Schatten der Vergangenheit von Ace_Kaiser ================================================================================ Kapitel 1: Flashback - Bote der Vergangenheit --------------------------------------------- Prolog: "Crystal Tokio, ich habe dich in der Zukunft gesehen. Wann wirst du Wirklichkeit werden? Wann wirst du das Zentrum des neuen SilverMillenniums sein? Wann wird sich die Erde unter den undurchdringlichen Eispanzer hüllen, der Mensch, Tiere und Pflanzen in den ewigen Winterschlaf versetzt, aus dem nur Königin Serenity sie befreien kann? Wann wird sie mit ihrer Fröhlichkeit und sanften Hand die Geschicke einer freundlicheren Welt leiten? Wie bald, wie fern noch ist dieser Tag? Und werde ich dann wieder das sein können, was ich damals war, im alten SilverMillennium, oder bin ich nur ein Fossil, dass sich herüber gerettet hat in die Neue Zeit und nun unweigerlich untergehen wird? So viele Fragen, und nicht eine einzige Antwort. Freund Endymion, ich wünschte, du hättest diese Antworten für mich, denn ich bin sicher, auch du bist in der Neuen Zeit zu finden, wenngleich ich dich noch nicht angetroffen habe. Doch wirst du mich erkennen? Werden wir diesmal Freunde sein, und nicht gezwungene Kontrahenten wie in vergangenen Zeiten? Diese Antwort werde ich wohl erst erhalten, wenn es soweit ist. Doch was bin ich bis dahin? Ein Wächter... Ein Zuschauer... Oder ein Feind?" 1. Albträume? Akira Torah erwachte schweißgebadet. Sein Blick glitt gehetzt im Schlafzimmer seiner kleinen Studentenwohnung umher, doch nichts erregte seinen Argwohn, nur sein Herz schlug schwer, und er japste nach Luft wie ein Goldfisch, den man aufs Trockene gesetzt hatte. Nur langsam beruhigte er sich, ging sein Herzschlag langsamer, sein Atem ruhiger. Diese Stadt... Das eine Mal der gläserne Turm im Herzen einer Licht durchfluteten Metropole unter einem blauen Himmel, das andere Mal der riesige Palast unter einem so prachtvollen Sternenhimmel, wie er ihn noch nirgends auf dieser Welt gesehen hatte - mit einer wundervollen Aussicht auf eine blass-blaue Kugel, die zu einem Drittel über den Horizont ragte. Akira wusste den Namen dieser Orte. Es waren Städte des SilverMillenniums, die eine Stadt schon lange vergangen, die andere würde erst in der Zukunft entstehen... Seine Rechte verkrallte sich in das Laken seines Futons, als die Erinnerung verblasste, als es schien, dass ein Alptraum einfach erlosch... Nach wenigen Sekunden war ihm nichts geblieben als der Schatten einer Erinnerung an ein junges Mädchen, dass er gekannt hatte und wieder kennen lernen würde. Und ein Name blieb, der sich in seinen Gedanken wiederholte, in seinem Geist hallte, in seinen Schläfen hämmerte und nicht eher Ruhe gab, bis er ihn laut hinaus schrie: "Iskander!" Das Hallen erlosch wie der Traum und bis auf die drückende Ahnung blieb nichts außer der Gewissheit, dass dies nun schon der Vierte dieser Träume gewesen war und sicher nicht der letzte. Akira zog die Beine an und umklammerte sie mit den Armen. Er hatte Angst davor, wieder einzuschlafen, Angst, dass der Traum wiederkehren würde, der immer wiederkehrte, bis er ihn endlich verstand... oder er daran zerbrach. 2. Ein normales Leben Ein normales Leben führen, was war schon normal? Akiras Lehrer Tetsuhara pflegte immer zu sagen: Normale Menschen sind leicht verrückt. Und nach eingehender Betrachtung der endlosen Autokarawane der morgendlichen Pendler, die Stoßstange an Stoßstange standen und mit einem lauten, unmelodischen Hupko nzert die Weiterfahrt einforderten, musste Akira ihm recht geben. Für die Leute in den Autos war das normal. Akira hielt es für verrückt, sogar für sehr verrückt. Die Universität war nicht weit von seiner Wohnung entfernt, so dass er auf dieses Konzert der Hupen und die Blechlawine getrost verzichten konnte und den Weg zu Fuß ging. Warum auch nicht? Es war ein schöner Morgen, man spürte richtig, wie der Frühling immer näher kam. Bald würden die Kirschblüten ausblühen und von den Bäumen fallen. Wenn er schon mal wieder in Japan war, dann würde er sich den wilden Tanz der zarten Blüten, das Sakura-Fest, aber ansehen. Egal, ob er bis dahin eine Begleiterin hatte oder nicht. Auf halbem Wege kam er an der Spielhalle vorbei, in der einer seiner Kommilitonen jobbte. Oder war es ein Familienbetrieb? So genau kannte er Motoki noch nicht. Sie war noch nicht geöffnet. Es war ja auch noch etwas früh dafür. In den Fenstern hingen große Plakate, die drei junge Mädchen in sehr freizügigen Schuluniformen zeigten. Zumindest die Röcke waren etwas kurz geraten, und Handschuhe gehörten eigentlich nicht zur offiziellen Uniform. Das eine Mädchen hatte langes, blondes Haar, das auf ihrem Kopf zu Knoten zusammengebunden war und dahinter in zwei langen Strängen wegfiel. Sie machte irgendeine verrückte Bewegung mit den Händen und schien etwas zu sagen. Neben ihr stand ein Mädchen mit fast blau aussehendem Haar. Sie stand mit dem Rücken zum Betrachter und sah über ihre Schulter zurück. Sie lächelte, beinahe etwas schüchtern. Das dritte Mädchen hatte langes, schwarzes Haar, beide Hände hielt sie in die Hüften gestemmt. Sie lächelte, aber dieses Lächeln schien sagen zu wollen: Legt euch besser nicht mit uns an. Im Übrigen trug sie einen roten Rock, während die der anderen zwei blau waren. Unter den dreien stand in europäischen Buchstaben, in Romaji: SAILORMOON VII CHRONICLES. BALD. "Oh, hallo, Akira. Bist du auch gerade auf dem Weg zur Uni?" Überrascht bemerkte Akira, dass er nicht mehr allein war. "Motoki. Ich dachte, du wärst schon längst dort. Ich meine, du bist doch sonst immer der Erste, der den Hörsaal betritt und der Letzte, der ihn verlässt." Der große Blondschopf lachte. "So wie du das sagst klingt es wie eine Auszeichnung, und nicht nach einem Streber. Normalerweise wäre ich auch schon längst weg, aber ich wollte vorher noch die neuen Poster aufhängen." Akira nickte in Richtung der Fenster. "Die da?" "Ja, die. Das neue SailorMoon-Spiel kommt bald raus. Bestimmt wird es ein Renner." "SailorMoon, Hm? Davon habe ich schon gehört. Es scheint, dass man hier in Tokio einen sehr interessanten Werbefeldzug geführt hat als ich in Europa war." Motoki legte eine Hand auf Akiras Schultern und drückte den Größeren vom Fenster fort und mehr in Richtung Universität. Nicht, dass sie doch noch zu spät kamen "Kein Marketing. Reine Wirklichkeit. Ich weiß, es fällt einem schwer zu glauben, wenn man es nicht mit eigenen Augen gesehen hat, aber SailorMoon und die anderen SailorKrieger gibt es wirklich." "Willst du mich für dumm verkaufen? Das klingt fast so, als wolltest du mir erzählen, dass es wirklich Hasen auf dem Mond gibt, die Reiskuchen backen." "Lach nicht. Ich bin ihnen begegnet, und das nicht nur einmal. Erst gestern habe ich sie wieder getroffen, als jemand auf der Straße direkt neben mir von DemonSeed befallen wurde." "DemonSeed? Ich hielt das für eine Ente der Revolverblätter. Sporen, die einen Menschen befallen und ihn dann in Monster verwandeln, um... Was wollen diese Youmas dann doch gleich?" "Sie absorbieren Lebensenergie von den Umstehenden. Bisher ist noch niemand daran gestorben, aber...." Motoki entblößte seinen rechten Unterarm und präsentierte einen frischen Verband. "Der Mann, der von der DemonSeed befallen wurde, war Chirurg. Als er sich in einen Youma verwandelte, hatte er plötzlich Skalpelle statt Arme, und die Dinger waren wirklich verdammt scharf. Etwas höher, und ich hätte keinen Kopf mehr." Akira pfiff leise, während sie der Universität immer näher kamen. "Hübsches Exemplar, dein Verband. Und SailorMoon hat dich gerettet?" "Nein, nicht ganz. SailorJupiter hat mich am Kragen gepackt und aus der Reichweite der Skalpelle gezogen. SailorMoon hat den Dämon anschließend wieder zurückverwandelt." "SailorJupiter? War die auch auf dem Poster?" Motoki lächelte nachgiebig, während sie das Hauptgebäude der Universität betraten. "Nein, das waren nur in der Mitte SailorMoon, links SailorMerkur und rechts SailorMars. SailorJupiter ist viel größer als die drei. Sie ist auch älter, glaube ich. Sie hat langes, braunes Haar. Sie trägt es als Pferdeschwanz." "Und, welche Farbe hat ihr Rock? Das scheint ja bei den Damen ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zu sein." "Er ist grün." "Sag mal, wie viele SailorKrieger gibt es eigentlich? Die vier, oder noch mehr?" "Also, soweit ich weiß, gibt es insgesamt..." "Guten Morgen, Motoki." "Mamoru. Guten Morgen. Schön, dich zu sehen. Was gibt es?" "Ich habe gehört, du hattest gestern ein... Erlebnis." "Warum so leise? Ich hatte gestern einen Zusammenstoß mit DemonSeed, der mich beinahe meinen Kopf gekostet hätte. Wann wirst du endlich glauben, dass es diese Gefahr wirklich gibt, nicht nur in der Phantasie einiger erschrockener Spaziergänger?" tadelte Motoki den Neuankömmling. "Ach, tut mir Leid, Kennt Ihr euch schon? Akira Torah, Mamoru Chiba." Die beiden gaben sich entgegen der japanischen Tradition die Hand. Mit der Zeit färbte die Art des Westens eben ab, vor allem bei der jungen Generation. "Angenehm", hatte Mamoru gerade sagen wollen, als sich die Hände berührten. Für den Bruchteil einer Sekunde nur schien die ganze Welt in rot getaucht. Das Entsetzen durchfuhr die beiden. Schnell ließen sie wieder los. In der Halle war es ruhig. Niemand schien etwas davon gemerkt zu haben, was ihnen gerade passiert war. "Was war das?" Motoki sah vom einen zum anderen. "Was ist passiert? Als Ihr euch die Hände gegeben habt, schien plötzlich alles... alles Golden zu sein." "Ich habe es rot gesehen", sagte Akira. Mamoru nickte. "Ich auch. Aber was war es? Und wieso hat Motoki es auch erlebt, aber die anderen hier nicht? Was ist so besonders an dir, Akira?" "Und was ist so besonders an dir, Mamoru Chiba?", erwiderte dieser trotzig. Mamoru versteifte sich. "Nichts. Nichts Besonderes. Wir sehen uns. Motoki, Akira." "Eigentlich ganz sympathisch, aber ich glaube, er weiß mehr, als er zugibt, Motoki. Motoki? He, Motoki." Der Blondschopf kratzte sich nachdenklich an der Schläfe. "Und was ist so besonderes an mir, verdammt?" *** "Ich komme zu spät. Ich komme zu spät", rief Usagi Tsukino, während sie durch die Straßen Tokios lief, als sei ein Dutzend Youmas hinter ihr her. "Tröste dich, Usagi, ich habe auch verschlafen", rief ihr Makoto Kino zu, während sie nebeneinander herliefen. "Also, es sollte wirklich für uns Schulfrei geben, wenn wir wieder einen Youma gejagt haben", japste Usagi. "Wir schlagen uns die Nächte um die Ohren und müssen trotzdem so früh aufstehen, obwohl wir Tokio vor diesen schrecklichen Bestien bewahren." "Keine schlechte Idee", erwiderte ihre Freundin, während sie Usagi um einen halben Meter hinter sich ließ. "Wie wäre es, wenn du gleich zum Rektor gehst und ihm sagst: Guten Tag, ich bin Usagi Tsukino, und ich kann mich in SailorMoon verwandeln. Gestern habe ich wieder DemonSeed bekämpft, und dafür hätte ich heute gerne schulfrei." "Es wäre zumindest gerecht", maulte Usagi und holte Makoto wieder ein. "Gerecht, gerecht, wäre die Welt gerecht, hätte sich der Abiturient nicht von mir getrennt... Oder es gäbe nicht schon wieder eine neue Bedrohung." Sie vergrößerte ihren Vorsprung auf Usagi. "Oh nein, nicht das noch. Wir kommen wirklich zu spät", jammerte sie und überholte nun ihrerseits Makoto. "Ich hasse diese Wettrennen am Morgen", keuchte Makoto und erreichte kurz hinter Usagi das Schultor. Usagi hatte es gerade so geschafft. Nur eine Minute später, und die Schultore wären bereits geschlossen gewesen. Was vielleicht nicht das Schlechteste gewesen wäre, dann hätte sie sich nicht im Kunstunterricht langweilen müssen. Aquarelle malen, war sie denn ein Künstler? Das Motiv war frei wählbar, aber ihre Zeichenkünste eher bescheiden. Außerdem ging ihr immer wieder eines durch den Kopf. Dieser Gedanke an Endymion. Den ganzen Tag dachte sie schon an ihn, nicht an Mamoru oder Tuxedo Mask. Es schien, als würde ihr dieser Gedanke etwas sagen wollen. Als wäre ein tieferer Sinn dahinter, dass sie gerade Mamorus lang vergangene Identität in ihren Gedanken trug, aber sie verstand diese Botschaft nicht. Es musste etwas Wichtiges sein. Und es hatte mit Endymion zu tun, nicht mit Tuxedo Mask. Es musste also schon lange der Vergangenheit angehören. Vielleicht war es wichtig im Kampf gegen die neue Bedrohung, diese geheimnisvolle DemonSeed? "Usagi. Das ist aber hübsch", sagte ihre Kunstlehrerin. "Und das mit so wenigen Pinselstrichen. Zwei kämpfende Samurai, verfangen im ewigen Duell. Ich wusste gar nicht, dass du so gut malen kannst." Usagi sah auf. Verwundert betrachtete sie das Bild vor sich. "Aber nein", widersprach sie. "Es sind nur zwei Krieger, die Seite an Seite stehen, um eine große Gefahr abzuwenden..." Verwirrt besah sie sich das Bild genauer. Hatte sie das gemalt? Vielleicht hatte sie in Gedanken versucht, Endymion zu Papier zu bringen... Aber nein, keiner der beiden sah so richtig aus wie er, obwohl eine gewisse Ähnlichkeit bestand. "Na, wie auch immer. Damit hast du dir diesmal ein E verdient." "Na, immerhin etwas", brummelte Usagi, und war in Gedanken schon wieder bei Endymion... *** Es war bereits später Nachmittag und die sanfte Frühlingssonne bestrich Tokio mit ihrer Wärme. Es waren viele Menschen unterwegs, um die Sonne zu genießen. Und nicht wenige erklommen die Stufen der großen Treppe, die auf den Hügel zum alten Hikawa-Tempel führte. Einige, um etwas von den Göttern zu erbitten, einige, um einen Talisman zu kaufen, und wiederum einige, die einfach nur die herrliche Aussicht von hier oben genießen wollten. Und eine war dabei, die sich scheinbar sehr gut im Tempel auskannte. Sie winkte einem alten Priester freundlich zu und betrat das Innere des Tempels, der für Besucher eigentlich gesperrt war. "Hallo", sagte Ami Mizuno leise, als sie das abgelegene Zimmer im Hikawa-Tempel betrat. Rei Hino, der das Zimmer gehörte, lächelte das Mädchen mit den dunklen Haaren an. "Hi. Setz dich. Minako wollte auch gleich da sein. Weißt du zufällig, ob Usagi wieder zu spät gekommen ist und nachsitzen muss? Nicht, dass wir wieder auf sie warten müssen." Ami legte einen Stapel Bücher, ihre ständigen Begleiter, auf dem niedrigen Tisch ab und kniete sich davor auf ein Sitzkissen. "Es war sehr knapp heute Morgen. Aber ich glaube, sie und Makoto haben es gerade so geschafft." "Was? Makoto auch? Dann könnten wir das Treffen ja gleich vergessen. Auf Usagi können wir zur Not ja verzichten, aber auf Makoto..." "Rei", tadelte Ami die Freundin. "Du wolltest doch nicht mehr schlecht über Usagi reden." "Ich weiß, ich weiß. Die Macht der Gewohnheit. Außerdem haben wir ein wirklich ernstes Problem, nicht? Die DemonSeed ist gefährlicher als es den Anschein hat." "Hallo, Ihr zwei", klang eine Mädchenstimme vom Eingang herüber. "Habe ich was verpasst?" Rei winkte die Freundin herein. "Aber nein, Minako. Wir haben noch gar nicht angefangen. Usagi ist noch gar nicht da. Sie war heute Morgen wieder mal zu spät…" "Rei!" "...und Makoto auch. Scheint, als müssten wir noch etwas warten." *** Die DemonSeed... Wenn Akira ehrlich war, hatte er nicht wirklich dran geglaubt, dass es nur eine Zeitungsente war - er hatte es inständig gehofft. Dieses Wort verschaffte ihm eine Gänsehaut, machte ihn reizbar und aggressiv. Was, wenn es wahr war? Motoki war kein weltfremder Spinner. Man konnte ihm glauben, mal ganz abgesehen von seiner Verletzung. Und wenn es wahr war, was konnte er selbst tun? Und warum zum Henker glaubte er bloß, dass gerade er etwas tun konnte? Für heute hatte Akira genug von der Uni. Noch vor der letzten Vorlesung verließ er das Gebäude und wanderte umher. Zu viel war in letzter Zeit passiert, und durch die Albträume hatte er nicht gerade viel Schlaf bekommen. Wie lange er umher gewandert, nein, geirrt war, wusste er später nicht mehr zu sagen, als er endlich stehen blieb und sich umsah. Sein Weg hatte ihn in einen kleinen Park in einem Wohnviertel geführt. Es hätte schlimmer kommen können. Auf einem sanften Hügel in der Nähe des kleinen Parks erhob sich ein traditioneller Tempel. Es war vielleicht nicht verkehrt, dort für einen besseren Schlaf zu beten oder ein Schutzamulett zu kaufen. Wenn es vielleicht nichts nützte, so konnte es doch auch nichts schaden. Plötzlich hielt ein blauer Porsche direkt neben ihm. Die Fahrerin, eine schlanke Frau mit brandroten Haaren und einem sehr engen, kurzen blauen Kleid stieg aus. Sie musterte Akira abschätzend und sagte schließlich: "Du könntest es sein." "Was, bitte? Kann ich Ihnen vielleicht helfen?" "Du könntest in der Tat Tuxedo Mask sein." Verwirrt sah Akira die Frau an. "Tuxedo-wer? Ich verstehe nicht." Die Frau lachte und warf dabei den Kopf zurück, so dass ihr Haar in einer roten Fontäne nach hinten stiebte. "Oh, du wirst verstehen... Ob du nun Tuxedo Mask bist oder nicht." Ihre rechte Hand fuhr nach oben. Ein bläuliches Licht begann sich darum zu sammeln. "DemonSeed... Eile herbei und nimm Besitz von jenem hier!" Die Frau senkte die Hand, richtete sie direkt auf Akira. Das blaue Leuchten wurde intensiver und raste plötzlich in einer blauen Spirale auf den jungen Mann zu. Das Leuchten erfasste ihn und warf ihn meterweit zurück. Es drang in ihn ein, und Akira schrie, schrie vor Angst. Oh, er wusste genau, was nun kommen würde, noch während die DemonSeed in seiner Brust wütete. Aus der Angst wurde Schmerz, er schrie nur noch lauter. Die Frau lachte dazu. Sicherlich hatte sie dieses Schauspiel schon öfters gesehen, aber anscheinend hatte sie den Spaß daran noch nicht verloren... Dann war da ein lautes Zischen, die DemonSeed trat aus der Brust ihres Opfers wieder aus, sie floh regelrecht vor ihm, drang in den Erstbesten ein, der gerade in der Nähe war. Ein harmloser Passant war das Opfer. Unter dem Einfluss der DemonSeed verwandelte er sich schnell in den Albtraum dessen, was ihn im Leben am meisten beschäftigte, bewegte und aufwühlte. Der Mann war leidenschaftlicher Briefmarkensammler, und so verwandelte er sich in ein Zerrbild von einem Philatelisten. Am ganzen Körper mit Briefmarken bedeckt, in den Händen riesengroße, messerscharfe Pinzetten. "Doch nicht auf den!", fluchte die Frau. "Ihn solltest du befallen! Ihn!" "Philaton!", brüllte der Youma verständnislos. "Das gibt es nicht. Noch niemandem ist es gelungen, die DemonSeed abzuwehren. Nur dir, du...." Doch Akira war verschwunden. "Na toll", seufzte sie und stieg wieder in ihren Wagen. "Hör zu, Philaton, sammle so viel Lebensenergie, wie du bekommen kannst, und bring sie dann in unser Versteck. Dann ist dein Einsatz wenigstens nicht völlig vergebens. Und pass auf, dass dir die SailorKrieger nicht folgen. Notfalls opferst du dich." "Philaton!", brüllte der Youma wieder. Mit quietschenden Reifen fuhr die Frau los und war bald außer Sicht. Das Monster erfüllte derweil seine Aufgabe, ergriff die Menschen mit seinen Pinzetten und saugte ihnen dabei ihre Lebensenergie ab. Die Schreie der Gequälten hallten schaurig durch den Park, der noch vor kurzem dem Frieden und diesem schönen Tag gehört hatte... "Halt", rief da eine feste Stimme. "An so einem herrlichen Tag wollen die Menschen spazieren gehen, die Frühlingssonne genießen und etwas Zeit mit ihren Lieben verbringen. Ich kann dir nicht gestatten, diese glücklichen Momente zu zerstören. Ich bin SailorMoon, und im Namen des Mondes werde ich dich bestrafen." "Und ich bin SailorJupiter. Wir machen dich fertig, Monster." "Aber Jupiter", tadelte SailorMoon ihre Kampfgefährtin. "Was ist denn das für eine Ausdrucksweise?" "Aber ist doch so", SailorJupiter zuckte die Achseln. "Wir machen ihn fertig." "Philaton!", brüllte das Monster und warf mit dem linken Arm eine der Pinzetten nach SailorJupiter. Sie sprang zur Seite. Der Youma schoss mit dem anderen Arm die Pinzetten wie Projektile ab. SailorMoon wich davor zurück, vor ihr im Boden zog sich eine Spur der rasiermesserscharfen Greifinstrumente dahin. "Höre mich an, Schutzplanet Jupiter. Mache Wolken, mache Sturm und schick mir deinen Donner. Donnerschlag...", Blitze zuckten aus heiterem Himmel auf Jupiters Diadem herab. Plötzlich schien sie diese Blitze in der Hand zu halten. Sie schien sie werfen zu wollen wie eine Bowlingkugel. "...flieg!" Der Donnerschlag raste auf den Youma zu, traf aber nicht. Das Monster wich aus und feuerte wieder eine Pinzette auf SailorJupiter, die es nicht so recht glauben konnte, dass der riesige Youma so leicht hatte ausweichen können. Die Pinzette erwischte sie, umschloss sie und badete ihren Körper in Elektroschocks. Schreiend ging sie in die Knie, während die Stromstöße sie peinigten. "Philaton!", brüllte das Monster erneut und feuerte wieder eine Salve auf SailorMoon. Wieder wich sie zurück, stolperte über einen Stein. Die Garbe der scharfen Pinzetten raste direkt auf sie zu, als... Die Salve kam nie an. Sie wurde auf dem Weg zu ihr einfach gestoppt. "Tuxedo Mask", hauchte SailorMoon, als sie zwischen sich und dem Monster im Gegenlicht eine Hochgewachsene Gestalt mit Umhang sah. "Du hast mich gerettet." "Ich bin nicht Tuxedo Mask", sagte er und drehte sich zu ihr um. Nein, der da trug keinen Smoking und auch keinen Zylinder, es sah mehr nach einer blauen Uniform aus. Seltsam, SailorMoon konnte seine Augen nicht erkennen. Es schien, dass seine weißen Haare so weit über sein Gesicht ragten, dass alles bis zur Nase in Schatten gehüllt war. "Wer... wer bist du?" "PHILATON!" "Später!", rief der Fremde, sprang zu SailorMoon und riss sie mit sich, weg von einer weiteren Salve. "Kannst du den Youma vernichten?" "Was? Ja, ich...." "Dann tue es." "Aber SailorJupiter ist noch in seiner Gewalt. Wir müssen das Monster erst schwächen, bevor ich es zurückverwandeln kann. Dazu brauchen wir ihre Kraft." Der Fremde in der blauen Jacke nickte ihr zu. Er griff zur goldenen Spange, die auf seiner Brust befestigt war. In seiner rechten Hand verwandelte sie sich in einen schnell rotierenden Diskus. Ohne ein Wort zu sagen warf er die Waffe mit unheimlicher Präzision. Die goldene Scheibe durchtrennte die Pinzette, die SailorJupiter immer noch mit Elektroschocks quälte. Ermattet sank sie in sich zusammen, während der Diskus zum Fremden zurückkehrte und sich dort wieder in die Spange verwandelte und über seinen halben Brustkorb spannte. "Philaton", rief das Monster wieder und feuerte eine weitere Salve auf SailorMoon. Sie konnte ausweichen. "Auf SailorJupiter müssen wir wohl vorerst verzichten", rief der Fremde. "Gebt... mir nur einen Augenblick", kam es schwach von Jupiter. "Dann geht es wieder." "Verdammt, ist die zäh", Der Fremde schien beeindruckt zu sein. "Wir müssen den Youma solange ablenken", rief SailorMoon aufgeregt und wich einer weiteren Salve der tödlichen Pinzetten aus. "Ablenken, ja, eine gute Idee. Und wie, bitte schön?", erwiderte der Unbekannte und wich seinerseits einer jener Pinzetten aus, die SailorJupiter fast zum Verhängnis geworden waren. "Philaton!", brüllte der Youma erneut und feuerte wieder eine Garbe seiner rechten Hand ab. Der Fremde konnte SailorMoon gerade noch aus der Schusslinie stoßen und stand nun selbst in der Gefahrenzone. Er drapierte den Umhang vor sich und wartete ab, was da kommen würde. Einmal war er stärker gewesen als die Waffe des Dämons. Er hoffte, dass seine Kraft noch einmal reichen würde. Doch soweit kam es nicht. Noch bevor die Garbe ihn erreichte, zischte eine rote Rose von wer weiß woher heran und traf den rechten Arm des Youmas. Die Waffe des Monsters explodierte, und der Youma sank klagend auf die Knie. "Philaton!", rief er gequält. "Ein Tag wie dieser ist zu schön, um ihn mit deinem Anblick zu verderben. Er ist einzig jenen vorbehalten, die diesen Tag auch genießen wollen." "Tuxedo Mask", hauchte SailorMoon und sah hoch auf einen nahen Laternenpfahl. Dort stand er, mit Smoking, schwarzem Umhang, schwarzen Zylinder und seiner weißen Maske. Er lächelte und winkte SailorMoon beruhigend zu. SailorMoon lächelte auch, sie glaubte nun, das Monster sei besiegt. In ihrer Hand hielt sie plötzlich ein Zepter mit dem sie die Gefahr beseitigen wollte, doch langsam aber sicher begann sich die Waffe des Youmas zurück zu bilden. "Philaton!", brüllte das Monster, als sich seine Waffe wieder regeneriert hatte, und feuerte eine Salve auf den Neuankömmling ab. Doch noch bevor die Pinzetten abgefeuert waren, hatte Tuxedo Mask seinen Platz bereits verlassen. "Nett, wirklich nett. Hast du noch mehr drauf als Rosen zu werfen und coole Sprüche zu klopfen?", rief der Blaugekleidete. "Ein bisschen mehr", erwiderte Tuxedo Mask. "Es wird reichen müssen." In seinen Händen hielt er einen Spazierstock. Wieder raste eine Salve dieser Pinzetten auf ihn zu, Tuxedo wirbelte seinen Stock herum und wehrte sie so allesamt ab. Doch der Youma ließ sich davon nicht beeindrucken. Von einem Augenblick zum anderen sprang er vor und begrub den überraschten Tuxedo unter seinem Körper. "Philaton!", brüllte er und richtete den rechten, den tödlichen Arm auf den Maskierten. "Tuxedo Mask!", rief SailorMoon in höchster Not. Der Fremde sprang heran, wurde vom linken Arm des Youmas beschossen und konnte ausweichen, jedoch nicht ganz. Ein Ende der Pinzette erfasste ihn am Bein und riss ihn zu Boden, wo er benommen liegen blieb. Sofort griff der Fremde zur linken Brust, um seine Waffe werfen zu können, doch jemand anderes kam ihm zuvor. "Es reicht jetzt wirklich, Monster. Ich bin nicht in der Stimmung, um mich weiter von dir aufhalten zu lassen. Und erst recht nicht werde ich zulassen, dass du meine Freunde bedrohst." SailorJupiter erhob sich wieder, und es war eine Geste voller Kraft und Wut, die den Youma stocken ließ. "Donnerschlag, flieg!" Diesmal wich der Youma nicht aus. Die Waffe des Jupiters traf ihn genau am linken Arm, riss das Monster von Tuxedo Mask fort und zerstörte diese Waffe. Kurz darauf schleuderte der Blaugekleidete erneut seine Spange, sie traf den rechten Arm und vernichtete die andere Waffe. "Philaton!", klagte der Youma. "Jetzt du, SailorMoon", rief Tuxedo, der sich eilig fort gerollt hatte, raus aus der Reichweite des Monsters, um nicht vielleicht noch im letzten Augenblick einfach zerquetscht zu werden. Der kleine Blondschopf nickte ernst. Sie nutzte die Kraft ihres Zepters und rief: "Macht des Mondes, verwandle es zurück." Vom Zepter ging ein Schauer aus Energie und Farben aus und hüllte das Wesen ein. "Philatoooon!", schrie es in höchster Not. SailorJupiters Miene verzog sich zu einem zynischen Grinsen. Die Elektroschocks waren mehr als schmerzhaft gewesen, und sie gönnte dem Monster alles, was es jetzt davon zurück bekam. "Phila..." Es gab einen grellen Lichtblitz, der die Umrisse des Youmas nachzeichnete. Kurz darauf hatte es sich in den Unglücklichen zurückverwandelt, der dieser unheilvollen DemonSeed zu nahe gekommen war. Erschöpft sank der Mann zu Boden, während aus seiner Brust die blau leuchtende DemonSeed austrat. Die teuflische Schöpfung versuchte in die Luft aufzusteigen, doch es gelang ihr nicht mehr. Die eigene Kraft begann die DemonSeed von innen heraus zu verzehren. Stille senkte sich über den Park. Nicht einmal die Bewusstlosen, denen der Youma die Energie geraubt hatte, gaben einen Laut von sich. "Es ist vorbei", sagte Tuxedo Mask leise. "Diesmal." "Danke, dass du uns geholfen hast, Tuxedo Mask. Diese DemonSeed ist viel stärker als die Sorte, mit der wir es ansonsten zu tun haben." "Das habe ich gemerkt, SailorJupiter. Geht es?" "Bin schon wieder in Ordnung", prahlte sie und rieb sich die rechte Faust. "Es braucht schon ein wenig mehr um mich zu beeindrucken, als ein paar Dutzend lächerlicher Elektroschocks." SailorMoon ging zu dem Mann, der dieser teuflischen Brut als Körper gedient hatte. "Es geht ihm gut. Er ist nur etwas erschöpft. Auch den Menschen, denen er die Lebensenergie entzogen hat geht es wieder einigermaßen. Sicher kommen gleich die ersten Krankenwagen. Wir sollten jetzt gehen. Für die Menschen hier ist gesorgt." Der Blaugekleidete trat neben sie. "Fürchtet Ihr etwa die Polizei?" "Nein, das nicht. Aber sie würden uns Fragen stellen, die wir nicht beantworten können, also gehen wir ihnen von allein aus dem Weg", sagte Tuxedo Mask anstelle von SailorMoon. Neben ihm stand SailorJupiter, angeschlagen, aber mit zorniger Miene und gewillt, keine Schwäche zu zeigen. "Danke, Fremder. Wenn du etwas Zeit hast, bitte ich dich, mit uns zu kommen. Vielleicht kannst du uns etwas Neues über diese Gefahr erzählen, was wir noch nicht wissen", sagte Tuxedo Mask mit ruhiger Stimme. Der Weißhaarige nickte. "Welche Richtung?" SailorMoon lächelte und sagte nur: "Mir nach." Sie sprang in mehreren meterhohen Sätzen davon und verschwand in einem Wäldchen am Fuß des nahen Hügels, auf dem der Tempel thronte. SailorJupiter folgte ihr in ähnlich langen Sätzen. Auch Tuxedo Mask suchte auf diese Weise den Schutz des Waldes auf. Der Fremde jedoch... Es schien, als verwische sein Bild, als würde er durch ein unsichtbares Tor verschwinden. "Wo ist er? Kommt er doch nicht?", fragte SailorMoon und sah sich suchend um. "SailorMoon, du glaubst es nicht, aber er ist bereits da oben, auf dem Hügel. Mann, ist der schnell", hauchte Jupiter leise. Es klang beeindruckt. Nun waren sie zu siebt. Fünf SailorKrieger, Tuxedo Mask und er, der Unbekannte. "Wer weiß, ob wir ihm trauen können", flüsterte SailorMars Tuxedo zu. "Vielleicht wurde er ausgeschickt, um uns zu infiltrieren, oder so. Wäre ja nicht das erste Mal, oder?" Sie waren immer noch im Wald am Rand des Tempels. Der Blaugekleidete hatte es sich auf einem umgestürzten Baumstamm bequem gemacht und unterhielt sich angeregt mit SailorVenus. Das heißt, die Kriegerin mit den langen blonden Haaren redete und er hörte zu. "Wer weiß? Wir sollten ihm zumindest nicht zu misstrauisch begegnen, immerhin könnte er ein Freund, ein Verbündeter sein." "Sag ich doch die ganze Zeit", rief SailorMoon und schlug dem Weißhaarigen auf die breite Schulter. "Er ist ein Freund, das erkenne ich doch sofort." "Hm", machte SailorMars. "Du hast damals ja auch gleich erkannt, dass Ale und Ane Außerirdische waren, nicht?" Böse sah SailorMoon zu ihrer Freundin herüber. "Okay, ich habe es nicht gesehen. Aber immerhin hatte ich recht mit meinem Gefühl, dass sie nicht wirklich böse waren, oder?" "Das ist ein Argument", erwiderte die schwarzhaarige Kriegerin. SailorMoon wollte sofort etwas erwidern, bis sie merkte, dass Mars ihr Recht gegeben hatte. Verdutzt beschloss sie zu schweigen. "Ob er nun ein Freund oder ein Feind ist, das wird die Zeit zeigen", sagte SailorMerkur, die bisher stumm geblieben war. Sie aktivierte ihre Scan-Brille, indem sie auf ihren linken Ohrring drückte. Sie betrachtete den Fremden eingehend und kontrollierte immer wieder die Daten, die in ihrem kleinen Computer zusammen liefen. "Also, in einem Punkt kann ich euch beruhigen. Er ist definitiv ein Mensch, kein Youma. Und die Energie, die er benutzt, unterscheidet sich stark von den Energien, denen sich unsere eigentlichen Feinde bedienen." "Also gehen wir erst mal davon aus, dass er zumindest kein Feind ist." Der Fremde fuhr hoch und sah sich suchend um. "Habt Ihr etwa noch jemanden hier versteckt? Wer hat da gesprochen?" Vor SailorMoon lief eine schwarze Katze entlang. Auf der Stirn trug sie einen goldenen Halbmond, und als SailorMoon sie auf die Arme nahm sagte das Tier: "Danke, dass du den SailorKriegern geholfen hast. Das da unten war ein neuer Typ von DemonSeed, ein stärkerer, gefährlicherer Typ. Vielleicht etwas dümmer. Bisher ließ sich die Seed mit zwei, drei Kriegern vernichten, aber ab sofort werden wir das gesamte SailorTeam dafür brauchen." Der Blaugekleidete grinste. "Ich werde verrückt. Die Katze kann sprechen." "Ist es gut, ihm all unsere Geheimnisse anzuvertrauen?", fragte eine andere Stimme. Aus einem der Bäume kletterte eine weiße Katze herab und schlenderte zu SailorVenus. Der Fremde schien ehrlich überrascht. "Zwei sprechende Katzen? Wow." "Ich bin ein Kater", beschwerte sich die weiße Katze. "Mein Name ist Artemis. Ihr Name ist Luna. Willst du uns nicht deinen Namen sagen?" Der Fremde lächelte. Es sah etwas merkwürdig aus, denn noch immer lagen seine Augen unter diesem undurchdringlichen Schatten. "Nennt mich Iskander. Später einmal, wenn die Zeit dazu reif ist, werde ich vielleicht mehr verraten. Irgendwann, werden wir einander mehr vertrauen, dessen bin ich sicher. Vielleicht erfahre ich dann auch mehr über euch." "Das wird die Zeit zeigen", erwiderte SailorMerkur kühl. "Also gut, nennen wir dich Iskander. Kannst du uns irgendetwas sagen, was dir an diesem Youma besonderes aufgefallen ist? Wie ist er entstanden? Wer hat ihn auf die Spaziergänger im Park gehetzt?" "Es war alles sehr verworren. Ihr müsst wissen, ich habe erst heute von der DemonSeed gehört. Und prompt hält neben mir ein blauer Sportwagen, eine Frau mit brandroten Haaren steigt aus und schleudert die DemonSeed in mich." "Was? Die DemonSeed hat dich befallen? Aber... aber...." "Ich weiß nicht so recht warum, aber sie konnte sich in mir nicht halten, SailorMoon. Irgendetwas in mir hat sie wieder ausgestoßen. Daraufhin befiel sie den Nächstbesten, der unglücklicherweise des Weges kam, und die Rothaarige ist wieder verschwunden." "Chrysanthia", stellte Tuxedo Mask tonlos fest. "Schon wieder sie. Wir sollten beim nächsten Mal darauf achten, dass wir sie auch ausschalten." "Chrysa-wer?" "Chrysanthia. Sie war es, die die erste DemonSeed gestreut hat. Seitdem haben wir sieben der Youmas vernichtet, die sie gesät hat. Der heute war Nummer acht." "Mir fällt da übrigens gerade etwas ein, Tuxedo Mask. Als diese Chrysanthia die DemonSeed auf mich losließ, hatte sie gesagt, ich könnte es sein." "Könntest was sein?" "Ich könnte Tuxedo Mask sein." Betroffen schwiegen sie alle, Entsetzen breitete sich aus. "Die... DemonSeed war auf mich... abgerichtet?", flüsterte Tuxedo Mask ungläubig. SailorMoon berührte ihren Freund sanft am Arm. "Keine Angst, wir werden alles tun, was in unserer Macht steht, um diesmal unseren Beschützer zu beschützen, Tuxedo Mask." "Das ist es nicht", erwiderte er mit rauer Stimme. "Wenn unser Feind eine DemonSeed auf mich abrichten konnte, dann sicher auch auf euch... Auf alle, und wir wissen nicht, was mit uns passiert, wenn uns eine Seed befällt, die gemacht wurde, um uns zu übernehmen." "Wasserstrahl, flieg!" SailorMerkur setzte ihre Waffe ein, Ziel war der Unbekannte, der sich Iskander nennen ließ. Der wich aus, sprang in die Luft und landete sicher einige Meter entfernt. "SailorMerkur, was sollte das?", rief SailorJupiter aufgebracht. "Iskander ist ein Freund." "Mein Computer hat an seinem Energiefeld eine ungewöhnliche Resonanz erfasst. Ich wollte kein Risiko eingehen und ihn daran hindern, was immer er vorhatte." "Feuerringe, fliegt... und siegt!" Die Waffe des Mars zerstückelte den Stamm eines Baumes, traf Iskander aber nicht. Der war erneut gesprungen und diesmal weit entfernt gelandet. SailorMars setzte ihm nach, ebenso SailorVenus. Iskander war schnell und geschickt. Als Venus ihre Feuerherzen einsetzte, wich er aus und zog einen Zeigestab aus seiner Uniform, der in seiner Hand plötzlich auf die Länge eines Floretts anwuchs. Wie ein Degenfechter kavierte er die Feuerherzen und schleuderte sie anschließend zu SailorVenus zurück, die von der Kraft des Wurfs zu Boden gerissen wurde. "Feuerball...." Iskander warf sich herum, der Feuerball zuckte nur eine Handbreit entfernt an ihm vorbei... und erhellte dabei den Schatten, der über seinen Augen lag. Verdutzt hielt SailorMars inne. "Es reicht jetzt!", rief SailorMoon. "Wie kann man sich nur so hysterisch aufführen? Bisher hat er nichts getan, was uns gefährden würde, ja, er hat an unserer Seite gekämpft, und Ihr..." "Genau", kam ihr SailorJupiter zu Hilfe. "Ich glaube auch nicht, dass Iskander ein Feind ist. Er hat sein Leben für uns riskiert. Hört auf, Mars und Venus. Und du auch, Merkur." SailorMars kehrte zu den anderen zurück und sagte: "Ich weiß nicht wieso, aber ich glaube, wir können ihm vertrauen." "Und die Resonanz?", beharrte SailorMerkur trotzig. "Vielleicht bereitete er sich darauf vor, eine Waffe gegen uns einzusetzen!" Iskander erschien plötzlich wie aus dem Nichts vor der Kriegerin. Er trat so nahe an sie heran, dass Merkur unbewusst in Kampfhaltung ging. Doch davon ließ er sich nicht beeindrucken. "Was du da angemessen hast, SailorMerkur", sagte er und schlug seinen Zeigestab in die linke Handfläche, "...war mein Versuch, mich zurück zu verwandeln. Ich wollte euch mit Ehrlichkeit begegnen und jetzt doch den ersten Schritt dafür tun, indem ich euch verrate, wer ich wirklich bin." Trotzig reckte Merkur das Kinn vor. "Das behauptest du." Erstaunt sah Iskander sie an und begann laut zu lachen. "Du hast Recht. Du hast nicht einen Beweis, der meine Worte unterstützt. Also werde ich wohl Taten für mich sprechen lassen müssen. Prüfe mich, SailorMerkur, so gut du kannst. Und wenn du irgendwann zu der Erkenntnis kommst, dass ich ein Freund bin, erwarte ich eine Entschuldigung." Er wandte sich von der SailorKriegerin ab, die von seinen Worten überhaupt nicht beeindruckt war und ihn immer noch misstrauisch beäugte. "SailorMoon, entschuldige, aber ich denke es ist besser, wenn ich mich zu einer passenderen Gelegenheit demaskiere. Auf bald." "Warte, Iskander. Wie finden wir dich, wenn wir deine Erfahrung brauchen? Du hast mit uns gegen die erste DemonSeed der neuen Art gekämpft." Iskander wandte SailorMoon sein Gesicht zu. Ein spöttisches Lächeln zierte die sichtbaren Züge. "SailorMoon, ich habe das dumme Gefühl, dass unsere Schicksale miteinander verwoben sind. Ich werde da sein, wenn ihr mich braucht - falls ihr mich braucht." Der fremde Krieger verschwand mit einem schnellen Sprung im Wald. "Ich weiß nicht, warum wir ihn haben gehen lassen", zischte SailorMerkur. "Erst sagt er uns, er wolle sich erst zu einer besseren Zeit demaskieren, dann behauptet er, dass er sich doch gleich hatte zurückverwandeln wollen... Das ist doch alles so... so..." "Meinst du nicht, dass du etwas übertreibst, Merkur?", tadelte SailorJupiter. "Warum nur bist du Iskander gegenüber so misstrauisch? So aufgeregt kennen wir dich sonst gar nicht." Merkur errötete leicht und senkte den Kopf. "Entschuldigt. Ich wollte nicht gehässig sein oder Misstrauen säen. Es ist nur, irgendwas an ihm... macht mich wütend und vorsichtig. Ich bin misstrauisch und bleibe es auch." "Hm, das ist dein gutes Recht, Merkur", erwiderte Jupiter. SailorMoon sah in die Runde und sagte leise: "Ich bin mir sicher, du irrst dich, Merkur. Er ist bestimmt nicht böse." Tuxedo Mask nickte. "Zumindest heute war er es nicht. Ich gebe Iskander Recht. Lassen wir seine Taten sprechen." 3. Dämonen "Ah, Chrysanthia, meine Liebe. Ich hoffe, du berichtest mir von einem Erfolg." Das dunkle Gewölbe klang wider von wundervoller Geigenmusik. Die Lichter waren so weit gedämpft, dass die einsame Gestalt, die im Sessel, dem einzigen Möbelstück in der Halle saß, fast vollkommen mit der Finsternis verschmolz. Chrysanthia konnte nicht einmal sagen, ob ER die Augen geöffnet hatte oder ob ER einfach gespürt hatte, dass sie leise eingetreten war. Sie verneigte sich und zur Sicherheit noch etwas tiefer und länger als ER es von seinen Untergebenen eigentlich verlangte. "Ein Misserfolg?", riet ER und kalte, nackte Angst fuhr durch ihre Gliedmaßen. Es fehlte nicht mehr viel, und sie würde ersetzt werden - durch eine frischere, stärkere Kämpferin. Diese Biester drängelten ohnehin schon die ganze Zeit um ihre Chance, in seinem Namen Ruhm im Kampf zu erwerben. "Ja, Herr, aber es war kein ganzer Misserfolg!" "Dann hat dein Youma also Lebensenergie für den großen Plan in unser Versteck gebracht?" Chrysanthia fiel sicherheitshalber auf die Knie. "Leider nicht, Herr. SailorMoon, SailorJupiter, Tuxedo Mask und ein fremder Krieger haben meinen Youma besiegt." ER fuhr aus seinem Sessel hoch. Die Musik brach ab. Gefährlich leise sagte er: "So, so. Du hast den Youma, den wir extra erschaffen haben, damit er Tuxedo Mask befällt, verloren. Und du berichtest mir von einem neuen Kämpfer auf Seiten der SailorKrieger. Verzeih mir, aber ich verstehe deine Worte nicht, Chrysanthia. Wie kann das kein völliger Misserfolg sein?" Sie sah schüchtern auf. "Nun, Herr, ich habe etwas Unglaubliches beobachtet. Das Opfer, von dem ich annahm, er sei Tuxedo Mask, hatte alle Kriterien erfüllt, die wir von Tuxedo erwartet haben. Student, intelligent, körperlich gut in Form, überlegt und etwas überheblich. Ich bin sogar soweit gegangen, die Silhouetten beider übereinander zu legen. Sie stimmten zu fast neunzig Prozent überein." "Hm", kam es von ihm. Für den Moment war er interessiert... Eventuell gab ER ihr doch noch eine Chance. "Sprich weiter, Chrysanthia." "Ich folgte ihm von der Universität aus durch die Stadt. Er spazierte nach einiger Zeit in jenen Stadtteil, in dem die SailorKrieger besonders aktiv waren. Ich dachte, das wäre der letzte Beweis und schlug zu. Ohne Gnade setzte ich ihn der DemonSeed aus, sie fuhr in ihn und ergriff von ihm Besitz." "Und dann kam SailorMoon mit ihrem Tuxedo Mask vorbei und hat den Youma wieder zurückverwandelt." "Nein, Herr. Es war ganz anders. Hätte... hätte ich es nicht mit eigenen Augen gesehen, ich würde es nicht glauben. Der junge Mann, den ich zum Ziel gewählt hatte, hat die DemonSeed... ausgestoßen." "ER HAT WAS?" Hilflos sah sie ihn an. "Ich kann es nicht besser erklären. Anstatt ihn in einen Youma zu verwandeln ist sie wieder ausgetreten. Die Seed ist regelrecht geflohen." "Hm", machte ER und rieb sich nachdenklich am Kinn. "Vielleicht war die Seed nicht bereit. Vielleicht habe ich die Fähigkeiten einer Potentialreduzierten Seed auch nur überschätzt, und sie kann niemand anderen als ihr eigentliches Ziel übernehmen." "Nein, Herr, das war es nicht. Kaum dass sie ausgetreten war hat die DemonSeed den Nächstbesten überfallen und ihn in einen Youma verwandelt. Die Seed hat funktioniert, sie hat nur nicht diesen jungen Mann übernehmen können. Kurz nachdem sich die DemonSeed in ihr neues Opfer zurückgezogen hat, kamen SailorMoon und SailorJupiter, und haben die Seed bekämpft. Sofort darauf tauchte der fremde Krieger auf und kurz danach auch Tuxedo Mask." "Kann es sein? Haben wir einen neuen Feind durch unsere DemonSeed enttarnt? Oder hat sich Tuxedo Mask als zu stark erwiesen?" ER trat direkt vor Chrysanthia. Seine Augen funkelten gefährlich aus der Dunkelheit zu ihr herüber. "Was meinst du, Chrysanthia? War es Tuxedo Mask?" Sie wandt sich unter seinem Blick. "Ich... ich kann es nicht sagen, Herr. Es kann auch sein, dass wir den neuen Krieger erweckt haben. Ich würde zumindest vorschlagen, dass wir uns auf ein neues Ziel konzentrieren, bis wir wissen warum die Seed versagt hat." ER nahm wieder in seinem Sessel Platz. Die Gefahr für ihr Leben, die unmittelbare Gefahr war vorbei. "Wen schlägst du vor?" "Ich dachte an SailorMerkur. Intelligent, taktisch begabt, das Gehirn der SailorKrieger. Wenn wir sie ausschalten, schwächen wir die SailorKrieger empfindlich." ER lachte erst leise, dann immer lauter, bis der Saal von seinem Gelächter widerhallte. "Du hast sicher schon jemanden ermittelt, der SailorMerkur sein könnte, nicht wahr, Chrysanthia? Du würdest mich doch nicht etwa enttäuschen wollen?" "Oh, nein, Herr. Da ist in der Tat ein Mädchen, hochintelligent, selbstsicher und mit der Fähigkeit, ihren Verstand auch praktisch einzusetzen. Das Ziel für die nächste DemonSeed heißt... Ami Mizuno." Die Geigenmusik erklang wieder und schwoll an, bis sie den gesamten Saal erfüllte. ER lachte dazu, laut, lauter, immer lauter, bis sein Lachen, sein krudes, selbstzufriedenes Lachen sogar die Musik übertönte. 4. Am Haken Es war ein ruhiger Abend. Die Sonne ging gerade unter. Die Möwen kreischten leise über dem Hafen, und das Wasser der Bucht von Tokio schwappte rhythmisch gegen den Kai. Es war ein friedliches, Ruhe erzeugendes Bild, und beinahe hätte Rei Hino diesem Bild nachgegeben und sich in einem harmlosen Tagtraum verloren. Sie seufzte leise und sank mit dem Kopf auf ihre Arme, die auf dem Geländer ruhten, das den gesamten Kai umgab. "Also, wir haben zwei neue Probleme." Rei stieß sich vom Geländer ab und sah ihre Mitstreiter an. "Zum einen versucht unser neuer Feind uns mit Hilfe seiner DemonSeed gezielt auszuschalten. Und wir wissen nicht, was mit einem von uns passiert, wenn eine DemonSeed ihn befällt, geschweige denn was geschieht, wenn die Seed auf ihn abgestimmt ist. Zum zweiten haben wir einen Neuen in unserem Revier. Hat jemand eine Ahnung, wer er sein könnte?" Makoto ließ sich ihr gegenüber auf einer Parkbank nieder und fragte: "Du meinst, wir kennen ihn womöglich?" "Genau das. Vielleicht ist er jemand aus unserem Bekanntenkreis. Ich meine, wenn wir etwas mehr über ihn erfahren, wissen wir vielleicht eher, ob wir ihm vertrauen können." "Hm." Usagi machte ein ratloses Gesicht. "So auf Anhieb...tut mir Leid, mir fällt da keiner ein. Oder... Motoki vielleicht?" Minako kicherte leise. "Usagi, ich bitte dich. Doch nicht Motoki." "Und wieso nicht? Kannst du mir das mal erklären?" Ami kam ihrer Freundin zu Hilfe. "Nun, Iskander hat uns gesagt, dass ihn die DemonSeed angegriffen hat. Erst danach hat er sich verwandelt. Aber Motoki ist bereits mehrfach angegriffen worden, nicht nur von der DemonSeed. Wäre er Iskander, dann hätte ihn schon längst etwas erweckt." "Aber die Seed war noch nicht in ihm", beharrte Usagi trotzig. "Das ist ein Argument", sagte Rei und drehte sich wieder zum Hafenbecken. Wieder legte sie die Arme auf das Geländer und bettete ihren Kopf darauf. Nachdenklich sah sie dabei zu, wie sich der Horizont langsam mit der Schwärze der Nacht anfüllte. "Also, ich bin dafür, dass wir diese Möglichkeit zumindest ausschließen. Einer von uns sollte Motoki überwachen." Makoto sprang auf. "Ich mache das schon." Usagi sah die Freundin an. "Und es hat bestimmt keinen persönlichen Hintergrund, dass gerade du Motoki checken willst?" Abwehrend hob Makoto die Arme und lächelte verlegen. "Nein, nein, ganz bestimmt nicht. Es ist nur so, dass ich gerade Zeit habe, und..." "Schon gut, Makoto. Wenn du unbedingt zu Motoki gehen willst - bitte. Immerhin hast du ihm kürzlich das Leben gerettet. Wenn er dich erwischt, kann er unmöglich sauer auf dich sein", sagte Usagi und winkte ab. Minako starrte sie mit großen Augen an. "Wow. Von Ami hätte ich so was ja erwartet, aber von dir, Usagi... Bist du krank?" "Wieso? Nur, weil ich eine gute Idee habe?" "Nein", sagte Rei und kam zu ihnen herüber. "Weil du überhaupt mal eine gute Idee hast." "Rei...", mahnte Ami. "Was denn?", erwiderte die unschuldig. "Es war doch eine gute Idee. Oder?" Usagi zog ein Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen. "Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich über dieses Lob freuen soll..." *** SailorJupiter beobachtete Motoki jetzt schon seit einiger Zeit. Es deutete nichts darauf hin, dass er etwas anderes war als der Motoki, den sie schon seit Monaten kannte. Er saß da in seiner Wohnung, las ein wenig und knabberte ein paar Snacks. Natürlich war die Wohnung wieder mal vollkommen in Unordnung. Motoki nannte das `gemütlich´. Sie bevorzugte den Ausdruck `unüberschaubares Chaos´. Vielleicht sollte sie mal zufällig vorbei schauen und dieses Inferno auf Vordermann bringen. Bei der Gelegenheit konnte sie sicherlich herausfinden, ob Motoki im Moment eine Freundin hatte... Keine wäre ihr am liebsten gewesen. Oh, sie hätte hier noch stundenlang bleiben und ihn beobachten können... "Jupiter?" Sie aktivierte ihr Kommunikationsgerät. "Ja?" "Hier ist Merkur. Man hat Iskander auf dem Tokio Tower entdeckt. Er scheint dort auf etwas zu warten. Du kannst aufhören, Motoki zu beobachten. Er ist definitiv nicht Iskander." Jupiter seufzte entsagungsvoll. "Ist gut. Ich komme zum Tower." "Nein, brauchst du nicht. Mamoru will gehen. Minako und ich werden ihm heimlich folgen, um zu hören was die beiden besprechen. Bereite du dich lieber auf die Schule morgen vor. Merkur Ende." Jupiter beendete die Kommunikation und unterdrückte ein Lachen. "Immer noch die gleiche Ami. Auf die Schule vorbereiten..." Sie warf einen letzten Blick auf den lesenden Motoki und verschwand dann in der jungen Nacht. Im Appartement kramte Motoki aus seiner Jacke derweil den silbernen Zierstab hervor, den ihm heute dieser Fremde gegeben hatte, dieser Typ, bei dem man nicht die Augen sehen konnte. "Du wirst es brauchen können", hatte er gesagt. Und war verschwunden. Motoki wusste nicht, was genau er davon halten sollte, aber immer, wenn er den Stab in die Hand nahm, da hatte er das Gefühl, dass er etwas... Wichtiges war. Plötzlich begann der Stab in seiner Hand weiß aufzuglühen. Das Glühen erfasste seine Augen und drang in sie ein. Als es erlosch, da... "Ich verstehe", murmelte Motoki leise. Aber warum ausgerechnet er? Warum nicht Mamoru oder Akira? Oder sonst jemand anderes? Warum er? 5. Gefechte Es war Nacht über Tokio. Doch dunkel wurde es hier nie. Es war immer etwas los, die Blechlawinen der Autos rollten zu jeder Tageszeit durch die breiten Straßen der Stadt, mal mehr, mal weniger, aber immer waren sie unterwegs. Man konnte sie sehen, hier oben auf dem Fernsehturm, und zum Glück brauchte man sie nicht zu hören, bis auf ein unterschwelliges Brummen. Aber ihre Lichter sah man, die Scheinwerfer, die in dem Gemälde der Straßenbeleuchtungen und dem Licht aus den Fenstern der vielen Wohnungen umher strichen und dem Bild etwas surrealistisches verliehen - als würde sich auf Erden der Sternenhimmel spiegeln und unzählige Sternschnuppen und Kometen waren in ihm unterwegs. Akira drapierte den weißen Umhang wie einen Mantel um die Schultern. Es war kalt hier oben. Nicht so kalt wie er erwartet hatte. Es schien, dass ihn etwas vor der Kälte beschützte, sobald er sich verwandelt hatte. Diese Verwandlung...er verstand sie immer noch nicht. Als die DemonSeed in ihm gewesen war, da hatte sie... etwas berührt, etwas angetastet, was in ihm geschlafen hatte, vielleicht schon viel zu lange geschlafen hatte. Oder vielleicht hatte es noch schlafen sollen, er war sich da nicht so sicher. Es ließ sich nicht leugnen, dass er jetzt diese Kraft hatte, diese Uniform, diese Spange die so eine mächtige Waffe war... und diesen Zeigestab. Akira zog den unterarmlangen Stab hervor und konzentrierte sich auf ihn. Plötzlich begann der mattschwarze Gegenstand zu wachsen, bis er die Länge eines Degens hatte. Spielerisch schwang er den Stab herum. Er lag gut in der Hand und war eine nette Waffe. Akira spürte aber, dass da noch etwas im Stab schlummerte, eine Kraft, die er noch gar nicht entdeckt hatte. Was hatte es mit all dem auf sich, mit den SailorKriegern und ihren Feinden? Was war Lebensenergie, und warum war jemand so verrückt danach, dass er sogar Dämonen auf Menschen losließ? Wessen Kampf war es? Vielleicht sein eigener, vielleicht aber hatte er kein Recht, einzugreifen und gar parteiisch zu sein. Akira wusste es nicht. Er wusste nur, dass ihn eine unbegreifliche Macht in diese Uniform hüllte, wenn er `Iskander erwache´ sagte. War es die gleiche Macht wie bei den SailorKriegern? Teufel, er konnte es nicht sagen. Bis heute hatte er sogar nicht mal gewusst, dass es sie wirklich gab. Er brauchte mehr Informationen, und das so schnell wie möglich. "Tuxedo Mask, schön, dass du kommen konntest", sagte Iskander und ließ seinen Zeigestab wieder schrumpfen. Der Maskierte ließ sich aus einer Höhe von zehn Metern direkt neben ihn fallen. "Woher hast du gewusst, dass ich es bin?" "Ich habe es nicht gewusst. Ich habe geraten. Immerhin wollte ich dich hierher locken, darum standen die Chancen nicht schlecht für mich. Hast du Zeit?" "Du wolltest mich herlocken? Wieso?" "Hast du Zeit? Wenn ja, erfährst du es." Tuxedo nickte. "Ich habe etwas Zeit mitgebracht. Worum geht es?" "Nein, nicht hier. Wenn meine Anwesenheit auf dem Tokio Tower dich anlocken konnte, dann gewiss auch einen Feind. Wer weiß, vielleicht auch ein paar SailorKrieger. Ich würde gerne allein mit dir reden - ganz allein." "Kann ich dir vertrauen?" Iskander reichte dem Maskierten seinen Zeigestab. "Behalte ihn als Pfand." "Also gut. Wohin?" "Einfach mir nach. Es gibt da den einen oder anderen Ort, wohin uns heimliche Lauscher nicht folgen können." Iskander sprang in die Luft, Tuxedo Mask folgte ihm. Zwei, drei Sekunden später lösten sie sich einfach auf. Ungefähr dreißig Meter höher schlug eine frustrierte Chrysanthia auf das Metall des Fernsehturms und fluchte dabei undamenhaft. Ein paar Augenblicke noch versuchte sie, eine Spur der beiden zu entdecken, dann verschwand sie wieder. Hier gab es nichts mehr zu gewinnen. Fast direkt unter ihr hockte eine frustrierte SailorVenus. "Hast du das gehört, Merkur? Heimliche Lauscher, pah. Was für ein arroganter Kerl." "Was soll's, er hat ja recht. Wir wollten heimlich lauschen. Es ist nur sehr schade, dass wir jetzt nichts erfahren werden." "Tuxedo Mask wird uns schon berichten, was Iskander gesagt hat." "Wenn er nicht gerade in eine Falle läuft", gab Merkur zu bedenken, doch sie bereute ihre Worte noch im gleichen Moment. Bestimmt war Tuxedo Mask keiner Gefahr ausgesetzt. Nicht er, das Licht der Erde. *** Verblüfft sagte Tuxedo Mask: "Das ist ja die andere Seite des Towers. Du hast recht, hierhin wird uns niemand folgen." Iskander ließ sich auf einer der Streben nieder und zog den Umhang eng um den Leib. Tuxedo setzte sich neben ihn. Auffordernd sah er den Weißhaarigen an. "Es geht um mich, Tuxedo. Ich bin mir nicht sicher, was ich machen soll. Liegt mein Schicksal darin, den SailorKriegern zu helfen, oder vielleicht im Gegenteil? Vielleicht sollte ich mich sogar ganz raus halten. Das heute Nachmittag war nur Glück, musst du wissen. Ich habe meine Kräfte und Waffen instinktiv eingesetzt, ohne zu denken. Ich weiß nicht einmal, ob ich das nächste Mal ebenso handeln kann... Ob ich nicht einfach an einen Stärkeren gerate und dabei draufgehe. Lohnt sich das Risiko überhaupt? Lohnt es sich, mein Leben für die SailorKrieger zu riskieren? Ja, bin ich ihnen überhaupt eine Hilfe, oder werde ich zu einem Störfaktor?" Verzweifelt sah Iskander zu Tuxedo herüber. Der zuckte die Schultern. "Ich kann nicht für dich entscheiden, was richtig oder falsch ist, mein Freund. Ich bin dir zu Dank verpflichtet, weil du SailorMoon beschützt hast, und ich wäre dir auch zu Dank verpflichtet, wenn du uns gegen die DemonSeed helfen würdest. Aber es ist wahr, dies ist sicher nicht dein Kampf. Meiner, ja, SailorMoons, ja, aber deiner... Vielleicht solltest du dich wirklich bemühen, neutral zu bleiben." Akira ließ den Kopf sinken. "Dass du so etwas sagen würdest, habe ich nicht erwartet, Tuxedo Mask. Ich dachte mehr daran, dass du für die Sailor sprechen würdest. Es hätte mir einiges vereinfacht." Der Maskierte sah den Weißhaarigen an. "Entschuldige, Freund, dass ich nicht dein Gewissen sein kann, dass ich dir diese Entscheidung nicht abnehmen kann. Aber für das was du tust, bist im Endeffekt nur du allein verantwortlich. Also musst du die Entscheidungen darüber was du tust auch allein treffen. Denn nur dann wirst du dich wirklich daran gebunden fühlen und sie auch befolgen." Iskander nickte. "Das leuchtet mir ein. Entschuldige...Freund, ich bin noch neu im Geschäft." Sie schwiegen daraufhin einige Zeit. Schließlich meinte Iskander: "Sag mal, wie bist du da rein gerutscht? Oder ist das ein Geheimnis?" Tuxedo lächelte still. "Nein, kein Geheimnis. Weißt du, ich kenne SailorMoon aus einem früheren Leben. Ich bin an sie gebunden, und sie an mich. Es klingt vielleicht etwas kitschig, aber wir lieben uns schon seit ewigen Zeiten." Iskander schüttelte den Kopf. "Nicht kitschig, nur unglaubwürdig. Aber nach dem was ich heute alles erlebt habe gibt es nichts mehr, was mich überraschen könnte. Ein früheres Leben? Und du erinnerst dich daran? Erzählst du mir davon?" Wieder lächelte Tuxedo Mask. "Wieso nicht? Es ist kein Geheimnis. Aber meine Erinnerung ist lückenhaft. Weißt du, es begann, als das SilverMillennium, ein mächtiges Königreich, dass sich auf unserem Mond befand damit begann, Krieger zur Erde zu senden, die versuchen sollten die allgegenwärtigen Youmas zu bändigen. Das Risiko war groß für die Kämpfer des Mondes, denn solange sie auf der Erde weilten entblößten sie den Schutz von Königin Serenity und des SilverMillenniums. Aber es lohnte sich, denn fast alle Dämonen wurden zurückgedrängt und bezwungen. Nur ein Dämonengeneral, Metallia, entkam und konnte sich verbergen, um im Verborgenen für seine Rache Kraft zu sammeln. Für die Erde aber brach zum ersten mal Frieden an, ein Frieden, der..." Verzweifelt sah Tuxedo zu Iskander herüber, der fasziniert gelauscht hatte. "Tut mir Leid, ich erinnere mich nicht mehr. Ich weiß nicht mehr, wie der Frieden war. Ich weiß nur noch, wie eines Tages einer der Krieger des Mondes, ein Mann, nicht älter als ich, an meinem Hof rastete. Damals war meine Mutter die Verwalterin des SilverMillenniums auf der Erde, wir hatten also des Öfteren Krieger des Mondes zu Besuch. Er hatte dieses Bild dabei, dieses wundervolle Bild von diesem unwiderstehlich schönen Mädchen. Ich war fasziniert und bestürzt zugleich, als mir der Krieger sagte, dass es ein Bild von Prinzessin Serenity war, der designierten Herrscherin des SilverMillenniums, und ich sie niemals würde sehen können..." Iskander grinste breit. "Klingt nach einem schweren Fall von Liebe auf den ersten Blick." "Das war es auch. Ich weiß nicht wie, aber irgendwie überredete ich den Krieger, mich mitzunehmen wenn er auf den Mond zurückkehrte... Er hat es tatsächlich getan, mich zum Mond gebracht... Mir Prinzessin Serenity vorgestellt...Es war mehr als nur Liebe auf den ersten Blick, für uns beide. Es war, als seien wir füreinander geschaffen worden. Damals war uns nicht viel gemeinsame Zeit vergönnt gewesen, unsere Treffen fanden heimlich statt, und meistens unter der Aufsicht von Prinzessin Serenitys Garde, den SailorKriegern. Und dann... Dann griff Metallia wieder an und überzog die Erde mit Krieg und die Menschen in seinen teuflischen Bann... Wieder sandte das SilverMillennium seine besten Krieger auf die Erde, doch Metallia und seine Kriegssklaven griffen stattdessen den ungeschützten Mond an, die letzte Bastion der Menschlichkeit. Das SilverMillennium wurde..." "Vernichtet, nicht? Die Prinzessin und du, ihr starbt füreinander, und kurz darauf opferte die Königin ihr Leben, um Metallia zu ver.... Was siehst du mich so an, Tuxedo, ich habe geraten. War es nicht so?" "Fast. Jedenfalls müsstest du jetzt verstehen, warum ich... warum mein Herz immer an SailorMoons Seite schlagen wird, die einst Serenity war. Wie wirst du dich entscheiden, mein Freund?" Iskander stand auf und warf den Umhang über die Schulter. Nachdenklich, mit einem kleinen Lächeln sah er auf das nächtliche Tokio hinab. "Eingemischt habe ich mich nun mal, nicht? Also habe ich bereits Partei bezogen." "Außerdem bist du der Erste, der die DemonSeed abwehren konnte." "Ja, das auch. Aber ich denke, es gibt noch einen wichtigeren Grund. Ich sollte nach meinem Herz entscheiden. Und das sagt mir: Beschütze SailorMoon und die SailorKrieger." Schwungvoll warf sich der Weißhaarige herum. "Tuxedo Mask, rechne mit mir. Ich bin jetzt überzeugt, dass ich das Richtige tue, wenn ich den SailorKriegern helfe." "Du schließt dich uns an?" "Nein, das nicht. Ich helfe euch, wann immer ich es kann. Erwarte von mir nicht, dass ich mehr vollbringen kann - aber auch nicht weniger." Iskander streckte die Hand aus und sagte: "Danke, Tuxedo Mask. Du hast mir sehr geholfen." Er erwiderte: "Jeder Mensch hat sein eigenes Schicksal. Wenn das deine hilft, die Gefahr der DemonSeed zu vernichten, will ich zufrieden sein." Lächelnd ergriff er die Rechte des Gegenübers und schüttelte sie kurz. "Hier, dein Pfand, Krieger." Tuxedo Mask gab Iskander seinen Stab zurück, legte rechten Zeige- und Mittelfinger zum Gruß an die Stirn und verschwand mit einem Sprung in der Nacht. Iskander verstaute den Stab in seiner Uniform und verließ den Tower dann ebenfalls - diesmal in der Gewissheit, dass er das richtige tat, und dass er diese Nacht keinen Albtraum haben würde. 6. Retter Oh, es war so ein schöner Tag. Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten... und die Schule wartete. Ami Mizuno, sonst ein Musterbeispiel an Pünktlichkeit war heute etwas spät dran, deshalb hatte sie kein rechtes Auge für die morgendliche Pracht. Es war eben gestern etwas lang geworden, als sie zusammen mit Minako auf dem Tokio Tower diesen neuen Krieger hatte observieren wollen... Und dann war ihr auch noch eingefallen, dass sie zwar den nächsten Tag frei hatte, aber ihre Kurse warteten. Also hatte sie noch ein wenig gelernt nachdem die Sache auf dem Tower danebengegangen war. Ärgerlich. Iskander schien gewusst zu haben, dass sie das Treffen hatten belauschen wollen. Na, es war ja auch keine Schwierigkeit gewesen, so etwas vorauszusehen. Deshalb hatte dieser Fremde noch lange keine kognitiven Fähigkeiten. Überhaupt war dieser Neue ein Buch mit sieben Siegeln, fast schon ein rotes Tuch. Wenn sie nur wüsste, wieso seine Gegenwart sie so auf die Palme brachte. Lag es vielleicht daran, dass Iskander ein Idiot war? Nein, er handelte sicher und folgerichtig. Lag es daran, dass er zu viele Fehler beging? Nein, nicht mehr, als jeder andere Mensch auch. Was also war es? Weshalb hasste sie Iskander fast schon, obwohl sie ihn nicht kannte? Wieso schaffte er es, sie allein durch seine Anwesenheit derart zur Weißglut zu treiben? Was hatte der Krieger, dessen Augen man nicht sehen konnte, an sich? Rei hatte ja mit ihrem Feuerball den Schatten über Iskanders Augen erhellen können. Ami war sich sicher, dass sie auch gesehen hatte, was sich darunter verbarg, aber die Freundin konnte nicht einmal sagen, welche Augenfarbe der Krieger hatte. Konnte sie es nicht, oder wollte sie es nicht? Je länger sie darüber nachdachte, desto schlechter wurde ihre Laune. Missmutig blieb sie stehen und sah sich um. Die Blumen blühten, die Vögel zwitscherten, selbst die Autos schienen heute etwas leiser als sonst zu sein. Trotzdem war ihr Tag verdorben. Und sie war immer noch sauer auf Iskander. Doch langsam mischte sich ein neues Gefühl in ihre Empfindungen, etwas anderes. Verwundert stellte sie fest, dass es Angst war. Und die Angst begann langsam in ihr zu wachsen, bis... Direkt neben ihr quietschten Reifen. Ein blauer Porsche hielt neben ihr. Die Fahrerin stieg aus und lächelte sie an, in etwa so, wie Usagi ihr zweites Frühstück betrachtete. "Jaaa", sagte sie und strich ihr brandrotes Haar über die Schulter zurück. "Du könntest es sein, Ami Mizuno." Chrysanthia. Das war Chrysanthia, ihre derzeit ärgste Feindin, die Frau, die mit ihrer DemonSeed bereits so viel Angst und Schrecken in Tokio verbreitet hatte. "Wie?", rief Ami. "Könnte was sein?" Chrysanthia stieß ihre Rechte nach oben. Ein blaues Leuchten entstand aus dem Nichts und umstrich ihre Hand, umfing sie und tanzte an ihr bis zum Handgelenk herab und wieder hinauf bis zu den Fingerspitzen. DemonSeed. Fasziniert betrachtete Ami deren Tanz an Chrysanthias Hand. "Du könntest wirklich SailorMerkur sein. DemonSeed, ergreife von ihr Besitz!" Ami reagierte sofort und warf sich herum, wich der Seed aus. Niemals durfte diese Seed von ihr Besitz ergreifen. Niemals. Die blaue Spirale aus Staub und Energie verharrte kurz auf der Stelle, an der sie sich eben noch befunden hatte und schoss wieder auf sie zu. In höchster Not schrie sie auf. Was würde geschehen, wenn die Seed in ihr war? Würde sie so stark wie Iskander sein und die Seed bekämpfen können? Oder würde die Seed sie unterwerfen? Und dann... Aus dem Nichts erschien ein energetischer Blast und erreichte die Seed, kurz bevor sie Ami berühren konnte. Die DemonSeed bäumte sich auf, wurde überzogen von elektrischen Entladungen, zuckte, immer wieder, bis ihre eigene Energie begann, sich selbst zu verzehren. "Verdammt!", rief Chrysanthia enttäuscht. "Das darf doch nicht wahr sein. Aber warte, Ami Mizuno, ich habe noch eine DemonSeed für dich." Auf dem Sims eines nahen Gebäudes erschien eine schlanke Gestalt, sah auf sie herab. Direkt hinter ihr stieg die Sonne empor, deshalb konnte Ami nicht mehr erkennen als die kurzen Haare und die kämpferische Pose, in die sich die Gestalt geworfen hatte. "Was?", rief Chrysanthia überrascht. Der Schattenriss des Fremden gestikulierte stumm, um die rechte Hand ballte sich ein Knäuel aus zuckenden, sich bewegenden Blitzen. Kurz darauf wurde das Knäuel geworfen, Chrysanthia konnte nur knapp ausweichen. "Das werdet Ihr mir büßen", brüllte sie, stieg in ihren Porsche und fuhr mit quietschenden Reifen davon. Ami sah zu ihrem Retter empor und sagte: "Danke, wer immer... SailorUranus, bist du das?" Direkt vor ihr sprang der Fremde herab - ein Mann, gekleidet in eine blaue Uniform. Er war sehr schlank, in den Schultern jedoch breiter als SailorUranus. Er trug eine weiße Maske, ähnlich wie Tuxedo Mask. "Ich habe es gern getan, Ami Mizuno." "Wieso kennst du mich?" Er antwortete nicht darauf, verneigte sich vor Ami leicht und sprang davon. "Sei auf deinem Weg vorsichtiger und hüte dich vor dieser Frau. Ich kann nicht immer in der Nähe sein, um dich zu schützen", rief er, während er auf dem nahen Dach landete. "Warte, wer bist du? Wie soll ich dich nennen?" Er wandte sich ihr zu und lächelte. Es war ein warmes, sehr freundliches Lächeln, beinahe etwas verschmitzt. "Ich weiß nicht. Nenne mich... Nenne mich Gyes." Einen Wimpernschlag später war er verschwunden. Einen langen Augenblick sah Ami auf die Stelle, an der er verschwunden war, bevor sie mit ihrem Computer Kontakt zu den anderen SailorKriegern aufnahm. "Hier ist Ami. Ich wurde gerade von Chrysanthia mit DemonSeed angegriffen." "Was?", rief Makoto bestürzt. "Geht es dir gut, Ami?" "Mir ist nichts geschehen. Es ist mir jemand zu Hilfe gekommen. Ein Fremder, der sich Gyes nennt. Aber das ist nicht der Punkt. Chrysanthia hat mich gezielt angegriffen." "Gezielt?" "Ja, es ist so, Usagi. Sie hat gesagt, ich könnte es sein, und dann hat sie die DemonSeed auf mich gehetzt." "Könntest was sein?" "Ich könnte SailorMerkur sein...." "Ami! Egal, was du heute vorhast, egal, was du gerade tust, vergiss es und komm sofort in den Hikawa-Tempel. Wir werden dort versuchen, dich zu schützen." "Es ist wohl die klügste Lösung, Rei. Ich bin schon unterwegs." Gyes sah Ami Mizuno noch nach, so weit er sie sehen konnte. Vielleicht war es klug ihr zu folgen. Vielleicht griff diese Frau erneut an. Oh, er kannte diese Fremde zur Genüge, und er hasste was sie tat: DemonSeed säen. Bereits einmal wäre ihm die Seed, nein, ein Besessener fast zum Verhängnis geworden. Vielleicht hatte er jetzt die Chance, sie daran zu hindern, so etwas erneut zu tun. Ein für allemal. Doch bevor er sich auf den Weg machen konnte sagte eine feste Stimme hinter ihm: "Wir sollten uns dringend unterhalten, General." Gyes wandte sich um und sah den Kerl von gestern, der ihm diesen Stab gegeben hatte. Auch jetzt schienen seine Augen stets im Schatten zu liegen. Gyes nickte. "Wir müssen uns unterhalten, Kämpfer des Mondes." *** Es war mittlerweile später Nachmittag. Alle fünf SailorKrieger hatten sich im Hikawa-Tempel versammelt. Usagi gähnte breit. "Meint ihr wirklich, dass Chrysanthia noch kommt? Ich meine, wir warten jetzt schon seit Stunden auf sie." "Warte mal, das kann ich nachprüfen. Du hast drei Portionen Reiskuchen verdrückt, dazu kommen noch die Schokoriegel... Usagi hat recht, wir warten wirklich schon stundenlang", stichelte Rei. "Rei...", tadelte Ami leise, konnte aber ein Lächeln nicht unterdrücken. "Schon gut, schon gut. Also, furchtlose Anführerin, was schlägst du vor?" "Wir sollten was essen gehen." "Warum wundert mich diese Antwort nicht?", seufzte Makoto. "Wieso nicht?", maulte Usagi. "Bei der Gelegenheit locken wir vielleicht sogar Chrysanthia raus, wir machen sie fertig und haben Ruhe." Stille. "Hey, was seht Ihr mich alle so an? Was habe ich denn nun wieder angestellt?" Minako schüttelte nur den Kopf. "Es muss was in der Luft liegen. Usagi hat eine gute Idee nach der anderen." "Eine Idee? Hatte ich?" "Ja, und sogar eine gute", erwiderte Ami. "Es ist richtig, wenn ich mich hier verstecke, dann zögere ich die Konfrontation nur hinaus. Aber wenn ich - wenn wir da hinausgehen und Chrysanthia eine Falle stellen, dann haben wir vielleicht erst mal Ruhe." "Hm, klingt gut. Aber du solltest nicht als Ami raus gehen. Verwandle dich. Chrysanthia will ihre DemonSeed auf SailorMerkur ansetzen. Du brauchst sie ja nicht unbedingt mit der Nase drauf stoßen, dass ihr Verdacht richtig war." "Du hast Recht. Ich verwandle mich und präsentiere mich an der Hafenmole. Sobald Chrysanthia auftaucht, greift ihr ein und wir haben sie." "Das ist ein guter Plan", freute sich Usagi. "Verwandeln wir uns. Macht der Mondnebel...." *** Es war bereits später Nachmittag, als Akira in Gedanken versunken durch die Innenstadt schlenderte. Viel war in letzter Zeit geschehen, und er brauchte die Ruhe, um über alles nachdenken zu können. Vor einer Woche hatte er nicht einmal gewusst, dass es die SailorKrieger überhaupt wirklich gab, und jetzt hatte er bereits Verantwortung für sie übernommen. Nein, er hatte sogar noch mehr getan und für einen weiteren Krieger Verantwortung übernommen. Er war es gewesen, der Gyes erweckt hatte. Die Resonanz damals in der Halle der Universität war zu deutlich, zu eindringlich gewesen, um ein Zufall zu sein. Gyes und er waren durch eine gemeinsame Vergangenheit verbunden. Auch Mamoru Chiba hatte eine deutliche Resonanz gezeigt. Akira würde ihn auch aufsuchen müssen, in Gefahr bringen müssen wie Motoki. Und das war der wichtigste Punkt in der Geschichte. Er hatte bereits Gyes erweckt und in das Geschehen mitgerissen. Damit lag es an ihm, den Freund zu beschützen, koste es, was es wolle. Motoki hatte es verdient, einst an Altersschwäche zu sterben, und nicht in einem Kampf gegen DemonSeed, in den er selbst den Freund hineingezogen hatte. Für noch einen Freund, für noch einmal diese große Verantwortung war sein Kreuz eigentlich zu schwach. Andererseits wusste er, dass ihn mit Mamoru ebenso etwas verband wie mit Motoki. "Akira", rief ihn jemand. Er wandte sich um und erkannte Mamoru Chiba und Motoki Furohata, die auf ihn zu kamen. "Hallo, Jungs." "Es ist ein schöner Tag, nicht wahr?", sagte Mamoru. "Fast zu schön, um glauben zu können, dass ein Dämon gerade irgendwo dort draußen ist, den Körper eines Menschen beherrscht und ihm Lebensenergie entzieht." "Ja, es ist kaum zu glauben", meinte auch Motoki und rieb sich den rechten Unterarm mit der fast verheilten Narbe. "Was ist eigentlich Lebensenergie?" "Was?" "Ich habe gefragt, was Lebensenergie ist." Mamoru sah Akira erstaunt an und hob hilflos die Schultern. "Das ist eine schwere Frage, weißt du? Ich weiß es selbst nicht so genau. Lebensenergie ist... ist wie eine Art Bio-Energie, die der Körper produziert." "Ja, mit ihr kann man sich bewegen und so, Spaß haben und das Leben genießen", half Motoki aus. Mamoru sah zum Freund herüber. "Spaß haben?" "Na ja, Lebensenergie ermöglicht wohl Bewegung, und wer sich bewegen kann, der kann auch Spaß haben", verteidigte Motoki seinen Standpunkt. "Also, wenn ich euch zwei Experten richtig verstanden habe, dann wird Lebensenergie vom Menschen selbst produziert. Entzieht man sie ihm, dann wird ihm etwas sehr wichtiges genommen, und das kann ihn sogar töten. Aber was Lebensenergie wirklich ist, das wisst Ihr zwei nicht, was?" Die beiden grinsten Akira an. "Hast uns ertappt", gestand Motoki. "Schade. Wenn wir diese Frage genau klären könnten, wüssten wir endlich, was ein Youma mit der Lebensenergie anfängt und hätten damit eine Möglichkeit gefunden, ihn zu vernichten." Nachdenklich rieb sich Mamoru das Kinn. "Also, irgendwie redest du anders als gestern, Akira. Irgendetwas in deinem Denken muss sich radikal verändert haben. Warum sonst interessierst du dich plötzlich für Dämonen und Lebensenergie?" Der weißhaarige Akira sah zu Motoki herüber, der unbewusst nickte. "Etwas hat sich in der Tat verändert, und das nicht nur für mich, Mamoru..." Das war das letzte Wort, das einer der drei sprach, bevor das Inferno losbrach. *** Der Plan war an sich gut. SailorMerkur stand an der Hafenmole, trug ihre Scan-Brille und analysierte anscheinend das Bild der Tokioter Skyline nach Spuren der DemonSeed. In der Nähe verbargen sich die SailorKrieger, um Merkur rechtzeitig beistehen zu können. "So, hier finde ich dich endlich", erklang Chrysanthias Stimme. "Na, dann kann ich ja meinen Auftrag endlich ausführen." Merkur wirbelte herum. "Chrysanthia!" "Schön, dass du dich freust, mich zu sehen", spottete sie und strich sich eine Strähne ihres Haars aus dem Gesicht. "Wasserstrahl...." "Nicht doch", tadelte Chrysanthia. "Versuche nicht, dich zu wehren. Ich verspreche dir auch, dass es schnell gehen wird... Schnell und schmerzhaft." "Halt", kam es da von hinten. "Ich bin auserwäh..." "Später, SailorMoon. Chrysanthia kennt den Spruch schon." "Hm, wie wäre es dann mit Im Namen des Mondes? Ja? Also, Chrysanthia, haben wir dich endlich. Und im Namen des Mondes wird dich Team Sailor für die Gräuel, die du getan hast, bestrafen. Was hat sie? Weint sie etwa?" Verwundert sahen SailorMoon und die anderen die Feindin an. Diese hielt den Kopf tief gesenkt, ihre Schultern bebten. Es sah wirklich so aus, als würde sie weinen. Doch nein, es war ein leises Lachen. Und es wurde immer lauter, bis Chrysanthia ihren Kopf schwungvoll in den Nacken warf und lauthals lachte. "Oh, Ihr ahnungslosen Kinder. Da habt Ihr mir also eine Falle gestellt? Gut, ich bin in eure Falle gegangen. Aber dennoch habt ihr verloren. Denn ihr habt mir den Köder da gelassen." Sie stieß ihre Rechte gen Himmel und rief: "DemonSeed..." Sofort entstand ein sanftblaues Leuchten um ihre Hand, das sich schnell zu einer wirbelnden Spirale formte. "...ergreife von ihr Besitz!" Die blass-blaue Spirale verließ die Hand und raste in einem irrwitzigen Tempo auf SailorMerkur zu. Merkur selbst war wie erstarrt. Diesmal konnte sie nicht ausweichen. Diesmal kam auch kein leuchtender Diskus oder Blitzschlag aus dem Nichts, um die DemonSeed zu vernichten. Diesmal würde die Seed sie erwischen. Als die DemonSeed in SailorMerkur eintrat stand die Zeit für einen Augenblick still. Entsetzen breitete sich auf den Gesichtern der vier anderen SailorKrieger aus. Chrysanthias Gesicht verwandelte sich in eine siegesgewisse Fratze. Zunächst aber geschah nichts mit SailorMerkur, außer dass sie auf die Knie sank und nach Atem rang. Ihre Rechte fuhr zu ihrer Kehle, die sich regelrecht zugeschnürt hatte, und mit der Linken stützte sie sich zusätzlich am Boden ab. Sie hustete ein- zweimal und sank dann kraftlos zusammen. "M-merkur?", fragte SailorMoon vorsichtig. "Merkur, geht es dir gut?" Als Antwort klang ein leises Lachen zu ihnen herüber. Merkur sah auf, und ihre Augen waren zu funkelnden roten Diamanten geworden, die den Hass selbst in sich geborgen zu haben schienen. "Ich bin nicht mehr SailorMerkur", sagte sie mit einer zuckersüßen Stimme, die vor Hohn überquoll. "Ich bin jetzt mehr. Weit mehr. Ich bin jetzt eine SeedQueen. Mein Name ist Tsunami." Hundert Meilen östlich der japanischen Hauptinsel Honshu bäumte sich der Ozean auf, stieg aus seinem Bett zu einer gigantischen Säule, die schnell eine Höhe von dreihundert Metern erreichte. Die Säule hatte einen Durchmesser von stolzen drei Kilometern, und blieb für einen Herzschlag stabil. Schon beim zweiten Schlag ihrer Existenz neigte sie sich gen Westen und stürzte in den Ozean zurück. Erneut erhob sich die Säule, diesmal zu einer gigantischen Flutwelle, die mit aberwitziger Geschwindigkeit auf Japan zuraste, und wenn man die Linie ihres Weges genauer verfolgte, unbedingt die Bucht von Tokio treffen musste. SailorMars stöhnte unterdrückt auf, als sie erkannte, dass es keine Schreckerfüllte Vision war, sondern die raue Wirklichkeit. Ein Fanal, geschaffen zur Geburt der ersten SeedQueen. *** Akira Torah wandte sich zugleich wie unter Schmerzen. Etwas zehrte an ihm, riss sein Ich in tausend Fragmente. Er taumelte vorwärts und stieß gegen Mamoru Chiba. Ein Schrei rang sich aus seiner Kehle, unmenschlich, erfüllt vom ganzen Schmerz den ein Mensch empfinden konnte. Tokio würde zerstört werden, um die Geburt der ersten SeedQueen zu feiern. Deutlich sah er in seinem Geist die gigantische Flutwelle, die sich unaufhaltsam näherte. Der Distrikt Chiba auf der Tokio vorgelagerten Halbinsel, seine vielen Städte und letztendlich noch etliche Bezirke der Hauptstadt würden ebenfalls vernichtet werden, nachdem die Welle. über Chiba hinweg, durch die Bucht von Tokio und danach über die Hauptstadt hinweg geschossen war. Die Schäden würden unermesslich sein, und viele Millionen Menschen in den unbarmherzigen Fluten sterben müssen. Die Erkenntnis ließ sein Herz stocken. Wieder schrie er - nein, jemand anderes hatte geschrien. Akira verschloss sich vor der Vision und versuchte in seine Umgebung zurückzukehren. Vor ihm war Mamoru zu Boden gesunken. Er hielt beide Hände an den Schädel gepresst und schrie, aber lautlos. Motoki stieß gegen ihn, auch er taumelte, war kaum Herr seines Gleichgewichts, und schrie, schrie seine ganze Angst hinaus. Um die drei herum waren die Menschen zusammengebrochen. Sie hatten das Schreckliche nicht ertragen, waren bereits lange zuvor ohnmächtig geworden, lange bevor sie verstanden hatten, was passiert war, was passieren würde. "Sailor...Merkur...", stöhnte Mamoru. Das war es. SailorMerkur. Sie war die erste SeedQueen. Sie hatte diese Säule aus Wasser, die gigantische Flutwelle beschworen. "Iskander, erwache!", rief Akira. Energie durchflutete seinen Leib, umschwärmte in glitzernden Spiralen seinen gesamten Körper, umspülte ihn mit goldenem Licht, dass ihn bis zum Hals zu verhüllen schien. Schließlich verschwand er ganz im Wirbel, und als er wieder hervortrat, tat er dies mit wehendem weißem Umhang, einer glitzernden goldenen Spange auf der Brust und einem stummen Lächeln. Die Rechte hatte er zum Gruß an die Stirn geführt. "Warte. Wo willst du hin, Iskander?" Akira wandte sich um. Tuxedo Mask war da. Sein Gesicht war bleich, doch er schien entschlossen und kampfbereit. "Du weißt es... Mamoru." "Ja, ich weiß es", blaffte er. "Und ich hoffe, es wird nicht nötig sein." Direkt neben Iskander trat Gyes heran. Er stellte sich an seine Rechte und sagte: "Wir werden tun, was immer nötig ist, Tuxedo Mask. All das, was du nicht kannst." Iskander streckte die Hand aus und sagte: "Mamoru... Tuxedo Mask, Motoki und ich sind nur Anfänger, gesegnet mit gewaltigen Kräften, aber wir wurden gerade erst erweckt. Kämpfe Seite an Seite mit uns. Du hast die Erfahrung und findest vielleicht einen Weg, wie wir die SeedQueen besiegen können, ohne SailorMerkur zu vernichten oder halb Honshu von einer Tsunami zerstören zu lassen." Tuxedo Mask legte seine Hand auf Iskanders Rechte. "Also gut, Iskander. Wir gehen zusammen." "Zusammen", sagte auch Gyes und legte seine Hand dazu. Zu dritt verschwanden sie im Nichts. *** "Das kann nicht wahr sein", rief SailorMoon in höchster Not. "Merkur, das kann nicht sein. Das hast du nicht getan. Du kannst die Stadt doch nicht mit einer Flutwelle ausrotten. Merkur, komm zu dir." Die SeedQueen lachte darüber, irre und laut. "Was kümmern mich die Würmer in dieser Stadt... USAGI?" Erschrocken verharrten die SailorKrieger. Die diamantenen Augen der SeedQueen funkelten sie siegesgewiss an. "In dem Moment, in dem ich mit SailorMerkur verschmolz, übernahm ich auch ihre Erinnerungen. Ich weiß alles über euch. Usagi Tsukino. Makoto Kino. Rei Hino. Minako Aino. Selbst wenn Ihr der Zerstörung durch die Flutwelle entkommt, nirgends werdet Ihr vor mir sicher sein." "Wir...wir müssen...", stammelte Jupiter zusammenhangslos. "Was, Jupiter, was?" "Wir müssen sie angreifen und..." "Und besiegen?" "Vielleicht, wenn wir sie schwächen. Vielleicht kann SailorMoon sie dann zurückverwandeln." Direkt vor Jupiter bohrte sich eine Eissäule in den Boden. "Vorsicht, ich kenne euch und eure Gedanken. Ihr könnt mich nicht besiegen. Ihr müsstet mich schon töten, um mich aufzuhalten. Aber das werdet Ihr ja nicht tun, weil ich immer noch ein wenig... Ami Mizuno bin." Die SeedQueen lachte, lachte über die Hilflosigkeit der SailorKrieger. "Na gut, versucht mich zu besiegen. Vielleicht schafft Ihr es ja. Aber wie stoppt Ihr die Tsunami? Vielleicht nur, wenn Ihr mich tötet." "Wir müssen es versuchen!", rief Mars und bereitete einen Bannspruch vor. Venus beschwor ihre Feuerherzen, um die SeedQueen zu fesseln. SailorMoon holte ihr Zepter hervor. Nur Jupiter tat nichts. Sie beobachtete. Wieder fuhren Eissäulen in die Erde. Die erste Säule störte SailorMars' Konzentration. Die zweite konnte Venus nur abwehren, indem sie die Feuerherzen einsetzte. Eine weitere Säule schlug SailorMoon das Zepter aus der Hand. "Du bist wirklich nicht mehr du selbst", sagte Jupiter tonlos. Das Gesicht der SeedQueen wurde für einen Moment starr und nahm dann einen gequälten Ausdruck an. "Jupiter. Hilf mir. Bitte. Wenn die SeedQueen stirbt, dann wird die Flutwelle…" "Das wissen sie schon. Verfluchtes Luder. Stärker als ich gedacht habe", zischte Tsunami Jupiter kniff die Augen zusammen, visierte die SeedQueen an. Die reagierte sofort, und bevor SailorJupiter ihren Donnerschlag benutzen konnte jagte eine angespitzte Eissäule auf sie zu. Erschrocken sahen die Krieger auf. Die SeedQueen hatte diese Waffe geworfen, um zu töten. Kurz bevor sie jedoch das Ziel, SailorJupiters Brust, erreichte, zuckte eine rote Rose heran und zerstörte die Waffe. Tuxedo Mask sprang von einem nahen Baum herab und stellte sich schützend vor die SailorKrieger, die sich gerade wieder erholten. "Einst warst du ihre Freundin. Der Dämon kann all das nicht in dir vernichtet haben. Merkur, du bist stark. Du kannst es schaffen, den Dämon zu bezwingen." Verdutzt sah die SeedQueen den Maskierten an... und begann zu lachen. "Deine Ablenkung ist sinnlos, Tuxedo Mask. SailorMoon hat ihr Zepter verloren und kann es nicht einsetzen. Dir bleibt nur eine einzige Chance, die Flutwelle zu bannen. Du musst diesen Körper vernichten." Die SeedQueen lachte, laut, grausam und siegessicher. "Aber das kannst du nicht, nicht wahr? Nicht einmal um zwanzig Millionen Menschen zu retten." Tuxedo Mask senkte den Kopf. "Du hast Recht, ich kann es nicht. Ich hoffe, ein anderer hat die Kraft zu dem, was ich nicht vermag." Aus dem Nichts erschien ein Knäuel aus sich umzuckenden, überlagernden Blitzen, traf die SeedQueen genau in der Leibesmitte. Sie schrie auf und stürzte schwer zu Boden. "Wer...?" "Ist das nicht egal?", rief Iskander und sprang neben ihr zu Boden. Er zog seinen Zeigestab, der sofort auf die Größe eines leichten Degens wuchs und schlug damit nach der Queen. Die wich aus und erschuf mit ihrer Kraft einen Eiszapfen, der ebenso lang und dünn war. Damit parierte sie seinen zweiten Schlag. "Du Narr", keuchte sie zwischen zwei Hieben. "Was, glaubst du, gibt dir eine größere Chance mich zu besiegen als jenen dort?" Iskander fintierte kurz rechts und landete einen schmerzhaften Hieb auf ihrem rechten Bein. Die SeedQueen knickte ein. "Mein Vorteil ist, dass ich SailorMerkur nicht kenne. Ich kann sie töten." Mit einem Aufschrei sprang die Queen zurück. "Das wirst du nicht. Die SailorKrieger werden es nicht zulassen. Dieser Körper gehörte einst zu ihnen." Iskander sprang heran und landete einen schweren Hieb, der die Queen taumeln ließ. "Werden sie nicht." Tatsächlich versuchte Tuxedo Mask sein Möglichstes, um die SailorKrieger am Eingreifen zu hindern. Doch wie lange konnte er sie noch zurückhalten? "Du darfst sie nicht töten!", rief SailorMoon in höchster Not. "Merkur ist unsere Freundin!" Die SeedQueen hatte keine Zeit sich zu freuen. Iskanders nächster Hieb zerschlug ihre Waffe und schleuderte sie selbst zu Boden. Dort verharrte die Queen bewegungslos. Für einen kurzen Augenblick erschien wieder die Vision der nahenden Flutwelle vor ihrer aller Augen. "Iskander", rief die Queen Panik erfüllt. Nein, es war SailorMerkur, die rief. "Iskander. Schnell, ich kann sie nicht mehr lange halten! Töte die SeedQueen, solange es noch geht!" "Nein", rief SailorMoon. "Das darfst du nicht. Es gibt einen anderen Weg." Iskander ergriff den Stab wie einen schweren Pflock und sprang in die Luft. Sein Ziel war der regungslose Körper von SailorMerkur, nein, der SeedQueen. "Donnerschlag, flieg!", rief SailorJupiter und schleuderte ihre Waffe auf Iskander, um ihn an seinem Vorhaben zu hindern. Der Donnerschlag traf ihn und zuckte in ungezählten Bahnen über seinen Umhang hinweg, ohne ihn selbst aufzuhalten. Ein wütender Schrei entrang sich seiner Kehle, als er auf die SeedQueen wie ein Racheengel nieder fuhr. Die Zeit fror ein. Im Osten sah man bereits die gigantische näher kommenden Flutwelle, SailorMoon schrie auf in höchster Not, Jupiter verfluchte ihre Schwäche, die nicht gereicht hatte, Iskander zu bezwingen, Mars wandte sich ab, um es nicht sehen zu müssen und Venus krallte sich in Tuxedo Masks Umhang, erfüllt mit Hass und Trauer. Und Tuxedo Mask selbst...begann in diesem Moment zu zweifeln. Doch es war zu spät. Iskanders Miene wurde fest. Die SeedQueen, nein, SailorMerkur begann gelöst zu lächeln, hatte am Schluss doch noch der Merkur gewonnen. Die Spitze des Stabes zuckte nur ein Haar breit an Merkurs rechtem Ohr in den Boden. Erschrocken, gefasst auf den Tod, hielt sie den Atem an, und die DemonSeed in ihr befand sich in heller Aufruhr. "Einen Weg gibt es tatsächlich noch, Tuxedo Mask", sagte Iskander und drapierte seinen Umhang über sich und die SeedQueen. Es gab einen Schrei, so erbarmungswürdig und unmenschlich zugleich, dass kalte Angst die SailorKrieger erfasste. Kurz darauf sprang Iskander davon. Zurück blieb eine leblose Merkur. Iskander wandte sich ihnen zu, und zum ersten Mal konnten sie alle seine Augen sehen. Augen, rotglühende, facettenreiche Diamanten. "Oh nein, die Seed ist in ihm." Iskander lächelte kalt und sah nach Osten, wo sich noch immer die Tsunami erhob. "Die SeedQueen hat gelogen. Ihr Tod hätte die Flutwelle nicht aufhalten können, nicht einmal sie selbst hätte dies geschafft. SailorMoon, nimm dein Zepter, schnell." "Warte. Er ist jetzt von der Seed besessen", rief SailorMars. "Ja, aber er ist der einzige, der sich je gegen die Seed wehren konnte", erwiderte SailorMoon und trat neben Iskander. "Das Beste wäre, wenn Ihr alle eure Kräfte vereinigt, aber ohne Merkur wird es nicht gehen, und ich weiß nicht, ob sie es überlebt hat. SailorMoon, richte dein Zepter auf die Flutwelle und versuche sie zu bannen." "Okay. Und was machst du?" "Ich benutze die Kraft, die der DemonSeed innewohnt. Und das hier." Iskander hob den Zeigestab. Ein weißes Gluten hatte ihn erfasst. "Macht des Mondes, vernichte die Flutwelle!" "Mondlicht, banne das Wasser. DemonSeed, gib mir deine Kraft." Ein Strom reiner rosa Energie verließ SailorMoons Zepter. Auf halbem Weg zur immer näher kommenden Welle verschmolz sie mit einem weiteren Energiestrahl, der halb blau, halb golden schimmerte. Wo sich die Energien trafen entstand ein Band in den Farben des Regenbogens. Das Band breitete sich aus, umschloss die näher kommende Tsunami und... "Es... es funktioniert", hauchte Jupiter ergriffen. Tuxedo Mask nickte kalt. Er zog unter seinem Mantel eine rote Rose hervor und fixierte Iskanders Rücken. "Aber..." "Falls die Seed doch stärker ist als er, Mars. Iskander hat mich darum gebeten." Die Tsunami brach zusammen, einen Herzschlag darauf war die Gefahr für die Halbinsel, die Bucht von Tokio und die Hauptstadt gebannt, als hätte es sie nie gegeben.. "Wir haben es geschafft, SailorMoon", sagte Iskander und knickte in den Knien ein. SailorMoon wollte zu ihm stürzen, doch Iskander wehrte ab. "N-nein, nicht, SailorMoon. Es... es ist..." Schwere Krämpfe schüttelten ihn, wühlten sein Innerstes auf. Etwas in ihm wollte...wollte hinaus. "Yaaaargh!" Die Seed verließ seinen Körper und versuchte, nach oben zu entkommen. Doch noch bevor sie auch nur drei Meter Höhe gewonnen hatte, verzehrte sie sich in ihrer eigenen Energie. Im gleichen Augenblick setzte sich Merkur ruckartig auf. Ihre Augen öffneten sich, diesmal keine Rotglühenden Diamanten. Verwundert stellte sie fest: "Ich lebe noch." "Merkur", rief SailorMoon erleichtert. "Geht es dir gut?" "Ich.. ich denke schon. Wie geht es Iskander?" "Er lebt auch noch." "Ich bin mir da nicht so sicher", erwiderte der Krieger, dessen Augen nun wieder im Schatten lagen. Noch immer krümmte er sich vor Schmerzen, aber immerhin, er lebte. Tuxedo Mask half dem erschöpften Krieger wieder auf die Beine zu kommen, während die SailorKrieger Merkur umschwärmten und sich vergewisserten, dass es ihr auch wirklich gut ging. "Wie rührend", rief da eine spöttische Stimme hinter ihnen. Sie fuhren herum. Chrysanthia stand dort und lachte über sie. "Meine SeedQueen, meine brillante SeedQueen, meinen Engel der Zerstörung habt ihr vernichtet, aber euer Preis dafür wird sehr hoch sein. Ich kenne nun eure Namen. Bereitet euch darauf vor, dass ich komme, um euch zu vernichten." Sie lachte, halb hysterisch, halb belustigt. "Aber.... Was hindert mich eigentlich daran, euch hier und sofort zu vernichten, solange SailorMoon entkräftet ist?" SailorJupiter beschwor ihren Donnerschlag. Venus hielt bereits ihre Feuerherzenkette in der Hand und Mars schleuderte eine Salve ihrer Feuerringe auf die Feindin. "Wir sind es aber nicht!", rief Jupiter. Knapp nur konnte Chrysanthia den Feuerringen ausweichen. "Komm nur, trau dich", rief Mars. Spöttisch sah Chrysanthia zu ihnen herüber. "Oh, Ihr habt ja Zähne. Es würde Spaß machen, euch jetzt schon zu vernichten, aber ich will lieber auf Nummer Sicher gehen. Habt ab sofort Angst vor mir, jeden Schritt den ihr geht, jeden Augenblick, den ihr schlaft, denn vielleicht stehe ich bereits in der Nähe, um euch zu euren Ahnen zu senden." Wieder lachte sie, wich der Feuerherzenkette aus und sprang mit einem gewaltigen Satz davon. "Auf bald, SailorKrieger - auf sehr bald." "Lasst sie nicht entkommen!", rief SailorMoon. "Sie weiß zu viel über uns!" "Nein, wartet. Chrysanthia wird nicht weit kommen. Vertraut mir einfach." "Hoffen wir, dass du recht hast, Tuxedo Mask", stieß Mars zwischen zusammengepressten Lippen hervor, während sie der davon eilenden Feindin nach sah. Chrysanthia war in wahrer Hochstimmung. Gewiss, sie hatte die SeedQueen verloren, aber sie kam nicht mit leeren Händen zurück. Die Geistesreduzierten Youmas waren wirklich in der Lage, die SailorKrieger zu übernehmen und sich ihrer vollen Kraft zu bedienen. Diese Erkenntnis würde der DemonSeed einen wichtigen Vorteil im Kampf verschaffen. Außerdem wusste sie nun die Namen aller fünf SailorKrieger. Sie konnte ihre Feinde nun problemlos eine nach der anderen vernichten, und... "So, so. Du bist also Chrysanthia", erklang eine Stimme vor ihr. Aus dem Nichts schälte sich ein hochgewachsener Mann in einer blauen Uniform hervor. Seine Haare waren dunkelblond und seine Augen unter einer weißen Maske verborgen. "Du bist schuld an den Attacken der DemonSeed." "Wer... wer bist du?" Ihr Gegenüber lächelte gering schätzend. "Nenne mich Gyes. Oder einfach jemanden, der dir nicht vergeben kann, was du getan hast." "Warte. Wir haben keinen Streit miteinander. Du musst mich nicht bekämpfen." Gyes zog den rechten Ärmel seiner Uniform zurück und präsentierte eine lange Narbe. "Das war deine DemonSeed, Chrysanthia. Ohne die SailorKrieger wäre ich jetzt tot. Aber auch wenn ich ihnen nicht verpflichtet wäre, ich würde alles tun, damit das Grauen, welchem du dienst, ein Ende hat." Gyes zog den Ärmel wieder zurecht. Stumm senkte er kurz den Blick, riss die Rechte empor. In seiner Handfläche sammelten sich Blitze, die teilweise über seinen gesamten Körper zuckten und auf der linken Brust einen Kreis zu formen schienen. "Blitze, eilt herbei, seid mir zu Diensten, greift an und... siegt." Chrysanthia hatte die gesamte Zeit wie gebannt auf die zuckenden Blitze gestarrt. Jetzt, wo der Ball aus Energie auf sie zuraste, begriff sie erst die Gefahr. Aus dem Nichts erschuf sie ein blaues Schild zwischen sich und der Waffe. Als der Blitz einschlug, wurde sie mehrere Dutzend Meter zurückgeschleudert. Ihr Schild zerbrach. Angstvoll sah sie hoch, erkannte, dass sie nicht mehr dazu kommen würde, ihrem Herrn ihren Erfolg mitzuteilen. "Donnerschlag...", erklang es hinter ihr. "Blitze...", kam es von vorne. "Nein", hauchte sie leise und ergab sich in ihr Schicksal. Kurz bevor die Waffen von Jupiter und Gyes Chrysanthia erreichten, schienen sie Ausläufer zu bilden und sich gegenseitig zu berühren. Beide Waffen verschmolzen binnen eines Gedankens zu einer und schlossen sie ein, in einen Griff voller Macht und Energie. Qualvoll schrie Chrysanthia auf, als die Waffe durch ihren Körper fuhr. Plötzlich verließ etwas ihren Körper, ein blauer Schemen, der gedankenschnell davon zuckte. "DemonSeed!", rief Tuxedo Mask. "Sie war von DemonSeed besessen! Die Seed darf nicht entkommen!" Ein leuchtender Diskus raste heran, traf die Seed genau in der Mitte und zerstörte sie in einer grellen Leuchterscheinung. Der Diskus wurde dabei all seiner Energie beraubt und fiel zu Boden. Es war Iskanders Spange. "Danke, Gyes", hauchte der geschwächte Krieger. "Danke, SailorJupiter. Das war sehr gute Arbeit. Diese DemonSeed sind wir los." Ein Hustenanfall schüttelte seinen Körper. "Geht es dir gut, Iskander?", fragte SailorMoon besorgt. "Nein, es geht mir nicht gut, SailorMoon. Um die Kräfte der Seed benutzen zu können, habe ich sie tief in mein Ich lassen müssen. Sie hat viel in mir verwirrt, mein Puls ist unregelmäßig und wenn ich mich nicht darauf konzentriere, vergesse ich zu atmen. Wahrscheinlich werde ich Tage brauchen, um mich von der Begegnung mit der SeedQueen zu erholen. Auf jeden Fall will ich nie wieder eine Seed in meinen Körper lassen." Die kurze Rede hatte ihn erschöpft. Er sank auf ein Knie nieder. Gyes sprang herbei und half ihm wieder hoch. "Ich kümmere mich um ihn, SailorMoon", sagte er und glitt unter Iskanders linken Arm. Tuxedo Mask stemmte sich unter den anderen Arm. "Wir kümmern uns um ihn. Kümmert euch um Chrysanthia oder wer immer sie wirklich ist, SailorMoon. Auch Merkur ist noch nicht wieder bei Kräften. Gyes wird sich euch ein anderes Mal vorstellen." Gemeinsam hielten sie den erschöpften Iskander zwischen sich und sprangen davon. Nach drei gewaltigen Sätzen waren sie verschwunden. SailorJupiter sah ihnen nach. "Er sieht aus wie..." "Oh nein, Jupiter, du wirst jetzt doch nicht etwa sagen, dass Iskander aussieht wie der Abiturient, der dir damals den Laufpass gegeben hat?", rief Mars in komischer Verzweiflung und verdrehte die Augen. "Natürlich nicht", erwiderte Jupiter böse. "Rede keinen Unsinn. Nicht Iskander, Gyes sieht so aus wie der Abiturient, der..." "Jupiter, du spinnst." SailorMoon half derweil SailorMerkur, sich zu bewegen. "Geht es, Merkur?" "Mit jedem Schritt besser, SailorMoon. Danke. Aber ihr hättet dieses Risiko nie eingehen dürfen. Ihr hättet mich vernichten müssen, um..." "Hast du es denn nicht mitbekommen? Iskander sagte, dass die SeedQueen gelogen hat. Ihre Vernichtung hätte die Tsunami nicht gestoppt. Es war eine Falle für uns", sagte Venus, die neben der bewusstlosen Chrysanthia kniete. "Hm, sie lebt, aber ihr Herzschlag ist schwach. Vielleicht ist es besser, wenn wir einen Arzt für sie rufen." 7. Herr der DemonSeed "Nun, Targetia, berichte mir. Warum ist Chrysanthia noch nicht zurück?" Die junge Frau mit dem goldenen, kurz geschnittenen Haaren und dem schwarzen Trikot verneigte sich vor der finsteren Gestalt im Sessel. Sie war sich nicht ganz sicher, aber es schien, dass ER den Sessel zu ihr hin gedreht hatte. Welche Ehre. Was musste ER nur von Chrysanthias Bericht erwartet haben, um darauf so gespannt zu sein. "Chrysanthia ist nicht mehr, Herr. Sie ist im Kampf gegen die SailorKrieger gefallen. Nur ihr Wirtskörper hat überlebt und befindet sich derzeit in einem Krankenhaus." "Schade, sie war eine fähige Agentin. Aber sag mir, was hat sie erreicht? Oder willst du mir unter die Augen treten und mir sagen, dass sie nichts, rein gar nichts geschafft hat?" "Nein, Herr, etwas hat sie erreicht. Sie konnte ihre Seed auf SailorMerkur ansetzen. Wie wir es erwartet haben, hat sich die Potentialgeminderte DemonSeed mit ihr verbunden und sich ihrer vollen Kraft und all ihres Wissens bedient. Die SeedQueen, die dabei entstanden ist, war stärker als jeder Youma, den wir je zuvor erschaffen haben." "War?" "Ja, Herr, leider. Wir hatten damit gerechnet, dass die SailorKrieger einer der ihren kein Leid würden zufügen würden, aber der fremde Krieger, der uns bereits einmal solche Schwierigkeiten bereitet hat, schien solche Skrupel nicht zu haben. Er besiegte die SeedQueen und stahl ihr die DemonSeed aus dem Körper." "Verdammt, musste das sein? Jedes Mal, wenn wir meinen, endlich im Vorteil zu sein, taucht ein neuer Krieger bei unseren Gegnern auf. Wie viele haben die eigentlich noch in Reserve?" "Herr...." "Es ist gut, Targetia. Es ist gut. Was haben wir noch erfahren? Ist SailorMerkur Ami Mizuno?" "Nein, Herr. Chrysanthia hat die Seed auf SailorMerkur angesetzt, nicht auf Ami Mizuno." Daraufhin schwieg ER lange Zeit. "Nun ja, kleinere Rückschläge gibt es immer wieder. Immerhin wissen wir jetzt, welches Potential wir in unseren Händen halten werden, wenn wir erneut eine SeedQueen erschaffen können. Bereite sofort für jeden SailorKrieger eine eigene Seed vor, und sage unseren Agenten, dass sie nach Menschen Ausschau halten sollen, die es sein könnten... Die ein SailorKrieger sein könnten." Targetia verneigte sich. "Ja, Herr." "Ach, Targetia?" "Herr?" "Übernimm du ab sofort Chrysanthias Posten. Aber enttäusche mich nicht, hörst du? Für unser großes Ziel ist es unabdingbar, dass wir siegen." "Oh, ja. Ja, Herr." Die junge Frau verließ die Halle. Im Kopf hatte sie schon ein paar Dutzend guter Ideen. Vor allem hatte sie vor zu erforschen, wieso es jemanden gab, der DemonSeed abstoßen konnte. Als sie die Halle verlassen hatte, stand ER auf und wanderte unruhig im Saal auf und ab, die Hände dabei hinter dem Rücken verschränkt. "Dieser neue Krieger passt gar nicht in meine Pläne. SailorMoon und ihre Krieger sind sehr stark geworden, aber mit ihnen wäre ich sicher fertig geworden, weil ich sie lange genug studiert habe. Aber dieser neuen Kämpfer... ." ER trat ins Licht, so dass man erkennen konnte, dass sein Haar kurz geschnitten und blond war. ER trug eine graue Uniform mit hohen Stiefeln. "Dieser neue Kämpfer könnte mich und meine Diener daran hindern, meine Königin Metallia erneut zu erwecken. Das Dunkle Königreich muss aber auf Erden zurückkehren. Und nur ich, Jedithe, der Letzte der vier Großen des alten Königreichs des Dunklen bin in der Lage, dies zu vollbringen. Ich darf nicht versagen. Nicht erneut. Diesmal soll alles anders sein. Diesmal führe ich den Befehl..." Er ergriff ein Glas Wein und trank es in einem Zug leer. "Wer bist du, Iskander? Wer hat dich gesandt? Und wie kann ich dich vernichten?" Nichts antwortete Jedithe, und so setzte er seine rastlose Wanderung fort, in der Hoffnung, dass die bösen Mächte, denen er diente, ihm den entscheidenden Hinweis zu geben vermochten. 8. Es beginnt Akira musste zugeben, das Angebot an Spielen war recht ansprechend, zumindest das, was er bisher von Motokis Arbeitsplatz gesehen hatte. Im Moment fuhr er gerade den Grand Prix von Monte Carlo mit. "Ich hasse Sportspiele", rief Akira und sprang vom Sitz auf. "Nur einmal kurz in der Kurve übersteuert, und schon ist das Zeitlimit für den Kurs abgelaufen." "Einmal?", kommentierte Motoki amüsiert. "Du hast ein halbes Dutzend Crashs hingelegt. Ein Wunder, dass du überhaupt die ersten beiden Rennen zu Ende gebracht hast. Warte, du kannst dich eintragen." "Nach so einer schlechten Fahrt? Dafür soll ich auch noch mit meinem Namen geradestehen? Pah." "Es ist immerhin Platz neun", lockte Motoki. Akira grummelte irgendetwas Unverständliches und hantierte an den Bedienungssticks des Automaten herum. Motoki grinste ihn an. "Ich würde mir, wenn ich du wäre, einen neuen Namen überlegen." "Wieso? Ich habe mich schon immer mit Iskander eingetragen... Ups, vielleicht hast du recht. Ich sollte mich zumindest nicht erwischen lassen, wenn ich ihn benutze, was?" "Sicher ist sicher", lachte Motoki. "Nachher steht eine SailorKriegerin direkt hinter dir, und du merkst nicht einmal, dass du ihr gerade einen Hinweis gibst." Sie lachten beide wie über einen gelungenen Scherz. Dann wurden sie still. "Ich hasse es, wenn mir so etwas passiert", sagte Akira leise. "Was? Dir passiert es öfter, dass dich ein Youma anfällt, du dich in eine Art Superheld verwandelst und hilfst, eine gigantische Flutwelle aufzuhalten, die den Bezirk Chiba und ganz Tokio zu vernichten droht?" Ein mattes Lächeln erschien auf Akiras Miene. "Nun, vielleicht nicht genau so, und nicht unbedingt in dieser Reihenfolge, aber..." "Akira...", tadelte Motoki grinsend. Nachdenklich fuhr er fort: "Ich wünschte, es gäbe jemanden, der mir all das erklären kann. Ich kenne die SailorKrieger nun schon eine halbe Ewigkeit. Ich wurde schon oft von Youmas und anderen Dämonen bedroht, aber nie habe ich mich verwandelt in...in diesen Krieger. Weißt du was? Gyes ist kein Fremder für mich. Er ist mehr wie ein alter Freund, wie eine Facette meines Ichs, die ich schon immer gespürt, aber nie so richtig erkannt hatte. Aber ich verstehe es nicht so recht, warum ich erst jetzt... Warum ich erst durch dich verwandelt wurde." Motoki zog aus seiner Hosentasche den silbernen Stab hervor, den Akira ihm gegeben hatte. Es waren Zeichen auf ihm eingeritzt, dominiert von einem Blitz, der sich mehrfach um den gesamten Stab herum wandte. "Warum mich dieses Ding verwandeln kann, und warum gerade du dieses Ding hattest." "Ich hatte es nicht." "Was?" "Ich hatte es nicht. Ich habe es von diesem Kater, von..." "Du hast den Stab von einem Kater? Willst du mich verar... Na gut, in letzter Zeit habe ich genug ungewöhnliche Dinge gesehen, da fällt dein Kater nicht mehr weiter ins Gewicht." "Das ist gut", sagte Mamoru Chiba, der leise hinzu getreten war. Auf dem Arm hielt er eine weiße Katze. "Artemis hat euch beiden nämlich etwas zu sagen." Kurz ging sein Blick über die Spielhalle, dann nickte er zufrieden. Artemis sprang von seinem Arm herab und setzte sich direkt vor die beiden Krieger. "Artemis kann sprechen?", stellte Motoki verdutzt fest. "Ja, und?", meinte der Kater verwundert. "Wieso auch nicht?" Motoki riss ungläubig die Augen auf. "Ja, wieso eigentlich nicht? Ich meine, es ist ja nicht weiter wild, dass Katzen plötzlich sprechen können, geschweige denn mit ihren Kehlköpfen Laute bilden können, die der menschlichen Sprache adäquat..." "Reicht es nicht einfach, wenn du feststellst, dass ich sprechen kann?", unterbrach Artemis Motokis Redefluss. "Wieso auch nicht? Ist ja auch weiter nichts dabei." Akira knuffte dem Freund schmerzhaft in die Rippen, dass dieser laut ächzte. "Der Witz wird langsam alt. Artemis kann sprechen, also höre ihm auch zu." "Danke, Akira. Ich möchte euch beiden, nein, euch drei einiges erklären, soweit ich dies kann. Dazu muss ich etwas weiter ausholen. Wie ihr wisst, existierte auf unserem Mond einst ein Königreich, das SilverMillennium, welches friedvoll über die Erde wachte." "Das habe ich schon gewusst?" "Still, Motoki." "Das SilverMillennium war friedlich, sehr friedlich sogar, das heißt aber nicht, dass es nicht wehrhaft gewesen wäre. Es unterhielt eine große Armee mit mächtigen Kriegern, um sich selbst und die Erde schützen zu können. Außerdem unterhielt das Millennium einige Stützpunkte auf der Erde selbst. Und nicht selten waren es Krieger des Mondes, die auf der Erde bösartige Youmas jagten und zur Strecke brachten." "Und was hat das mit uns zu tun?" "Still, Akira." "Was das mit euch zu tun hat? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Das ist eine alte Taktik, die im SilverMillennium angewendet wurde. Was man nicht wusste, konnte man nicht verraten. Aber ich WEIß, dass dein Auftauchen, Akira, und deine Verwandlung, Motoki, mit dem SilverMillennium zu tun haben. Es kann sein, dass ich schon bald über die Erinnerung verfüge, warum dem so ist. Doch bis dahin bitte ich euch, eure Fähigkeiten, eure Kräfte in den Dienst des Guten zu stellen. Ich weiß von Mamoru, dass zumindest Akira sich den SailorKriegern nicht anschließen, aber an ihrer Seite streiten will, wenn es nötig ist. Du, Motoki, wirst es gewiss ebenso halten. Sag mal, Mamoru, kommen da nicht Usagi und Ami, Mamoru? Ich bin hier noch nicht fertig. Lenke sie bitte ab." Der nickte kurz und ging, um die beiden Mädchen am Eingang abzufangen. Akira fasste sich an die Stirn, als das eine der Mädchen, die Blonde mit den beiden langen Zöpfen Mamoru in die Arme flog, um ihn zu umarmen. "Ich weiß nicht, was es ist", klagte er. "Aber diese Mädchen sollte mich an jemanden erinnern. Doch je mehr ich es versuche, desto heftiger werden meine Kopfschmerzen." "Jetzt, wo du es sagst", flüsterte Motoki und fixierte die zwei. "Wir sind noch nicht fertig", schimpfte Artemis. "Würdet Ihr bitte mich ansehen, und nicht die hübschen Mädchen da hinten?" Als sich die sechs Augen begegneten, lag plötzlich ein Schimmer in denen der Katze. Kurz darauf glimmte dieser Schimmer auch in den Augen von Motoki und Akira. Einen Herzschlag später hatten sie schon vergessen, dass Usagi Akira an jemanden erinnert hatte. "Wir sind noch nicht fertig", sagte Artemis erneut. "Ich weiß nicht warum, aber ich fühle mich für euch beide verantwortlich. Deshalb werde ich mich ab jetzt, wann immer es geht, um euch kümmern. Solltet Ihr weitere Krieger von eurer Art entdecken, werde ich die Gegenstände erschaffen, mit deren Hilfe sie sich verwandeln können, wenn sie es nicht aus eigener Kraft schaffen. Tuxedo Mask wird eure offizielle Verbindung zu Team Sailor sein. Und ich hoffe, Ihr beide werdet mit ihnen zusammenarbeiten." Akiras Blick machte dem Kater Angst. Es schien, als wolle er mit seinen Augen das Universum verschlingen. Und es lag ein Funken Wissen darin, den Akira eigentlich nicht mehr... Was war das für ein Glimmen in seinen Augen? "So soll es sein", sage Akira. Motoki fügte nur ein Kopfnicken hinzu. Er seufzte leise. "Ich hasse es, hilflos zu sein. Da stehen wir also hier herum und warten darauf, dass sich unser Schicksal erfüllt." "Tun wir nicht", erwiderte Akira und ergriff den Freund am Arm. Mit ein wenig Gewalt zog er ihn zu den Mädchen herüber. "Motoki", rief Usagi erfreut, als sie den Freund erkannte. Interesse lag in ihrem Blick, als sie den jungen Mann neben ihm ansah. "Kennen wir uns?" Der Weißhaarige zuckte die Schultern. "Vielleicht aus einem früherem Leben. Mein Name ist Akira Torah. Ich bin ein Bekannter von Mamoru und Motoki." Usagis Augen leuchteten auf. "Ja? Das ist toll. Hast du heute schon was vor, Akira? Und du, Motoki? Ach, wie unhöflich. Ich bin Usagi Tsukino. Das ist Ami Mizuno. Wir wollten Mamoru gerade zum Picknick abholen. Die anderen sind auch da." "Makoto, Rei und Minako", ergänzte Ami lächelnd. "Ich weiß nicht", stotterte Motoki. "Ich habe heute zwar frei, aber..." "Also abgemacht", sagte Usagi und es klang endgültig. "Was ist mit dir, Akira? Willst du auch?" "Sicher. Klar. Sofort. Aber...." "Aber was?" "Aber es ist euer Picknick. Sicher seid ihr nicht auf Gäste eingestellt." "Das war die schlechteste Ausrede, die du hättest wählen können", meinte Mamoru und unterdrückte mühsam einen Lachanfall. "Unsere Makoto ist nämlich nicht nur eine exzellente Köchin, sie kocht auch gerne viel zu viel. Du wirst nicht darum herum kommen, uns beim Genuss dieser Portionen zu helfen." "Du bist also auch dabei. Dann lasst uns gehen!", rief Usagi, ergriff Akira und Motoki an den Armen und zog sie mit sich aus der Spielhalle. "Entschuldige bitte", sagte Ami zum verdutzten Akira. "Usagi ist etwas... impulsiv. Und sie meint, jeder könnte mal etwas Spaß vertragen." "Da hat sie auch Recht. Du solltest dir diese Einstellung bewahren, Usagi. Es ist ein kostbares Geschenk, das nicht jedem zuteil wird." Usagi klopfte dem Weißhaarigen gönnerhaft auf die Schulter. "Ich glaube, wir werden uns prima verstehen, Akira." *** Über ihnen verwehten die Kirschblüten. Akira betrachtete ihr Spiel eine lange Zeit. Schließlich klopfte Motoki dem Freund auf die Schulter - schlagen traf es eher, denn Akira wurde von der Wucht einen Schritt nach vorne getrieben - und meinte: "Sag mal, willst du den ganzen Tag hier herum grübeln? Da drüben wartet eine Unmenge an gutem Essen nur darauf, von dir vertilgt zu werden." Akira hob eine Augenbraue. "Was ist mit dir? Wieso bist du nicht da drüben?" Er lächelte zu den fünf Mädchen herüber, die gemeinsam mit Mamoru auf einer Decke saßen und miteinander schwatzten. Rei bemerkte sein Lächeln und winkte freundlich herüber. Er quittierte es mit der Andeutung einer Verbeugung. "Ich habe zuerst gefragt", beschwerte sich Motoki grinsend. Mamoru stand auf und gesellte sich neben die beiden. "Na, was tratscht ihr hier? Irgendetwas, was ich wissen sollte?" "Nein, Tuxedo Mask", beschwichtigte Motoki. "Ich wollte nur diesen Grübler etwas aufheitern." "Und das Ergebnis ist, dass wir drei erneut versammelt sind", lachte Akira. "Wenn wir schon immer wieder zusammenfinden, dann lasst uns doch gleich schwören, auch zueinander zu stehen." Akira streckte seine Rechte aus, Motoki legte die seine darauf. "Was bleibt uns anderes übrig? In einem Gewerbe, in dem die Frauen allein durch ihre Übermacht den Ton angeben, sind wir arme Männer automatisch Verbündete." Auch Mamoru legte seine Rechte auf die der anderen. "So sei es. Auf das wir zueinander stehen und unser Möglichstes tun, um Freunde und die Menschen, die wir lieben, zu beschützen... Oder mal zusammen ein Fass aufzumachen." "Das ist ein Wort", lachte Motoki. Die anderen beiden fielen ein, und für einen winzigen Moment vergaßen sie, dass über ihnen eine drohende Gefahr hing, ein Damoklesschwert, das jederzeit auf sie herabstürzen konnte und sicher die Kraft hatte, sie allesamt zu vernichten. Mamorus Lachen verstummte. Er sah zu den Mädchen herüber. "Die DemonSeed hatte versucht, Ami anzugreifen, wisst ihr?" Motoki nickte. "Ich habe sie als Gyes gestern Morgen gegen Chrysanthias Angriff verteidigt. Meinst du, unser Feind wird es noch einmal probieren?" "Einmal, zweimal. So oft, bis es klappt. Ab sofort scheint sie unser Sorgenkind zu sein. Ich bitte euch, habt ein Auge auf sie." "Das brauchst du mir nicht zu sagen", erwiderte Motoki . "Auch ich bin ihr Freund." "Und du, Akira?" "Habe ich dir das nicht schon auf dem Tokio Tower gesagt? Ich werde tun was ich kann. Erwarte nicht mehr, aber auch nicht weniger von mir. Kommt, lasst uns zurückgehen. Nicht, dass wir nichts mehr vom Essen abbekommen, so wie Usagi futtert." Lachend und laut miteinander schwatzend schlenderten sie zu den fünf Mädchen zurück. Epilog: Es war im Nichts. Vielleicht auch an einem anderen Ort, der einfach nur erfüllt war mit Schwärze und Kälte, ewiger, alles erfüllender Kälte, unendlicher, ergreifender Schwärze. Manche, die diese finstere Sphäre zu erklären versuchten, würden sie psionische Straße oder psionischen Tunnel nennen. Auf diesem Pfad vermochten einige Wesen zu reisen, und zwar schneller als das Licht. Dazu bedienten sie sich der Seelenschiffe, die sie sicher von Sonne zu Sonne trugen, wo der psionische Raum aufbrach und ihnen gestattete in den Normalraum zu gelangen. Dort konnten sie sich ausruhen und neue Energie tanken. Doch glitt da nicht gerade ein Schiff auf dieser psionischen Straße vorbei? Und hatte es nicht Kurs auf die Erde gesetzt? "Kapitän, zu den Irrlichtern haben sich zwei neue gesellt", meldete der Navigator ernst. Echitron stand auf und wanderte unruhig auf der Brüche des Seelenschiffs umher. "Du weißt, was das heißt, Pyramon? Wir werden es schwerer haben, über die psionische Straße die Erde zu erreichen." "Gewiss, Kapitän, es ist schwerer geworden, aber nicht unmöglich. Wir würden es auch noch schaffen, wenn es noch drei weitere Irrlichter wären, und..." "Bah. Es geht mir nicht so sehr um die Irrlichter. Es geht mehr um das, was sie symbolisieren. Es bedeutet, dass wir es auf der Erde nicht nur mit den zehn Menschen zu tun haben werden, die stark genug sind, uns zu bekämpfen, es bedeutet, dass es nun zwölf sind. Ihre Bereitschaft zum Kampf und ihre große Liebe zu den Menschen sind es, die es uns so erschweren, den Kurs zur Erde zu halten." "Sollen wir umkehren, Kapitän?" "Nein, nun sei nicht gleich so naiv. Es gibt zwar hunderte Planeten in der näheren Umgebung, die unsere Bedürfnisse nach der Seelenenergie ebenso gut erfüllen wie jene von der Erde, aber sie bieten längst nicht so eine große Herausforderung. Bedenke mal: Zwölf Gegner. Nicht einmal, als wir das SilverMillennium bekämpft haben, gab es so viele mächtige Menschen. Was werden wir für Kämpfe erleben... Um dann doch die Seelenenergie von ein paar Millionen Menschen zu rauben, die unser Schiff für weitere tausend Jahre durch den psionischen Raum bringen wird. Nein, wir bleiben auf Kurs. Aber informiere die Mannschaft. Sie soll sich auf den Kampf vorbereiten." "Hm", machte Pyramon. "Was ist noch?" "Hm. Kapitän, ehrlich gesagt bin ich besorgt. Was, wenn es das SilverMillennium noch immer gibt? Was ist, wenn uns Serenity oder einer ihrer Nachfahren erwartet? Ich wäre nicht sehr erfreut darüber, die Bekanntschaft mit dem Mondzepter zu vertiefen." Echitron sah nachdenklich herüber. "Wir haben genügend Youmas auf der Erde zurückgelassen. Einige von ihnen werden das SilverMillennium schon vernichtet haben. Coryntha vielleicht. Oder Metallia. Eventuell Darythios. Nun gut, die Irrlichter beweisen, dass es auch in dieser Zeit Widerstand gibt, aber es müssen nicht unbedingt Krieger des SilverMillenniums sein. Und selbst wenn uns Serenity erwartet, vergiss nicht, wen wir an Bord haben." Unruhe erfasste den Navigator, als er an den Menschen von der Erde dachte, den sie nun seit ewigen Zeiten mit sich führten, gefangen in ein Feld ohne Zeit, aus dem er nicht entweichen konnte. Jeder Versuch zu fliehen benötigte Zeit, doch die gab es in dem Feld nicht. Es war das perfekte Gefängnis für den Menschen, der ihnen fast so gefährlich geworden war wir die Herrscherin des SilverMillenniums mit ihrem Silberkristall. "Kapitän, ich bin mit Eurer Entscheidung noch immer nicht einverstanden. Er war ein tapferer Gegner, der es verdient gehabt hat, im Kampf zu sterben. Aber Ihr habt ihn mitgeschleppt, damit er uns in ferner Zukunft als Geisel gegen das SilverMillennium dient. Ich finde es noch immer nicht richtig. Wir sind Kämpfer, Eroberer, aber keine Erpresser. Das hatten wir noch nie nötig. Wir haben uns immer genommen was wir brauchten. Aber wir haben nie dafür getrickst." "Weil wir stärker als unsere Gegner waren. Aber dieses Mal müssen wir vielleicht... ah, Zugeständnisse machen. Denn ich bin sicher, Königin Serenity wird uns dankbar dafür sein, wenn wir ihr ihren Gatten zurückbringen." Der Navigator schüttelte nur den Kopf. "Ich werde Aelyon und Garalion die Nachricht überbringen. Ich bin sicher, sie werden sich auf die baldigen Kämpfe freuen." Der Navigator des Seelenschiffes ging und ließ den Kapitän allein. "Ja, geh du nur, und behalte deine dumme Ehre", flüsterte er. "Du bist genauso ein Dieb und Plünderer wie ich. Und du bist auch auf die Seelenkräfte der Menschen angewiesen wie ich. Wenn es soweit ist, wirst du ebenso leicht ein Erpresser werden wie ich... Wenn es darum geht, die Seelenkräfte aller Menschen zu stehlen, alles, bis auf den letzten Rest..." Der Kapitän des Seelenschiffes sah gen Fahrtrichtung. Dort pulsierten sie in der Ferne, die Irrlichter, eines stärker als das andere, und jedes versucht, das Schiff auf einen Kurs zu locken, der es von der Erde fort trug. Zwölf Lichter, zwölf Kämpfer, was würde es für Schlachten geben... Doch dieses Mal würden sie nichts mehr auf der Erde zurücklassen, kein Leben, keinen Menschen. Nicht einmal diese Krieger dort. Doch was war das? Glitzerte da nicht ein weiteres Licht? Nein, seine Augen mussten ihm einen Streich gespielt haben. *** In den Gewölben des Schiffes wanderte derweil ein sehr nervöser Pyramon umher. Jedes Mal, wenn er unentschlossen war, zog es ihn hierher. An diesen Platz, an dem ein drei Meter großer Kristall den Raum erfüllte. Müde legte er eine Hand an die milchig schimmernde Substanz. "Wie hättest du dich entschieden?", fragte er leise. "Wahrscheinlich hättest du schon lange abgemustert. Das hätte ich auch tun sollen, schon vor langer Zeit. Aber wohin soll ich gehen? Unsere Heimatwelt liegt in Trümmern, und auf den anderen Welten habe ich mich schon zu oft unbeliebt gemacht. Was also bleibt mir anderes übrig als Echitron zu folgen? Ich bin eben nur ein Feigling, der stets den Weg des geringsten Widerstandes geht." Pyramon sah an seiner Hand vorbei in das Innere des Kristalls. Dort ahnte er schattenhaft die Umrisse eines Menschen. Oh, er wusste, wie dieser Mensch aussah. Er war dabei gewesen, als der Kapitän ihn in dieses Gefängnis gesperrt hatte. Ein stolzer Mann im besten Alter, gehüllt in eine schwarze Uniform mit langem, weißen Umhang. Er war stolz gewesen, zu stolz, um sich zu ergeben. Wenn Pyramon sich anstrengte, konnte er noch immer die tiefblauen, blitzenden Augen vor sich sehen, die das bartlose Gesicht so sehr dominiert hatten. Den unversöhnlichen Kampfeswillen in ihnen pochen sehen wie einen schweren Puls. Oh ja, er war ein stolzer Gegner gewesen, mutig obendrein, was ihm wahrscheinlich das Leben gerettet hatte. Doch welche Gnade war es, dafür eine halbe Ewigkeit in diesem Block eingeschlossen zu sein. Die kurzen, blonden Haare schimmerten sogar bis zu ihm hindurch. Und unter den Haaren, da war... Pyramon zuckte erschrocken zurück. Für einen Moment, für einen winzig kleinen Moment hatte es so ausgesehen, als hätten ihn die tiefblauen Augen regelrecht fixiert. Aber nein, das konnte nicht sein. Im Gefängnis gab es keine Zeit. Man war unfähig, sich zu bewegen, zu denken. Doch was war, wenn man dennoch zu denken vermochte? Pyramon schauderte es. Nein, ein so glorreicher Feind wie er hatte solch ein Leben nicht verdient. Doch was konnte er schon tun, ein Flüchtling, Navigator eines Seelenschiffes, einzig der Gnade des Kapitäns ausgeliefert? Was konnte er schon tun? "He, Pyramon", rief einer der Krieger aus der Mannschaft herüber. Er hieß Gaion. "Grübelst du erneut bei unserem Gast, um etwas von seiner Stärke zu erlangen? Wer weiß, es mag dir eines Tages gelingen." Müde winkte der Navigator ab. "Keinen Scherz, bitte. Der Kapitän hat befohlen, dass wir uns auf große Kämpfe vorbereiten sollen. Uns erwarten zwölf Kämpfer auf der Erde", "Zwölf?" Gaion schien begeistert, nicht erschrocken. "Was werden wir für Kämpfe haben. Ich werde es den anderen sagen." Für einen Moment lehnte sich Pyramon wieder an den Kristall. "Was werden wir für Kämpfe haben... Doch werden wir diesmal die Tapferkeit der Gegner zu würdigen wissen, oder soll es ihnen wie dir ergehen? Vielleicht noch schlimmer?" Der Navigator seufzte leise. Ach, wenn sein unendliches Leben an Bord des Seelenschiffes nun doch endlich ein Ende fände, er wäre dankbar gewesen. Doch da blitzte etwas auf im milchigen Schein des Kristalls, so schwach, dass er es kaum bemerkte. Aber einen Gedanken schon später erfüllte ihn neue Zuversicht. "Die Zeit wird es zeigen, und wer weiß, vielleicht kann ich die Wucht der Kämpfe mindern." Mit neuer Zuversicht erfüllt verließ Pyramon den Kristall. Zurück blieb ein Krieger des SilverMilleniums, der nun schon seit ewigen Zeiten hier eingesperrt, und nun wieder einsam war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)