sie sich verzweifelt gegen Severus zu wehren
versuchte. Noch immer hatte sie dieses wahrhaftige Fest der Gewalt und
Grausamkeit in ihren Gedanken. Sie wollte ihn verletzen. Ihn zum Krüppel machen
und sein Blut trinken. Ihm die Stimmbänder herausreißen und hören, wie er vor
ihr kniend um Gnade zu winseln versuchte und nur ein Röcheln hervorbrachte. Und
sie, sie würde ihn mit Füßen treten und sein Gesicht in den Boden drücken.
Sie würde sein Gesicht zerfetzen und es zur Unkenntlichkeit entstellen. 
>>Ich habe doch gesagt, dass es irgendwann soweit sein wird. Du spürst deine
Gier bereits. Du spürst, wie sie dich innerlich auffressen wird, wenn du nicht
bald irgendjemanden tötest. Und dieser jemand ist dieser Mann da. Du willst ihn
töten, willst dich im Rausch des Blutes vergessen. Willst die Grausamkeiten
dieser Welt vergessen. Doch das wirst du niemals schaffen, denn dein Gewissen
wird dich ewig quälen!! Du willst deinen Vater töten!!! Den Mann, der deine
geliebte Mutter so entehrt hat. Den Mann, der ihr solche Schmerzen bereitet
hat!! Los!!! Töte ihn!!! TÖTE IHN!!! << Noch immer rannen Violenta Tränen
über die Wangen. Sie wurde noch immer von Schluchzern geschüttelt. Und immer
wieder, immer wieder erschien dieses grausame Szenario vor ihren Augen. 
Doch diesmal sah sie etwas neues. Sie sah, wie die Augen ihres Vaters ihre
Mutter entschuldigend anschauten. Sie sah, wie er hoffnungslos gegen seinen
willenlosen Körper ankämpfte. Sah, wie Tränen von Wut und Verzweiflung aus
seinen dunklen Augen traten. Und plötzlich konnte sie hören, was in dieser
Nacht gesagt wurde. Sie hörte, dass ihre Mutter nicht rief, dass Severus
aufhören auf hören solle, sondern jemand anderes. Sie kannte den Namen nicht,
doch er jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Sie hörte, wie eine hohe,
zischelnde Stimme immer wieder krächzend "Imperio!! Imperio!!! Imperio!!" rief.
Violenta sah sich den Ort des Grauens näher an. Auf einer kleinen Kommode
standen Bilder von ihrer Mutter und ihrem Vater. Ihre Gesichter waren vor
Schreck verzerrt und ihre Mutter schluchzte in den Armen ihres Vaters.
*Bewegende Bilder?? * Violenta riss sich los. Noch immer schrie ihre Mutter und
noch immer hörte sie "Imperio!!!" Diese Stimme bereitete ihr Kopfschmerzen.
Dann sah sie plötzlich die Person, der die säuselnde Stimme gehörte. Ein in
schwarz verhüllter Mann hielt einen kleinen Stab hoch, aus dem Funken stoben.
Violenta spürte die finstere und gefährliche Macht, die von diesem Mann
ausging. Unter seiner Kapuze glühten seine Augen furchteinflößend. Neben ihm
schwebte in der Luft ein kleines Bündel. Es war von derselben dunklen Aura
umgeben. Violenta bemerkte sofort die Verbindung des Bündels und dem dunklem
Lord. In dem Bündel lag sein Kind. Plötzlich packte Violenta die Neugier. Sie
lugte vorsichtig hinein. Das Baby schien sie zu sehen. Seine dunklen, braunen
Augen schauten sie voller Erstaunen an. Doch plötzlich verzog sich das hübsche
Gesicht zu einer hässlichen Fratze. Ein bösartiges Grinsen umspielte die
Mundwinkel des kleinen Jungen und seine Augen glitzerten bösartig. Es streckte
seine Hand nach ihr aus und bekam Violentas Haare zu fassen. Plötzlich spürte
Violenta, wie die gesamte schwarze Macht ihren Körper angriff. Sie spürte, wie
die Luft um sie herum sirrte, als ihre weiße Magie seiner schwarzen mit aller
Kraft entgegenschlug. Sie fühlte, wie sich Schwärze durch ihren Körper fraß
und sie selbst mit Hass erfüllte. Das Dunkle nahm sie vollkommen in Besitz. Ein
letztes Mal begehrte ihre Weißmagie gegen die Macht des kleinen Jungen auf,
dann wurde Violenta zurückgeschleudert. 

Sie hörte nichts mehr. Keine Schreie mehr, kein höhnisches Lachen. Nichts. Um
sie herum war Stille. Vollkommene Stille. Violenta  lag erschöpft in einer
weiten roten Ebene, die wie von Blut durchtränkt schien. Sie erkannte sie
wieder. Die rote Ebene aus ihrem Traum. Doch diesmal war es nicht warm. Im
Gegenteil. Ein eisiger Wind wehte um die beiden Hügel, die sich neben ihr sanft
gegen das Tal erhoben. Violenta spürte nichts mehr. In ihrem Herz war es
genauso still wie um sie selbst herum. Violenta stand auf und ging ein paar
Schritte. Sie wusste, dass sie nicht mehr zu Hause war. Ihr Körper, wie auch
ihre Seele waren an diesem unbekannten, seltsamen Ort. Sie versuchte sich ins
Gedächtnis zu rufen, was geschehen war. Zuerst konnte sie sich an nichts mehr
erinnern, dann aber kam alles zurück. Ihr Vater, ihre Vision und die
schreckliche dunkle Aura des kleinen Jungen. Doch Violenta fühlte nichts mehr,
als sie daran dachte, dass der dunkle Lord ihrem Vater verflucht hatte. Sie
spürte nicht mehr den Hass, den sie gegen ihren Vater im Augenblick der Vision
empfunden hatte. Da war nichts mehr, außer Leere und Stille. *Warum lebe ich
eigentlich noch?? * Sie sah an sich hinunter. Das weiße, lange Kleid war
zerrissen und ihr Haar flatterte zerzaust im Wind, der nie an Stärke zu oder
abzunehmen schien. Er wehte einfach immer nur in die gleiche Richtung. Ohne
Änderung. *Komisch. Früher habe ich den Wind geliebt. Jetzt fühle ich
überhaupt nichts mehr... * Sie spürte keine Empfindung. >>Bist du also endlich
gekommen... << Die Stimme schon wieder. Sie hallte schon wieder in ihrem Kopf.
"Ja ich bin da. Was willst du von mir??" Die Stimme kam Violenta auf einmal
seltsam bekannt vor. Ihr Herz empfand plötzlich wieder etwas. Es machte
Sprünge vor Freude. Sie presste ihre Hände darauf. >>Das, was ich schon immer
wollte... << Vor Violenta erschien eine schwarz verhüllte Gestalt. Doch es war
nicht die Person, die in ihrer Vision ihren Vater verflucht hatte. >>Spürst du
ihn denn endlich?? Den Hass in dir?? Den Hass gegen deinen Vater?? Glaub mir,
alle Menschen sind so. Sie verachten einander und fügen sich gegenseitig Leid
zu. Sie verdienen es nicht anders, als zu sterben. Ja, sogar der Tod ist für
die Menschen ein Geschenk!! Sie zerstören ihre Lebensgrundlage und richten sich
gegenseitig hin. Schenke ihnen den Tod!! Sie werden es dir danken. Fang mit
deinem Vater an. Er hat deine wehrlose Mutter vergewaltigt. Er hat sie
vergewaltigt, um seine eigene Gier zu stillen. Töte ihn!! Deine Mutter wird
stolz auf dich sein. Sie wird es dir bis an ihr Lebensende danken... Und nach
dem Tod deines Vaters, werden wir uns vermählen und die Menschheit gemeinsam
vernichten!! Du und ich... << Verständnislos sah Violenta ihr Gegenüber an.
"Warum ich?? Warum nicht eine andere??" In der schwärze der Kapuze suchte sie
nach Augen um in ihnen eine Antwort zu finden. Doch sie fand weder Augen noch
Gesicht. Die schwarze Gestalt hob einen Arm und strich ihr zärtlich über ihr
Gesicht. >>Du bist das Kind eines Zauberers und eines Werwolfs. Du bist
unglaublich mächtig und stark. Du musst es nur erkennen. Und außerdem...
verursacht deine Gegenwart bei mir ein Gefühl, dem ich auf den Grund gehen
will. << Violenta lächelte. Sie schloss die Augen. Die schwarze Gestalt zog sie
zu sich und küsste sie sanft. Die beiden stürzten in einen Wirbel aus Farben
und Gefühlen. Violenta erwiderte sanft und verlangend den Druck der Lippen, die
ihre warm umfingen. Nach schier endloser Zeit lösten sie sich. Noch immer war
die Gestalt in den schwarzen Mantel vollkommen eingehüllt. Doch die Stimme
schien nicht mehr in Violentas Kopf zu reden, sondern die schwarze Gestalt
sprach jetzt mit ihr. "Fühlst du den Hass in dir??" "Ja." , antwortete Violenta
bestimmt. Sie drehte sich um. In ihr brannte wieder dieses schwarze Feuer.
Dieses Feuer, das sie aufzufressen schien. Um sie herum wirbelte wieder der
geheimnisvolle Wind und zerrte an ihren Haaren und ihrem Kleid. Blitze zuckten
um ihre Finger. In ihren tiefschwarzen Augen stieg eine eisige Kälte auf. Sie
spürte den Hass und die dunkle Magie in sich. Sie fühlte auch, wie sich das
Tier in ihr wild aufbäumte und versuchte, Besitz von ihr zu ergreifen. Sie
spürte die furchtlose Wölfin in sich, die vor Hunger beinahe zugrunde ging.
Langsam verschwand die Sonne hinter dem Horizont und färbte den Himmel blutrot.
Noch immer brodelte in Violenta der Hass. Hass auf alles um sie herum. Hass auf
alle Menschen und alles Leben. Hass auf ihren Vater, weil er ihre Mutter, als
der dunkle Lord mit dem Imperius-Fluch belegt hatte, vergewaltigt hatte und Hass
auf ihre Mutter, weil sie ihr nicht erzählt hatte, dass sie ein Werwolf war.
Hass auf die Menschen, die sie betrogen zu haben schienen. Der Wind wurde
stärker und wilder. Sein Heulen durchschnitt die Stille wie der Mond, der sich
anmutig in der aufkommenden Nacht aufging und die Dunkelheit durchbrach. Sein
silbernes Licht schien auf Violenta und hüllte sie vollständig ein. Und
plötzlich spürte Violenta eine Veränderung. Es gelang ihr nicht mehr lange,
die Wölfin zu bändigen. Doch der Mond gab ihr ein Gefühl von Geborgenheit,
obwohl sein Licht kalt war. Aber auch die volle Silberscheibe am Firmament
konnte ihren Hass nicht zügeln. Die Blitze um ihre Hände breiteten sich über
ihren Körper aus, bis sie selbst schließlich einem gleißendem Blitz ähnelte,
der mit seiner Helligkeit die Finsternis durchschnitt. "Hasse die Menschen!!!
Vernichte sie! Lösch ihre Existenz aus!!!" 
Der schwarzen Gestalt wurde plötzlich der Umhang vom Leibe gerissen. Zum
Vorschein kamen ein Paar schokoladenbraune Augen und wunderschönes, seidig
glänzendes Haar, die ein bildhübsches Gesicht umrahmten. Ein triumphales
Lächeln lag um seine geschmeidigen Lippen und seine bösartigen Augen
glänzten. "Diese Nacht wird ein Freudenfest für meinen Vater. Denn das ist
erst der Anfang. Wenn die Menschen ausgelöscht sind, können sie sich nicht
mehr verstecken und er wird auferstehen. Mein Vater, Lord Voldemort!!!!!" , er
lachte ein grausames, heiseres Lachen, das fast dem seines Vaters glich. Das
Lachen, welches der dunkle Lord in jener Nacht lachte, als Severus Violentas
Mutter durch Voldemorts Fluch vergewaltigte. "Beginn mit der Person, die du am
meisten hasst!! Los!! TU ES!!! Töte den, den du hasst!!!" , er lachte wieder,
seines Sieges sicher. "Der, den ich am meisten hasse??" "Ja!! Töte ihn!! Töte
die Person, die du am meisten hasst!!!" Der Sohn Voldemorts war sich sicher,
dass Violenta ihren Zorn gegen ihren Vater richten würde. Er lachte höhnisch
über dessen Schicksal, das Severus sicherlich nicht überleben würde. Da
drehte sich Violenta langsam um. In ihren Augen lag grenzenloser, abgrundtiefer
Hass. Hass gegen die Person, die ihr gegenüberstand. Hass gegen diese Stimme,
die ihr Leben zu Grunde richten wollte. Hass, unvorstellbar groß, gegen
denjenigen, der die gesamte Menschheit ausrotten wollte, nur um sich die Welt
untertan zu machen. Hass, den sie fühlte, weil man ihr Glauben machen wollte,
dass ihr Vater ihre Mutter absichtlich vergewaltigt hatte. Hass gegenüber der
Person, die all diesen Schaden in ihrem Leben angerichtet hatte. Verachtend sah
Violenta den Jungen an, der die gleiche Aura besaß wie sein grausamer,
besiegter Vater. Vollkommen ruhig sagte sie zu ihm: "Ich hasse dich, Káge." 

Epilog:
Káges Augen weiteten sich vor Entsetzen, als die Blitze, die Violenta umgaben
mit unvorstellbarer Geschwindigkeit auf ihn zurasten und seine Haut
aufschnitten. Er schrie vor Schmerz auf, als einige der Blitze seine Schultern
durchbohrten und ihn am Boden festnagelten. Kirschrotes Blut spritzte aus seinen
Verletzungen und durchtränkten die Erde unter ihm. Káge kam nicht dazu, sich
zur Wehr zu setzen. Immer weiter hagelte Violentas Hass in Form von weißen
Blitzen auf ihn ein. Doch ihre Magie war nicht schwarz, sondern von reinstem,
strahlendem weiß. Violenta sah zum Mond hinauf und spürte, wie sich ihr
Körper veränderte. Sie ließ sich auf Hände und Knie nieder, die plötzlich
von weißem Fell überzogen waren. Ihr Kleid zerriss, als ihr Körper
muskulöser wurde und ihre Haare sich darauf ausbreiteten. Sie stieß ein
jaulendes Heulen aus. Noch immer zuckten Blitze um ihren Wolfskörper, doch ihre
Kraft nahm ab. Hungrig, umkreiste Violenta ihr Opfer, dass noch immer schreiend
vor Schmerz sich auf dem Boden wand. Sie konnte Angst in seinen Augen lesen.
Angst, grenzenlose Angst. Und Káge wusste, dass er ihr hilflos ausgeliefert
war. Niemand konnte ihm helfen. Weder sein Vater, noch sonst irgendwer. Er
spürte noch immer den Hass, den die hungrige weiße Wölfin ihm
entgegenbrachte. 
Violentas Muskeln spannten sich und sie selbst presste sich auf den Boden.
Bereit zum Sprung. Die Angst vor dem, was folgt, war die größte Folter, die
sie ihm bereiten konnte. Ihre Ohren zitterten und ihr Herz schlug bis zum Hals.
Dann sprang sie geschmeidig auf Káges Brust. Ihre kalten Wolfsaugen nahmen die
seinen völlig gefangen. Mit ihren Tatzen auf seiner Brust drückte sie ihm
langsam aber sicher die Luft aus der Lunge. Dann hob Violenta ihre rechte Tatze
und strich damit fast zärtlich durch seine Haare. Sie beugte ihren Kopf ein
Stück weiter nach unten, damit er ihren Atem spüren konnte. Ihre Pranken
wanderten zu seiner Wange. Plötzlich fuhr sie ihre Krallen aus und zerriss sein
Gesicht. Káge war nicht mehr fähig zu schreien. Angst und Schmerz lähmten
seine Stimme. Genüsslich fuhr Violenta seinen Hals entlang und fast liebevoll
machte sie einen Schnitt längs seiner Kehle. Leuchtender, roter Lebenssaft trat
aus der Wunde hervor und übergoss ihre schwarzen Krallen. Káge schluckte. Er
hoffte nur noch, dass seine Folter bald ein Ende haben würde. Violenta fuhr mit
einer ihrer Krallen zurück in die Wunde an Káges Hals. Sie stach etwas tiefer
hinein und spürte, wie sich die Sehnen und Muskeln anspannten, als sie langsam
durch seinen Hals hindurchglitt. Doch nur soweit, dass Káge noch am Leben war,
als sie mit einer schwungvollen Bewegung sein blutgetränktes Hemd zerfetzte und
mit ihren Krallen das Wort ,Hass' auf seinen Bauch ritzte. Die beiden Wunden,
die die Blitze hinterlassen hatten bluteten noch immer. Violenta presste ihre
Tatzen darauf, um die Blutungen zu stoppen. Mit ihrer Zunge zeichnete sie Muster
auf seine Brust und leckte sein Blut auf. Violenta war nicht mehr sie selbst.
Sie war nur noch die Wölfin, die in ihr wohnte. Der metallische Geschmack auf
ihrer Zunge weckte ihren gierigen Durst auf mehr. Mit einer kraftvollen Bewegung
stieß sie ihre messerscharfen Zähne durch Káges Herz. Sie fühlte, wie es
seine letzten Schläge gegen ihre dolchähnlichen Zähne schlug. Káge röchelte
heiser. Er wusste, dass sein Ende gekommen war. Ein letztes Mal sammelte er all
seine schwarze Macht und schleuderte sie gegen die Wölfin. Violenta wurde von
der Wucht dieser schwarzen Magie von ihm weggeschleudert. Und während ihr
Körper durch die Luft flog, verwandelte sie sich wieder in das Mädchen
zurück, dass sie gewesen war, bevor sie etwas von ihrer Gabe wusste. In das
kleine Mädchen, das sorglos und ohne Alpträume in den Tag hineinlebte. Das
kleine Mädchen, dass sie einst einmal gewesen war. Vor langer, langer Zeit. 
Nackt und allein stand Violenta in der weiten Ebene. Doch sie hatte weder
Gedächtnis noch Identität. Ihr Blick fand Káge der halb tot auf dem Boden
lag. Sie trat zu ihm hinzu. Ein letztes Mal flackerte ihr alter Hass auf und ein
gleißender Blitz fuhr aus ihrer Hand durch sein noch pochendes Herz. Káges
Körper bäumte sich ein letztes Mal auf. Dann hörte sein Herz auf zu schlagen.
Aller Hass war aus Violenta gewichen. Ihr Körper war der einer Elfjährigen.
Vor ihr lag eine neue Zukunft. Eine neue Zukunft mit ihrem Vater und ihrer
Mutter. Eine Zukunft voller Friede. Doch nicht Violenta, die Gewaltsame ging
dieser neuen Zukunft entgegen. Sondern Anastasia, die Auferstandene. Aus der
alten, verzweifelten Violenta war die neue Anastasia erstanden. Bereit auf eine
erfüllte Zukunft. Mit weit ausgreifenden Schritten ging sie den Weg, der ihr
bestimmt worden war. Vielleicht würde sie ihr Ziel niemals erreichen, aber
schließlich war es ihr Weg. Sie würde bestimmen, wann sie am Ziel gekommen
war. Sie hatte die Freiheit, auszuwählen, wann und wie sie es erreichen wollte.
Die Freiheit, sich Zeit zu nehmen auf ihrem Weg dem Wind zu lauschen, im Wasser
zu schwimmen, sich am Feuer zu wärmen und sich, wenn sie einmal müde war, auf
die Erde zu legen. Die Freiheit, ihre Zukunft selbst und nach ihrem Willen zu
gestalten. Und plötzlich begann Anastasia zulaufen...

-OWARI-

Lumen Spei

Káge = Schatten
chikara (no aru) = mächtig

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