Schatten der Vergangenheit von Ace_Kaiser ================================================================================ Kapitel 19: Das letzte Gefecht ------------------------------ 10. Der Planet Kinmoku hatte nach der Revitalisation durch die Starlights und seine legitime Prinzessin Kakyuu eine Menge Veränderungen gesehen. Aus der sterilen Wüste war in Rekordzeit wieder ein vor Leben nur so blühender Planet geworden. Menschen, Tiere, Pflanzen hatten die große Stasis, die mit dem Diebstahl von Kakyuus Sternenkristall einher gegangen war, erstaunlich rasch verarbeitet. In nur zwei Jahren hatte sich die Kultur revitalisiert. Nun, da SailorGalaxia nicht länger eine Gefahr darstellte, war der Planet Kinmoku sogar über sich hinaus gewachsen. Raumfahrt mit Sailorkraft war in diesem Zeitraum vom bestaunten Wunder zur Normalität geworden. Und Kontakt zu anderen Planeten, auf denen Intelligenzen lebten, Kontakt zu Planeten, die ebenfalls von SailorGalaxia zur Wüste verödet, nach ihrer Niederlage aber ebenfalls wiederbelebt worden waren, gehörten mittlerweile zur Norm. Nachdem das manifestierte Chaos in SailorGalaxia gedämmt und entfernt hatte werden können, war auch sie wieder zur Normalität zurückgekehrt. Zur Buße für die Untaten, die sie unter dem Einfluss des Chaos begangen hatte, sorgten sie und ihre Untergebenen nun dafür, dass die ehemals verwüsteten und nun wiederbelebten Planeten zu neuer Blüte reiften. Mehr noch, ihr war es zu verdanken, dass eine Systemübergreifende Verbindung geschaffen wurde, deren größter Befürworter und Arbeiter sie war. Nach Höherem strebte sie dabei nie. Zu tief steckten Zweifel und Scham noch in ihren Knochen. Sie konzentrierte sich auf die Arbeit, die die neuen Verbindungen mit sich brachten, koordinierte eine ganze Flotte von Raumschiffen, die den Kontakt schufen und hielten und Hilfe leisteten, wo sie nötig war; den Vorstand ihrer kleinen, aber schnell wachsenden Gemeinschaft aber hatte sie der einzigen Person angetragen, der es je gelungen war, ihr zumindest ein Patt abzuringen, als sie von Chaos beherrscht gewesen war: Prinzessin Kakyuu. Und nun befand sich Kakyuu mit ihrem Raumschiff Sternensänger, einem von neunzehn, die zwischen den Sternen reisten, im Anflug auf die Erde, um die Menschheit einzuladen, an dieser Gemeinschaft teilzuhaben. Allgemein hielt man die Menschheit noch nicht für reif genug für das interstellare Zeitalter des Friedens. Aber solange das SilverMillenium existierte, würde es der Filter sein, durch den der Kontakt entstand und über den Einfluss auf beide Seiten gehen würde, bis die Menschheit eines Tages auch ohne die Millenier zu den Sternen greifen würden. Um dies zu gestatten, hatte Prinzessin Kakyuu der Menschheit vieles anbieten wollen: Eine gemeinsame Botschaft der galaktischen Planeten auf ihrer Welt, Botschaften des SilverMilleniums auf den wichtigsten galaktischen Welten, Austauschprogramme für Technologie und Wissenschaft, Austauschprogramme für Menschen, Austausch wichtiger Daten und vieles mehr. Angesichts der Tatsache, dass die Erde die Welt von SailorMoon war, jener Frau, die Galaxia besiegt hatte, erschien kein Aufwand zu hoch, um sie und ihre Heimat zu honorieren. Dennoch war oft die Frage nach der Reife der Menschheit gestellt worden. Zu Recht, wie Kakyuu sah, als hunderte Atomraketen aus allen atomar bewaffneten Anrainerstaaten des Pazifiks aufstiegen und Kurs auf Japan nahmen. Ironie befiel sie, als sie dachte, dass man diese Handlung sehr wohl als Einigkeit und Reife definieren könnte, da viele Staaten die Konflikte, die sie untereinander hatten, für diesen gemeinsamen Schlag beiseite geräumt hatten. Aber leider - oder vielmehr glücklicherweise - war es viel zu offensichtlich, welche Minderheit hier in Panik auf die Knöpfe gedrückt hatte. "Kakyuu-hime?" Der Blick der rothaarigen Frau verlor den melancholischen Schein und kehrte in die Zentrale der Sternensänger zurück. "Was gibt es, Adal?" Der großgewachsene, hochgeschossene Mann war nicht nur einer der wenigen "Überlebenden", die die Zeit der Ödnis nicht in Stase erlebt hatten, er war auch ein Vertreter einer für Kinmoku neuen Art: Männern mit Sailorkräften. Zur Zeit diente er als Kommandant und Navigator des Schiffs, das den Sprung über den Sternenabgrund getan hatte. Er war aber auch maßgeblich an der Renaissance seines Heimatplaneten beteiligt gewesen und hätte leicht ein Regierungsamt übernehmen können. Stattdessen hatte er sich für sein Fernweh entschieden. Ja, er hatte Sailorkräfte, die es ihm erlaubten, sich in eine Rüstung zu hüllen und seine Fähigkeiten gezielt einzusetzen. Die Renaissance hatte dies in ihm erweckt. Und nein, er war vierundzwanzig Stunden am Tag ein Mann. Ein nicht ganz unwichtiger Umstand, denn noch immer hatten die Starlights, also jene drei, die den Kern ihrer Wache bildeten, die die Ödnis nicht durchschritten hatten, die merkwürdige Marotte, ab und an als Männer aufzutreten, obwohl sie biologisch gesehen Frauen waren. Zumindest Taiki und Seiya übertrieben es, fand die Prinzessin. Aber dahinter steckten ja auch Gefühle für Frauen. Adal räusperte sich. "Sollen wir eingreifen?" Kakyuu besah sich auf dem Ortungshologramm die Raketenbündel, die gen Ostasien flogen, ihre Kursvektoren, Flughöhe, Geschwindigkeit und besondere Fähigkeiten wie multiple Sprengköpfe und andere Schweinereien inklusive ihrer Ankunftszeit und damit ihrer Detonation über ihren japanischen Zielen. "Nein. Wir überlassen diese Raketen den SailorKriegern, ihren Verbündeten und den Beibooten des Seelenschiffs. Die Welt soll sehen, wozu sie in der Lage sind. Wir greifen erst ein, wenn der Plan es vorsieht." "Wie Ihr es wünscht, Hoheit." Der Kapitän salutierte steif und wandte sich ab. "Schiff bereit machen für den Eintritt in die Erdatmosphäre. Gefechtspositionen einnehmen. Wir gehen weiter vor nach Plan." Mürrisch sah er auf die nächste Uhr. "Wollen wir hoffen, dass die Gegenwart genauso tickt wie die Vergangenheit dieser beiden Mädchen", brummelte er. Zeitreisen waren absolut nicht seins, noch nie gewesen. Die Prinzessin lächelte, als sie das hörte. Auch sie mochte keine Zeitreisen. Aber eben genau diese hatten es ihrer Welt und vielen anderen ermöglicht, fast sämtliche Greuel zu verhindern beziehungsweise nur scheinbar geschehen zu lassen, die Galaxia bei ihren Angriffen angerichtet hatte. Deshalb vertraute sie Menschen aus der Zukunft. Bis zu einem gewissen Punkt und auch nur einigen Auserwählten. Es gab ohnehin nur eine Handvoll von ihnen pro Welt. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Hologramm zu. Natürlich, sie vertraute Usagi, der Tochter wie der Mutter. Aber hätte sie auch nur eine Sekunde ihre wahren Gefühle zeigen dürfen, ihr hysterischer Schreikrampf hätte die ganze Zentrale erfüllt. Immerhin waren da unten eine Menge Menschen, die sie liebte und die sich in eine absolut tödliche Gefahr begaben. Nicht nur die drei Starlights. Aber sie beherrschte sich und schrie nach innen. Falls die Geschichte schief ging, konnte sie immer noch zusammenbrechen, sich wie ein Häufchen Elend in eine Ecke ihrer Kabine zurückziehen und Adal befehlen, blutige Rache für das SilverMillenium zu nehmen, zumindest bis Galaxia sie stoppen konnte. Sie fühlte, wie sich ihre Hände zu Fäusten ballen wollten, wie sich ihre Miene zu verzerren drohte vor Angst und Unsicherheit. Beides drängte sie zurück, so gut sie konnte. Wenn auch nur ein winzig kleiner Punkt nicht so lief, wie sich die beiden jungen Frauen aus der Zukunft zu erinnern geglaubt hatten, schlitterten sie auf eine ausgewachsene Katastrophe zu. Ach, hätte sie nur schreien können. *** Captain Tobias Topper Cartland beeilte sich, seinen Vogel Höhe gewinnen zu lassen. Noch waren die Raketen nicht nahe genug, um bekämpft werden zu können, aber er wollte da sein, wenn es soweit war, ein Dutzend Kilometer vor Honshus Westküste in achtzehn Kilometern Höhe. "Denkt dran", mahnte er seine Staffel aus zwanzig F-18, "wenn auch nur eine Rakete durchkommt, ist das ein Sieg! Ein Sieg für die Putschisten, für ihre Geldgeber, für alles, was gegen Menschlichkeit handelt! Das werden wir nicht zulassen! Niemand, der heute Japan verteidigt, wird auch nur eine Sekunde zulassen, dass eines dieser atomar bewaffneten Mistdinger Japans Küste überfliegt! Und wenn wir hier fertig sind, werden wir mit der Hilfe der ganzen Welt unser Land zurückfordern und unseren Präsidenten wieder einsetzen!" Zustimmender Jubel antwortete ihm auf der Staffelfrequenz. Verdammt und Scheiße, fühlte sich das gut an! Fühlte sich das richtig an! In der Euphorie des Augenblicks rief er: "Beschützt Japan! Beschützt das SilverMillenium!" Diesmal antworteten ihm kurze, geblaffte Bestätigungen. Sie waren bereit. Sie alle waren bereit. "Junge, Junge", sagte Sparks, sein Bordschütze, über den internen Funk, "es hat nur noch ein Banzai oder ein Hurra auf Usagi-chan gefehlt." "Lieutenant Callahan!", blaffte Cartland. "Was?", erwiderte der andere Offizier erschrocken bei Cartlands rauem Ton. "Es heißt natürlich nicht Usagi-chan, sondern Serenity-sama", sagte er wesentlich milder. "Ansichtssache", erwiderte der Bordschütze erheitert. Pilot und Co-Pilot zeigten einander einen erhobenen Daumen. Sie waren bereit. *** "Verdammt! Sie tun es tatsächlich!" Hatte man Minako Aino noch nicht wütend erlebt, so war man einerseits glücklich zu schätzen. Das so harmlos und sympathisch wirkende blonde Mädchen war eine Naturgewalt, wenn es wirklich wütend wurde; andererseits hatte man gerade jetzt dazu die Gelegenheit. Sie selbst, Jedithe und Garalion vom SilverMillenium hatten eine Position rund fünfzig Kilometer über dem Nordpazifik eingenommen, relativ zu Tokio gesehen leicht südlich versetzt. Hier erwarteten sie die von den russischen Unterseebooten abgeschossen Nuklearraketen, die erwartungsgemäß nach Art einer Tomahawk in geringer Höhe bis ins Ziel rasen würden, da sie mit dreihundert Kilometern eine relativ geringe Flugdistanz hatten und auf den ballistischen Angriffsflug durch die Stratosphäre, der typisch für Interkontinentalraketen war, verzichten konnten. Zusätzlich zu den dreien befand sich auch ein Beiboot des Seelenschiffs bei ihnen. Seine überlegenen Waffen und seine Ortungstechnologie alleine sollten schon ausreichen, um die rund vierzig bisher abgefeuerten Marschflugkörper zu vernichten; die Personen mit Sailorkräften waren zur Unterstützung hier, und um eventuell auftretende Lücken möglichst schnell zu füllen. Letztendlich bestand Japan aus vier relativ schmalen Hauptinseln, hatte aber eine irre lange Küstenlinie. Und damit waren noch nicht einmal alle bewohnten japanischen Inseln inbegriffen. Es war eine der schmerzhaftesten Entscheidungen im Generalstab gewesen, wo sie die Beiboote und die Krieger des SilverMilleniums einsetzen würden, weil sie einfach nicht für alle Siedlungen Japans im Pazifik ausreichten. Einige wenige hatten nicht einmal den Schutz von Flugzeugen, und das war das Schlimmste an der ganzen Situation. Sie konnten niemals alle schützen. Wenn ihre Angreifer richtige Schweine waren - und alles wies darauf hin, dass sie es waren - dann konnten sie kleine Siedlungen mit wenigen hundert oder auch nur Dutzenden Menschen auf abgelegenen Inseln angreifen und Siedlung und Menschen auslöschen. Einfach, weil sie es konnten. Glücklicherweise verfügte nicht einmal die Koalition ihrer Angreifer über genügend Raketen, um alle Inseln anzugreifen. Der Rest war ein Pokerspiel. Kein Wunder also, dass SailorVenus stinksauer war. "Bleib ruhig", mahnte Jedithe die junge Frau. "Bleib konzentriert und fokussiert und erinnere dich an das, was uns Yuichiro beim Briefing erzählt hat." "Gilt das auch für uns? Die mehrfachen Angriffswellen?", fragte Minako erstaunt. Garalion verneinte. "Dazu sind es zu wenige. Aber die Interkontinentalraketen werden auch auf Tokio fallen, und dann sollten wir seine Worte beherzigen." Im Prinzip hatte Yuichiro alle Sailor davor gewarnt, dass der Gegner zwar nicht unendlich viele Raketen hatte, aber durchaus die erste Welle opfern und vorzeitig detonieren lassen würde, in der vagen Hoffnung, damit den einen oder anderen Krieger des SilverMilleniums mit auszulöschen. Denn letztendlich waren die Angriffsziele der Koalition keinesfalls Japan und seine Hauptstadt Tokio, nicht einmal der Generalstab, sondern all jene mit Sailorkräften, Usagi und Mamoru, das SilverMillenium und natürlich der Botschaftsturm. "Jetzt und hier müssen wir vor allem darauf achten, dass wir keine der Raketen passieren lassen", mahnte Jedithe nochmal, nicht bemerkend, dass er die selben Worte schon dreimal ausgesprochen hatte. "Jede Rakete, die uns passiert, wird..." "...Mit der zwanzigfachen Sprengwirkung der Hiroshima-Bombe explodieren und dementsprechend mehr Land zerstören und verstrahlen, schon klar", sagte Minako, absichtlich ihre Antwort verwendend, die sie schon die letzten beiden Male zum Besten gegeben hatte. "Stell es dir nicht zu leicht vor. Die Marschflugkörper fliegen relativ dicht über dem Wasser und sind schwer zu entdecken", fügte Jedithe an. "Wir..." "Da kommen sie", sagte Garalion. Schweißtropfen bedeckten seine Stirn, denn er hatte Angst. Die Sailorkraft würde ihn schützen, falls die russischen Angreifer eine oder mehrere Raketen auf ihrer Höhe auslösen würden, aber auch sie würde nicht unendlich reichen und jeder Belastung widerstehen. Er konnte sterben, und das war etwas, was er vermeiden wollte. Auf ihn wartete noch ein langes, erfülltes Leben mit Tulip. Man konnte auch sagen, er hatte eine erstklassige Motivation, um zu überleben. "Wir haben sie in der Ortung! Beginnen mit der Eliminierung!", meldete das Beiboot. Es senkte sich tiefer herab. "Abfangen auf zwölf Kilometer. Der Abstand reicht, falls sie eine Schweinerei planen." "Einverstanden", sagte Jedithe. Schon griffen vom Raumschiff die dünnen Finger der Partikelbewaffnung nach den näherkommenden Raketen. Drei, vier wurden im ersten Anlauf vernichtet. "Sie schwärmen aus", stellte Minaku verdutzt fest, die die Marschflugkörper zwar noch nicht sehen, dafür aber sehr gut erspüren konnte. "Ein ganzer Teil geht auf Südkurs." "Acht, um genau zu sein. Garalion, das sind deine." "Verstanden." Der Krieger des SilverMilleniums nickte knapp und verschwand. Mehrere hundert Meter weiter südlich tauchte er wieder auf. Das wiederholte er mehrfach, dann war er an jenem Punkt, den die Streuner passieren mussten. Inzwischen hatte das Beiboot weitere acht Raketen abgeschossen; die schwach grün leuchtenden Energiefinger griffen nach den nächsten vier. "Läuft doch gut", sagte Minako zufrieden. "Wenn das so weitergeht, können wir uns für die Interkontinentalraketen schonen." Vor ihnen verging die Welt plötzlich in einem grellen Lichtblitz, der sie nur deshalb nicht erblinden ließ, weil ihre Rüstungen sie vor dem ultragrellen Licht beschützte. "Ich und meine große Klappe!", schimpfte Minako. "Ärger dich nicht! Pass nur hier auf, dass im Feuerball der Explosion keine Raketen an uns vorbei kommen! Ich gehe zum Beiboot hoch, falls es Hilfe braucht! Es ist etwas nahe dran für meinen Geschmack!" "Verstanden!" Nun begann die Suche nach den Nadeln im Heuhaufen. Wie viele Raketen waren detoniert, wie viele hatte es unabsichtlich ebenfalls erwischt und wie viele versuchten, die Druckwelle und die Feuerfront der atomaren Detonation als Deckung zu nutzen? Und wie viele würden daran scheitern? Es war schlimm genug, dass die Russen aufs berühmte Knöpfchen gedrückt hatten. Sie hatte allerdings auch keine Zweifel daran, dass die Chinesen oder die Amerikaner, die auf Weisung der Koalition handelten, da große Hemmungen hatten. Jedithe erreichte das Beiboot ein paar Sekunden vor der Druckwelle. Das schwere Gefährt hüllte sich in seinen Schutzschild. Dennoch wurde es herumgeworfen wie eine Segeljolle bei einem Sturm auf hoher See. Jedithe durchdrang den Schirm, als gäbe es ihn nicht. Dann erfasste er mit seinen Sinnen die volle Sphäre des Schutzschildes - und pumpte ihn voll mit Sailorkraft. Als die Feuerwalze eintraf, war sie bereits schwach genug, dass Schirm und Jedithes Kraft ausreichten, um sie abzuweisen. Ein heftiger Fluch erklang auf ihrer Frequenz. Garalion. "Diese verdammten... Jedenfalls habe ich meine Raketen erwischt und die Positionen der Abstürze vermerkt. Für die spätere Bergung. Wir können das spaltbare Material ja nicht rumliegen lassen." "Ich bin auch fertig. Acht kamen durch, die habe ich alle erwischt", klang Minakos Stimme auf. "Das Beiboot fliegt noch. Zum Glück", meldete Jedithe. "General Jedithe, das Hauptquartier hat die Explosionen angemessen und verlangt einen Bericht"; kam es vom Boot. "Berichten Sie ihnen, dass wir alle Raketen erwischt haben und jetzt zurückkehren." "Was tun wir, wenn die U-Boote eine zweite Welle abschießen?" "Das werden sie erst tun, wenn die Interkontinentalraketen ankommen, um ihre Chancen zu erhöhen, dass ihre Marschflugkörper durchkommen." "Aha. Und was ist, wenn sich die Angreifer nicht an Ihre Analyse halten?" "Für diesen Zweck bleibt das Beiboot hier draußen, bis Ihr andere Befehle kriegt", sagte Garalion. "Ich denke, das ist in deinem Sinne, Jedithe." "Ja, danke dir. Und jetzt sehen wir besser zu, dass wir nach Hause kommen. Da ist ein Zwicken in meinem Magen, das will mir gar nicht gefallen..." "Hast du an meinem Beispiel nicht gelernt, dass man solche Sätze besser nicht ausspricht?", fragte Minako. "Oha. Wir sollten uns beeilen, Schatz." Die drei Krieger verschwanden Richtung Küste. Und damit war an diesem Teil der Front noch nicht mal Ruhe eingekehrt. *** Taiki sah zurück, als er das Labor verließ. "Kommst du, Ami?" Die junge Frau sah auf. "Geh vor. Bitte." Der große, braunhaarige Mann runzelte die Stirn. Dann aber wurde er blass. "Du kommst nicht mit?" Ami kämpfte einen Moment mit sich selbst, dann aber nickte sie. "Ich komme nicht mit." "Was? Aber... Aber wir brauchen dich! Wir haben eine ellenlange Küste zu verteidigen, und wenn du nicht dabei bist, dann fehlst du uns, dann haben wir eine riesige Bresche in der Linie! Wenn der Gegner das ausnutzt, wird es fatal für uns! Ami-chan, du kannst nicht den Tod von Millionen riskieren, für... Ja, für was eigentlich?" Amis Hände krampften zu Fäusten. "Ich kann nicht." "Wie, du kannst nicht? Warum nicht?" "Taiki, du musst dich auf den Weg machen. Es dauert zwar noch über zwanzig Minuten, bis die Raketen bekämpft werden können, aber bei dem, was Jedithes Truppe gemeldet hat, müssen wir mit jeder Form von Schweinerei rechnen", sagte sie gedehnt, die Hände gewaltsam wieder öffnend. "Ich werde hier bleiben, hier in Tokio." "Und das sagst du, wenn Yuichiro und Motoki, sogar Usagi und Mamoru ihren Platz in der Abwehr einnehmen?" "Ja", antwortete sie schlicht. "Und nichts und niemand wird mich dazu bringen, meine Meinung zu ändern." Der große, rotbraunhaarige Mann kam zurück, griff nach ihren Händen. Willig ließ sie es zu. "Ami, ich... Ich muss es wissen. Warum willst du nicht mit uns kämpfen? Warum willst du nicht... Nicht mit mir kämpfen?" "Es ist wegen Akira." "Akira?", rief Taiki überrascht. "Wieso ausgerechnet und gerade jetzt Akira?" "Weil er Tokios letzte Verteidigungslinie ist. Gewiss, wir haben Minako und Jedithe auf dem Rückweg zur Bouzou-Halbinsel, aber die nächsten Verteidiger nördlich und südlich von ihnen sind verdammt weit entfernt, und Beiboote haben wir auch nicht in der Region. Was denkst du, wird passieren, wenn ein Unglück geschieht und nur der vollkommen erschöpfte Akira hier ist? Ich... Ich will nicht, dass er vor eine Aufgabe gestellt wird, die seinen Tod bedeuten kann." Taiki sah das Mädchen aus weit aufgerissenen Augen an. "Du... Du bleibst hier für den Fall, dass etwas passieren könnte, damit sich Akira nicht zu Tode verausgabt? Weißt du, wie egoistisch das ist?" "Ja", antwortete sie schlicht. "Mein anderes Ich, das aus der Zukunft, hat mir ausrichten lassen, ich müsste manchmal auch mal Schwein sein. Ich verstehe nun, was es damit gemeint hat." Sie sah fort, in die Ferne, sah wieder Taiki an und lächelte. "Du darfst das nicht missverstehen, Taiki-chan. Du bist nicht der Grund. Ich wäre gerne mit dir Seite an Seite in den Kampf gegangen. Aber kann ich nicht, dieses eine Mal, meinen Teil der Last auf deine Schultern laden?" "Natürlich kannst du das. Und was ist der wahre Grund?" "Es gibt nicht mehr Gründe als jene, die ich dir genannt habe, Taiki-chan." "Taiki-chan... So hast du mich schon lange nicht mehr genannt." Er nahm ihre Hände, führte sie an seine Lippen und küsste sie. "Weißt du, als wir hierherkamen, geschah dies, um unsere Bande von damals zu aktivieren und den Weg für unsere Prinzessin zu ebnen. Seiya hat uns gebeten, ihm... Nun, ihm den Weg freizuhalten und ein wenig, ah, Ablenkung zu verursachen. Du bist Usagis engste Freundin, und deshalb sollte ich dich... Beschäftigen. Und das habe ich gerne getan, weil du... Du bist für mich etwas besonderes, Ami-chan, egal ob ich Mann oder Frau bin. Ich fühle immer für dich dieses hehre, schöne Gefühl, habe immer die Freude im Herzen, wenn ich dich sehe. Ist das Liebe? Dann liebe ich dich." Schweigend sahen sie einander an. Als Taiki begann, sich leicht nach vorne zu beugen, fragte Ami: "Und warum hat Seiya Yaten auf Akira angesetzt und nicht auf Mamoru?" "Eigentlich sollte Yaten genau das tun, aber ich schätze, ihr sind die eigenen Emotionen dazwischengeraten. Davon abgesehen hat sie ohnehin nie viel mit Mamoru anfangen können, also war es von vorne herein eine Schnapsidee." "Also warum dann Akira?" "Vielleicht gefallen ihr seine Haare?", scherzte Taiki. Ami lachte glucksend, aber nur für einen Moment. Sie entzog Taiki die Hände. "Danke. Ich danke dir für deine Gefühle, für deine Ehrlichkeit." Ein Schatten huschte über seine Züge. "Aber du erwiderst sie nicht." "Doch. Oh doch. Du kannst sicher sein, dass du mir wichtig bist, dass ich dich ebenso liebe wie die anderen Mädchen und die Jungs, und vielleicht sogar noch mehr." "Aber du liebst mich nicht so sehr wie Akira", murrte er. "Schon gut, schon gut, das war zu erwarten gewesen. Ich habe es nur nicht so plötzlich erwartet." "W... Was?", stammelte Ami verblüfft. "I-ich... Wieso...?" "Na, das sieht doch ein Blinder mit dem Krückstock, was Ihr füreinander empfindet", brauste Taiki eine Spur zu laut auf. "Spätestens bei dem Unfall, als Ihr ineinandergelaufen seid und euch geküsst habt. Allerspätestens aber, als er dir einen Kuss geraubt hat, kurz vor seinem Aufbruch, um die Fabriken zu zerstören. Du hast ihm nicht einmal symbolischen Widerstand geleistet. Und dieser Dummkopf weiß noch nicht mal was von seinem Glück." Taiki fluchte undamenhaft. "Schon gut, ich kann damit umgehen. Aber sollte... Sollte es schlimm werden, sollten wir beide übrig bleiben, gäbe es dann eine Chance für ein uns, Ami-chan?" "Oh Taiki, du bist wirklich meine erste Wahl." "Nach Akira." Ihre Wangen wurden rot. "Ist es wirklich so offensichtlich?" Taiki sah sie lächelnd, aber auch traurig an. "Ich denke nicht, dass es ein Geheimnis ist. Keiner eurer Freunde wird es nicht wissen. Warum macht Ihr überhaupt ein Geheimnis daraus?" Amis Röte wurde stärker. Sie sah zur Seite. "Ich habe Fehler gemacht. Ich habe ihn nicht so gut behandelt, wie ich es hätte tun sollen. Ich weiß nicht, ob ich noch das Recht habe..." Taiki griff nach ihrem Kinn, drehte ihr Gesicht wieder zu sich. "Eine Sache haben Akira und ich gemeinsam, wenn man mal davon absieht, wie viel besser ich aussehe. Wir würden beide für dich sterben." Er berührte ihre Lippen zu einem zarten, flüchtigen Kuss. "Und jetzt habe ich den Punktestand mit ihm ausgeglichen." Er ließ sie fahren, wandte sich um und ging. In der Tür sagte er: "Wenn die Krise überstanden ist, wenn ich zurückkomme, werde ich dich noch einmal fragen. Wenn du dann noch immer unentschlossen darüber bist, was du tun willst, denke bitte über ein Uns nach, Ami-chan." "D-das werde ich", versprach sie. Er sah zurück, lächelte für sie. "Dann habe ich keine Bedenken mehr bei irgendwas." Er nickte ihr zu und verschwand mit Step. Ami Mizuno blieb zurück und berührte mit den Fingerspitzen der Rechten ihre Lippen. Das war nur der leichte Teil gewesen. Ab hier konnte es nur noch schwerer werden. *** Rose blies mürrisch die Wangen auf. "Und warum sind wir hier über Kyushu, und nicht bei Jedithe-sama?", fragte sie bereits das dritte Mal. Targethia strafte sie mit einem bösen Blick - auch das dritte Mal. "Weil wir selbstständige Menschen sind, weil wir hier gebraucht werden. Und weil Tulip heimlich auf Motokis kleine Schwester und Usagi-chans Bruder und Vater aufpassen muss, damit Major Ayoka nicht vor Schreck einen Herzinfarkt bekommt. Und weil wir die Einzigen sind, die auf sie achten können." Targethia deutete nach vorne. "Vorne", das war in etwa achtzehn Kilometern Höhe. Hoch genug, sodass man einen Großteil des Weltenrunds sehen konnte, dass der Himmel seine blaue Farbe verlor und bereits schwarz leuchtete. Hoch genug, damit es über fünfzig Grad Minus kalt war. Ohne Sailorfähigkeiten wären sie längst erfroren. Schließlich waren sie keine Finnen. Und dann war da auch noch Rei Hino, besser bekannt als SailorMars, die Anführerin der Leibwache Serenitys. Sie hatte sich in ihre Sailor-Rüstung gehüllt und die Augen geschlossen. Sie alleine hatte sich vorgenommen, Kyushu vor Atomraketen zu beschützen, zumindest an der Westküste. Sie galt zwar nur als Nummer drei unter den Sailorkriegern, aber immerhin machte sie das auch zur Nummer drei im gesamten Silvermillenium. Deshalb hatte sie die Beiboote des Seelenschiffs fortgeschickt, um andere Bereiche zu schützen. Dass nun zwei ehemalige Seed-Generäle hinter ihr standen und die Ausputzer spielten, war die logische Schlussfolgerung. Rose hatte es so formuliert: "Wir sind weniger wert als ein Beiboot." Targethia hingegen so: "Wir sind flinker und schneller, aber wir können immer nur in eine Richtung schießen; ideal, um auszuhelfen, ideal, um alles zu erwischen, was Rei-chan durch die Lappen geht." Sie hatten sich auf eine Mischung aus beidem geeinigt, nicht zuletzt, weil keiner von beiden auch nur eine Sekunde riskieren würde, dass Rei auch nur eine einzige Schramme abbekam. Denn auf den Schultern der neun Sailorkriegerinnen ruhte das Schicksal der ganzen, zukünftigen Welt. Das, was Rei hier vorhatte, konnte man durchaus als wagemutig beschreiben. Sie hatte vor, mit ihrer Kraft einen Schild zu errichten, der die Westküste von Kyushu abschirmte, und der im Idealfall den Explosionen aller Atomraketen trotzte, die hineinflogen. Im Idealfall. Sie befand sich an der vordersten Front, deckte einen größeren Bereich ab als alle anderen Sailorkrieger, hatte weniger Rückendeckung als alle anderen und war fest entschlossen, ihr Ding durchzuziehen. Und genau das war ihre Stärke, ihre größte Kraft. Hatte sie sich einmal zu etwas entschlossen, dann setzte sie es durch. In dieser Beziehung war sie ein unheimlicher Sturkopf. Aber dieser Sturkopf hatte in der Welt schon einiges erreicht im Dienste des SilverMilleniums. Sie war berüchtigt für ihre Beharrlichkeit. Und manche liebten sie auch dafür. "Aber wenn Rei-chan hier ist, dann kriegen wir doch überhaupt nichts zu tun", murrte Rose. Targethia hätte beinahe zu lachen begonnen, als ihre Mitstreiterin das sagte. "Nicht so laut, bitte." Rei aber wandte sich halb nach ihnen um und lächelte. Es war jedoch ein nervöses Lächeln, denn die Erwartung Roses fügte dem Druck, unter dem sie bereits stand, noch ein Quentchen mehr hinzu. Aber wenn SailorMars diese Aufgabe nicht bewältigen konnte, wer dann? *** Eine vergleichbar schwere Aufgabe hatte Usagi übernommen. Also die blonde Usagi. Sie schwebte in ähnlicher Höhe über Okinawa. Ihr einziger Begleiter war Seiya in ihrer Sailorform als Frau. Gemeinsam hatten sie sich vorgenommen, das Inselarchipel und die dortigen Militärbasen vor dem Atomangriff zu schützen, nicht zuletzt, weil dieses Land ein wichtiges Symbol für Japan war. Dabei wurden sie von Jagdfliegern unterstützt, sofern sie nicht an anderen Orten irgendwo an der Küstenlinie Japans im Einsatz waren. Aber es stand vollkommen außer Frage, wer hier wen beschützen würde. "Usagi-chan?", frage Seiya leise. SailorMoon, in der Hand das Mondszepter in Sichelform, den Regenbogenkristall im Zentrum, in der reinsten Form ihrer Macht, wandte sich ihm zu und nickte ihm zu. "Sprich." "Usagi-chan, wenn das hier vorbei ist, dann..." Sie schwieg, vervollständigte den Satz nicht, obwohl Seiya ihr dafür die Pause gesetzt hatte. Alles, was sie tat, das war zu lächeln. Seiya stockte, setzte erneut an und scheiterte. Schließlich aber fasste sie sich ein Herz. "Wenn das hier vorbei ist, was wirst du dann tun?" "Was willst du denn, das ich tue, Seiya?", fragte Usagi. Unsicher sah die schwarzhaarige Kriegerin die Freundin an. "Du weißt, was ich für dich fühle." "Und du weißt, was ich für dich fühle. Du weißt aber auch, was ich für Mamoru fühle", erwiderte Usagi. "Ja", erwiderte Seiya gepresst. "Also, was willst du, was ich tue, Seiya?", fragte sie erneut. Tausend Worte lagen auf ihrer Zunge, tausend Möglichkeiten wollten ausgesprochen werden, tausend Gedanken wollten gedacht werden. Die Chance auf eine gemeinsame Zukunft mit Usagi huschten durch ihren Geist, die Bereitschaft, immer ein Mann zu sein, für sie, erschreckte sie nicht mehr so sehr wie noch vor drei Jahren. Heiraten, gemeinsam leben, Kinder zeugen, zusammen glücklich sein... All das schien zum Greifen nahe. Aber... "Ich will...", sagte sie stockend. SailorMoon stieß sich ab von jenem Ort, an dem sie schwebte. Sie kam Seiya näher und ergriff ihre Hände. "Was du sagst, das will ich tun. Ich vertraue dir und lege dir meine Zukunft in die Hände. Hier und jetzt, Seiya." Freude huschte über ihr Gesicht, aber auch Verlangen, Verlangen nach der Frau, nach der ihr Herz sich sehnte. Alles, was sie sich je erträumt hatte, war so nahe, so unwirklich nahe... Alles, was sie tun musste, war, auszusprechen, was sie sich wünschte. Für sich und Usagi. Sie seufzte und drückte Usagis Hände sanft. "Ich will, dass du glücklich wirst, Usagi-chan. Denn wenn du glücklich wirst, dann kann ich die Sache mit dir abschließen und wieder meinen eigenen Weg suchen. Also versprich mir, dass Mamoru der Richtige für dich ist. Bitte." SailorMoon lächelte, aber es war kein vollkommen frohes Lächeln. Tränen liefen ihre Wangen herab. "Seiya, bitte..." "Ich weiß", raunte die Starlight-Kriegerin und wischte die Tränen fort. "Du hast gewusst, dass ich das sagen würde. Ich habe gewusst, dass ich das sagen würde. Und wir wissen beide, dass Mamoru der Beste für dich ist. Das macht es nicht leichter, aber es beruhigt mich. Und hey, falls er mal wieder abhanden kommt, kann ich ruckzuck wieder auf der Erde sein, nicht?" SailorMoon lachte leise und wischte sich selbst ein paar Tränen aus den Augen. "Du bist für mich..." "Nicht Mamoru. Ich weiß. Aber danke, dass ich einen Platz in deinem Herzen einnehmen darf", flüsterte Starfighter. Sie legte ihre Stirn auf Usagis. "Danke, dass ich Teil deines Lebens sein darf." So blieben sie für mehrere Minuten. Erst Seiyas Seufzen unterbrach diesen trauten Moment des gegenseitigen Verständnis. "Es ist gleich soweit. Sie sind nahe genug." Die beiden lösten sich voneinander. "Dann lass uns mal die Welt retten", schmunzelte SailorMoon. "Bei jedem anderen, das schwöre ich, würde das nach Prahlerei klingen. Aber nicht aus deinem Mund." Starfighter zwinkerte der blonden Frau zu. Ihr traute er alles zu. Weil sie schon alles geleistet hatte. Usagi wechselte die Uniform, beschwor das Kleid der Mondprinzessin. Damit potenzierte sie ihre Kraft wie für einen Endkampf. Und dies war ein Endkampf. "Dann lass uns anfangen." "Ich bin dabei." *** Verdammt zum Gammeln. Akira lag auf dem Bett, die Beine übergeschlagen, und hielt einen losen telepathischen Kontakt zu Yuichiro und Motoki, um zu entscheiden, wann er Mamorus Mahnung in den Wind schoss und eingreifen musste. Zugleich aber hing sein Blick an der Uhr über dem Bett, die nur noch wenige Sekunden vor jenem Termin stand, an dem ihm erlaubt war, das Bett zu verlassen. Und noch niemals in seinem Leben waren ihm zehn Sekunden so elendig lange vorgekommen. Als die Uhr die volle Stunde schlug, frohlockte er, sprang aus dem Bett und hüllte sich in seine blaue Uniform. Gut, dafür reichte seine Kraft schon wieder. Dann trat er auf den Gang hinaus, und rief: "Tsukino-san, Mizuno-sensei, ab jetzt darf ich doch herumlaufen, oder?" Nun, diese Worte blieben ihm im Halse stecken, denn anstatt Amis und Usagis Mutter in die Arme zu laufen, stand Ami selbst vor ihm. Die junge Frau mit den dunkelblauen Haaren hatte ihren Supercomputer per Visier aktiviert und sichtete einen Datensatz, den Akira nicht erkennen konnte. "Also, das nenne ich eine Leistung. Bis auf die achte Nachkommastelle genau bist du zur vollen Stunde aus dem Bett gelaufen. Tut es dir so weh, dich auch mal auszuruhen? Bedenke, was dir schon alles angetan wurde, seit der erste GunSuit auf dich gefeuert hat." Akira war für einen Moment verlegen. Dann wütend, wurde aber schnell wiede verlegen. "Ja, man könnte meinen, irgendeine Gottheit hat sich vorgenommen, mich über die Klinge springen zu lassen, irgendwie." Während er das sagte, sah er nach rechts, den Gang hinab, ohne einen bestimmten Punkt zu fixieren, und sein Blick war irgendwie... Vorwurfsvoll. Ami sah in die gleiche Richtung, wenn auch nur für einen Moment. Ihr Blick war voller Schmerz und stummer Bitte. Aber all das wehrte nur eine winzigkurze Sekunde. "Aber?", fragte sie. "Aber ich kann nicht im Bett liegen, während alle anderen um das SilverMillenium und um Japan kämpfen, ja, um die ganze Welt kämpfen. Ich kann es einfach nicht." "Auch nicht, wenn es dich das Leben kostet?", fragte sie leise. Er erstarrte bei ihren Worte, wollte etwas sagen. Er stockte, stotterte ein halbes Wort und verstummte wieder. "Solange du leben kannst, werde ich..." "Akira, denkst du nicht, dass diese Welt ärmer wäre, wenn du nicht mehr unter uns weilen würdest?", fragte Ami mit Schmerz in der Miene. "Denkst du nicht, mir..." "General Iskander!", klang eine hektische Stimme neben ihnen auf. Aelion erschien neben ihnen. "Und SailorMerkur! Das ist gut! Wir müssen sofort auf die Turmspitze! Es gibt einen Angriff aus Richtung der Bucht von Tokio!" "Was?", rief Akira entsetzt. "Wie, zum Henker?" "Es sind keine atomaren Raketen! Zumindest glauben wir das bis jetzt! Kommt, bitte!" Der Millenier verschwand mit Step. Ami und Akira zögerten keine Sekunde, ihm zu folgen. Unter der Spitze des Turms gab es eine Aussichtsplattform, die ihnen einen Blick bis weit über die Millionenstadt erlaubte, auch auf den Hafen. Von hier aus spannte sich der Schutzschild, der in Zeiten der Gefahr aktiviert werden konnte, über das Gelände der Botschaft. Und er wäre auch jetzt aktiviert worden, wenn er nicht mitten durch die Reihen ihrer Unterstützer gegangen wäre. Kein Millenier wäre auch nur eine Sekunde bereit gewesen, ein paar Tausend Menschen zu opfern, nur um den Turm unter einen fragwürdigen Schutz zu legen. Der Millenier und die beiden Sailorkrieger erschienen auf dieser Plattform. Akiras Blick ging sofort gen Hafen. "Was ist passiert?" "Ein Dutzend Frachter, Containerschiffe, haben ihre Frachtcontainer aufgesprengt! Der Geheimdienst fürchtet, es könnten sogenannte Sizzler sein, also russische Mittelstreckenraketen mit konventionellen Gefechtsköpfen, pro Container vier Stück, bei zwölf Schiffen mit je zweihundert Containern macht das..." "Neuntausendsechshundert Raketen", sagte Ami stockend. "Und diese Mistdinger werden abgeschossen, während wir den Schild nicht errichten können, ohne jene Menschen zu gefährden, die sich dort befinden, wo der Schirm aktiviert werden würde! Um sie alle aufs Gelände zu holen, fehlt uns die Zeit! Den Schirm trotzdem zu aktivieren, bringt uns nichts ein außer etlichen Toten und der Chance für unsere Gegner, die Bilder auszuschlachten... Verdammt!" Akira nickte schwer. "Sie haben sich einen guten Zeitpunkt und eine gute Gelegenheit für ihren Angriff ausgesucht. Die Demonstranten, die uns unterstützen, die Sailorkrieger und Millenier mit Kampferfahrung im Einsatz, Minako und Jedithe, die Tokio schützen sollen, noch etliche Kilometer von der Küste entfernt. Sehr schlau. Aber sie haben nicht damit gerechnet, das wir beide noch hier sind." Er zog eine Augenbraue hoch. "Wir drei. Entschuldigung, Aelion." "Mal ganz ehrlich, General Iskander: Schaffen wir drei es, fast zehntausend Raketen zu vernichten, bevor sie auf den Turm regnen, auf den Platz davor, auf die ganze verdammte Stadt?" "Noch regnen sie nicht. Wenn wir schnell genug sind... Moment, warum regnen sie noch nicht? Warum hast du uns warnen können, bevor sie abgeschossen wurden?" Der Millenier druckste verlegen. "Hotaru-chan hat mir einen Tipp gegeben, also habe ich den Geheimdienst darauf angesetzt. Ich dachte, mit einer Razzia kriege ich das auch so in den Griff, aber da war ja auch nur die Rede von einem Schiff. Dass es zwölf sind, hätte ich nie gedacht. Und jetzt sind... Ja, mindestens drei Schiffe haben mit dem Abschuss begonnen." Ami sah in Richtung des Hafens, ihre Brille mit dem Supercomputer aktiviert. "Achthundert. Achthundertfünfzig. Neunhundert. Eintausend. Kurs ist nur in zehn Prozent der Fälle mit dem Turm identisch. Sie schwärmen in alle Richtungen aus. Sie wollen so viel wie möglich verwüsten." "Eventuell ist ihr Hauptangriffsziel auch nicht die Botschaft, sondern das Hautquartier", sagte Akira. Eigentlich hätte er jetzt reagieren müssen, springen müssen, zum Hafen, dort wie ein Berserker unter die Raketen fahren sollen. Aber es ging nicht. Welche Raketen zuerst? Jene, die auf den Turm gezielt waren? Jene, die über Shibuya niedergehen würden, oder einen anderen dicht besiedelten Stadtteil? Jene, die das Hauptquartier der SVS zum Ziel hatten? Die Unentschlossenheit machte ihn zögerlich, verletzlich, schwach und weich. Er... "Fünftausend", sagte Ami. "Wenn wir etwas tun wollen, müssen wir es jetzt tun." "Auch, wenn es unser Tod ist?" Die Sailorkriegerin sah den General aus dem alten SilverMillenium mit einem Blick an, der so vieles ausdrückte, all die widerstreitenden Emotionen in ihr. "Ja", hauchte sie schließlich. "Dann wird es wirklich Zeit, dass wir...", begann Akira. Ungefähr zu diesem Zeitpunkt senkte sich die Sternensänger auf Tokio hernieder. Das gewaltige Langstreckenraumschiff verdunkelte einen großen Teil des Himmels mit seinem Leib; vom Schiff fingerten bläuliche Strahlen zu den Raketen und ließen sie verschwinden. Über Tokio aber, in mehr als einhundert Kilometern Höhe, erfolgten viele kleine Detonationen. "Was, zum... Was ist das?", fragte Akira. Der Moment der Demütigung, der Zerstörung und des Beweis der Hilflosigkeit des SilverMilleniums ging vorbei. Nur, wer leistete ihnen hier Hilfe, um zu schaffen, was zwei Sailorkrieger und ein Millenier unmöglich allein geschafft hätten? Weitere Sizzler starteten, aber auch sie wurden von den blauen Strahlen erfasst, die die Raketen weit in die Mesosphäre teleportierten, wo sie harmlos explodierten. Natürlich war er dankbar für die Hilfe, aber welchen Preis hatte diese? "Hier spricht Prinzessin Kakyuu von Bord der Sternensänger im Auftrag der Galaktischen Koalition", erklang eine Frauenstimme wie Donnerhall über Tokio. "Im Namen der Gemeinschaft der besiedelten Planeten erlaube ich mir, dem SilverMillenium und Japan ein wenig zur Hand zu gehen und diese kleinere Bedrohung zu eliminieren." "Uff!", sagte Akira und sackte in den Knien ein. Klar, er hätte alles gegeben, das Letzte aus sich rausgeholt, damit nicht eine Rakete irgendetwas in Tokio traf, aber hätte es gereicht? So sah die Welt schon anders aus. "Uff", machte Ami, fiel von hinten um seinen Hals und drückte ihn. "Das nennt man dann wohl zur rechten Zeit kommen, oder?" Akira lachte leise. "Ja, das war ein Paradebeispiel für diese Kunst. Wollen wir hoffen, dass dies der letzte Trumpf war, der gespielt wurde." Er berührte ihre Arme, drückte sie leicht und genoss das Gefühl, dass sie ihm so nahe war. Ungefähr genau bis zu dem Moment, in dem sich ein baulicher Fehler bemerkbar machte, unter dem die Botschaft litt. Es bekam eben keinem Gebäude gut, wenn in seinem Fundament eine Zwei Megatonnen-Atombombe eingegossen war, die den Befehl erhielt, sich selbst zu zünden. Aber genau das war gerade geschehen. Akira spürte es bis in die kleinste Faser seiner Selbst, als in der verbauten Bombe drei bisher getrennte Massen von waffenfähigem Plutonium ihre schützende Trennschicht verloren, zusammenkamen und eine überkritische Masse bildeten, die sofort in die Kettenreaktion überging. Die Atombombe explodierte direkt unter ihren Füßen. *** Der Mensch, die Person aus dem Kreise der Mächtigen, die gegen das SilverMillenium intrigierten, jener, der bei der geheimen Konferenz als gestürzte Pyramide dargestellt worden war, nahm gerade den Finger von der Entertaste, mit der er dem Computer den Befehl gegeben hatte, den Detonationscode an die im Fundament des Turms versteckte Bombe zu senden. Gute Vorbereitung zahlte sich eben einfach aus. Hätte er die Bombe von vorneherein gezündet, wären ihnen allen wohl einiges an Materialverlusten erspart geblieben, aber eine Trumpfkarte verschwendete man nicht leichtfertig beim ersten Versuch. Außerdem hatte immer die Gefahr bestanden, dass Serenity die Bombe stoppen würde, kaum dass sie aktiviert worden wäre - wer die Welt von Eispanzer befreien konnte, war dazu fähig. Auch die anderen Sailorkrieger waren abgelenkt, über Japan verteilt. Dies war die beste Zeit, um den Turm zu zerstören, diese fünfhunderttausend Narren auszulöschen, die rund um den Turm campierten, und um der Welt zu zeigen, wie hilflos das SilverMillenium wirklich war. Und war das Vertrauen in Serenity erst einmal zerstört, dann nützten ihr all ihre Machtmittel, all ihre Sailor nicht. Das Vertrauen hatte sich stetig aufgeschaukelt, mit jedem weiteren Sieg, ja. Viel mehr Siegen, als er erwartet hatte. So vielen Siegen, dass selbst er panisch zu werden drohte. Der Rückschlag hätte viel früher eintreten müssen, aber er hatte, zugegeben, das SilverMillenium unterschätzt. Doch nun, auf dem Höhepunkt des Konflikts, würden Serenity und das SilverMillenium die Rechnung dafür bezahlen, sich mit ihm angelegt zu haben, seine Pläne für die Welt sabotiert zu haben. Und während Hunderttausende ihrer treuesten Anhänger starben, würde auch das Vertrauen in sie sterben. Menschen waren nun einmal so. Leichtfertig. Schnell zu beeindrucken. Wankelmütig. Feige und intolerant, keine Fehler verzeihend, sobald es auch nur ansatzweise zu ihrem Nachteil war. Und dann... Dann würden sie angekrochen kommen und den wahren Herren der Welt huldigen. *** Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)