Schatten der Vergangenheit von Ace_Kaiser ================================================================================ Kapitel 12: Zugabe 4: Neue Waffen --------------------------------- "Verdammter Mist, Akira", sagte Haruka unbeherrscht, während ihre Hände nervös über die Bettdecke vor ihr strichen, um die Hand zu streicheln, die sich darunter abzeichnete. "Als wenn wir keine größeren Sorgen im Moment hätten. Du verdammter Idiot, ich sollte dich hier einfach liegen lassen." Michiru schmunzelte verhalten. "Warum machst du es dann nicht auch?" "Na weil..." Haruka verstummte und sah ihre Lebensgefährtin hilflos an. "Weil..." Sie seufzte auf. "Ich bin doch hoffentlich nicht in ihn verliebt." "Oh, ich glaube, die meisten, die ihn kennen, sind auf irgend eine Weise in ihn verliebt. Aber ich bin mir sehr sicher, dass er in deinem Herzen keine Konkurrenz für mich ist. Abgesehen davon bin ich da auch schuldig im Sinne der Anklage." Sie trat heran und legte ihre Hände auf das Gesicht des Bewusstlosen. "Er ist so kalt, so eiskalt", sagte sie erschrocken. Ihr erschreckter Blick ging zur Anzeige der Lebensüberwachung. Die dortigen Werte aber waren im normalen Bereich, und sie hatte sich sagen lassen, das fünfunddreißigeinhalb Grad Celsius als Körpertemperatur für einen Mann vollkommen in Ordnung war. Dennoch, die kalten Wangen hatten sie erschrocken. "Es geht ihm gut", sagte Pyramon zuversichtlich. "Ich habe mit den Ärzten gesprochen. Er hat sich einfach viel zu viel zugemutet. Und das ist ja nicht das erste Mal, oder?" Der ehemalige Navigator des Seelenschiffs versuchte sich an einem schiefen Lächeln. "Bisher ist er doch noch jedes Mal im Krankenhaus gelandet, weil er sich zu sehr verausgabt hat." "Das stimmt allerdings", sagte Yuichiro. "In der alten, vergangenen Zeit, als das Goldene Reich zusammenbrach, hat er oft gekämpft, bis er für Tage oder Wochen keine Kraft mehr hatte. Dafür war er aber auch ein furchtbarer Berserker. Er... Merkwürdig, für einen Augenblick dachte ich, über seine Augen würde wieder dieser Schatten fallen." "Er wird also wieder gesund?", fragte Michiru ängstlich. "Mir kommt das nicht natürlich vor, dass sein Gesicht so eisig ist." "Mach dir keine Sorgen um ihn", sagte Pyramon. "Wir tun alles, was wir für ihn tun können. Und das ist mehr als die Menschen können, glaube es mir. In diesem Raum, in diesem Bett ist er optimal versorgt." "Und wie lange wird es dauern, bis er wieder aufwacht?", fragte Haruka mit Bitternis in der Stimme. "Einen Tag? Zwei? Ein Jahr? Ein Jahrzehnt?" "Es kann heute sein, es kann morgen sein", wiegelte Pyramon ab. "Bisher war er nach seiner Entkräftung nie lange ohnmächtig. Nicht einmal, als er Ami gerettet hat, damals, in der Explosion des Youmas Metallia." Pyramon stutzte. "Gut, gut, das hat ihn für etliche Wochen ins Krankenhaus gebracht. Aber er hat bisher immer überlebt. Immer." Es klang wie eine Beschwörung, wie ein Mantra. Fast wie ein Gebet. Vielleicht war es das auch. "Ich jedenfalls werde ihn nicht sterben lassen!", sagte Pyramon plötzlich mit gepresster Stimme. "Das bin ich ihm schuldig. Das bin ich Usagi schuldig. Das bin ich meinem Volk schuldig." Er hob abwehrend eine Hand, als Haruka ihn fragend ansah. "Schon gut, nur eine kurze Phase der Schwäche. Manchmal hat man eben Zweifel, auch wenn man es besser weiß. Ich wusste, wie leicht er sich überanstrengen konnte, nach dem was ihm passiert ist. Aber es dann doch passieren zu sehen ist eine ganz andere Sache." Trotzig sah er die beiden Mädchen an. "Er ist auch mein Freund." "Das bezweifelt ja auch keiner", warf Motoki ein. "Aber es tut weh, ihn schon wieder so hilflos zu sehen. Und dass er draußen zusammen geklappt ist, vor zehntausenden Leuten, war auch nicht gerade gut. Wir werden mit Anfragen überschüttet, und können doch nichts sagen. Verdammt, Akira, was machst du nur immer für Sachen?" "Also gut, wir machen uns alle Sorgen um ihn", stellte Haruka fest. "Auch wenn wir es gar nicht müssten. Und... Jetzt wo ich es sage, warum sind eigentlich nur wir fünf hier? Wo sind denn die üblichen Verdächtigen?" Tomoki schnaubte amüsiert. "Yaten sitzt draußen im Gang und bibbert wie Espenlaub. Er macht sich Vorwürfe, weil er Akira allein gelassen hat. Er wagt es nicht einmal, sich in seine Sailor-Rüstung zu hüllen und die weibliche Form anzunehmen. Ami sitzt seit zwei Stunden im Labor und analysiert alle Daten, die sie über Akiras Körper bekommt. Taiki unterstützt sie dabei. Sie benehmen sich, als gelte es, einem ultragefährlichen Virus auf die Spur zu kommen, das die Menschheit auszurotten droht. Mamoru beschwichtigt die Massen, und Usagi nimmt noch ein langes Bad in die Menge, um die Menschen zu beruhigen. Die anderen helfen ihnen, so gut es geht. Ach, habe ich erwähnt, dass dieser unverschämt gut aussehende Wissenschaftler, dieser Umino, schon wieder an der Rüstung bastelt? Ihm fehlt zwar Ami als Hilfe, aber er hat versprochen, dass die erste Rüstung noch heute einsatzbereit sein wird. Und dann sind da noch Hotaru und Usa-chan, die uns aus der Zukunft besuchen. Sie laufen durch den Turm, als ginge es um Sightseeing, und die meiste Zeit lachen sie dabei. Ich finde das Verhalten äußerst merkwürdig. Ganz so als würden sie etwas wissen, was wir nicht wissen." Haruka sah zu ihm herüber und zog das rechte untere Augenlid herab. "Ja, ja, schon gut, sie sind aus der Zukunft, und deshalb werden sie einiges wissen, was wir noch nicht einmal kennen", erwiderte der Blondschopf. "Aber sie rücken damit nicht raus." "Gibt es noch etwas zu berichten?", fragte Michiru. "Was ist mit den Vorwürfen des Polizisten, Akiras Identität betreffend?" Motoki wurde blass. "Artemis hat selbstständig eine Computeranalyse durchgeführt und die Angaben der Polizei überprüft." Er schluckte hart. "Es sieht ganz so aus, als würde er Recht haben. Es gibt genügend Akira Torahs in seinem Alter in Japan, aber ihn gibt es nicht. Zumindest wurde er hier nicht geboren. Mittlerweile überprüft Artemis die Geburtsregister japanischer Enklaven weltweit. Da kann noch was drin sein. Aber wenn auch dort kein Akira Torah zu finden ist, dann stellen sich uns zwei Fragen." "Okay, lass hören. Aber ich wette, sie werden mir nicht gefallen", sagte Haruka trocken. "Die erste Frage ist dann: Wer ist er? Und die zweite Frage ist: Was ist er?" "Nett formuliert. Jetzt noch mal für die Dümmeren unter uns", sagte Haruka bissig. Yuichiro hob eine Hand. "Kein Streit, bitte. Wir sind uns doch wohl alle einig, dass Akira einer von uns ist, oder? Definitiv ein Verbündeter des neuen SilverMilleniums, und definitiv ein Nachkomme des alten SilverMilleniums. In diesem Fall eher ein Nachkomme des Goldenen Reichs, beziehungsweise einer verbündeten Nation, dem Parsischen Reich." "Niemand mit genug Verstand würde Akira für einen Feind halten", sagte Haruka ärgerlich. "Und von dir hätte ich nicht mal den Gedanken daran erwartet, Leth, letzter General des SilverMilleniums." "Gemach, gemach. Das bringt uns zur nächsten Frage, dem was. Wir haben da eine Idee. Sie bezieht sich darauf, dass er so unendlich spät geweckt wurde, während wir, also Motoki und ich, schon früh mit den anderen Reinkarnierten involviert waren. Freilich ohne unsere Kräfte erweckt zu bekommen." "Dafür sollten wir Artemis bei Gelegenheit eins auswischen", warf Motoki ein. "Wir setzen ihm eine rosa Haube auf und stecken ihm einen Nuckel in den Mund", sagte Yuichiro. "Dazu ein schönes rosa Lätzchen mit einem lustigen Dino drauf." "Wir klemmen ihm noch eine Rassel zwischen die Pfoten." "Und dann", sagte Motoki mit zufriedener Stimme, "machen wir Fotos von ihm und verteilen sie an alle Freunde und im Internet." "Wir waren bei "was", nicht bei euren Racheplänen", mahnte Haruka grimmig. Yuichiro hielt inne. "Ach ja. Wie gesagt, wir suchen noch immer seine Identität. Und wir wissen, dass er für uns kein Feind ist, nicht sein kann. Das bringt uns zu der Alternative, dass er eventuell... Nun, wie formuliere ich das? Ich meine, ich habe Iskander sterben sehen, mit eigenen Augen. Aber... Was wäre wenn wir hier vor uns..." "Willst du mir hier etwa weismachen, in diesem Bett liegt nicht Akira Torah, sondern General Iskander selbst?", fragte Haruka irritiert. "Es besteht die Möglichkeit, ja. Und dann hätten wir auch eine Erklärung dafür, dass er nach jedem großen Kampf so vollkommen entkräftet ist. Er wurde per Stasis in unsere Zukunft befördert, erst vor kurzem geweckt, und ist noch lange nicht kräftig genug, um überhaupt bestehen zu können. Vieles spricht für diese Version." "Und das ändert was?", fragte Michiru verdutzt. "Gar nichts! Rein gar nichts!", rief Pyramon ärgerlich. "Du nimmst mir die Worte aus dem Mund", sagte Yuichiro schmunzelnd. "Es ändert nichts. Er ist noch immer unser Freund. Vielleicht etwas schrecklicher als zuvor. Aber unser Freund." Er trat an das Bett heran, legte eine Hand auf die Stirn des Schlafenden. "Also komm wieder zu uns zurück, alter Freund. Kehre ins Leben zurück. Ich bitte dich. Wir Generäle sind doch nur zu dritt komplett." Tomoki fasste Yuichiro an der Schulter. Für einen Moment fühlten sie die Gemeinsamkeit, die Ergriffenheit und den Zusammenhalt jener Tage, als sie verzweifelt versucht hatten, wenigstens das Goldene Reich Endymions vor dem Zusammenbruch zu beschützen. "Wir warten auf dich", sagte Tomoki leise. *** Akira spürte die Berührungen nicht. Die Sorge seiner Freunde, die Worte, die ihm Trost und Kraft spenden sollten, all das offenbarte sich ihm nicht. Da war einfach etwas in ihm, abseits der Erschöpfung, die ihn befallen hatte, das ihn noch mehr geißelte. Da war diese plötzliche Frage nach dem Ich: Wer war er eigentlich? Was war er eigentlich? War er wirklich ein General des SilverMilleniums, der sich durch Reinkarnation in die neue Zeit gerettet hatte, oder war er etwas vollkommen anderes? Ein Schläfer vielleicht, platziert von SailorMoons Feinden, um ihr dann zu schaden, wenn er maximalen Schaden anrichten konnte? Etwas vollkommen anderes, ein Unbekannter aus den Tiefen des Universums, der verrückte Pläne mit dieser Welt hatte? Wenn er kein Japaner war, was blieb dann noch? Nicht, dass er an dieser Staatsangehörigkeit besonders gehangen hätte, aber doch war sie sein Anker, seine Identifikation gewesen, seine Vergangenheit. Die Basis seiner Persönlichkeit. Und jetzt? Er stand ohne Basis da, und zu allem Überfluss auch noch ohne Leben. Was, wenn das, was er für seine Lebenserinnerungen hielt, eine einzige große Lüge war? Wie passte er überhaupt in diese Geschichte, diese Rolle? War seine Schwäche nicht eindeutig ein Zeichen dafür, dass er eben nicht die Kräfte der anderen teilte, dass er ein Placebo besaß, um jenen, die er Freunde nannte, etwas vorzugaukeln? Warum sonst landete er regelmäßig im Krankenhaus - und zwar nur er? "Du denkst zuviel", tadelte ihm eine Stimme, die ihm seltsam bekannt vor kam. Akira sah auf. Und er tat es mit Entsetzen, denn jeder Millimeter, den sein Kopf tat, veränderte die Welt. Als er endlich gerade aus schaute, hatte sich die ganze Welt gewandelt. Nichts hier erinnerte an den Turm des SilverMilleniums, nichts an Tokio oder eine andere Stadt, die er kannte. Nichts an einen einzigen Hauch Zivilisation. Was er sah, war eine ewig weite, mit meterhohem gelbem Gras bewachsene Einöde, immer wieder unterbrochen von fernen Hügeln und einzelnen Gruppen grüner Büsche und Bäume. Etwas traf ihn an der Brust. Er fing es auf. Es war ein simpler Stein. "Ich bin hier unten", sagte die Stimme erneut. Akira folgte der Stimme, sah wieder hinab. Und erkannte... Sich selbst? "Nein, du Dummkopf. Du magst ich sein, aber ich bin nicht du", sagte der im Gras sitzende Mann, dessen Augen wie unter dem Schatten seiner Frisur verborgen schienen. "Ich bin Iskander. Der einzig wahre, das Original. Der authentische General des SilverMilleniums, der mit Leth, Gyes und den SailorKriegern der äußeren Planeten versucht hat, wenigstens dem Goldenen Reich die Zerstörung zu ersparen. Ich bin der, der unendliches Leid gesät hat, mit der Waffe in der Hand, der unendlich vielen Gegnern das Leben genommen hat. Und dessen Kraft dennoch nicht dazu gereicht hat, das Goldene Reich Endymions zu schützen." Der andere Akira - nein, Iskander - griff nach einem Grashalm, riss ihn ab und steckte ihn sich in den Mund. "Weißt du, das Goldene Reich ist - war - das Zentrum der Welt. Das Herz der Moderne. Das fortschrittlichste Reich auf Erden. Bis es zerstört wurde. Langsam, nach und nach. Brocken für Brocken, Tat für Tat. Eigentlich lebte es mit seinen Nachbarn und den vielen Stämmen, die die Welt besiedelten, in Frieden. Oder es war stark genug, um sich jene vom Leib zu halten, die Streit suchten. Und es war mit dem SilverMillenium verbündet. Doch dann kam Metallia und vernichtete das Mondreich. Und damit begann die Scheiße hier auf der Erde. Anfangs fragten sich die Staaten nur, ob das Goldene Reich ohne das SilverMillenium bestehen konnte. Dann hatten sie Angst davor, dass es angegriffen werden könnte, zerstört werden könnte. Die Angst wuchs weiter, denn wem würde all das Wissen, all die Technologie, all das Gold zufallen und das Reich beerben? Aus dieser Angst wurde Hysterie, und die vielen Staaten machten sich auf, selbst diese eine Macht zu sein, die das Goldene Reich beerben würde. Na ja, fast alle. Pars, mein Heimatland, hat sich so lange es ging da raus gehalten. Wahrscheinlich auch, weil einer der Generäle des Mondes, der reihenweise Armeen vernichtete, einer von ihnen war." Iskander machte ein abfälliges Geräusch. "Der Rest... Leichenfledderer. Durch die Kriege ging viel verloren, auch wenn sie zehntausenden Bürgern des Goldenen Reichs das Leben gerettet haben. All das Wissen, all der Fortschritt, die Mondkutsche, die Sailor-Kräfte, alles ging verloren. Wäre Pars nicht gewesen, hätte die Menschheit wieder bei Null anfangen müssen. Von Pars gelangte das restliche Wissen zuerst ins Zweistromland, und dann bis nach Griechenland, wo es mühevoll wieder restauriert wurde. Von dort erreichte es mit den Siedlerwellen der Vorzeit, in Tagen, in denen noch nicht einmal die Pyramiden standen, nach Asien. Das Wissen wurde die Grundlage für das fünftausendjährige Reich Chinas, und bildete auch in Japan die Grundform für Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft. Wohlgemerkt, das Wissen, das die Zeiten und die Kriege überdauert hat." Iskander hob fragend eine Augenbraue. "Langweile ich dich?" Akira schüttelte den Kopf. "Nicht im geringsten. Hast du vergessen, was ich studiere?" "Ach ja, der Geschichtswissenschaftler. Also weiter im Text. In Europa wurde das Wissen wieder nach Pars getragen und bewahrt, bevor es mit dem späten Mittelalter nach Europa gelangte. Natürlich wieder mit etlichen Abstrichen, etlichem verlorenen Wissen. In Asien war es Grundlage für viele Hochkulturen, gerade in Siam, doch die meisten gingen unter, und nahmen ihre Brocken an Wissen mit sich, anstatt es an ihre Erben und Kinder weiter zu geben." Iskander rupfte sich einen weiteren Grashalm aus. "Selbst heute, in diesen Tagen, ist der größte Teil dieses Wissens verschollen. Oder seid Ihr in der Lage, die Mondkutsche zu bauen und zu benutzen?" "Die Mondkutsche?" Iskander lächelte. "Das war die direkte Verbindung zwischen Mond und Erde. Eine simple Kutsche, die von einer Maschine gezogen wurde, während die gleiche Maschine für Luft, Schwerkraft und Wärme gesorgt hatte. Ein Meisterstück der Ingenieurskunst, und jedem Raketenstart der Menschheit überlegen. Ich langweile dich wirklich nicht?" Akira schüttelte den Kopf. "Das solltest du eigentlich besser wissen." "Dennoch, wir sollten langsam zur Sache kommen", erwiderte Iskander. "Wie ich schon sagte, bist du zwar ich, aber ich bin nicht du. Was du hier vor dir siehst, ist nichts weiter als ein pseudomaterieller Abdruck meiner Persönlichkeit. Sozusagen der Kern, um den herum du entstanden bist. Genauso wie es bei Motoki und Yuichiro geschehen ist, ist der alte General wiedergeboren worden. Und dann hat sich dein Leben um ihn herum geschmiegt und etwas Neues geschaffen." "Ein pseudomaterieller Abdruck. Das bedeutet dann also, dass ich tatsächlich deine Reinkarnation bin, und nicht Iskander persönlich." "Daran bestand nie ein Zweifel. Und wenn du ehrlich zu dir selbst bist, dann weißt du das auch. "Iskander, erwache" war nicht irgendeine Formel. Sie war die pure Wahrheit. Weißt du, normalerweise könnten wir uns so nicht unterhalten. Denn das ist schizophren, eine Geisteskrankheit. Man kann zwar gefahrlos Selbstgespräche führen, aber wenn eine andere Stimme antwortet, dann hast du ein Problem." Iskander musterte ihn amüsiert. "Abgesehen von denen, die du ohnehin schon hast, Akira. Du stehst unter Druck, hast schweren Stress, bist verzweifelt und fühlst dich allein. Die idealen Bedingungen, um... kurzfristig... etwas schizophren zu werden. Und die richtige Zeit, um Fragen beantwortet zu bekommen." Akira setzte sich ebenfalls, dem General gegenüber. "Deine Augen..." "Das hast du gut erkannt." Er lupfte seinen Pony. Darunter starrten ihn leere Höhlen an. Eine schlecht verheilte Narbe ging einmal waagerecht durch den Knochen und die Nase. "Ich projiziere mich von einem Punkt in der Zeit, der für mich der Endpunkt war. Hinter mir in der Ebene findet die letzte Schlacht statt, die ich schlagen werde. Ich werde in ihr sterben, begraben unter hunderten toten Feinden, das Herz durchbohrt, den Körper zerteilt, und doch noch immer so mächtig, dass kein Feind es wagt, mich zu berühren. Es ist nicht lange her, da starben die Majestäten von Uranus und Neptun in der Schlacht. Es war eine aussichtslose Lage, es war eine Falle. Aber sie hielten die Falle lange genug auf, bis wir Generäle uns ihr stellen konnten. Wir siegten an diesem Tag, aber für welch hohen Preis. Mir war klar, dass ich nicht viel länger leben würde. Vielleicht suchte ich sogar den Tod, die Ruhe und den Frieden im Großen Vergessen. Vielleicht in der Hoffnung, meiner Liebe näher zu sein, der Majestät des Merkurs. Ich weiß nicht, wer dafür gesorgt hat, dass auch wir wiedergeboren wurden. Aber er hat gut gehandelt. Na, wohl eher sie." "Königin Serenity", stellte Akira fest. "Höchstwahrscheinlich. Das ist vielleicht der Grund, warum sie selbst nicht reinkarniert wurde. Sie vergeistigte sich und begab sich auf eine ewige Wacht." Iskander schüttelte sich. "Welche Opferbereitschaft. Ich hätte das nie gekonnt. Aber das ist ja auch der Grund, warum ich ihr mit vollem Herzen dienen konnte. Sie war der edelste Mensch, den ich jemals kennen gelernt habe... Aber ich schweife ab. Möchtest du mehr wissen?" "Eigentlich sollte ich alles wissen, was du weißt, oder?", fragte Akira. Iskander grinste höhnisch. "Du würdest vielleicht dran zerbrechen. Ein Beispiel gefällig? Gut. Wusstest du, dass es vor achtzigtausend Jahren die erste Hochkultur der Menschheit auf der Erde gab? Das war kurz bevor die letzte Eiszeit begann. Die Welt drohte unter einem Eisklumpen zu erstarren, und die erste Hochkultur nahm dies zum Anlass, die Welt zu verlassen. Zuerst errichteten sie das SilverMillenium auf dem Mond, als Transit, als Bahnhof. Sie wollten niemals hier bleiben, auch wenn aus dem Transit schließlich ein eigenes Reich entstanden ist. Wenn sie schon ihre Heimat verlassen mussten, dann wollten sie es richtig tun. Die erste Hochkultur der Menschheit begann, die Seelenschiffe zu erfinden und die Sterne zu bereisen. Viele Planeten wurden in jenen Tagen besiedelt. Eine galaktische Hochkultur entstand, die verbunden war durch die überlichtschnellen Schiffe. Lotsensysteme entstanden, um den Seelenschiffen den Weg zu den bewohnten Welten zu weisen. Und fünfzigtausend Jahre lang war ein kleiner Teil der Galaxis von uns Menschen besiedelt. Menschen, die untereinander nicht viel Kontakt hatten, zugegeben. Dann begann das Dilemma um SailorGalaxia." Akira nickte. "Oh ja, die Geschichte." "Und die Menschen isolierten sich noch mehr, die Seelenschiffe wurden noch seltener. Bis der Verkehr fast ganz erstarb. Auf der Erde jedoch war die Eiszeit nicht so zerstörerisch geworden, wie man gedacht hatte. Die Menschheit hatte auch hier überlebt, auf einem Niveau, das so niedrig war wie nichts zuvor. Es waren die Tage der Altsteinzeit. Im SilverMillenium beschloss man, als die Gletscher wieder schmolzen und die Erde wieder wärmer wurde, diese Menschen sanft an das Licht heran zu führen. Ihre Entwicklung zu bestärken. Und so entstand das Goldene Königreich. Die Geschichte ging so lange gut, bis uns ein gewisses Seelenschiff besuchte und ein paar Youmas da ließ." "Ich glaube, den Part kenne ich bereits", erwiderte Akira. "Natürlich kennst du ihn. Er betrifft dich schließlich. Und es war der Beginn eines Lebens, das das Grauen der Schlachten, die Tage von Tod und Sterblichkeit kannte. Erinnerungen, die ich dir ungern überlassen würde. Vieles war zu schrecklich, selbst für mich. Und Grausamkeiten sind nichts, was ich dich sehen lassen will. Ich habe sie gesehen. Oft. Zu oft. Und ich habe sie gehasst. Doch jede Grausamkeit, die ich sah, war eine Grausamkeit, die ich nicht verhindern konnte. Das hat mich zerstört, nach und nach." "Ich glaube, ich verstehe jetzt, was du meintest, als du sagtest, ich würde am Wissen zerbrechen." "So? Dann bist du zumindest nicht dümmer als ich", spottete Iskander. "Und, geht es dir jetzt besser, wo du weißt, dass du tatsächlich meine Reinkarnation bist, die auf der Erde in diesen Tagen wiedergeboren wurde?" "Es bleiben Zweifel. Aber es geht mir besser." "Hm", machte Iskander. "Was die Zweifel angeht, solltest du mal den weißen Kater in die Mangel nehmen. Ich bin sicher, er hat dir was interessantes zu erzählen. Er hat dich schon mal mental manipulieren können, erinnerst du dich?" "Ungern", gab Akira zu. "Aber ich nehme deinen Rat an. Bleibt mir nur noch eine Sache, die wichtig ist. Warum bin ich so schwach?" "Schwach?" Iskander lachte. "Schwach ist das Letzte, was man einen General des SilverMilleniums nennen kann." "Du weißt was ich meine. Vielleicht sind meine Kräfte groß, aber mein Körper, er... Er..." "Oh, ich verstehe. Aber diese Frage solltest du nicht mir stellen, sondern ihr." Iskander deutete hinter Akira. Der junge Mann drehte den Kopf und stieß überrascht die Luft aus den Lungen. Er sprang auf. "Ach du grüne..." Hinter ihm stand eine Frau. Eine Frau, die er zu gut kannte, denn es war Ami Mizuno. Es gab jedoch einen frappierenden Unterschied. Ihre Augen waren ersetzt durch zwei blutrote, leuchtende Rubine. "Tsunami", sagte Akira. "Was muss ich denn noch alles tun, um dich auszulöschen?" "Was tust du denn, um mich auszulöschen?" Sie lachte. "Das Gegenteil ist der Fall. Du tust alles, um mich bei dir zu behalten. Du klammerst dich an mich, und in jeder Notsituation ist es meine Kraft, die dich stärkt, damit du Unmögliches vollbringen kannst." "Und dafür tötest du mich fast hinterher?", fragte Akira spröde. "Nein, du tötest mich damit, du Dummkopf! Aber das ist dir ja auch nicht recht, und deshalb wendet dein Körper alle Kraftreserven auf, die er hat, um mich am Leben zu erhalten!" "Was, bitte?" "Das sollte eigentlich meine Frage sein! Wenn du so ein furchtbar mächtiger General aus uralten Zeiten bist, wozu brauchst du mich? Wozu erschaffst du sogar Illusionen, die meine Seed darstellen, die du dann zerstören lassen kannst? Warum hängst du so an mir? Es ist zum wahnsinnig werden, ich... Hör mal, es ist ja nicht so, dass ich nicht an meiner Existenz hängen würde. Auch wenn ich nur eine Membran aus Gedanken und Lebensenergie bin, so bin ich mir meiner bewusst. Und Sterben stelle ich mir schrecklich vor. Aber dein klammernder Griff ist so einengend, so einschränkend, dass ich manchmal denke, es wäre besser, wenn..." "I-ich verstehe das nicht. Ich halte dich in mir fest? Ich benutze deine Kräfte? Ich tue alles, damit du nicht vergehst?" "Und das ist Ironie pur, denn ich bin auf SailorMerkur geeicht, auf Ami Mizuno! Eigentlich dürfte ich dir nichts nützen! Aber mit meiner Hilfe hast du die große Tsunami aufgehalten, hast die Vernichtung Metallias überstanden und dabei Merkur beschützt. Und du hast den direkten Beschuss mit etwas überlebt, was früher mal der Antrieb eines Seelenschiffs war! Und das ist der eigentliche Wahnsinn an der Geschichte! Dabei hättest du mich übrigens beinahe ausradiert, denn du hast mich bis ans Limit ausgesaugt." "Weshalb du ein zweites Mal zusammengebrochen bist", sagte Iskander. "Ah, ja. Und was bringt mir diese Erkenntnis jetzt?", fragte Akira sarkastisch zurück. "Oh, sehr viel. Nebenbei bemerkt warst nicht du es, der Tsunami immer wieder gerettet hat. Ich war es." Erstaunt sah Akira den pseudomateriellen Abdruck des Generals an. "Und? Hast du auch eine Erklärung dafür?" "Natürlich habe ich die: Sie ist nützlich, sogar sehr nützlich. Sieh mal, du bist stark. Ziemlich stark sogar, möchte ich sagen. Deine Kräfte sind so gewaltig, sie können mit denen von SailorMars konkurrieren. Aber damit sind sie nur ein schwaches Echo dessen, was ich vermocht habe." "Echt jetzt?", fragte Akira verblüfft. "Das ist die reine, einzige Wahrheit, Kleiner. Und diese Kräfte habe ich mir in langen Jahren harten Trainings und ungezählter Kämpfe herangezogen. Du wirst vielleicht auch einmal auf diesen Level kommen, wenn du lang genug lebst und gut genug übst. Aber leider reicht das manchmal nicht. Leider bist du zu schwach, um gegen die Rüstungen bestehen zu können. Und hier kommt unser Freund Tsunami ins Spiel." "Unsere Freundin, meintest du wohl." Iskander schüttelte den Kopf. "Sie sieht nur so aus wie Ami. Sie ist es aber nicht. Sie ist nicht einmal weiblich. Die Seed ist ein Es, ein Neutrum. Ihr wurde SailorMerkur aufgeprägt, um sie einerseits zu beherrschen, andererseits um ihre Kräfte zu potenzieren, aber das gibt ihr noch kein Geschlecht. Doch auch in dieser Form, geeicht auf Ami, potenziert sie deine Kräfte, wie du weißt." "Und bringt mich anschließend ins Krankenhaus. Schon gut, ich weiß, das bin ich dann selbst, wenn ich versuche, dich zu retten. Oder vielmehr wenn du es dann machst." "Du wirst jede Hilfe brauchen, die du kriegen kannst, Akira", fuhr Iskander fort. "Du warst bereits einmal ein SeedKing und hast deinen Willen nicht verloren. Und du, Tsunami, willst weiter leben, aber das kannst du nicht alleine." Iskander musterte beide eindringlich. "Ihr müsst euch kombinieren, miteinander verschmelzen. Vielleicht gibt es irgendwann eine bessere Lösung, etwas leichteres. Aber bis dahin muss der SeedKing Tsunami immer abrufbereit sein." "Nette Idee, aber hast du vergessen, dass ich diesmal fast drauf gegangen wäre?", rief Tsunami ärgerlich. "Und wie dreckig es mir gerade geht?", fügte Akira hinzu. Iskander lächelte schmallippig. "Weil Tsunami nicht auf dich abgestimmt wurde. Ist sie aber abgestimmt, werden ihre Kräfte richtig kanalisiert, behindert Ihr euch nicht gegenseitig und die Nutzung von Tsunamis Kräften ruft keine negativen Effekte in deinem Körper mehr hervor. Die Schwächeanfälle nach einem großen Kampf werden damit ausfallen, für immer. Und du wirst sie nicht mehr bis zum Limit aussaugen." "Und was ist, wenn sie mich diesmal übernimmt? Wenn ich ein SeedKing werde, der unter der Kontrolle... Oh. Jedithe. Habe ich total vergessen." Iskander nickte grinsend. "Und selbst wenn Jedithe dich betrügen sollte, was ich nicht glaube, gibt es immer noch SailorMoon und den Silberkristall im Mondzepter. Verstehe das als Drohung, Tsunami." "Ja, schon kapiert. Du hast das alles schön durchdacht, alter General. Nur eines hast du vergessen." "Und das wäre, DemonSeed?" "Wie eicht man eine Seed neu?" Das brachte Iskander zum Lachen. Er lachte so sehr, dass er sich den Bauch halten musste. "DAS ist dein Problem? Also wirklich, auf die Antwort hättest du auch selbst kommen können." "Das ist peinlich! Hör auf zu lachen, bitte", sagte die Seed irritiert. "Ehrlich gesagt weiß ich auch keine Lösung", fügte Akira hinzu. Iskander wischte sich ein paar Tränen von den Wangen - anscheinend funktionierten zumindest die Tränendrüsen noch - und konnte sich nur schwer beruhigen. "Was meinst du denn, wie eine Seed auf jemanden geeicht wird?" "Äh, keine Ahnung. Mein Bewusstsein erwachte erst, als ich in SailorMerkur aufging." "Man eicht etwas, indem man weiß, worauf man es eichen muss", erklärte Iskander, spuckte den Grashalm aus und erhob sich. "Alles was du tun musst, ist, dich nicht länger als SeedQueen für Ami Mizuno zu bezeichnen. Dann wirst du wieder eine neutrale Seed. Anschließend begreifst du dich als SeedKing, der für Akira Torah bestimmt ist. Du existierst jetzt schon so lange in seinem Körper, du kennst ihn besser als du Ami je kennen gelernt hast. Du kannst dich in einem Maße auf ihn einstellen, die jene Kraft übersteigt, welche die gigantische Tsunami erzeugt hat." "Und was ist", fragte sie bitter, "wenn ich eines Tages nicht mehr gebraucht werde?" "Ich neige nicht dazu, sinnlos zu zerstören. Das solltest du wissen, wenn du schon so lange ein Teil von mir bist", sagte Akira streng. "Und wenn du mir nützlich bist, bin ich gerne bereit, dich in meinem Körper zu dulden, selbst wenn ich dich eines Tages nicht mehr benötigen sollte." "Ich kenne dich zu gut, um nicht zu wissen, dass du dein Wort halten wirst", sagte die Seed in der Gestalt Amis. "Und alles ist besser, als am Rand der Vernichtung zu existieren. Also, gut, dann soll es so sein." Es war ein merkwürdiger Vorgang. Zuerst wurden die Konturen von Ami unscharf, begannen zu flackern, zu verschwimmen, bis sie fort waren. Lediglich die rubinroten Augen waren geblieben. Dann begann sich ein neuer Körper um sie herum zu formen. Eine Gestalt in einer blauen Phantasie-Uniform mit weißen Haaren - Akira. So standen sie sich gegenüber: Der SeedKing Tsunami und Akira Torah. Unsicher sahen beide zu Iskander herüber. "Und was jetzt?", stellte Akira die wichtigste Frage. "Müssen wir nicht miteinander verschmelzen, oder so?" Der General lachte erneut. "Akira, Akira, du bist wohl doch nicht ganz so helle wie ich. Sieh dich mal um, und sag mir, was du siehst." "Eine wellige Landschaft, die mich an eine trockene Steppe erinnert. Afrika, Mongolei, Persien, etwas in der Richtung." "Gut. Und was denkst du, wo du bist?" "Keine Ahnung. Ich weiß ja nicht, wo du überall gekämpft hast." Tsunami begann zu grinsen. "Ich glaube, ich weiß, was er dir mitteilen will." "So? Dann wäre es nett, wenn du mich an deinem Wissen teilhaben lässt." Tsunami breitete die Arme aus. "Wir sind nicht in irgendeiner Steppe, nicht an einem Ort, an dem bald die Schlacht geschlagen wird, in der Iskander sterben wird. Wir sind in deinem Verstand, mein Lieber. Will sagen, wir müssen gar nicht verschmelzen, weil wir es schon vorher waren. Aber jetzt bin ich auf dich eingestellt, und vieles sollte uns jetzt leichter fallen." Akira unterdrückte ein prustendes Lachen. "Oh, ich bin so ein Dummkopf. Die naheliegendste Erklärung ist mir natürlich nicht eingefallen. Aber was kommt jetzt? Was muss ich als Nächstes tun?" "Das ist relativ simpel, Akira", sagte der General zufrieden. "Du musst nur aufwachen." "Ich muss was?" "Nur aufwachen. Das ist keine besonders schwierige Sache. Hast du schon öfters gemacht", versicherte Iskander. "Okay, dann wache ich doch mal auf." Akira wartete. "Ich sagte, ich wache auf." Nichts geschah. Alles blieb so wie es war. "Geht anscheinend nicht." Dies war der Moment, in dem er sich fühlte, als hätte ihm jemand den Boden unter den Füßen fort gezogen, und er wäre anschließend in ein unendliches Loch gefallen. "Siehst du?", sagte Tsunami, der neben ihm fiel. "Geht doch." *** "Er wacht auf!", rief Pyramon aufgeregt. Akira öffnete die Augen. Er blinzelte ein paarmal, dann war sein Blick wieder klar. "Eine illustre Runde. Habt Ihr euch alle Sorgen um mich gemacht?" Yuichiro trat ans Bett und nahm ihn in den Schwitzkasten. Mit der freien Hand, zur Faust geballt, bearbeitete er Akiras rechte Schläfe. "Natürlich haben wir uns Sorgen um dich gemacht, du Dummkopf! Große Sorgen!" "Autsch! Dann möchte ich nicht erleben, was du mit mir machst, wenn du dich über mich ärgerst." Die Anwesenden lachten. "Lässt du mich aufstehen, alter Freund?" Besorgt wechselte Yuichiro mit Tomoki einen kurzen Blick. "Hältst du das für eine gute Idee? Was, wenn du wieder..." "Zusammenbrichst? Ich habe mich darum gekümmert", sagte er. "Okay..." Yuichiro entließ ihn aus seinem Griff und stellte sich zu Tomoki. Akira schlug die Decke zurück, setzte die Beine auf den Boden und erhob sich. Kurz wackelte er, was Michiru und Haruka beherzt eingreifen ließ, aber schnell fand der ehemalige General des Mondes seine Standfestigkeit wieder. "Danke, Ihr zwei. Es geht schon. Wie ich schon sagte, ich habe mich darum gekümmert." "Deine Vitalwerte sind fast wieder im Normbereich. Was genau hast du gemacht?", fragte Pyramon erstaunt. Akiras Augen verwandelten sich in blutrote Rubine. "Sagen wir, ich habe ein neues Arrangement mit einem permanenten Logisgast getroffen." Entsetzt raunten die Freunde auf. "Du bist von einem SeedKing besessen! Aber wenn du...", begann Haruka, aber sie stoppte mitten im Wort. "Oh. Ach ja. Jedithe und so. Verstehe." Akira grinste. Die Rubinaugen verschwanden wieder. "Das hast du schnell begriffen, Haruka. Ich selbst habe etwas länger gebraucht. Und, um euch alle zu beruhigen, ich bin es, der die Kontrolle hat. Ihr wisst doch, DemonSeed konnte mich noch nie übernehmen. Und ich glaube, das ist bei Yuichiro und Tomoki auch nicht anders." Tomoki erschauderte. "Ist der Preis nicht ein bisschen hoch? Ich weiß, Targetia und Rose haben ihre SeedQueens auch behalten, und es geht ihnen gut damit. Aber ich weiß nicht, ob ich damit leben könnte." "Ich finde es so jedenfalls angenehmer, als dauernd körperliche Zusammenbrüche zu erleiden. Das Problem war immer, dass ich auf die Energie der Seed zurückgegriffen habe, wenn es eng wurde. Und dann habe ich die Seed erhalten, auf Kosten meiner eigenen Kraft. Für den Fall, dass es wieder eng wird. Leider war die Seed auf Ami eingestellt, und das hat mich unnötig viel Kraft gekostet. Jetzt sind wir... Geeicht. Ich erwarte, dass ich noch mehr Kraft zur Verfügung habe... Aber nicht mehr zusammenbreche." "Dein Wort in Usagis Ohr", sagte Haruka grimmig. "Ich bin noch nicht überzeugt, dass dir dieses Arrangement gut tut. Ich werde das im Auge behalten, Akira." "Tust du das nicht sowieso, solange meine Herkunft nicht geklärt ist?", fragte er missmutig. Haruka blies die Wangen auf und entließ die Luft mit Empörung im Gesicht. "W-w-w-was? Akira, du zweifelst doch hoffentlich nicht daran, dass du für mich, dass du für uns alle ein wertvoller Freund und Mitstreiter bist, und dass nichts irgendetwas daran ändern wird! Selbst wenn du dich als der Wiseman persönlich entpuppen solltest, kann das nicht unsere gemeinsame Zeit auslöschen." "Wiseman?", fragte Akira irritiert. "Das Volk des Dunklen Mondes. Petzite und die anderen. Die potentielle Zukunft aus der Usa-chan stammt, Usagis Tochter", erklärte Yuichiro in Stichworten. "Die Zukunft, die wir eines Tages manipulieren werden, damit die Vergangenheit geschehen kann." "Ich erinnere mich dunkel. Was ist mit dem Wiseman? Hat Usagi ihn nicht zum Freund gemacht oder sonst irgendwie bekehrt?" "Auch SailorMoon kann nicht alles und jeden retten", sagte Michiru mit einem lapidaren Schulterzucken. "Unglaublich, aber wahr." Gespielt griff sich Akira an die Brust. "Ah! Ich bin entsetzt! Es gibt etwas oder jemanden, der SailorMoons Charme und ihrer bedingungslosen Ehrlichkeit nicht verfallen ist? Unglaublich." "So, so. Ich hoffe für dich, dass du hingegen meinem Charme und meiner bedingungslosen Ehrlichkeit verfallen bist, Akira Torah, sonst hätte ich Grund zur Annahme, du spöttelst über mich", sagte Usagi vom Eingang her. Sie lächelte. "Selbstverständlich", erwiderte Akira amüsiert. "Das gilt allerdings für euch alle hier. Ich wäre nie froher in meinem Leben gewesen, selbiges für Andere zu riskieren, als für meine Freunde hier im SilverMillenium." "Das freut mich zu hören." Das blonde Mädchen sah ihn amüsiert an. "Und? Bist du der Wiseman?" Der ehemalige General breitete die Arme aus. "Es tut mir aufrichtig leid, Usagi Tsukino. Ich bin leider nur Akira Torah, nicht mehr, aber auch nicht weniger." "Gut, dann ist der Punkt ja geklärt. Den SeedKing, den ich in dir spüre, ist unter deiner Kontrolle?" "Du hast den SeedKing gespürt?", fragte Akira verblüfft. "Unterschwellig schon immer, ohne das Gefühl einordnen zu können. Aber er hat plötzlich sehr viel Macht aufgebaut, sodass ich ihn umso deutlicher gespürt, fast schon gesehen habe." Sie winkte mit ihrem Mondzepter. "Was meinst du, warum ich hier so plötzlich aufschlage?" "Ich bin beeindruckt, schwer beeindruckt", sagte Akira. Er nickte in die Richtung des Oberhaupts des SilverMilleniums. "Der SeedKing ist unter meiner Kontrolle, Majestät." "Wenn du schlechte Witze und dumme Anspielungen von dir gibst, muss es dir wirklich gut gehen", erwiderte sie, und jedes dieser Worte war wie ein kleiner, wohlgemeinter Nasenstüber für ihn. "Wenn du tatsächlich wieder fit bist - es gibt da zwei Frauen, denen du das beweisen solltest." Sie wandte sich wieder ab. "So, ich muss wieder zur Menge ans Tor. Ihr solltet derweil klären, was es mit den Worten der Polizisten auf sich hat. Ich sehe zwar Akira Torah, aber wer ist er?" "Dein Freund, Usagi, dein unverbrüchlicher Freund", sagte Akira leise. Sie wandte sich nicht um. "Das weiß ich. Aber ich glaube, dir würde es gut tun, die ganze Wahrheit zu kennen, oder? Es hört nicht damit auf, dass du bestätigt bekommst, dass du tatsächlich Iskanders Inkarnation bist." Es hatte mal eine Zeit gegeben, so kurz sie gewesen auch sein mochte, da hatte er Usagi unterschätzt. Sie für ein naives, nicht besonders helles blondes Ding gehalten. Aber das war nur eine Fehleinschätzung, weil er nicht hatte glauben können, dass die stärkste Kriegerin auf Erden so unglaublich fröhlich, freundlich und herzlich sein konnte. Diese Zeit erschien ihm unglaublich weit entfernt. Und wenn sie sogar seine Begegnung mit Iskander erspürt oder geahnt hatte, dann tat er sehr gut daran, sie niemals wieder zu unterschätzen. "Danke für den Rat, Usagi-chan." Sie lächelte über ihre linke Schulter hinweg. "Gern geschehen. Schließlich bist du einer meiner unersetzlichen Freunde, die ich gerne glücklich sehen will." Usagi trat auf den Gang hinaus. Dort sah sie jemanden an. "Willst du nun rein oder raus?" "I-ich...", stammelte jemand. "Also rein." Sie griff nach einem Arm, zog daran, und beförderte Ami in die Türöffnung. "H-hallo, Akira", sagte sie mit matter Stimme. "Und du gleich hinterher", sagte Usagi energisch und schob Yaten ebenfalls ins Zimmer. "Geht es dir gut?", fragte Yaten. Er trat in seiner männlichen Form auf, aber die Augen waren die gleichen. Taiki trat hinter ihnen ein. "Darf ich dann auch, oder wird es hier zu voll?" Akira lächelte. "In meinem Raum kann es von meinen Freunden nie voll genug sein." Er lachte und hüllte sich in seine Uniform. "Akira, du bist noch zu schwach...", protestierte Haruka. "Keine Sorge", erwiderte Iskander. "Ich habe genügend Kraft, und so geht es schneller als wenn ich mich umziehe." Er schenkte jedem der Anwesenden ein Lächeln. "So, und jetzt wüsste ich gerne, wo Artemis gerade ist. Ich muss ihm dringend ein paar unangenehme Fragen stellen." *** Es war eine wahre Freude für Mamoru, Umino bei der Arbeit zu zu sehen. Die Finger des Toudai-Studenten flogen geradezu über die vor ihm ausgebreiteten Rüstungsteile, ständig nahm er Messungen vor und korrigierte etwas auf dem kleinen Pad, das mit der langsam entstehenden Rüstung verbunden war. Vor Mamorus Augen wuchs die Gestalt in die Höhe, gerade so, als würde das Geschehen im Zeitraffer ablaufen. Naru winkte ab, als Mamoru sie fragend ansah. "Das ist vollkommen normal. Sobald es um die Millenier-Technologie geht, ist er in seiner eigenen Welt und in seinem eigenen Tempo." Sie seufzte. "Und er ist nur deshalb so schnell, weil er diese Technik bereits in- und auswendig kennt. Es gibt nur zwei Dinge, die ihn aus seiner Welt raus holen können. Das eine tritt ein, wenn er fertig ist. Falls er nicht sofort etwas anderes findet, an dem er arbeiten kann." "Und was ist das andere Ding?", fragte Mamoru. "Äh." Leichte Röte schoss über ihre Wangen. "Ein Kuss." Mamoru kicherte leise. "Wirklich?" "Wirklich. Und er muss von mir sein." "Na, das hat doch was", sagte Mamoru mit einem breiten Grinsen. "So, fertig!", verkündete Umino mit lauter Stimme. Mamoru zwinkerte mehrfach. "Wann ist das denn passiert? Ich dachte, bei der Rüstung fehlt noch die Hälfte." "Tja, wenn du weg guckst wird er noch schneller", sagte Haru mit einem stolzen Lächeln. "Redet Ihr über mich?", fragte Umino verwundert. "Ja. Und es dreht sich nur um Gutes." Sie trat neben ihn und gab ihm einen Kuss. Dazu musste sie sich auf die Zehenspitzen stellen. Mamoru kannte noch sehr gut die Zeit, als das hübsche Mädchen größer als der damals so blasse Junge gewesen war. "Danke." Der junge Wissenschaftler schenkte seiner Freundin ein Lächeln. "Wollen wir das Ding mal ausprobieren, Mamoru? Gibt es hier irgendwo eine stille Ecke, groß genug für einen Probelauf, die von außen nicht eingesehen werden kann?" "Hier nicht. Aber wir könnten auf den Mond gehen, das SilverMillenium verlassen und auf dem Mond selbst erproben, was das Ding so drauf hat. Das dauert maximal zehn Minuten." "Oh, gut. Aber dann brauchen wir einen Kran oder einen Palettenwagen. Die fertige Rüstung wiegt so rund dreihundert Kilo." Mamoru lächelte viel sagend. Er hielt eine Rose in Händen, die er einmal vor seinem Gesicht entlang führte. Plötzlich trug er den Smoking und Zylinder des legendären Tuxedo Kamen. Er legte einen Arm um die Rüstung und hob sie hoch. "Vergiss den Kran und den Palettenwagen. Leichtgewichte trage ich selbst. Willst du die Rüstung steuern? Ich glaube, du kennst dich am Besten damit aus." "Da habe ich nichts gegen!", rief der Toudai-Student enthusiastisch. "Ich war noch nie auf dem Mond." "Oh, du würdest staunen, wie viele Menschen noch nicht auf dem Mond waren", spöttelte Mamoru. "Was ist mit dir, Naru? Willst du mit, oder wartest du lieber bei Usagi?" Die junge Frau bekam große Augen. "Huh? I-ich darf mit? I-ich meine, auf den Mond? Auf den richtigen Mond?" "Ja, genau um den geht es." "J-ja, gerne! Ich war auch noch nicht auf dem Mond!", rief sie aufgeregt. "Na, dann wollen wir keine Zeit mehr verlieren." Die Rüstung wie eine Puppe unter dem linken Arm haltend öffnete Mamoru die Tür zum Gang und wollte hinaus treten. Er stockte, als ein weißgoldener Blitz an ihm vorbei huschte. Dem folgte ein ziemlich agiler Iskander. "Weglaufen nützt dir nichts, du kleiner Feigling!", grollte der General. "Ich erzähle alles Minako, wenn du nicht stehen bleibst!" Ihm folgten auf dem Fuß einige der Freunde, darunter auch Ami und Taiki. "Ah, euch beide wollte ich ohnehin gerade sprechen", hielt Mamoru sie auf. Er nickte den Gang hinab, wo der Lärm der Jagd noch nachhallte. "Akira verfolgt Artemis?" "Es geht wohl um ein manipuliertes Gedächtnis", sagte Taiki und verdrehte die Augen. "Wer lässt sich denn schon von einer Schmusekatze eine falsche Erinnerung verpassen?" "Das zeigt, dass du Artemis unterschätzt", tadelte Mamoru. "Und er wiederum Akira, wie es scheint. Und, wollt Ihr euch an der Jagd beteiligen, oder kommt Ihr mit auf den Mond, wo Umino, Naru und ich die Rüstung erproben werden?" Amis Augen begannen zu glänzen, als sie die fertige Rüstung unter Mamorus Arm sah. Doch die Stimme von Akira, die wieder lauter durch den Gang hallte, lenkte sie wieder ab. Erneut hetzte der Kater an ihnen vorbei, gefolgt von Akira und den anderen. "Ich...", begann sie, aber da legte Taiki eine Hand auf ihre Schulter. "Wir haben so viel Arbeit in diese Rüstung gesteckt, es wäre doch eine Schande, wenn wir nicht dabei wären, wenn sie ausprobiert wird. Oder, Ami-chan?" "Du hast natürlich Recht. Da will ich nicht fehlen." Sie seufzte. "Und da es Akira augenscheinlich wieder viel zu gut geht, machen wir das doch." Sie lächelte zu Taiki hoch. "Die Mühen unserer Arbeit." "Die mir sehr viel Spaß gemacht hat", bestätigte er. "Na, dann kommt mal mit. Umino, sagst du den beiden noch fix was zu den Parametern der Rüstungen, und über deine Einstellungen?" "Gerne. Ich musste die Hohlfeldinduktoren für die Energieleitungen komplett ersetzen, die waren vollkommen durch. Aber Pyramons Leute haben mir neue zur Verfügung gestellt. Das hat mir vor Augen geführt, dass ich hier ja quasi an der Quelle sitze. Mit einem der Analysegeräte des SilverMilleniums ging es dann auch ganz schnell. Folgende Parameter musste ich anpassen..." Naru hielt Mamoru kurz zurück, während die drei Wissenschaftler, in Uminos Erklärungen vertieft, voran schritten. "Hältst du das für so klug? Ich meine, Ami ist doch..." Mamoru schmunzelte. "Ach, weißt du, im Moment läuft alles genauso wie es laufen soll. Wir werden ja sehen, was dabei herauskommt." "Wieso bist du dir so sicher?", fragte die junge Frau erstaunt. Mamoru nickte den Gang hinab. Dort standen Usa-chan und Hotaru. Sie kicherten leise. "Solange die beiden glücklich sind, muss ja alles in Ordnung sein. Du weißt doch, sie sind aus der Zukunft." "Oh. Ach ja. Ich vergaß, dass ich in eurer Nähe nie anfangen darf, mich zu wundern. Sonst kann ich damit nicht wieder aufhören." *** Der weiße Kater fauchte und kratzte, und benahm sich allgemein wie eine wirklich wütende Katze. Akira, der Artemis am Nackenfell hielt und hoch gehoben hatte, nahm das Gebaren unerschütterlich hin. "Reg dich auf, so viel wie du willst. Durch meine Rüstung kommst du ohnehin nicht. Also, wir können die ganze Sache hier abkürzen, oder ich bringe dich zu Minako, damit die ein Wörtchen mit dir redet. Oder noch besser, wir warten bis Luna von ihrer Undercover-Mission zurückkehrt. Soll sie sich um dich kümmern." Schlagartig wurde der Kater still. "Du lässt mich runter, wenn ich ruhig bin? Diese Pose ist entwürdigend." "Gib mir dein Wort, dass du nicht wieder abhaust." "Ja, in Ordnung. Ich verspreche es." "Gut." Akira setzte den Kater ab. Der setzte sich manierlich hin und strafte den General mit einem bösen Blick. "Musste es dir einfallen, ausgerechnet jetzt wieder gut zu gehen? Noch eine Stunde, und ich hätte alles zusammen gehabt." "Was genau zusammen gehabt?", wollte Akira wissen. "Deine neue Identität." Der Kater legte sich in einer menschlichen Geste die rechte Pfote an die Stirn und seufzte schwer. "Wenn ich bedenke, wie viel Mühe ich mir gegeben habe, um eine gute Erklärung zu stricken... Und dann kommen die beiden Polizisten, und ruinieren alles wieder." "Neue Identität?", fragte Akira überrascht. "Etwas für dein Seelenheil, was beweisen sollte, dass es einen Akira Torah, also dich, vor seinem Auslandsaufenthalt in Japan gegeben hat. Nichts wirklich wichtiges. Aber ich hätte es hingekriegt, und das hätte dich aus deinem Tief wieder raus geholt. Zumindest war das der Plan, bis ich merkte, dass du das schon selbst besorgt hast." "Okay, jetzt will ich die ganze Geschichte hören, weißer Schmusekater", sagte Haruka und begann der Katze die Ohren zu kraulen. "Wenn möglich von Anfang an." "Bestechung bringt gar nichts. Ich erzähle euch doch auch so schon alles, was ich weiß." Er seufzte erneut, tiefer und länger diesmal. "Weißt du, Akira, Königin Serenity, die Herrscherin des SilverMilleniums, hat euch betreffend - also dich, Leth und Gyes - sehr klare Anweisungen gegeben. Ihr solltet nie geweckt werden müssen, nur im allergrößten Notfall. Noch mehr als alle anderen hattet Ihr ein Recht auf ein eigenes Leben. Und obwohl Yuichiro und Motoki uns so nahe waren und wir vor entsetzlichen Gefahren standen, haben wir sie nie geweckt. Dennoch, es zog sie zu den SailorKriegern, sie waren bei ihnen, und es gab keinen Grund, um das zu verhindern. Du hingegen warst ein anderes Kapitel, Akira. Du wurdest nicht in Japan geboren, hast hier nicht ein einziges Jahr deines Lebens verbracht, bevor du zum Studium herkamst. Ich habe dich schon früh entdeckt, vor nicht ganz fünf Jahren, als Minako in London als SailorV gearbeitet hatte. Aber damals schon habe ich keine Veranlassung dazu gesehen, dich zu erwecken. Doch ich habe dich im Auge behalten. Du wurdest in Düsseldorf geboren, in der dortigen japanischen Gemeinde, als Kind eines Japaners und einer Engländerin, und hast seit deinem dritten Lebensjahr in London gewohnt. Ich weiß nicht, warum die Reinkarnationen des SilverMilleniums immer die Japaner treffen, aber es ist so. Vielleicht ist die Urerinnerung an das Reich auf dem Mond besonders stark in ihnen, was die Seelen der Inkarnationen anzieht, ich weiß es nicht. Bei dir hatte ich zumindest gedacht, dass du weit genug vom Schuss bist, um nicht in unsere Kämpfe zu geraten, und es war für mich eine Riesenüberraschung, als du plötzlich hier in Tokio aufgetaucht bist, um zu studieren. Ich dachte, das Beste was ich tun konnte, wäre dich von den anderen fern zu halten. Deshalb habe ich dich beeinflusst und deine Lebensgeschichte umgestrickt, was der Auftakt dazu gewesen wäre, dich in einen anderen Landesteil zu schicken, weit weg von Tokio. Doch meine ganze Planung wurde zum Trümmerhaufen, als du den SailorKriegern begegnet bist. Du hast dich selbst erweckt, du hast Gyes erweckt, und dann sind wir tatsächlich in eine noch größere Gefahr geraten als SailorGalaxia. Ich gebe zu, ich habe schlampig gearbeitet, als ich dir den Glauben eingab, hier geboren zu sein, ohne ein paar Dokumente zu fälschen, aber ich dachte ja auch, nachdem du erweckt wurdest, wäre es egal geworden. Dass sich die Polizei für dich interessieren würde, damit habe ich nicht gerechnet. Auch nicht, dass es dich so sehr mitnehmen würde." Schuldbewusst sah der Kater den General an. "Das tut mir leid." "Ja, glücklicherweise. Sonst wäre ich nämlich ernsthaft böse mit dir. Tja, es ist also raus. Ich bin Halbjapaner und gar nicht hier geboren. Was für einen Unterschied soll das machen? Für mich? Für meine Freunde? Für die Welt?" "Keinen natürlich", erwiderte der Kater patzig. "Ich hielt die Umdichtung deines Lebens eben damals für eine sehr gute Idee, um dich nach Kyoto oder Kobe zu schicken, weg vom Ärger." "Und das war nicht deine einzige sehr gute Idee, die nach hinten los gegangen ist", sagte Luna, und trat zu den anderen. "Ich bringe schlechte Neuigkeiten, die den Streich von Artemis zur Nebensächlichkeit machen." Die schwarze Katze musterte Akira. "Dir geht es wieder gut?" "Besser als je zuvor", versicherte der General. "Gut. Denn ich fürchte, wir müssen gegen die ganze Welt kämpfen. Und dafür brauchen wir jeden Vorteil, den wir kriegen können." "Du klingst wie ein Orakel", tadelte Yuichiro. "Du wirst die Orakel-Version lieben, wenn du erst mal alle Fakten kennst", erwiderte die schwarze Katze. *** "U-und wir können hier atmen?", fragte Naru ängstlich, als sie ihren Fuß auf den Mondsand setzte. "Ja. Wir haben den Schild, der die Atemluft hält, beträchtlich erweitert, weil wir weitere Gärten anlegen wollen", erklärte Mamoru. "Dafür brauchen wir nur zusätzliches Wasser aus den Kavernen im Mondinneren, Mondsand und Saatgut. Das alles steht uns ausreichend zur Verfügung. Es fehlt einzig an der Zeit." Mamorus Lächeln verschwand. "Eventuell werden wir diese Zeit bald investieren müssen, falls wir uns auf den Mond zurück ziehen." "Ist es wirklich so arg?", fragte sie, und machte einen weiteren Schritt. "WHOA!" "Naru, du schwebst", lachte Umino. "Das hatte ich noch gar nicht erwähnt", sagte Mamoru grinsend. "Wir haben den Schirm erweitert und den Luftdruck stabil gehalten, aber wir haben die Schwerkraft nicht erweitert. Noch nicht. Auf dem Mondsand wiegst du also nur ein Sechstel von dem, was du auf der Erde wiegst, Naru." "Tatsächlich! Ich fühle mich so leicht! Oh, das macht Spaß!" Zur Probe sprang die junge Frau in die Luft und stieg beachtliche zwei Meter hoch, bevor sie wieder sanft zu fallen begann. Dies tat sie mit beachtlicher Eleganz. Umino lächelte, als seine Freundin über den Mondboden tänzelte. "Wir sollten öfter hier her kommen. An ihr ist eine Ballerina verloren gegangen." Naru landete wieder. "Aber nur auf dem Mond", lachte sie. "Ich würde trotzdem gerne wiederkommen." "Das lässt sich gewiss einrichten." Mamoru schmunzelte. "So, wie weit sind wir denn?" "Einen Moment noch", erwiderte Ami, während sie die Rüstung konzentriert mit ihrer Scanbrille betrachtete. "Wir wollen nur sichergehen, dass Umino perfekte Arbeit geleistet hat, als er die Anschlüsse zusammengefügt hat. Nicht, dass ich daran zweifle, aber Sicherheit geht vor." "Keine Einwände meinerseits", sagte der Toudai-Student. "Also, ich kann keinen Fehler finden. Beachtlich, junger Mann", sagte Taiki. Verlegen lachte Umino. "Wie gesagt, ich habe beruflich mit der Technologie der Millennier zu tun. Die Rüstung ist ja teilweise auf sie aufgebaut." "Fertig. Keine Fehler. Du hast sehr gute Arbeit geleistet." Ami nickte lächelnd in Richtung der Rüstung. "Bitte einsteigen." "Okay." Die Rüstung lag, und war in zwölf Fragmente zerlegt, die einzeln angelegt werden mussten. Am einfachsten war es, sich in das Rückenteil zu legen und das Bruststück aufzusetzen. Dann folgten die Stiefel und die aufgeklappten Oberschenkelsegmente. Schließlich folgten die Handschuhe und die Oberarmschalen. Zum Schluss folgten Vorder- und Hinterseite des Helms. "Gut. Ich initiiere jetzt", verkündete Umino. "Tretet alle mal ein Stück zurück." Als sie sichere zwanzig Meter entfernt standen, hörten sie von der Rüstung eine Serie hoher Töne. Mamoru lachte. "Wir haben ein Handy zusammen gebaut. Wer ruft uns denn an, Umino?" "Nur kein Spott. Die Hochfahr-Melodie habe ich einprogrammiert", antwortete der Student gut gelaunt. "Alles braucht ein wenig Individualität. Für die Lackierung habe ich an rote Flammen auf gelbem Grund gedacht." "Eine Rennbemalung für etwas, das nicht schneller als ein Fußgänger ist?", fragte Taiki amüsiert. "Diese Rüstung ist eine von den fliegenden Modellen. Das macht sie im höchsten Maße mobil. Und Energieversorgung und Servormotoren machen sie flexibel." Die Rüstung erhob sich in einer einzigen flüssigen Bewegung. "Seht Ihr?" "Mach ein paar Schritte", sagte Mamoru. Die Rüstung setzte sich in Bewegung und trat ebenfalls auf den Mondsand hinaus. Er kämpfte nicht einen Augenblick mit der wechselnden Schwerkraft. "Die Angleichung erfolgte sehr gut. Mal sehen, ob ich... Ja, das sieht doch sehr gut aus. Ich habe euch auf den Anzeigen, Leute." "Wie schön. Sieh zu, dass die Waffen gesichert bleiben", versetzte Taiki säuerlich. "Eigentlich dachte ich eher daran, sie jetzt mal auszuprobieren. Könntet Ihr alle hinter mich treten? Danke. Ich nehme an, der Hügel da vorne wäre eh irgendwann eingeebnet worden, Mamoru?" "Oh, fühle dich frei, ihn zu benutzen." "Danke. Ich glühe vor. Hm, diese Ersatzteile vom SilverMillenium machen die Rüstung viel leistungsfähiger. Knappe zwanzig Sekunden Aufladezeit. Achtung, ich feuere jetzt!" Aus dem rechten Arm schoss ein grellweißer Plasmastrahl hervor, der die Rüstung im Mondsand fast einen Meter zurücktrieb. Der Hügel wurde getroffen, perforiert und durchstoßen. Sofort gellte der Alarm für einen Vakuumeinbruch auf, als der Energieschirm durchschlagen wurde. "Okay, die Leistung ist zu groß. Der Strahl ging wahrscheinlich halb bis zur Erde durch. Das ist viel zu stark für einen Kampf. Ich drossle sie mal, und kriege dafür kürzere Aufladezeiten." Beeindruckt betrachtete Mamoru das Loch im Hügel. Hinter dem Loch schloss sich flackernd und zischend wieder der Energieschirm, der Leben auf dem Mond erst möglich machte. "Okay, das werde ich erklären", versprach Mamoru. "Magst du noch einmal schießen?" "Ich versuche, vorsichtiger zu dosieren. Achtung, ich lade auf!" Beinahe sofort löste sich ein Schuss, der wieder in den Hügel eindrang, aber diesmal nicht komplett durchschlug. Es reichte etwa für zwei Drittel. "Ja, so sieht das doch schon besser aus." Der Helm wandte sich ihnen zu. "Ich probiere jetzt den Flugmodus aus." Langsam begann die Rüstung, getragen von schwachen Pulsor-Jetstreams, aufzusteigen. Es dauerte nur Sekunden, bis Umino die Rüstung gekonnt in diesem Teil der Kuppel schweben ließ. "Das ist phantastisch! Die eigentlichen Rüstungen hatten nicht diese Manövrierfähigkeiten! Die Ersatzteile sind atemberaubend, ich bin schwer beeindruckt. Und deshalb gehört diese Rüstung sofort wieder auf die Erde und in die richtigen Hände..." Das waren seine letzten Worte, bevor er mehr Schub auf die Düsen gab, und in Richtung Erdpassage verschwand. Konsterniert sahen sich die vier an. "Umino? UMINO!", rief Naru ihm hinterher. "Er ist doch nicht etwa gerade... Ich meine, so etwas würde er doch nie machen!" "Du meinst, mit der Rüstung auf und davon, entweder zu seiner Universität oder zu seinen Auftraggebern?", fragte Taiki nicht weniger erschrocken. "Nach was sieht es denn aus?" Mamoru fluchte unterdrückt und verschwand in einem Wirbel aus Rosenblättern, auf der Jagd nach Umino. "Ich kann nur sagen", begann Ami, "Umino hat sich sehr verändert. Aber eine so große Veränderung habe ich nicht erwartet. Bestimmt ist es anders, als es aussieht." "Ja", lachte Naru unsicher. "Er würde mich doch nie derart enttäuschen, oder?" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)