Sommer, Sonne und die verfluchte Liebe von Juju (die Digikids im Urlaub) ================================================================================ Kapitel 11: Der neunte Tag: Überraschungen (Minami packt aus) ------------------------------------------------------------- Weniger als ein Jahr ist vergangen und ich lade schon das nächste Kapitel hoch :D Wie immer: Danke an alle Leser und Kommentarschreiber, ihr seid cool. Viel Spaß beim Lesen. Sora erwachte nach einem traumlosen Schlaf. Sie überlegte. War nicht irgendetwas Schlimmes passiert? Nur was? Ach ja, Matt hatte seine körperlichen Gelüste an dieser Sumpfkuh Minami gestillt und Sora hatte ihn dabei gesehen. Sie wusste nicht, ob ihr von dieser Erinnerung oder von den vielen Cocktails am Vorabend übel wurde. Sie stöhnte gequält und drehte sich auf die Seite, sodass sie Mimi sah, die verschlafen die Augen öffnete. „Alles okay?“, fragte diese, als sie den verstörten Blick der Freundin bemerkte. „Den Umständen entsprechend“, antwortete Sora müde. Sie hatte plötzlich kaum noch Lust auf Urlaub. Wie sehr sie auch versuchen würde, ihre Liebe zu Matt einfach zu vergessen, es würde nicht funktionieren. Gefühle ließen sich eben nicht nach Belieben ein- oder ausschalten. Zum ersten Mal in ihrem Leben war Sora wirklich verliebt und dann auch noch so unglücklich. So unglücklich, dass sie ihn sogar mit seiner neuesten Flamme sehen musste. Sora seufzte laut und schwang sich aus dem Bett. Etwas zu schnell, denn ihr wurde schlecht, sodass sie sich wieder hinsetzen musste. „Das war zu viel gestern“, verkündete sie. „Mit mir ist heute bestimmt nicht viel anzufangen.“ „Ach, da bist du bestimmt nicht die Einzige“, erwiderte Mimi mit einer abwinkenden Handbewegung. „Was hast du gestern eigentlich mit Izzy gemacht?“, fragte Sora. Eben war ihr wieder eingefallen, dass Mimi ihr noch nichts weiter darüber berichtet hatte. Diese wurde plötzlich etwas verlegen. „Ich wünschte, ich könnte mich mehr für ihn begeistern“, antwortete sie ehrlich. „Er ist so ein lieber Kerl, aber leider nichts für mich.“ „Wie meinst du das? Was habt ihr gemacht?“, fragte Sora neugierig weiter. „Wir sind nur so rumgelaufen. Er wollte mir alles Mögliche spendieren und...“, sie hob die Stimme und machte eine Pause, woraufhin Sora sie erwartungsvoll ansah, „... er hat ständig versucht, meine Hand zu nehmen, aber ich hab sie ihm immer entzogen.“ „Er ist sehr schüchtern“, stellte Sora fest. „Ja, er hat sich so viel Mühe mit mir gegeben, damit er mir den Abend angenehm gestaltet“, seufzte Mimi etwas traurig. „Es tut mir Leid, dass ich ihn enttäuschen muss.“ Sora verstand sie gut. Izzy war ein herzensguter Mensch, aber er passte nicht zu Mimi. Nach Soras Auffassung brauchte Mimi jemanden, der sich ihr entgegenstellen und sie auf den Teppich zurückholen konnte. Sie war manchmal eine verwöhnte Prinzessin und Izzy würde dieses Verhalten nur begünstigen. „Du findest einen, der zu dir passt. Und Izzy auch“, meinte Sora ermutigend. Mimi lächelte. Dabei schien ihr Blick auf den Wecker auf Soras Nachttisch zu fallen. „Es ist ja schon elf!“, rief sie. Gerade wollte Sora bemerken, dass es wohl kein Frühstück mehr geben würde, als jemand an die Tür der beiden klopfte. „Kannst reinkommen“, rief Sora und auch Mimi drehte sich zur Tür. Im Türrahmen erschien Tais grinsendes Gesicht. „Guten Morgen, Mädels“, grüßte er die beiden vergnügt. In den Händen hielt er ein Tablett mit einem reichhaltigen Frühstück. Nach ihm betrat Matt den Raum und lächelte wortlos. Auch er trug ein Tablett. „Was ist denn in euch gefahren?“, fragte Mimi sichtlich verwirrt. „Ihr habt vorhin noch so friedlich geschlafen, als wir zum Frühstück gegangen sind, da dachten wir, wir klauen euch etwas“, antwortete Tai und zwinkerte Sora zu. Es war eigentlich verboten, sich Essen von den Hotelbuffets mitzunehmen. Ohne auf eine Einladung zu warten setzte Tai sich auf die Bettkante auf Mimis Seite und stellte das Tablett auf ihrem Schoß ab. Matt kam auf Soras Seite, was dieser mehr als unangenehm war. Er blickte sie aus seinen blauen Augen vielsagend an. „Danke“, murmelte Sora. Sie konnte allerdings aufgrund ihrer Übelkeit das herrlich duftende Rührei nur unberührt lassen und knabberte stattdessen an einer Scheibe Toast. Sie vermied es, Matt anzusehen, obwohl sie seinen Blick auf sich spürte. „Ich muss ehrlich sagen“, sagte Mimi mit vollem Mund, „dass mir so viel Freundlichkeit von dir ein wenig Angst macht, Tai.“ „Ach, du hättest doch das Gleiche für mich getan“, antwortete Tai abwinkend. „Nein, eigentlich nicht“, erwiderte Mimi und streckte ihm die Zunge raus. „Genau wie das mit den Delfinen gestern. Sowas hätte ich gar nicht von dir erwartet.“ Wie kam es nur, dass Tai und Mimi sich plötzlich blendend verstanden, während zwischen Sora und Matt Funkstille herrschte? Wann hatte sich das Blatt gewendet? Irgendwie war der Zeitpunkt an Sora vorbeigegangen. „Jungs, was machen wir heute?“, fragte Mimi und sah die beiden Jungen abwechselnd an. „Wir wollten heute an den Strand. Nur faulenzen. Es müssen sich ja alle von gestern ausruhen“, antwortete Matt und grinste belustigt. „Gehen wir mit und willst du lieber am Pool bleiben?“, fragte Mimi nun an Sora gewandt. Wieder spürte Sora Matts Blick auf sich ohne ihn anzusehen. Am Strand würde er vermutlich die ganze Zeit versuchen, mit ihr zu reden. Trotzdem entschied sie sich für den Strand. Im Pool schwimmen konnte sie auch zu Hause. Sie würde einfach nicht auf ihn eingehen. Eine Stunde später waren alle Freunde am Strand versammelt. Sora hatte extra versucht, sich eher an den Rand der Gruppe zu platzieren. Sie wollte heute lieber ein wenig Ruhe haben. Mimi hatte sich natürlich eine Liege neben ihr geschnappt und sie teilten sich einen Schirm. „Kommt mir das nur so vor oder ist es heute besonders heiß?“, stöhne Mimi, während sie sich mit dem Handrücken über die Stirn fuhr. Ich glaube, das kommt dir nur so vor“, antwortete Davis, der sich zu Mimis anderer Seite befand. Er wirkte ungewöhnlich fröhlich. Er lächelte schon den ganzen Tag vor sich hin. „Ist eigentlich alles okay mit dir, Davis?“ Sora sah den Jüngeren prüfend an. „Klar, was sollte nicht okay sein?“, antwortete dieser schnell und wurde ein wenig rot. Schnell wandte er sich ab, um sich mit Ken zu unterhalten. Sora hingegen fing Mimis Blick auf, die genau das Selbe zu denken schien wie sie. Irgendetwas war da im Busch und sie hoffte, dass sie es irgendwie herausfinden würden. „Ich hab Hunger“, ertönte Yoleis Stimme aus der Mitte der Gruppe. Kein Wunder, es war ja auch schon längst Mittagszeit, obwohl Sora nach ihrem späten Frühstück noch keinen Hunger empfand. Kurz darauf war der Großteil der Freunde aufgesprungen und zum Gehen bereit. Es wurde noch gefragt, ob sie jemandem etwas mitbringen sollten, doch keiner derer, die am Strand blieben, hatte Hunger. Außer Sora und Mimi blieben noch Matt und T.K. zurück. „Jetzt haben wir eine Weile Ruhe“, stellte Mimi zufrieden fest und lehnte sich zurück. Gerade wollte Sora es ihr gleichtun und den Frieden genießen, als eine Stimme ertönte. „Hey Matt, und da ist ja auch dein süßer Bruder T.K.!“ Sora glaubte, sich auf der Stelle allein beim Klang der Stimme übergeben zu müssen. Natürlich war es Minami. Auch Mimi söhnte kaum hörbar genervt auf. Sora beschloss, Minami einfach zu ignorieren und schloss die Augen. Diese war gerade mit ihren Eltern unterwegs. Offensichtlich machten sie einen Strandspaziergang. „Wir gehen schon mal weiter“, hörte Sora eine Frau, vermutlich Minamis Mutter, sagen. „Du bist ja sicher nicht gleich fertig mit quatschen.“ Oder mit anderen Dingen, dachte Sora bitter. Sie warf einen Seitenblick Richtung Matt. Minami ließ sich auf seiner Liege nieder und blickte ihn an, als wäre er ihr Mittagessen. „Hey, alles klar?“, begrüßte Matt sie beiläufig. „Ja, natürlich“, zwitscherte sie. „Nach gestern Abend sowieso.“ Dieser Satz ließ T.K. verdutzt aufblicken. Anscheinend hatte Matt niemandem etwas davon erzählt. „Ach, ihr beiden seid ja auch da“, rief Minami, als hätte sie Sora und Mimi tatsächlich erst jetzt bemerkt. Sie lief zu den beiden herüber und begrüßte sie mit einem Küsschen auf die Wange. Sora war so überrascht, dass sie es nicht mehr abwehren konnte und Mimi schien es ebenso zu gehen. „Wie geht es euch? Habt ihr das Fest gestern gut überstanden?“, fragte sie strahlend. Sora hatte gerade den Mund geöffnet, um Minami eine weniger nette Bemerkung an den Kopf zu werfen, als Mimi, die so etwas geahnt haben musste, dazwischenfunkte. „Super war es. Vielleicht ist dir aufgefallen, dass wir das Delfinschwimmen gewonnen haben.“ „Matt hat mir erzählt, dass ihr auch dort wart und dass Tai gewonnen hat und dir seinen Zettel gegeben hat. Das macht mich ja so neidisch, Mimi“, seufzte Minami. „Es war auch unglaublich toll. Es tut mir für alle Leid, die das nicht erleben konnten.“ Sora kannte Mimis übertrieben gespieltes Mitleid und musste sich ein Kichern verkneifen. „Ich hoffe, du wirst irgendwann noch einmal die Gelegenheit haben“, führte Mimi ihre Rede fort und setzte eine mitleidige Miene auf. „Bestimmt werde ich das, mach dir keine Sorgen um mich“, antwortete Minami fröhlich. Es sah so aus, als dachte sie, Mimi würde es tatsächlich ernst meinen. „Habt ihr Mädels vielleicht Lust, mit mir schwimmen zu gehen? Dann können wir ohne Zuhörer über Mädchensachen quatschen.“ Meinte sie das wirklich ernst? Sora sah das zugegebenermaßen hübsche Mädchen zweifelnd an. Sie gehörte zu den letzten Personen, mit der sie über 'Mädchensachen quatschen' wollte. „Frag doch Matt, ob er mitkommt, dann könnt ihr es gleich mal im Wasser ausprobieren.“ Minami wirkte schockiert und Mimi ebenso. Hatte Sora das etwa laut gesagt? Auch Matt sah zu den drei Mädchen herüber. „Wovon sprichst du bitte?“, fragte Minami. Es klang eher verwirrt als empört. Sora sprang auf und zog Minami mit sich Richtung Meer. Mimi machte Anstalten mitzugehen, doch Sora deutete ihr mit einer Handbewegung, dort zu bleiben. Sie lief mit Minami ins Wasser und schwamm schließlich ein paar Züge. Minami folgte ihr. „Sora, sag mir doch, was du damit meinst“, drängte sie. „Tai und ich haben euch gestern gesehen“, antwortete Sora abweisend. „Bei was gesehen? Ich weiß immer noch nicht, wovon du redest.“ Herr Gott, stellte sie sich nur dumm oder wusste sie es wirklich nicht? Sora musste sich bemühen, halbwegs freundlich zu bleiben. „Nachts am Strand zwischen den Büschen.“ Obwohl sie Minami nicht ansah, spürte sie, dass ihr die Situation nun unangenehm wurde. Es dauerte eine Weile, bis diese wieder etwas sagte. „Oh, das ist ja peinlich.“ Sie lachte hysterisch. „Ich wusste nicht, dass uns jemand gesehen hat.“ Sora hasste es, wie sie diesen Satz sprach. Ihr wurde schlecht, als sie das Wort 'uns' aus dem Mund von Minami hörte, die damit sich und Matt meinte. „Also“, fing Minami unschlüssig an. „Ich schätze, das stört dich so, weil du seine beste Freundin bist.“ Sora starrte Minami ungläubig an. So begriffsstutzig konnte niemand sein. „Aber du musst wissen, dass ich ihn liebe. Ich werde ihn nicht benutzen, ich will eine Beziehung mit ihm haben. Er ist einfach der Junge, den ich gesucht habe“, erklärte Minami und sah Sora dabei verträumt an. „Sora? Alles okay?“ Vor Schock hatte Sora aufgehört zu schwimmen und war kurzzeitig unter Wasser verschwunden. Minami hatte sie wieder hochgezogen. „Ich liebe ihn, verdammt!“, rief Sora wütend. „Warum bekommst du das nicht mit? Es hat mich gestern fast umgebracht, euch zu sehen!“ Nun war es Minami, die schockiert drein blickte. „Ich... ich dachte, ihr kennt euch schon so lange“, stotterte sie. „Tun wir auch. Wir haben zusammen Sachen durchgestanden, die du mit ihm niemals durchstehen wirst. Nur habe ich erst jetzt bemerkt, dass ich ihn liebe.“ Sora war den Tränen nahe. Insgeheim hatte sie gehofft, Minami wäre nur auf eine Urlaubsaffäre aus gewesen. Dass sie eine feste Beziehung wollte, änderte die Situation. „Jetzt gerade eben?“, fragte Minami. „Am Anfang unseres Urlaubs!“ Wie konnte ein Mensch begriffsstutzig sein? Minami machte ein unglückliches Gesicht. Eine Weile schwiegen beide. „Dann bist du also ab jetzt meine Konkurrentin“, stellte Minami dann überflüssigerweise fest. „Ich werde ihn dir nämlich nicht kampflos überlassen.“ „Was willst du denn noch? Wir sind keine Konkurrentinnen mehr. Du hast doch schon gewonnen“, erwiderte Sora verzweifelt. „Nein, ich glaube nicht“, antwortete Minami. „Wenn ich ihn frage, wie es nach dem Urlaub weitergehen soll, dann weicht er mir aus. Es ist auch schwierig, sich mit ihm zu unterhalten. Er erzählt mir nicht viel über sich. Und wegen der Sache von gestern glaube ich nicht, dass es ihm was bedeutet hat, obwohl ich es hoffe. Es wirkte, als hätte er einfach nur Lust gehabt auf ein Mädchen.“ „Bitte keine Einzelheiten. Es ist auch so schwer genug.“ Sora schwamm in Richtung Strand zurück. „Wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich ihn nicht aufgeben“, sagte Minami bestimmt. „Warum sagst du mir so was? Du musst doch total eifersüchtig auf mich sein, weil ich den Vorteil habe, dass ich gut mit ihm befreundet bin und wir im gleichen Zimmer wohnen.“ „Ich weiß nicht. Ich finde eben, man sollte nie aufgeben, egal, worum es geht“, antwortete Minami. Sora war überrascht. Vielleicht war die Sumpfkuh doch nicht so schlimm. Aber das hieß noch lang nicht, dass sie sie von jetzt an mochte. Keine von beiden sagte mehr etwas, bis sie wieder am Strand waren. Minami gesellte sich wieder zu Matt und Sora gab für Mimi leise das Gespräch wieder. Die anderen waren mittlerweile ebenfalls wieder zurückgekehrt. „Ich habe mir schon gedacht, dass die mehr will als eine Affäre“, sagte Mimi. „Jetzt macht es doch erst richtig Spaß, um ihn zu kämpfen, oder nicht?“ Sora sah ihre Freundin stirnrunzelnd an. „Ich könnte gut darauf verzichten.“ „Quatsch! Jetzt zeigen wir es ihr richtig. Du wirst ihn für dich gewinnen, das verspreche ich dir“, widersprach Mimi. „Vielleicht sollte ich mir einfach Tai nehmen“, überlegte Sora nicht sehr ernsthaft. „Mit dem hätte ich weniger Schwierigkeiten.“ „Was?!“ Mimi schrie erschrocken auf, woraufhin die umliegenden Menschen sie verwundert ansahen. „Das war nur ein Witz, beruhige dich“, flüsterte Sora schnell. „Wenn ich mir jemanden nie als Freund vorstellen könnte, dann ist das Tai“, fügte sie hinzu, als ihnen niemand mehr Beachtung schenkte. Und das stimmte auch. Tai war einfach ein zu guter Freund und Helfer und außerdem zu hyperaktiv, um Soras Gefühle je wieder über Freundschaft hinaus zu locken. „Aber damals hast du das anders gesehen“, bemerkte Mimi misstrauisch. „Das ist ja auch schon fünf Jahre her und mal ehrlich: Mit elf hat man doch keine richtige Beziehung und ich glaube auch nicht, dass man in so einem Alter wirklich verliebt sein kann.“ „Da hast du wohl recht.“ Mimi schien sich mit dieser Antwort zufrieden zu geben und das Thema abzuhaken. Sora schaute zu Matt hinüber. Noch immer war Minami bei ihm. Sie seufzte und versuchte, einfach nicht daran zu denken. Wenn sie doch bloß ihre Gefühle für diesen Weiberhelden einfach abstellen könnte. Die Sonne wanderte immer weiter Richtung Westen und erst, als sie schon sehr tief stand, begaben sich die Freunde zurück in ihr Hotel. Im Badezimmer vor dem Spiegel stellte Sora zufrieden fest, dass sie tatsächlich ein wenig Farbe abbekommen hatte. Sie duschte sich und setzte sich danach auf dem Balkon auf einen der Stühle um eine Zeitschrift zu lesen. Tai war nach ihr ins Badezimmer gegangen, Mimi räumte im Mädchenschlafzimmer auf und Matt saß auf der Couch vor dem Fernseher. Sora kippelte und legte die Füße auf das Geländer des Balkons. Sie genoss die angenehme, warme Luft. „Na, langweilst du dich nicht so ganz allein hier draußen?“ Sora sah von ihrer Zeitschrift auf. Matt stand neben ihr, lässig gegen den Türrahmen gelehnt. Er trug kein T-Shirt. Sein Oberkörper war von der Sonne leicht gerötet. Sein Blick war irgendwie geheimnisvoll. Sora konnte seine Laune nicht abschätzen. „Nö“, antwortete sie kurz und wand sich wieder ihrer Zeitschrift zu. Matt trat ans Geländer, stützte die Arme darauf ab und sah auf die Promenade hinunter. „Sag mal“, fing er langsam an. „Hast du vielleicht Lust, heute Abend einen Cocktail mit mir trinken zu gehen?“ Soras Herz machte einen Hüpfer. Alles in ihr schrie „Ja!“, doch sie rief sich Mimis Worte zurück ins Gedächtnis. Wenn sie jetzt sofort begeistert „Ja“ sagte, hatte Matt es ja wieder unglaublich einfach. So entschloss sie sich für eine schwammige Antwort und hoffte von ganzem Herzen, dass Matt dadurch sein Vorhaben nicht aufgab. „Ich weiß nicht, mal schauen, was die anderen so planen.“ Matt wartete eine Weile, bevor er etwas erwiderte. „Nun ja, ich wollte eigentlich mit dir allein gehen.“ Wieder machte Soras Herz einen Hüpfer und wieder blieb sie dabei, nicht direkt zuzusagen. „Also ich schau erst mal, was Mimi vorhat.“ „Okay“, antwortete Matt schließlich. Er wirkte ein wenig missmutig, als er wieder ins Zimmer ging. Nun musste Sora nicht mehr auf ihre Mimik achten und ein strahlendes Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Gleichzeitig jedoch schalt sie sich für ihre Abhängigkeit von einem einzigen Jungen. Schenkte Matt ihr nicht genug Beachtung, war sie verzweifelt und hielt ihn für einen Weiberhelden, der sowieso nur eine Affäre sucht und der es eigentlich überhaupt nicht wert ist, dass man sich um ihn Gedanken macht. Fragte er sie, ob sie einen Cocktail mit ihm trinken gehen wollte, freute sie sich wie ein kleines Kind, das unerwartet ein tolles Spielzeug geschenkt bekommen hatte, und war wieder total verliebt. Er hatte sie zu seiner Marionette gemacht. Und sie dachte noch, so etwas würde ihr nie passieren. Noch vor wenigen Tagen hatte sie sich über genau solche Mädchen immer aufgeregt. „Lasst und essen gehen, ich hab Hunger“, rief Tai von drinnen. „Wann hast du mal keinen Hunger?“, hörte sie Mimi antworten. Sie ging nach drinnen, um sich fürs Abendbrot fertig zu machen. Sie musste unbedingt ihre vom Waschen zerstrubbelten Haare noch ein wenig in Form bringen. „Im Gegensatz zu dir kann ich es mir halt leisten, immer Hunger zu haben“, erwiderte Tai schlagfertig und grinste Mimi herausfordernd an. Diese kniff die Lippen zusammen und sah ihn wütend an. Das würde sie ihm nicht so schnell verzeihen, dachte Sora. Solche Scherze konnten bei Frauen nur schlecht ankommen, erst recht bei jugendlichen Mädchen. Mimi wirkte gekränkt. Ihr schien nichts einzufallen und so stolzierte sie zur Tür hinaus und ging vermutlich schon einmal vor zum Speisesaal. Als Sora sich die Haare trocken geföhnt hatte, ging sie mit Tai und Matt ebenfalls zum Speisesaal. „Das war ganz schön gemein, Tai. Ich würde nicht auf die Idee kommen, so etwas zu einem Mädchen zu sagen“, sagte Matt. „Ach sie weiß doch, dass das nur Spaß ist“, antwortete Tai abwinkend, jedoch schwang Unsicherheit in seiner Stimme mit. Als die Drei sich mit ihrem Essen an den Tisch zu den anderen gesellten, hatte Mimi einen halbvollen Salatteller vor sich stehen. Sora setzte sich neben sie und sah ihre Freundin böse an. „Was ist?“, fragte Mimi noch immer wütend. „Hast du dir etwa zu Herzen genommen, was Tai gesagt hat?“, fragte sie streng und deutete auf Mimis Salatteller. „Nein!“ Die Antwort kam zu heftig und zu schnell, um Sora nicht an deren Richtigkeit zweifeln zu lassen. „Ich wollte heute halt nur Salat essen.“ „Du spinnst.“ Kopfschüttelnd machte Sora sich über ihre Nudeln her. Sie bemerkte, dass Tai, der gegenüber saß, den beiden zugehört haben musste, denn er sah sie ratlos an. Auch den anderen schien Mimis plötzlich veränderte Essgewohnheit aufzufallen. „Bist du jetzt auf Diät?“, fragte Izzy und machte ein schockiertes Gesicht. „Du bist doch so schlank“, stimmte Kari mit ein. „Leute, ich will heute einfach nur Salat essen.“ Sora konnte Mimi ansehen, wie unangenehm ihr diese Situation war. Da hatte Tai ja etwas angerichtet. Dieser stand plötzlich auf und marschierte Richtung Buffet. Kurz darauf kam er mit einem Teller voller Mousse au Chocolat, Schokoladeneis und Honigmelone zurück. Genau die Kombination, für die Mimi hier auf Jamaika eine Schwäche entwickelt hatte. Wie aufmerksam Tai doch war. Er stellte den Teller direkt vor Mimi ab und sah sie auffordernd an. Sie warf ihm nur einen wütenden Blick zu und stocherte weiter in ihrem Salat. „Mimi, dein Körper ist supertoll, du brauchst keine Diät“, sagte Tai laut. „Oooohhh“, kam es schmachtend von dem Rest ihrer Freunde und alle fingen an zu kichern. „Was zieh ich bloß an?“ Verzweifelt stand Sora in Unterwäsche vor dem großen Schrank in ihrem Schlafzimmer und wühlte ihre Klamotten durch. Selbstverständlich hatte sie nicht eine Sekunde daran gedacht, ihre Abendgestaltung von Mimis abhängig zu machen und suchte nun die passende Garderobe für ihr heutiges Date. Und selbstverständlich hatte sie Mimi schon eingeweiht. Diese war stolz, dass Sora ihren Rat befolgt und Matt nicht sofort zugesagt hatte. Mimi stand neben ihr, griff in den Schrank und holte einen ziemlich kurzen, ausgefransten Jeansrock heraus. „Nimm den. Du hast so eine tolle sportliche Figur, der steht dir total.“ Sora betrachtete das Teil kurz und entschied sich schließlich dafür. Und sie wusste auch plötzlich, was sie dazu anziehen wollte. Sie streifte sich ein längeres, gelbes Shirt und machte sich einen weißen Armreifen um. Dazu noch passende Ohrringe. Fertig. Sie betrachtete das Ergebnis im Spiegel. „Super siehst du aus“, meinte Mimi anerkennend. „So kriegst du ihn rum.“ „Tz“, machte Sora. So weit traute sie sich nicht zu denken. Aber Mimi hatte Recht, der Rock stand ihr wirklich gut. Mimi trat an sie heran und umarmte sie. „Ich wünsche dir heute Abend alles Glück der Welt.“ „Danke“, erwiderte Sora nervös. „Erzähl mir dann morgen, wie euer Stadtbummel war.“ Mimi wollte nämlich an diesem Abend mit Yolei und Kari einen kleinen Stadtbummel machen und ein wenig shoppen gehen. Mal ganz ohne Jungs. Ein wenig schade fand Sora es schon, dass sie nicht dabei sein würde. Sie trat aus dem Schlafzimmer und blickte Matt, der mit Tai auf der Couch lungerte, auffordernd an. „Kommst du?“ Dieser sah sie überrascht an. „Also hast du dich doch entschieden, mit mir Cocktails trinken zu gehen?“ „Wenn du weiter da sitzen bleibst, geh ich allein“, antwortete sie. Tai stieß Matt leicht an, woraufhin dieser sich endlich erhob. Er fuhr sich durch die Haare, bevor er auf sie zuging und mit ihr schließlich das Apartment verließ. „Dann wollen wir mal.“ Sie liefen nebeneinander die Promenade entlang. „Hast du eine bestimmte Bar, in die du willst oder suchen wir uns irgendeine?“ „Nein, ich hab eine bestimmte.“ Matt lächelte sie an. „Die ist mir schon mal aufgefallen, als wir hier lang gelaufen sind und ich würde die gerne mal ausprobieren.“ „Okay, kein Problem“, sagte Sora. Nach ein paar Minuten kamen sie an Matts besagter Bar an. Sie war direkt am Strand. Die Stühle außen waren aus Bambus mit einem gemütlich aussehenden Kissen auf der Sitzfläche. Die Tische waren ebenfalls aus Bambus und mit einem kleinen typischen Rastafari aus Holz und Muscheln dekoriert. Von innen ertönte Livemusik, natürlich Reggae. Sora und Matt nahmen an einem kleinen für zwei Personen Platz. Kurz darauf erschien ein Kellner, welcher ebenfalls Rastafari zu sein schien. Er begrüßte sie fröhlich und hing jedem von ihnen eine Hawaiikette in den Farben Grün, Gelb und Schwarz um. Als er wieder verschwand, grinste Matt Sora an. „Das ist ja eine tolle Begrüßung.“ Sora blätterte ihre Karte durch. Es gab hier wirklich viele bunte Cocktails. Einer fiel Sora besonders auf. Er hieß 'Bittersweet Love', war rosa und mit Erdbeeren dekoriert. In der Beschreibung stand, es wäre ein Cocktail für zwei. Wie kitschig, dachte Sora. Ob es wirklich Paare gab, die so etwas bestellten? „Weißt du schon, was du nimmst?“, fragte Matt. „Ja, ich nehme einen Sex on the Beach“, antwortete Sora. Sie fing Matts peinlich berührten Blick auf und seufzte. „Das ist halt mein Lieblingscocktail.“ Der freundliche Kellner kam zurück und stellte ein Schälchen Erdnüsse auf den Tisch. „Habt ihr schon gewählt? Ich kann euch den 'Bittersweet Love' empfehlen, der wird deiner Freundin gefallen“, meinte er an Matt gewandt und zwinkerte Sora zu. Diese lächelte nur freudlos. „Oh, sie ist nicht... ähm... einen Sex on the Beach und einen Mojito bitte“, antwortete Matt ausweichend. Der Kellner grinste und verschwand wieder. „Kann man nicht mal mit jemandem vom anderen Geschlecht was trinken gehen, ohne gleich als verliebtes Paar abgestempelt zu werden?“ Soras leichte Empörung war halb gespielt. Sie wollte sehen, wie Matt reagierte. „Ja, das finde ich auch. Anscheinend hält keiner einfache Freundschaften ohne Hintergedanken zwischen Mann und Frau für möglich“, stimmte Matt zu Soras Unzufriedenheit zu. Sie hoffte, dass er damit sich und Minami meinte. „Was hat dich eigentlich dazu bewegt, mit mir heute was allein machen zu wollen?“, fragte Sora und sah ihm in die Augen. Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar und erwiderte ihren Blick. „Ich weiß nicht. Ich finde, wir haben die letzten Tage zu wenig Zeit miteinander verbracht. Du nicht?“ „Oh, ähm... du warst ja immer so mit Minami beschäftigt“, antwortete Sora und ohrfeigte sich innerlich sogleich dafür. Sie wollte auf keinen Fall eifersüchtig wirken. Auf keinen Fall! „Ach die.“ Matt machte eine abwinkende Handbewegung. „Die ist ganz schön anhänglich. Ich weiß immer nicht, wie ich von ihr loskomme.“ „Tja, sie hat dich eben ganz schön fest in der Klammer.“ Sora konnte sich diese Anspielung auf den vorherigen Abend nicht verkneifen. Matt schien es bemerkt zu haben und wandte den Blick von ihr ab. Er ließ ihn übers Meer schweifen. Auch Sora sah zum Meer. Wäre sie nicht gerade mit ihren eigenen Gedanken so sehr beschäftigt gewesen, hätte sie diesem schönen Anblick mehr Beachtung schenken können. Doch so überlegte sie, wie sie Matt nur von sich überzeugen konnte. „Wieso hat dich das von gestern so sehr gestört?“ Die gleiche Frage hatte er auch gestern Nacht schon gestellt. Was sollte Sora nur darauf antworten, damit es nicht zu eifersüchtig und verliebt klang? Wie günstig, dass in diesem Moment der Kellner kam und ihnen die Cocktails brachte. So nippte Sora schnell an ihrem Strohhalm und schwärmte: „Mmh, wirklich total lecker. Schmeckt deiner auch so gut?“ Auch Matt nahm einen Schluck. „Ja, die scheinen es drauf zu haben.“ Sora hatte den Blick gesenkt und rührte mit dem Strohhalm in ihrem Cocktail. Sie überlegte weiter, wie sie Matt von sich überzeugen konnte. Glücklicherweise schien Matt seine Frage schon wieder vergessen zu haben. „Glaubst du, aus Tai und Mimi wird ein Paar? Das vorhin war wieder mal sehr vielsagend“, fragte er stattdessen grinsend. „Hast du nicht gerade noch gesagt, dass Freundschaft zwischen Mann und Frau auch ohne Hintergedanken geht?“ Sora blickte ihn verschmitzt an. Seine blauen Augen musterten sie aufmerksam. „Also glaubst du es nicht?“, fragte er weiter. „Ich weiß nicht, ich bin gespannt, wie es noch ausgeht“, meinte Sora schulterzuckend. „Ja, mal abwarten“, sagte Matt. Sora lauschte der Reggaemusik, die von innen kam. Sie schloss die Augen und versuchte, auf den Text zu hören, verstand davon aber nicht sehr viel. Dennoch löste sie ein angenehm ruhiges Gefühl in ihr aus. „Die Musik ist schön“, sagte sie, öffnete die Augen und sah wieder ihren Gegenüber an. Sie hätte ihn die ganze Zeit anstarren können, doch das würde ihm sicher weniger gefallen. Sie liebte einfach seine Gesichtszüge. Seine blauen Augen, seine gerade Nase, seine schmalen Lippen. Das kurzärmelige schwarze Hemd saß perfekt. Die blonden Haare umgaben wirr sein Gesicht. Soeben fiel ihr ein, dass vor der Bar auch ein Schild war mit dem Hinweis, dass an diesem Abend Livemusik gespielt wurde. Ob Matt extra deswegen diese Bar mit ihr ausprobieren wollte? Sora merkte, dass sie sich schon wieder Hoffnungen machte und stempelte es schnell als Zufall ab. Matt lächelte nur und nippte wieder an seinem Cocktail. Am Ende wusste Sora nicht mehr, wie lange sie dort gesessen und über alles Mögliche geredet haben. Es war schon lange kein Bisschen Sonne mehr am Himmel zu sehen, als sie die Rechnung verlangten. Vielleicht war es sogar schon nach Mitternacht. Sora hatte gerade ihr Portemonnaie aus ihrer kleinen Tasche hervor gekramt, als Matt den Kopf schüttelte. „Ich mach schon“, sagte er. „Vergiss es“, widersprach Sora. „Du sollst mich nicht einladen.“ Der Kellner kam und nannte ihnen die Summe. Ohne dass Sora noch etwas unternehmen konnte, bezahlte Matt einfach für beide und sie nahm sich vor, ihm das Geld heimlich zuzustecken. Sie hatte immer ein schlechtes Gewissen, wenn jemand für sie etwas bezahlte, ohne das Geld zurück haben zu wollen. Sie standen auf und verließen die Bar. „Die müssen wir uns merken, die war echt gut“, meinte Sora. Sie schlenderten die Promenade entlang, auf der sich nun nicht mehr ganz so viele Leute befanden. Kurz vorm Hotel bog Matt allerdings zum Strand ab. „Ich geh noch mal kurz die Füße ins Wasser halten. Du kannst ja mitkommen“, erklärte er lächelnd. Natürlich kam Sora mit. Bevor sie den feinen, weißen Sand betraten, zogen sie sich die Schuhe aus, um barfuß darüber zu laufen. Es fühlte sich an, als ginge man auf Watte. Sie liefen bis zum Meer, bis sie das kühle Wasser unter den Füßen spürten. „Oh, das tut gut, meine Füße werden immer so heiß in solchen Schuhen.“ Sora hatte sich dummerweise Ballerinas statt Flipflops angezogen. Aber sie hatten besser zum Rest ihrer Kleidung gepasst. Sie sah zu Matt auf. „Vielleicht sollte ich mir hier gleich mal neue Schuhe kaufen.“ Plötzlich zog er sie an sich und küsste sie einfach so mitten auf den Mund. Sora war so überrascht, dass sie ihn in einem ersten Reflex von sich stieß. Matt hob abwehrend die Hände. „Tut mir Leid, ich wollte nicht...“ Doch nun hatte Sora die Initiative ergriffen und ihre Lippen lagen erneut auf seinen. Sie konnte das Gefühl nicht beschreiben, das ihr Kuss auslöste. Sie glaubte, vor Glück laut schreien zu müssen. Ihr ganzer Körper kribbelte und sie lächelte in den Kuss hinein. Es dauerte ewig und Sora merkte, dass Matt viel mehr Erfahrung im Küssen besaß als sie, jedoch wollte sie in diesem Moment zu allerletzt an diejenigen denken, die Matt vor ihr geküsst hatte. Am liebsten hätte sie die ganze Nacht einfach mit ihm dort gestanden, ihn im Mondschein geküsst und gehofft, dass diese Nacht nie enden würde. Schüchtern legte sie eine Hand an Matts Wange, um ihn so noch ein wenig mehr an sich zu drücken. Matts Hände ruhten an ihren Hüften. Es fühlte sich ewig an und doch waren es nur wenige Minuten. Hand in Hand machten sie sich langsam auf den Weg zurück ins Hotel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)