Ich bin nicht so, wie ihr alle denkt.. von sasayaki ================================================================================ Kapitel 5: ----------- Ich liege noch lange wach. Mein Blick hängt im Leeren. Zwar sind meine Augen offen, aber trotzdem sehe ich nichts. Nicht wirklich. Kyos Körper hat sich leicht an meinen geschmiegt. Sein Arm liegt noch immer so, wie er ihn um mich geschlungen hat. Er ist schwer. Mein Brustkorb will sich kaum heben. Eigentlich will ich auch gar nicht atmen. Ich wünschte, ich würde einfach einschlafen und nie wieder aufwachen. Ja. Oh nein. Als ob ich an nichts anderes als den Tod denken könnte. Ich bin wirklich erbärmlich... Die ganze Zeit kreisen meine Gedanken nur um dieses eine Thema. Ich will nicht mehr. Ich will schlafen. Nur schlafen. Was danach ist, ist mir egal. Zumindest jetzt. Kyo bewegt sich leicht im Schlaf. Er scheint nichts Angenehmes zu träumen, denn er nuschelt leise und undeutlich in mein Ohr. Ich rücke ein wenig von ihm weg. Ich ertrage diese Nähe jetzt nicht. Aber er rückt nach und drückt sich noch fester an mich, als würde er Angst haben, ich könnte weglaufen. Ich versuche, tief zu atmen und dieses Gefühl abzuschütteln, das mich nur noch tiefer zieht. Mein Innerstes wünscht sich, es wäre Shinya, der da neben mir liegt. Aber mein Verstand rebelliert. Das Gefühl reißt mich in Stücke. "Kyo..", höre ich mich verzweifelt flüstern. Ich versuche, ihn ein wenig zur Seite zu schieben. "Kyo, bitte..." ... Er schläft, du Trottel. Er kann dich nicht hören... ... Plötzlich zieht er seinen Arm weg und dreht sich um, so dass er mich nicht mehr berührt. Tief atmend starre ich weiter gerade aus. Ich weiß nicht, aber ich habe das dumme Gefühl, dass er genau gespürt hat, dass es mir unangenehm war. Die Atmosphäre im Raum scheint wie auf den Kopf gestülpt. Und mir ist kalt. Ich wünschte mir, ich wäre einfach so liegen geblieben. Kyo will mir helfen, und ich stoße ihn weg. Das ist wieder typisch. Aber in diesem Moment konnte ich es einfach nicht ertragen... ... Schummriges Licht dringt durch meine halb geöffneten Lider. Leises Klirren penetriert sich in mein Ohr. Nahezu orientierungslos setze ich mich auf. Ich bin bei mir "daheim". Da die Rollläden geschlossen sind, hab ich nicht die geringste Ahnung, wie viel Uhr es ist. Ich strecke mich leicht und sehe mich um. Mein Verstand hat sich zurückgemeldet und mir haarklein alles zu Gemüte geführt, was ich gestern verbockt habe. Kyo scheint in der Küche zu sein und sich mit unserem Frühstück zu beschäftigen. Jedenfalls hört es sich so an. Seufzend werfe ich die Decke zurück und stehe auf. Langsam und schlurfend nähere ich mich der angelehnten Küchentür. "Morgen...", nuschle ich, während ich sie träge aufschiebe. "Morgen", tönt es zurück. Kyo hat es wirklich geschafft, Kaffee zu kochen. Erstaunt gehe ich zu ihm und sehe ihm über die Schulter. Nicht nur das, er hat sogar die Aufbackbrötchen gefunden und sie in den Backofen getan. Aber es kann nicht so lang her sein, denn ich rieche nichts. Doch, vielleicht. Ein klein wenig beginnt es zu duften. "Hmm... danke." Ich klopfe ihm leicht auf die Schulter. "Kein Problem..." Er holt zwei Tassen aus dem Schrank und drückt sie mir in die Hände. "Nimm mit", lautet seine knappe Anweisung. Ein wenig erstaunt tue ich, um was er mich bittet, schlappe damit zurück ins Wohn-/Schlafzimmer [was auch immer] und setze mich wieder aufs Bett. Dort warte ich geduldig. Aber Kyo lässt sich Zeit. Seine Laune ist wieder normal. Nicht sonderlich schlecht, aber auch nicht wirklich gut. Irgendwie scheint es, als wäre das gestern nie passiert. Schön wär's... "Hey, Toshiya, nicht träumen!" Ich wanke leicht um Gleichgewicht, als Kyo sich neben mich aufs Bett plumpsen lässt. Das Tablett [keine Ahnung, wo er DAS ausgegraben hat] hat er vorsorglich vorher vor meine Füße gestellt. "Butter hab ich keine gefunden..." Er greift nach der Kaffeekanne und schenkt uns beiden ein. Schließlich hab ich die Tassen ja immer noch in der Hand. "So was findet sich auch nicht in meinem Vorrat." Ich hasse Butter. Jedenfalls seit einer meiner Klassenkameraden, der mich damals ziemlich bedrängt hat, immer fette, vor Butter triefende, aufgeweichte Brote in sich reingestopft hat. Es ist eines der wenigen Dinge, die mich wirklich anekeln. "Aha", meint Kyo nur. "Gut..." Er schlürft seinen Kaffee und beschmiert eines der schon aufgeschnittenen Brötchen mir Marmelade. "Willst du auch?" Er sieht mich fragend an und hält eine Brötchenhälfte in meine Richtung. "Hm... danke..." Ich nehme sie und beiße zaghaft ab. Morgens hab ich eigentlich gar keinen Hunger... Aber ich schaffe es, die ganze Hälfte hinunterzuwürgen, während Kyo ganze zwei Brötchen verdrückt. Schließlich schiebt er das Tablett mit dem halb geleerten Marmeladenglas und den Krümeln zu Seite und widmet sich seiner dritten Tasse Kaffee. Ich frage mich echt, wo Kyo das alles hinfuttert... Mein Kaffee ist schon fast kalt, als ich den letzten Schluck nehme. Ich stelle die Tasse auf das Tablett. "So..." Ich setze mich bequemer hin und sehe Kyo an. "Also... danke für das Frühstück!" Ich nicke ihm zu. "Kein Problem", sagt er nur und stellt seine leere Tasse neben meine. Dann ist wieder Stille. Er verwirrt mich. Ich hab keine Ahnung, was er jetzt von mir, von gestern denkt. Ob es ihn überhaupt interessiert oder ob ich ihm für den Moment einfach nur leid getan habe. Was weiß ich. Irgendwie scheint er mal wieder Gedanken zu lesen und sieht mich durchdringend an. Verlegen senke ich meinen Blick. Seit gestern kann ich ihm nicht mehr in die Augen sehen. Wie auch... "Alles okay?" Er fragt so teilnahmslos wie möglich, aber trotzdem klingt ein wenig Sorge raus. "Hai, klar..." Ich streife mir nickend ein paar Strähnen aus dem Gesicht. "Alles klar..." "Dann ist ja gut." Und wieder Stille. Schließlich steht er auf und nimmt das Tablett mit in die Küche. "Kyo, du musst nicht..." Aber er winkt nur ab. "Lass nur. Ruh dich aus. Ich mach das schon." Klack. Die Tür fällt ins Schloss. Leise murrend drehe ich mich Richtung Fenster. Er hat gestern viel zu viel für mich getan. Ich kann mich doch nicht heut auch noch von ihm bedienen lassen... Aber wenn Kyo das will, hab ich keine Chance. Er kann ein wirklicher Sturkopf sein. Schließlich höre ich die Küchentür ein weiteres Mal. Ich drehe mich wieder zu ihm um. Er noch auf der Schwelle und sieht zu mir rüber. Und wieder kann ich ihn nicht ansehen. "Kyo... ich...", beginne ich stockend. "Ich... wollte nur sagen... ... danke. Für gestern. Du hättest das nicht tun müssen, aber..." Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn du nicht aufgetaucht wärst. "Toshiya", seufzt er tief und fast genervt. "Du brauchst dich nicht bedanken. Und entschuldigen erst recht nicht, wenn du das vorhast. Ich hab es getan, weil ich es wollte. Weil ich nicht mit ansehen kann, wie du dich selbst kaputt machst." Ich sage besser nichts dazu. Wenn einer von uns beiden sich selbst kaputt macht, dann ist es ja wohl er. Aber er meint es nur gut. Und ich sollte nicht immer alles fünftausend Mal gedanklich durchkauen. "Okay? Thema erledigt? Dann ist ja gut." Er dreht sich um, als wäre das Thema wirklich erledigt. Mir auch recht. "Also, ich muss noch in die Stadt... Besorgungen... Diverses. Kommst du mit?" Er sieht mich wieder durchdringend an. Diesmal versuche ich, seinem Blick stand zu halten. "Hmm... warum nicht. Vor hab ich nichts." Ich nicke ihm zu und erhebe mich vom Bett. "Willst du... was von mir haben?" Ich bezweifle, dass ihm was passt, aber er kann's gern probieren. "Ne, passt schon..." "Gut..." Ich schnappe mir ein paar Kleider aus dem Schrank und tapse ins Bad. Irgendwie hab ich Hemmungen, mich vor ihm auszuziehen. Mann, bin ich bescheuert. Als ich fertig angezogen und frisch gemacht das Bad verlasse, ist auch Kyo angezogen. "Wenn es dir nichts ausmacht, wär's mir lieber, wir würden gleich los. Die Bank hat bald Mittagspause, schließlich ist es schon 11 Uhr." Überrascht bin ich nicht, dass es schon so "spät" ist. "Klar... ich bin fertig." Ich gehe zum Kleiderständer und bestücke mich mit Schuhen und Jacke. Als ich, nachdem ich mir meine Tasche umgeworfen hab, aufsehe, steht Kyo schon in der geöffneten Tür. Er scheint es wirklich eilig zu haben. Also bemühe ich mich, ihn nicht unnötig aufzuhalten, und folge ihm rasch. Schnellen Schrittes verlassen wir das Gebäude und marschieren den Gehweg entlang. Ich weiß nicht, zu welcher Bank er will, also laufe ich ihm einfach hinterher. Aber so schnell wie er läuft, komme ich kaum hinterher. Als er das bemerkt, senkt der sein Tempo ein wenig. Ich weiß wirklich nicht, warum er so rennt. Schließlich hat die Bank bis mindestens um 12 Uhr auf. Und sooo weit kann sie ja auch nicht entfernt sein, da meine Wohnung ziemlich zentral liegt. Aber vielleicht erträgt er meine Anwesenheit auch einfach nicht mehr länger... Gott, jetzt fange ich schon wieder an, über so was nachzudenken. Ich sollte mal zum Psychiater... vielleicht kann der noch was retten. Plötzlich biegt Kyo ab und verschwindet in einem Gebäude. Ich bin so perplex, dass ich ihm zuerst gar nicht folge. Als ich es schlussendlich doch tue, brauch ich nur weniger als eine Minute zu warten, bis Kyo vom Schalter zurücktritt und mich wieder mit nach draußen schleift. "Das ging aber schnell", keuche ich, da er wieder diesen Mörderschritt drauf hat und mich diesmal am Arm hinterher zieht. "Alles geklärt?" "Jup." So geht das weiter, bis wir noch ein paar Gebäude so betreten und verlassen haben, unter Anderem ne Drogerie, ein Lebensmittelgeschäft und eine Apotheke. Wobei ich aber beim besten Willen nicht mitgekriegt hab, was er dort wollte. Auch wenn es mich nichts angeht, neugierig bin ich trotzdem. Aber fragen werde ich ihn bestimmt nicht... Als ich denke, die Odyssee ist vorbei, zieht er mich in ein letztes Geschäft, diesmal aber ein Café. Als er es sich an einem Zweiertisch bequem macht, hab auch ich verstanden, dass er jetzt einen Kaffee trinken will. Noch perplexer setze ich mich neben ihn, nachdem ich meine Jacke und meine Tasche über den freien Stuhl neben mir gehängt habe. Schweigend studiert er die Karte. Mein Verband juckt. Als die Kellnerin kommt, bestellt er einen Milchkaffee. Ich bin noch immer nicht aus meinem Nebel der Verwirrung entstiegen, also bestelle ich einfach das gleiche. Während wir auf unsere Getränke warten, herrscht eine fast fühlbare, schwere Stille. Und auch als sie vor uns auf dem Tisch stehen, bleibt sie. Als würde sie sich nicht mehr vertreiben lassen. Und ich fühle mich verlorener denn je... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)