Anime Evolution: Erweitert von Ace_Kaiser (Zweite Staffel) ================================================================================ Kapitel 14: Episode vierzehn ---------------------------- 1. "Also, im All sind wir ja schon. Und die Patrouillenschiffe der AURORA haben wir auch hinter uns gelassen. Was jetzt, Aki-chan?", fragte Yellow Slayer. Ich lächelte. "Na was wohl? Wir fliegen wie geplant zur Axixo-Basis." "Und du meinst, die werden uns so einfach da runter kommen lassen? Ich meine, irgendwie frage ich mich gerade, worauf ich mich da eingelassen habe. Wenn du da angreifen willst, dann helfe ich dir gerne, bis zur letzten Sekunde. Aber dann sag es bitte vorher, damit ich mich drauf vorbereiten kann." Nun musste ich lachen. "Nein, ich hatte nicht vor, es nur mit dir, Kitsune und Yoshi mit der ganzen Naguad-Garnison aufzunehmen. Mein Plan ist viel subtiler." "Gut, dass du mal was von einem Plan sagst", meldete sich Yoshi über Funk. "Denn bisher ging ich auch davon aus, dass wir rüber fliegen, alles kurz und klein hauen und wieder verschwinden." "Kurz und klein können wir immer noch hauen. Aber ich dachte, bevor wir das tun, versuchen wir es erstmal auf die altmodische Art und bitten um Landeerlaubnis." "Um... Landeerlaubnis? Lass mich mal deine Biowerte checken. Nein, du hast kein Fieber. Und unter Drogen stehst du auch nicht. Also, was soll der Quatsch, Aki-chan?" Ich zuckte die Achseln, was dazu führte, dass Kitsune, die es sich dort in ihrer Fuchsgestalt bequem gemacht hatte, beinahe abgerutscht wäre. "Pass doch auf, Akira-chan." "Tschuldige, Kitsune. Also, es ist so, wir haben ja formell einen Waffenstillstand erzwungen. Also denke ich, ohne zwingenden Grund werden sie uns nicht abweisen, wenn wir bei ihnen landen wollen. Ich dachte mir, wir fragen einfach." "Sag mal, Aki-chan... HAST DU SIE NOCH ALLE? Du vertraust nicht nur darauf, dass sie dich nicht sofort aus dem All ballern werden, wenn du über Jomma auftauchst, du glaubst auch noch, sie lassen dich nicht erst landen, nur um dich dann zu töten?" "Ja", antwortete ich schlicht. "Okay. Das reicht mir. Wenn du davon überzeugt bist, bin ich das auch", sagte Yellow. "Äh, was bitte?" Kitsune sah die Slayerin aus großen Augen an. "Aki-chan weiß was er tut. Das wusste er schon immer." "Na ja, fast immer", schränkte ich ein. "Für mich klingt das jedenfalls nach einem Plan. Also tun wir es. Aber sag mal, Akira, ist die Axixo-Basis nicht der Heimathafen der Fünften Banges-Division, die du neulich so fürchterlich alt hast aussehen lassen?" "Kann sein. Wieso?" "Wenn du mich verarschen willst, dann nehme ich den Naguad die Arbeit ab und blase dich gleich hier aus dem All", erwiderte Yoshi mit wütender Stimme. "Okay, okay, das könnte vielleicht ein Problem geben. Aber ich denke, wenn wir es bis zur Landung schaffen, kann uns nichts mehr passieren. Wir beherrschen alle vier das KI und niemand wird ahnen, dass Kitsune in Wirklichkeit Dai-Kitsune-sama ist, die mächtige Dämonenkönigin. Wir haben alle Trümpfe auf unserer Seite." "Nicht alle. Ein paar sind auch auf der Hand der Naguad", erwiderte Yoshi düster. "Vielleicht ein paar zu viele. Also sollten wir wachsam bleiben." Die letzten Worte von Yoshi beunruhigten mich, zugegeben. Vielleicht hätte ich weniger auf meinen Instinkt hören und auf mein Glück vertrauen und stattdessen die Hekatoncheiren sowie etliche Schiffe mitnehmen sollen. ** "Hier spricht Commander Akira Otomo von den Hekatoncheiren. Ich bitte um Landeerlaubnis auf der Axixo-Basis für meinen Mecha plus eine Begleitung." "Denkst du wirklich, dass das funktioniert, Aki-chan?", zweifelte Yellow. "Okay, die Patrouillenschiffe haben uns durchgelassen, und bisher hat noch niemand auf uns gefeuert, zugegeben." "Ich habe leider keinen Plan B, Yellow", gestand ich. "Axixo Basis, hier Axixo Basis. Commander Otomo und Begleitung, Sie bekommen einen Leitstrahl für Hangar zwei. Abweichungen vom Leitstrahl werden als Verstoß gegen den Waffenstillstand angesehen und geahndet." "Begleitung? Bin ich jetzt zu deinem Anhängsel verkommen, Akira?", maulte Yoshi. "Sieht so aus. Hübsch genug dazu bist du ja, oder?", konterte ich. "Axixo Basis, verstanden. Warten auf Leitstrahl. Otomo Ende. Mann, das ging ja doch ganz leicht. Und sie waren regelrecht freundlich zu uns." "Findest du? Ich fand, das Ganze klang recht kalt", bemerkt Yellow. "Sir, der Leitstrahl trifft ein. Ich übernehme jetzt." "Verstanden, Prime. Bring uns sicher runter. Sag mal, Yellow, nichts gegen diese tolle Trikot- und Rock-Kombination, aber kannst du da nicht was tun? Dich zurückverwandeln? Zumindest vorerst?" "Aber, aber, Aki-chan, willst du mich nackt sehen?" Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss. "D-du warst nackt, bevor du die KI-Rüstung aufgebaut hast?" Sie gab mir einen Kuss auf die linke Wange. "Nur Spaß, Aki-chan. Ich sehe dich so gerne rot werden. Aber du hast es schon gesagt, dies ist eine KI-Rüstung. Man kann sie mit einiger Übung variieren." Ein Lichtblitz blendete mich kurz, und daraufhin trug Yellow eine UEMF-Uniform mit einem guten Dutzend der höchsten Auszeichnungen, welche die Erde zu vergeben hatte. Zudem hatte sie sich die Abzeichen eines Colonels zugelegt. "Na, du willst aber hoch hinaus. Star of Earth, Mars Campaign eins und zwei, Silver Star..." "Du hättest auch deine Uniform mitbringen sollen, Aki-chan, dann hätten sie uns beim rascheln der Orden für eine Folkloregruppe gehalten und wir könnten Lady Death und Aria problemlos da rausholen." "Interessanter Gedanke." "Das wirft eine Frage auf, Yellow", meldete sich Yoshi zu Wort. "Warum tragt Ihr dann Trikots und diese superkurzen Röcke, wenn Ihr euch verwandelt? Ich meine, wenn Ihr die KI-Rüstungen anlegt?" "Hm, das war entweder Dai-Kuzo-sama oder Hina. Wenn es Hinas Idee war, dann liegt es einfach daran, dass sie sich an ihrer Schuluniform orientiert hat, als die KI-Rüstung entstand. Alle anderen Slayer haben es danach nur imitiert. War es aber Kuzo-sama, dann gibt es nur eine Antwort." "Und die wäre?" "Die große Spinne ist ein Schuluniformenfetischist!", sagte sie todernst. "Jetzt wo du es sagst", murmelte Kitsune nachdenklich, "gewisse Anzeichen dafür gibt es ja schon..." Ich warf einen schnellen Blick zur Füchsin auf meiner Schulter, dann zu Yellow. "Prime, sind wir nicht bald da? Das Thema gefällt mir irgendwie nicht." "GAZ eine Minute, Sir." Interessiert beobachtete ich, wie die KI meines Mechas den Giganten in den offen stehenden Hangar einfliegen ließ. Hinter der schimmernden Energiewand erwartete uns Normschwerkraft und Atemluft. Prime Lightning setzte hart auf. Nach einem kurzen Blick auf die Anzeigen, die mich darüber informierten, dass Druck und Zusammensetzung der Atemluft beinahe optimal waren, entsiegelte ich das Cockpit. "Also, runter von mir. Alle beide", befahl ich, gab Yellow einen Klaps auf den Hintern und packte die Füchsin im Nackenfell. "Kitsune-chan. Du bist ab jetzt ein Haustier. Egal, was passiert, verstanden? Du bist ein Haustier." "Aber ich könnte mir auch eine Uniform verpassen und..." "Und dem Geheimdienst was zu rätseln geben, wie ich zwei Leute hier reinquetschen konnte? Vergiss es." "Och, Menno", meckerte sie. Drohend hob ich den Zeigefinger. "Ist ja gut, Akira-chan. Ich. Haustier. Muss ich Männchen machen und Rolle seitwärts?" "Es reicht, wenn du permanent an meiner Seite bleibst. Okay?" "Okay." Wir folgten Yellow nach draußen. Das heißt, ich wollte es, aber meine Gurte hinderten mich daran. Fluchend schnallte ich mich los, nahm den Helm ab und arretierte ihn griffbereit, bevor ich folgte. Vor dem Mecha sagte ich: "Prime, Verschlussmodus. Selbstverteidigung aktivieren. Wenn alles schief geht was schief gehen kann, hast Du die Erlaubnis, entweder mit Archer, Yoshis Eagle, zur AURORA durchzubrechen oder dich mit ihm selbst zu zerstören, verstanden? Falls die Naguad glauben, sie dürften an dir rumfummeln, darfst du dich mit scharfen Waffen wehren." "Verstanden, Commander. Verschlussmodus. Waffen aktiv und bereit." Yoshi rutschte gerade aus seinem Cockpit und hielt seinem Eagle eine ähnliche Predigt. Dann kam er zu mir rüber. "Ich halte den Verschluss... Ach, hast du schon, gut. Sollte was schief gehen, sollten unsere Mechas entweder zur AURORA... Das hast du auch schon gemacht? Etwa auch die Verteidigung gegen Manipulationen aktiviert? Oooookay, was habe ich auch anderes erwartet?" Yoshi seufzte leise. "Jungs", kam es von Yellow. "Das glaubt Ihr nie!" Wir wandten uns ihr um und japsten erschrocken auf. "Stimmt", kommentierte ich tonlos. Vor uns glitt ein Hangartor auf. Und durch das Tor traten gerade Dutzende, Hunderte Uniformierte des Naguad-Militärs. Die rotbraunen Uniformen ordneten sie den Banges-Diensten zu, und ich hatte so eine Ahnung, wer uns da so zahlreich in Empfang nahm. "Meow?", machte Kitsune. "Das heißt wau, Kitsune-chan. Und nein, du darfst nicht eingreifen." "Mooo." Die Soldaten strömten nach wie vor in den Hangar, und beim Gedanken, dass dies die Angehörigen der Fünften Division waren, die ich persönlich in richtige Verlegenheit gebracht hatte, wurde mir ein wenig anders. "Na denn, Angriff ist die beste Verteidigung", sagte ich und ging voran. "Bleibt hinter mir, Leute." "Na, hast du vielleicht geglaubt, ich gehe freiwillig vorneweg?", scherzte Yoshi und folgte mir. Wir kamen zügig näher, während die Soldaten und Offiziere der Fünften ruhig aber ungeordnet vor dem Tor standen. Dass sie weder Haltung angenommen noch den Hauch einer Ordnung eingenommen hatte, hieß für mich, dass sie privat hier waren. Was auch immer privat für einen Naguad-Soldaten bedeuten sollte. Forsch trat ich auf sie zu, bis mich vom ersten nur noch ein paar Meter trennten. Gut fünfhundert Augenpaare sahen mich an. "Ehre oder Tod?", fragte ich geradeheraus in meinem ungeschliffenen Anelph. Zustimmendes Gemurmel erklang. "Ihr habt Mist gebaut da draußen, nicht wahr?" "Akira", hauchte Yoshi von hinten, "willst du, dass sie dich in der Luft zerreißen?" Ich ignorierte den Zwischenruf des Freundes, aber auch nur, weil ich mich gerade selbst als Idiot schalt. Das war mir ehrlich nur so rausgerutscht. Ich erwartete Protest, laute Worte, im schlimmsten Fall einen Angriff von mehreren oder gar allen Soldaten. Stattdessen gab es nur betretenes Schweigen und gesenkte Köpfe. "Na, Kopf hoch", beschwichtigte ich, "ist ja nur einmal passiert, und da Ihr wie alle guten Soldaten aus Fehlern lernt wird es beim nächsten Mal besser laufen. Außer, ich bin wieder euer Gegner." Für den Nebensatz hätte ich mich selbst ohrfeigen können. Musste ich denn immer einen obendrauf setzen? Kaum die eine Gefahr gemeistert, musste ich da unbedingt die nächste aufbauen? Leises Gelächter antwortete mir. Was mich maßlos überraschte. Was wollten diese Soldaten von mir? "ADMIRAL ANWESEND!", gellte ein sehr scharfer Ruf auf. Die anwesenden Banges-Piloten nahmen sofort Haltung an und salutierten. Zum Eingang hin bildeten sie eine Gasse, durch die ein älterer Offizier trat, begleitet von einer jungen Frau, die sich auf eine Krücke stützte. Sie musste auch gebrüllt haben, denn sie warf den Banges-Piloten zurechtweisende Blicke zu, während sie hinter dem Admiral her humpelte. "Sie müssen den Jungs und Mädchen verzeihen, Commander", sagte der ältere Mann, während er näher kam, "man hat so selten Gelegenheit, den Mann kennen zu lernen, der einem den - wie sagen die Menschen doch gleich, Colonel Uno - den Arsch versohlt hat." Der Mann blieb drei Meter vor uns stehen und salutierte. "Vize-Admiral Ikosu, Naguad-Flotte. Meine Begleiterin kennen Sie sicherlich." Ich deutete auf die junge Frau hinter mir. "Colonel Yellow vom Geheimdienst, Major Futabe von den Hekatoncheiren. Ich bin, wie Sie sicher schon vermutet haben, Commander Otomo." Ich salutierte vor dem Mann und er salutierte zurück. Dann sah ich seine Begleiterin an. "Und Sie sind..." "Erkennen Sie sie nicht wieder?", spöttelte der Admiral. "Oh, ich erkenne schon, wen sie darstellen soll, aber ich glaube es nicht", erwiderte ich ernst. "Richtig so, Akira!", sagte die Frau mit der Krücke und nickte schwer. "Ich würde auch einen Teufel tun, und einen Todgeglaubten, der plötzlich in Gefangenschaft wieder auftaucht, einfach so akzeptieren und dem Gegner damit Macht über mich geben." Ich fixierte ihre Augen. Beinahe glaubte ich, das wäre die tapfere Aussage von Megumi gewesen. Meiner Megumi. "Und sich dadurch von einer Fälschung täuschen lassen", stellte ich fest. Für einen kurzen Moment huschte Bestürzung über ihr Gesicht, aber sie fing sich schnell. "Richtig so, Akira... Ich meine Division Commander Otomo. Gib... Geben Sie den Naguad keine Macht über sich." "Genug geplänkelt", entschied der Admiral. "Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuchs, Commander? Da Sie keine Division in der Hinterhand haben, nehme ich an, eine Aktion wie gegen das Auge Irams bleibt mir erspart?" "Ich will nur ein paar Dinge hier abholen, die uns gehören, Admiral. Sobald ich das habe, sind Sie mich wieder los." "Oh, Dinge, die Ihnen gehören? Nun, Colonel Uno hier wird noch einige Zeit in unserer Obhut bleiben müssen, bis unsere Ärzte ihr planetares Reisen wieder erlauben." "Mit anderen Worten, sie ist eine Geisel gegen die AURORA", schloss Yoshi. Ich sah zu ihm herüber und wies ihn zurecht. "Megumi wäre eine Geisel gegen die AURORA gewesen. Nicht diese Nachbildung." Ein sichtbarer Ruck ging durch die junge Frau. "Ich weiß zwar, dass du das richtige tust, aber irgendwie tut das langsam weh, Akira. Kannst du nicht wenigstens aufhören, das dauernd zu sagen?" Für einen Moment stockte ich. War sie vielleicht doch...? "Reden wir woanders weiter, Commander. Kommen Sie, bitte. Wir machen einen kurzen Abstecher zur medizinischen Abteilung und danach gehen wir in mein Büro. Selbstverständlich gewähre ich Ihnen freies Geleit." "Medizinische Abteilung?", argwöhnte ich. "Oh, nur eine Routineangelegenheit, Commander", schmunzelte der alte Admiral. "Wir wollen doch nicht, dass unser kleiner Austausch auch Viren und Bakterien beinhaltet, oder?" "Nicht unbedingt", antwortete ich und folgte dem Mann, als er sich mit der Kopie von Megumi in Bewegung setzte. In diesem Moment salutierten die Soldaten des Fünften Regiments geschlossen. Und irgendwie hatte ich das Gefühl, sie taten es nicht für den alten Admiral. ** Gebannt starrte die Menschenmenge auf den riesigen Bildschirm. Was dort gerade ablief und auch noch brillant vertont wurde, schlug sie in ihren Bann. Zuerst war nur die äußerst populäre Musik von Joan Reilley zu hören, es lief ein Medley ihrer besten Hits, die auch hier auf Lorania die Hitparaden erobert hatten, dazu gab es stroposkopartige Momentaufnahmen der dazu gehörenden Musikvideos. Das Ganze dauerte zwei Minuten, und jeder Anelph auf dem Platz im Händlerviertel Karanta spürte, dass nun etwas Besonderes folgen musste. Gerade sah und hörte man Klimax und dazu gehörenden Höhepunkt des Videos zu Don´t bother me, danach wurde der Bildschirm dunkel. "Das alles war gestern", sprach eine Stimme aus dem Off. "Doch wir sind im heute." Ein Raunen ging durch die Menge, erwartungsvoll, fiebernd. Selbst die Anelph, die mit moderner Musik nichts anfangen konnten und die Jugend mitleidig belächelten, wenn sie wieder mal einem neuen Trend hinterher hechelten, konnten sich der Atmosphäre nicht entziehen. Der Bildschirm erhellte sich langsam wieder und zeigte eine Bühne. Dazu erklang ein schneller, harter Gitarrenriff, der mit etwas Phantasie zur Ballade Anger is a bad mood zu gehören schien. Joan Reilley und Band erschienen auf der Bühne und nahmen den schnellen Riff und den dazu einsetzenden harten Beat auf. Joan sang den Text entsprechend der härteren Gangart schneller, gehetzter, aber nicht unpassend. Dabei wirbelte sie über die Bühne, dass kaum einem auffiel, wie wenig ausstaffiert dieses Musikvideo doch eigentlich war, wenn man die anderen Videos von ihr als Vergleich heranzog. Wieder erreichte die Musik ihren Höhepunkt, diesmal mit einem Gitarrensolo, das nur vom Schlagzeug begleitet wurde. Doch mit einem Schlag setzte ein Orchester aus klassischen Instrumenten ein, die auf Lorania unbekannt waren. Joans Band und das Orchester mixten miteinander, ergänzten einander und Joan kam von der Bühne herunter, auf die Kamera zu, die zeitgleich tiefer fuhr. Die niedliche kleine Rothaarige sang dabei den Refrain des Liedes, während sie durch den dunklen und leeren Zuschauerraum vor der Bühne schritt. Nach und nach schälten sich zusätzliche Konturen aus der Finsternis, während das Lied an Tempo verlor, wieder mehr Ballade wurde und sich dem klassischen Orchester anpasste. Links und rechts von Joan schälten sich je drei Mädchen aus der Dunkelheit, die für die Kamera süß lächelten. Sie trugen eine Art weißes Trikot und einen farbigen Rock, der bei jedem Mädchen unterschiedliche Farben hatte. Zudem differierten auch ihre Haarfarben extrem. Dann riss ein Spot ein Mädchen besonders hervor. Sie trug den grünen Rock. Übergangslos fand sie sich auf einer Plattform wieder, auf dem ein riesiger Youma auf sie lauerte. Er griff an, trieb seine Pranken dort in den Boden, wo sie eine Sekunde zuvor noch gestanden hatte, doch sie befand sich in der Luft, und schlug elegant einen Salto, der sie meterweit von der Bestie fort trug. Noch bevor sie landete, begann sie mit einer Schraube und entließ einen Energieblitz, der den Youma in ein Energiefeld hüllte und in einer Explosion auflöste. Als das Licht der Explosion abklang, strahlte die junge Frau in die Kamera, während Zeigefinger und Mittelfinger der Rechten ein V bildeten. Ein Schriftzug erschien über ihr: Green Slayer. Das Bild wechselte wieder zu Joan und der Bühne. Diesmal wurde die junge Frau mit dem orangen Rock beleuchtet. Sie befand sich übergangslos auf einer grünen Wiese wieder, umringt von Dutzenden geringeren Youmas. Diese griffen mit rasiermesserscharfen Klauen sofort an, doch die junge Frau drehte sich im Kreis, bis sie nur noch ein Schemen war. An diesem Schemen prallten alle Angriffe wirkungslos ab, ja, es schlugen Lichtblitze aus der Erscheinung hervor, die in sehr kurzer Folge jeden einzelnen Angreifer einhüllte und vergehen ließ. Kurz darauf blieb sie breitbeinig stehen und reckte siegreich eine Faust in die Höhe. Unter ihr erschien der Schriftzug: Orange Slayer. Nun war die mit dem weißen Rock an der Reihe. Sie stand auf einer Steinfläche, nur von einem Spot der Dunkelheit entrissen. Sie hatte die Hände gefaltet und die Augen geschlossen. Dann sauste die riesige Faust eines Banges auf sie hinab. Kurz bevor das Stahlgebilde sie traf, öffnete sie die Augen einen Spalt. Einen Augenblick später stieb eine Staubwolke auf, doch sie war nicht mehr da. Stattdessen flog sie durch die Luft, drehte einen Salto und traf den Sensorkopf des Banges am Sensorkopf. Ab hier fiel sie wieder herab, schlug den anderen heranzuckenden Arm mit einer nebensächlichen Bewegung eines Beins zur Seite, während das andere schwer den Torso traf. Bevor sie wieder auf dem Boden landete, erzeugte sie einen Energieblitz, der den Banges durchbohrte, und eine Sekunde später auflöste. Dann stand sie wieder in dem Spot, die Augen geschlossen, die Hände gefaltet. Unter ihr erschien der Schriftzug: White Slayer. Es war an der Reihe für Black. Die blonde Slayer wurde übergangslos in einer engen, verwinkelten Gasse von einem guten Dutzend Maskierten verfolgt, die Shuriken nach ihr warfen oder versuchten, sie mit Schwertern zu attackieren. Sie wich aus, machte beinahe unmöglich anmutende Richtungswechsel, lief parallel auf senkrechten Wänden und attackierte immer wieder die Angreifer, die bald geschlagen und in verrenkten Posen in der Gasse lagen. Sie verzog die Mundwinkel zu einem Schmollmund, während ihre Augen vor Heiterkeit aufblitzten und stemmte beide Hände überlegen in die Hüfte. Black Slayer, erschien über ihr. Nun war die Reihe an Red. Sie war die zierlichste der sechs Slayer, und ihr stellten sich als Gegner auf einem Hochhausdach fünf Angreifer mit vor KI glühenden Schwertwaffen. Sie griffen alle zugleich an und Red tanzte durch die Klingen hindurch wie in einem gut choreographierten Ballett. Als dann doch mal eine Klinge traf, wehrte sie den Hieb mit der flachen Hand ab. Die Waffe schien Funken zu schlagen, bevor sie zerbrach und davon getragen wurde. Kurz darauf war sie die einzige auf dem Dach, die noch stand. Sie ballte die Rechte zur Faust und legte die Linke darüber. Dazu schmunzelte sie fein. Das Red Slayer, das dann über ihr erschien, war nun noch eher obligatorisch. Nun war die Reihe an Blue. Sie lief über ein offenes, Gewitterumtostes Feld. Ihr Gesicht war konzentriert, angespannt, während Dutzende Gegner auf sie lauerten, deren Angriffen sie auswich. Ein riesiger Ecco stellte sich ihr in den Weg, trieb eine Herkules-Klinge auf sie herab. Blue sprang, kickte die Waffe zur Seite und machte einen Salto über den Mecha hinweg. Dabei versetzte sie dem Riesen einen saftigen Tritt in den Rücken, der ihn taumeln ließ. Als sie landete, wurde sie sofort von einem Maskierten in schwarzer Gefechtsrüstung angegriffen, aber Black fing den Angriff für sie ab. Nun tauchten mehrere Mechas auf, die Blue kurz taxierte, bevor Green und Orange sich ihrer annahmen. Darauf folgte eine Horde Youmas, für die Blue White und Red abkommandierte. Als diese Gegner besiegt waren lief sie weiter, nach und nach erschienen die anderen Mädchen neben ihr. Sie hielten auf ein riesiges Positronengeschütz zu, das nun auch prompt auf Blue feuerte. Doch der Waffenstrahl, der einen Zerstörer durchschlagen hätte, bremste sie nicht einmal, während die Waffenenergie in alle Richtungen reflektiert wurde. Sie erreichte die Waffe, umklammerte die Mündungen der Waffe und riss sie aus ihrer Stellung hervor. Mit einer nebensächlichen Geste warf Blue die Waffe hinter sich, während die anderen Slayer Schutzpositionen eingenommen hatten. Blue stand mit gespreizten Beinen da, stemmte die Linke energisch in die Hüfte und salutierte spielerisch mit zwei Fingern. Blue Slayer, Anführer, erschien über ihr. Wieder wechselte die Szene, zeigte wieder Joan und die sechs Mädchen neben sich, jeweils in der Pose, in der sie zuletzt in ihren Videos zu sehen gewesen waren. Während Joan ihr Lied ausklingen ließ, welches zum Soundtrack für die Slayer degradiert worden war, wurden die Slayer in eine Aura gehüllt, die in ihren jeweiligen Rockfarben gehalten waren. Auch über diese Szene wurde eine Schrift gelegt: Youma Slayer. Wer nichts tut, obwohl er es kann, ergibt sich seinem Schicksal, anstatt es selbst zu bestimmen. Die letzten Takte verklangen, die Mädchen lächelten die Leinwand herab. Joans Gesicht war am längsten zu sehen, und kurz darauf versank alles im Dunkeln, lediglich die Schrift war noch einen Moment zu sehen. Dann wechselte der Bildschirm und begann das nächste Musikvideo. Unten auf dem Platz verharrte die Menschenmenge, bevor tumultartiger Jubel erklang. ** "Bitte sehr, Commander Otomo", sagte der behandelnde Arzt und geleitete mich auf eine Behandlungsliege. "Entblößen Sie einen Arm." Gehorsam schlüpfte ich aus dem linken Ärmel und hielt dem Mann meinen Oberarm hin. "Commander, dies ist ein Medospray. Es ist in der Lage, Medikamente intramuskulär oder intravenös in Ihren Körper zu injizieren. Als Trägersubstanz verwenden..." "Verwenden Sie ein hochfeines Aerosol, das direkt durch die Poren in die Haut gejagt wird. Oder in die Vene, wenn Sie das Medospray darauf ansetzen. Ich weiß. Wir haben diese Technik von den Anelph übernommen." "Gut, dann brauche ich ja nichts weiter dazu zu sagen. Dies hier ist ein Breitbandmedikament gegen die gängigsten Infektionen hier auf Jomma. Es schützt Sie zuverlässig, könnte aber in den ersten Minuten eine Abwehrreaktion auslösen. Aber dank Colonel Ino konnten wir das Medikament entsprechend anpassen." Ich grinste sauer. "Nun machen Sie schon. Je schneller, desto eher habe ich es hinter mir." Der Arzt zögerte einen Moment, sah kurz zum Admiral, der schmunzelte und setzte dann die pistolenartige Spritze an. Kurz darauf wurde mir eine Dosis in den Blutkreislauf gejagt. Beinahe sofort wurde mir schwindlig. "Verdammt, das ist ja wie einen Kater haben ohne vorher besoffen gewesen zu sein. Wie lange wird das dauern?" Der Admiral grinste nun offen. "Nun, das Medikament hält in etwa zehn Stunden an. Solange müssen Sie damit leben, ohne Ihr... Wie nennen Sie es? Ohne Ihr KI auszukommen, Commander." Erstaunt sah ich den Admiral an. Nun, zumindest den in der Mitte. "Was?" "Entschuldigen Sie den kleinen Kunstgriff mit dem Breitbandmedikament, Commander, aber wir wissen, dass Sie einer der heraus ragendsten KI-Meister der AURORA sind. Und entschuldigen Sie, dass ich Sie nicht mit diesen Fähigkeiten frei herum laufen lassen kann. Das Medikament, das man verabreicht hat, stört die Fähigkeit Ihres Körpers, KI zu schmieden. Damit ist diese Kraft für uns bis zum Ablauf der zehn Stunden ungefährlich. Keine Angst, schwindlig ist Ihnen nur zu Anfang. Das wird sich geben, aber generell werden Sie etwas unbeholfener und langsamer sein, denn Ihr Körper ist nun auch nicht in der Lage genügend KI für den allgemeinen Bedarf zu schmieden. Das Medikament verstärkt den Bo, die starke Kraft um ein Zehnfaches. Das Yong, die schwache Kraft, wird dabei vollkommen unterdrückt. Ohne Gleichgewicht aber gibt es kein KI." "Danke für die nette Ausführung", ächzte ich und hielt mir den Kopf. "Wie lange sollen die Kopfschmerzen dauern?" Neben mir nahm Yoshi Abwehrhaltung ein. "Wollen Sie uns dieses Mittel auch injizieren?" "Das würde mich auch interessieren", meldete sich die falsche Megumi zu Wort, bevor sie vor meinen Augen zu einem Farbbrei verschwamm. "Wir können es jederzeit als Verstoß gegen den Waffenstillstand auslegen!" Sie sah zu Yoshi herüber. "Lass dich da nicht drauf ein, verstanden?" "Das brauchst du mir nicht zweimal zu sagen", knurrte der. "Leute", hauchte ich. "Nun seien Sie vernünftig. Das Medikament ist harmlos und ich verspreche Ihnen, ich passe auf Sie auf. Sie haben freies Geleit und ich stehe dazu." "Leute", sagte ich etwas lauter. "Kommt überhaupt nicht in Frage", meldete sich Yellow zu Wort. "Dies ist ein kriegerischer Akt, der alleine schon reichen würde, um den Waffenstillstand aufzuheben. Geben Sie ihm sofort ein Gegenmittel. Dieser hinterlistige Versuch sagt wohl alles über euch Naguad aus, oder?" "Leute", hauchte ich, leiser werdend. "Akira, was ist denn? Ist das Schwindelgefühl noch nicht vorbei?", fragte Yellow und trat neben mich. "Ich... Ich kann keine Farben mehr sehen... Und... und ich kann kaum noch atmen." Alarmiert tauschten Yoshi und Yellow einen Blick aus. Die falsche Megumi starrte erst den Admiral, dann den Arzt an. Sie schoss trotz Krücke auf den Mann zu, ergriff ihn am Kragen. "Sie! Was haben Sie getan?" "Es war ein Befehl!", rief der Mann beinahe hysterisch. "Colonel Connar hat ihn gegeben! Ich konnte mich ihm nicht verweigern!" "Was haben Sie ihm gegeben? Reden Sie schon, Mann!" Mir wurde schwarz vor Augen. Ich spürte kaum, wie ich weg sackte. Meine Stimme versagte, aber ich hörte noch, wie meine Freunde erschrocken raunten. Etwas Weiches stieß mich in die Wange, wieder und wieder, während ein klägliches winseln erklang. Kitsune? "Borex, eine dreifache Dosis", gestand der Arzt. "Borex? Mann, ich lasse Sie erschießen!", donnerte der Admiral und hieb auf einen Schalter neben der Tür. Sofort klangen Alarmsirenen auf, Fußgetrappel war zu hören. "Vize-Admiral Ikosu hier. Verhaften Sie sofort Colonel Connar! Ein Notfallteam sofort in meinen Behandlungsraum. Wir haben hier eine schwere Vergiftung mit Borex!" "Admiral, was ist Borex?", rief Yellow entsetzt. "Borex ist das stärkste Nervengift, das wir kennen", antwortete er tonlos. "Dieser Mann hat gerade Ihren Commander umgebracht." Ich wollte aufbegehren, widersprechen. Das ich noch da war, das ich noch lebte, aber ich spürte immer mehr, wie ich fiel, tiefer, immer tiefer. "Akira!", erklang Megumis Stimme. Oder war es die von der Fälschung? "Rühr ihn nicht an!", rief Yellow wütend, mit tränenschwangerer Stimme. "Rühr ihn nicht an, du billige Kopie. Du hast ihn ja erst hier her gelockt." "Das meinen Sie nicht ernst. Ich habe doch nicht... Ich konnte doch nicht... Yoshi, glaubst du das auch?" Die Antwort erfuhr ich nicht mehr, ich fiel das letzte Stück, während Kitsune noch einmal mit ihrer weichen Schnauze in meine Wange stieß. Dann war ich... Fort. 2. "Der heutige Tag ist eine schwere Belastung für uns alle", sagte Admiral Ikosu ernst, "vor allem für den Waffenstillstand. Auf den Arzt wartet eine Anklage wegen Mord, arglistiger Täuschung und Beteiligung an einer Verschwörung. Das reicht aus, um ihn dreimal hinzurichten. Aber wenn es nach mir ginge, würde ich ihn unter die Füße meines Banges schnallen und mit ihm als Brett einen möglichst langen Berg hinab fahren. Was Colonel Comarr angeht, er wird angeklagt wegen Anstiftung zum Mord, schwerer Verschwörung, Ungehorsam gegenüber Vorgesetzten sowie Feigheit vor dem Feind. Auch das reicht aus, um ihn vor das Erschießungskommando zu bringen." Der alte Naguad senkte den Blick. Der Anelph neben ihm ergriff nun das Wort. "Mein Name ist Neon Zut Achander. Ich bin der höchstrangige Soldat der Streitkräfte dieses Sonnensystems. Ich bitte Sie im Namen der Anelp-Regierung und aller Streitkräfte um Entschuldigung. Da wir uns im Krieg befinden, kann ich Ihnen keinerlei Reparationen zusagen, Admiral Ino. Aber ich verspreche Ihnen, dass der Gerechtigkeit Geltung verschafft werden wird. Dafür stehe ich mit meinem Namen und meiner Ehre gerade. Wir werden Ihnen den Leichnam von Commander Otomo gleich nach den forensischen Untersuchungen und der Autopsie zusammen mit Major Futabe und Begleitung überstellen, ebenso die beiden Mechas. Bitte haben Sie noch etwas Geduld bis dahin." Im Hauptsitzungsraum von Poseidon herrschte angespannte, atemlose Spannung. Admiral Sakura Ino sah aus als wolle sie jede Sekunde in Ohnmacht fallen. Die anwesenden Schiffskapitäne saßen da mit versteinerten Gesichtern oder hatten sich fortgedreht. Die Offiziere der Bodentruppen hielten es ähnlich. Einige Offiziere der Hekatoncheiren fluchten laut und nachdrücklich. "B... bringt...", hauchte Sakura, "bringt sie alle um..." Sie brach in die Knie ein und sah blicklos zu Boden. Für einen Moment wagte niemand in der von gepresster Stimmung erfüllten Raum ein Wort zu sagen. Dann explodierte er vor Aktivität. Vize-Admiral Richards, Chef der Begleitflotte wandte sich seinem Pult zu. "Achtung, auf Befehl von Admiral Ino ist der Waffenstillstand aufgehoben worden. Die SUNDER, die BISMARCK, die PRINZ EUGEN, die LOS ANGELES, die ENTERPRISE, die HARUNA, die SAKURA, die KAZE, die YAMATO und die KOBE sowie die Korvetten eins bis neun rücken sofort nach Jomma aus. Ich komme an Bord der SUNDER und übernehme das Kommando. Wir radieren die Anelph auf Jomma aus!" "Colonel Honda hier. Alarm für alle Hekatoncheiren! Wir haben einen Kampfeinsatz auf Jomma. Briareos und Gyes machen sich bereit und begleiten die Einsatzflotte nach Jomma. Kottos übernimmt die Bewachung der AURORA während des Einsatzes!" "Alarmieren Sie sofort alle Streitkräfte und alle verbündeten Einheiten", rief Kommodore Tetsu Genda in sein Sprechpult, während er verstohlen Tränen aus seinen Augen wischte. "Die Naguad haben den Waffenstillstand gebrochen und Commander Otomo mit einem Giftanschlag getötet. Wir starten eine Strafexpedition!" Die BISMARCK und die KAZE scherten bereits aus, während das erste Bataillon von Briareos von der AURORA startete und Positionen zwischen beiden Schiffen bezog. Alarm gellte durch die riesige AURORA, in Fushida wurden alle Kanäle unterbrochen und die Bevölkerung über den Wechsel der Geschehnisse informiert. Die riesigen Geschütze wurden bemannt und feuerbereit gemacht. Die gigantischen Schilde der AURORA wurden auf Kampfmaximum verstärkt. Da gellte ein Schuss auf. Makoto stand in der Tür, packte gerade seine noch immer rauchende Dienstwaffe wieder ins Holster, bevor er zu sprechen begann. "Hier spricht Colonel Makoto Ino. Alle Befehle sind widerrufen! Die Schiffe beziehen wieder Geleitschutzpositionen, die Hekatoncheiren kehren zu ihren bisherigen Aufgaben zurück. Gefechtsalarm ist aufgehoben." Wütend starrte er in die Runde. "AUSFÜHRUNG!", blaffte er. "Aber Admiral Ino hat... Commander Otomo ist..." "Ja, ich habe es auch gehört, verdammt!", rief Makoto wütend. "Und ich würde liebend gerne in meinen Eagle steigen und den Befehl selbst ausführen! Aber falls sich noch jemand düster daran erinnert, wir haben Befehle von der UEMF! Wir müssen unsere Anelph-Verbündeten evakuieren!" Er sah zur Bildschirmwand herüber auf der noch immer die beiden Admiräle zu sehen waren. "Was Sie angeht, unser Angriff ist nur aufgeschoben. Wir kommen und holen Sie, das verspreche ich. Aber erst einmal müssen wir das Chaos beseitigen, das Sie angerichtet haben! Ich und die gesamte Besatzung der AURORA und der Begleitschiffe erwarten von Ihnen, dass Sie den Leichnam des Commanders bis dahin mit allerhöchstem Respekt behandeln. Wir schicken eine Kampfeinheit um ihn und Major Futabe abzuholen, sobald das möglich ist." Wütend sah er einen Kommunikationsoffizier an. "Ich kann diese Idioten nicht mehr sehen! Schalten Sie sie weg!" Der Mann bestätigte hastig und deaktivierte die Verbindung. Makoto ging neben seiner Schwester auf die Knie und umarmte sie. Hemmungslos begann sie zu weinen. "Das isnich wahr", stieß sie hervor. "Es isnich wahr. Habbich ihn getötet?" "Psst. Nein, Sakura, du hast ihn nicht getötet. Es wird gehen. Irgendwann wird es wieder gehen." Auch Mako musste weinen. Er sah hoch, blickte in schockierte und fassungslose Gesichter. "Holen Sie einen Arzt. Admiral Ino steht unter Schock!" "Die ganze AURORA steht unter Schock", prophezeite Daisuke tonlos. 3. "Akira-sama! Akira-sama! Du musst aufwachen!" Ich versuchte die Augen zu öffnen, als ich die zarte Frauenstimme hörte, aber es war ein mühsamer Prozess: Ich hatte das Gefühl, Tonnen liften zu müssen. "Ai-chan?", ächzte ich mühsam mit einer Stimme, die ich kaum als meine erkannte. "Akira-sama. Es ist gut, dass du wieder wach bist. Es wird einige Zeit dauern, bis deine volle Kraft zurück ist, aber die gute Nachricht ist, du bist nicht tot." "Das habe ich auch schon gemerkt. Dieses Borex..." "Wir haben das Gift ausgetauscht, Akira-sama. Stattdessen hast du eine Überdosis Betäubungsmittel bekommen, genug um einen Büffel auszuschalten. Du warst etwa einen Tag lang scheintot." "Ich war einen Tag fort?", fragte ich erschrocken. Langsam kehrten meine Lebensgeister wieder. "Yoshi? Yellow?" "Sie sind arrestiert worden, solange der Konflikt dauert." "Kon... Konflikt?" "Es sieht so aus, als hätte es an Bord der AURORA eine Art Meuterei gegeben. Admiral Ino hat nach der Nachricht über deinen Tod eine Strafexpedition befohlen, aber Makoto hat den Befehl aufgehoben. Solange sie hier nicht wissen, wie sich die Machtverhältnisse entwickeln, dienen die beiden als Geiseln." "Geiseln... Verhalten sie sich ruhig?" "Ich kann es dir nicht sagen, Akira-sama. Auf jeden Fall sind sie noch nicht ausgebrochen." "Na, immerhin." Ich versuchte mich aufzurichten, was mir auch leidlich gelang. "Akira-sama, bevor du versuchst aufzustehen muß ich dir noch etwas erklären! Bitte erschrick nicht wenn..." "Erschrick nicht? Wovor?" "Hi", sagte der weißhaarige Mann, der bei meiner Aufwärtsbewegung in mein Blickfeld geriet. Und dann hatte der Kerl noch die Unverschämtheit mich anzugrinsen. Ich erstarrte. "Taylor." "Er nimmt es ziemlich gefasst auf, findest du nicht, Ai-chan?", sagte der Kronosier und schmunzelte in Richtung der schlanken Japanerin. "Ich bin gerade nicht dazu in der Lage, aufzuspringen und Sie zu erwürgen, Taylor. Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass Sie die Idee mit dem falschen Borex hatten. Wieso leben Sie überhaupt noch?" Der Kronosier trat näher, wurde aber von einem wütenden Knurren gestoppt. Ich sah unter meine Behandlungsliege und erkannte Kitsune, die sich dort in ihrer Fuchsgestalt zusammen gerollt hatte. "Ruhig, Kitsune-chan. Das geht in Ordnung." Die Füchsin sah aus großen Augen zu mir hoch, dann erhob sie sich, sprang auf die Liege und ließ sich demonstrativ an meiner Seite nieder. "Sie ist dir nicht von der Seite gewichen. Das hat es etwas schwer gemacht, deine Leiche beiseite zu schaffen", sagte Yamagata ernst. "Wir hatten sie nicht eingerechnet. Aber wenigstens scheint sie gemerkt zu haben, dass du noch lebst. Sie ist vollkommen ruhig und beherrscht geblieben." "Kitsune-chan?" Hinter Taylors Stirn schien eine Lampe anzugehen. "Ach so. Dai-Kitsune-sama. Die Dämonenkönigin. Das eröffnet uns ein paar sehr interessante Möglichkeiten. Aber ich schweife ab. Warum lebe ich noch? Temporalfeld und Biotank." "Geht es auch etwas ausführlicher?", beschwerte ich mich. "Nein, wir haben nicht die Zeit dafür. Wichtig für dich sind jetzt ganz andere Informationen, Fliegerjunge. Dass ich mittlerweile mein eigenes Süppchen koche und mit dem Geheimdienst des UEMF nur bei Bedarf kooperiere, sollte dir inzwischen klar sein. Interessant für dich ist vor allem, dass deine Ziele und meine sich nicht beißen. Das heißt, wir können zusammen arbeiten." "Einmal abgesehen davon, dass Sie mich gerettet haben. Warum sollte ich das tun?" Taylor sah zur Seite. Es sah aus als wolle er in weite Fernen sehen. "Nun, Fliegerjunge, dir mag es ja genügen, mit deinen Freunden auf eine Kreuzfahrt zu gehen, ein wenig den Helden zu spielen, ein paar hunderttausend Anelph umzusiedeln und die Naguad den nächsten Generationen zu überlassen. Aber ich kann mir diesen Luxus nicht leisten. Seitdem ich Legat geworden bin, habe ich auf diesen Moment hingearbeitet. Und dies sogar gegen die UEMF." "Hier zu stehen und genetisch ein Naguad zu sein?" Taylor nickte. "Und mit welchem Ziel?" "Ist das nicht offensichtlich, Fliegerjunge? Dies hier ist das Kanto-System. Eine übernommene Peripherie-Nation des eigentlichen Reiches. Die Probleme, die wir hier haben, sind allesamt zweitklassig. Aber was ist, wenn die Erde interessant genug wird, dass sich die erstklassigen Probleme für uns zu interessieren beginnen? Wir müssen das Imperium kennen lernen, studieren, die Strategien betrachten. Und daraus lernen. Das ist meine Aufgabe." "Ihre selbst gestellte Aufgabe." "Das hast du gut erkannt, Fliegerjunge." Taylor schmunzelte. "Mir ist bewusst, dass ich mich oft genug zu weit habe fallen lassen, um noch zurückkehren zu können. Aber deswegen bin ich nicht weniger nützlich. Deswegen liegen mir Mars und Erde dennoch am Herzen. Und deswegen kann ich meine Fähigkeiten dennoch nutzen, um an diesem Geheimnis zu nagen. Die Strukturen des Imperiums aufzudecken ist illusorisch. Es würde mehr als ein Leben dauern, all das zu entdecken und zu verstehen. Aber die Rosinen rauspicken und die richtigen Schlüsse daraus ziehen, das..." Übergangslos sprang ich auf, ergriff den überraschten Taylor am Kragen. "Und den Scheiß soll ich dir abkaufen, Henry?" "Vorsicht, du bewegst dich auf dünnem Eis, Fliegerjunge", knurrte er wütend. "Akira-chan, darf ich das übernehmen?", fragte Kitsune und verzog ihr Fuchsgesicht zu einem beinahe menschlichen Grinsen. "Ich bin mehr als genug für ihn, keine Bange", erklärte ich mit kaltem Lächeln. "Letzte Warnung, Fliegerjunge", knurrte Taylor. Das Nächste was ich spürte war ein scharfer beißender Schmerz in der Wange. Überrascht sah ich Yamagata an, die sowohl mir als auch Taylor eine saftige Ohrfeige verpasst hatte. Bemerkenswert, wenn man bedachte, dass sie uns wahrscheinlich beide zugleich ohne Waffen hätte umbringen können, wenn sie dies gewollt hätte. "Das reicht jetzt! Alle beide, Schluss! Und du gibst auch Ruhe, Kitsune! Wie kann man nur so kindisch sein? Akira-sama, Shawn hat dir so oft das Leben gerettet, ich kann es nicht mehr zählen. Er hat Yohko-chan davor bewahrt, ihr Leben als Krüppel zu verbringen, indem er ihr Vorrang bei der Behandlung in den Biotanks eingeräumt hat. Er hat sie beschützt, so lange er es konnte. Und dann hat er dir eine Bedienungsanleitung für den Resonanzfeldsatelliten mitgeschickt, die Entwicklung der Kampfcyborgs sabotiert, die Selbstzerstörung der Stadt Martian City deaktivieren lassen und zuletzt hat er geholfen die Söhne der AURORA in der Grey Zone in Schach zu halten. Reicht das alles noch nicht?" Ich wollte antworten, sagen wie eigennützig er gehandelt hatte, dass er mich beinahe getötet hätte, wäre da nicht das Geschenk von Kuzo-sama gewesen. Das wegen ihm beinahe Megumi gestorben war. Das ich Teil eines Biocomputers gewesen war... Okay, dafür konnte er eventuell nichts. Andererseits konnte ich ihre Argumente nicht von der Hand weisen. "Okay", begann ich zögerlich. "Überzeuge mich, Henry." "Du bist reichlich arrogant, weißt du das, Fliegerjunge? Seit wann muß ich nach deiner Pfeife tanzen?" "Wer hat denn bitte die KOWLOON entführt und gezwungen zu desertieren? Wer hat denn bitte diese Droge in meinen Körper injizieren lassen? Hallo, geht es noch? Auch wenn du mich gerettet hast, es ist nicht sehr angenehm, scheintot zu sein. Teufel, du schuldest mir was!" "Du hast ja keine Ahnung, was du da sagst. Überzeugen? Was willst du denn hören? Oder besser, wie viel kannst du ertragen, Fliegerjunge?" Ich runzelte die Stirn. "Fangen wir mit dem Nahe liegenden an. Warum sollte ich umgebracht werden? Und sag jetzt nicht, weil ich so dumm war, mich direkt in ihre Hand zu begeben." "Es war nicht weiter schwer, den Geheimdienstoffizier für meine Idee einzunehmen", schmunzelte Taylor. "Er ist ein gewissenloser Profi, der zu gerne auf Kosten anderer vorankommt. Zweifellos rechnet er damit, dass die Zentralregierung ihn versetzt, bevor ein Militärgericht unter den Admirälen ihn zum Tode verurteilt. Die beiden Opas sind übrigens unschuldig. Sie wollten dich lediglich herlocken, um dich hier festzuhalten. Oder um dich besser studieren zu können. Der Stunt mit der Fünften Banges hat sie tief beeindruckt. Der liebe Colonel Conarr allerdings hielt es für eine gute Idee, den besten Piloten der UEMF aus dem Weg zu räumen." Taylor grinste schief. "Versteh die alten Knaben nicht falsch. Sie hätten absolut nichts dagegen, wenn die AURORA in der Sonne verglüht und würden zu gerne einem ihrer Piloten den höchsten Orden anstecken, weil er dich getötet hat. Aber doch bitte all das auf dem Schlachtfeld, um zivile Opfer zu vermeiden und die Ehre zu bewahren. Einmal ganz davon abgesehen, dass die Naguad-Streitkräfte selbst mit Unterstützung der Anelph-Miliz hoffnungslos unterlegen sind. Sie können uns schwächen, aber weder binden noch vernichten. Verstärkung wird erst in einer bis drei Wochen eintreffen und wird dann noch einmal eine Woche bis nach Lorania brauchen. Bis dahin hatten die Herren sicher vor, den Ball flach zu halten." "Der AURORA wäre es auch am liebsten, wenn wir hier ohne großen Kampf rein und wieder raus kommen", murmelte ich nachdenklich. Wie weit waren die Pläne des Komitees nun fortgeschritten? Konnten wir eventuellen Verstärkungen ausweichen? Konnten wir überhaupt wiederkehren? "Soviel also zu den Admirälen. Scheint so, als wären sie noch mal mit dem Schrecken davon gekommen und könnten sich jetzt auf ihre große Feldschlacht vorbereiten, auf die sie so stehen. Wie geht es weiter?" "Das Ziel der Naguad war es dich zu binden. Mit Hilfe von Megumi und deiner Neugier. Und natürlich mit dieser Banges-Pilotin, die zur Aburteilung nach Naguad Prime soll. Kann sein, das sie damit rechnen, dass die AURORA nicht weiter fliegen wird, solange du in ihrer Gefangenschaft bist, was die Chancen für die Verstärkungen erhöht, uns einzuholen." "Ich höre immer uns." "Ah, du triffst mich schwer, Fliegerjunge." "Keine Spielchen. Es ist zu wichtig, das wir auf einen gemeinsamen Nenner kommen!", mahnte Yamagata. "Okay, okay. Jedenfalls gibt es einen mächtigen Haken an dem Plan des Komitees. Das Reich wird beschützt. Dazu gehört auch dieses System, solange man es nicht als rebellisch einstuft. Wer aber beschützt dieses Reich? Seine Flotten? Der Geheimdienst? Oder..." "Eventuell Naguad, die ebenso wie ich ihr KI nutzen", schloss ich leise. "Deshalb war Ikosu mit dem Medikament bei der Hand..." "Richtig. Die AURORA ist gerade auf dem besten Weg, mit einigen dieser Naguad konfrontiert zu werden. Es gibt drei Spezialschiffe in diesem System, auf denen Offiziere dienen, die mit diesen Leuten im Zusammenhang stehen. Oder noch besser: Diese Leute sind. Zudem ist vor einiger Zeit ein Gast... ein extrem wichtiger Gast eingetroffen und auf dem Weg nach Jomma." "Ein Gast? Das ist zu schnell, um eine Reaktion auf unsere Ankunft zu sein", murmelte ich. "In der Tat. Verstehst du jetzt, warum ich mehr über das Imperium erfahren will? Wir alle wandern auf einem sehr schmalen Grat, denn das Imperium der Naguad ist gerade dabei, uns einen seiner Trümpfe auf den Tisch zu knallen. Und ich weiß nicht so recht, ob wir das kontern können. Im Moment ist alles unsicher. Sogar die Erde und der Mars." Ich erschauderte. "Das ist noch nicht alles, Akira-chan", meldete sich Kitsune zu Wort. "Wie ich Michael-tono... Ich meine, wie ich herausgefunden habe, sind die Naguad in der Lage, auch die Dämonenwelt anzugreifen. Auf Lorania haben sie es gemacht. Mit verheerenden Folgen." Bei der Erwähnung meines Großvaters - das war die erste Assoziation auf den Namen Michael bei mir - zog ich kurz die Augenbraue hoch, schob den Gedanken jedoch beiseite. Opa war auf der Erde. Sie musste einen anderen Michael meinen. "Die Dämonenwelt? Diese geheime Gesellschaft zum Schutz muss..." "Über ähnliche Machtmittel verfügen wie die UEMF mit dir, Yoshi und den alten Futabe", schloss Taylor. "Diese Möglichkeit haben wir auch schon in Betracht gezogen", erwiderte ich gereizt, weil ich nicht ins Hintertreffen geraten wollte. "Andererseits hätte ich nicht gedacht, dass es so schlimm ist." Ich ließ mich nach hinten fallen. Aufrecht sitzen und wütend sein strengte an. "Okay, wir ziehen an einem Strang, Henry. Weiter im Text. Was also soll ich tun? Was sollen wir tun?" "Das was du schon die ganze Zeit vorhattest. Schnapp dir Aria und Megumi und verschwinde hier. Alle denken, du bist tot. Mehr Überraschungseffekt kriegst du nie. Und verdammt, tu es bevor unser Gaststar ankommt. Der muß dich gerochen haben, sonst wäre er nicht schon hier." "Gerochen?", argwöhnte ich und erinnerte mich an einen sehr merkwürdigen Traum, den ich auf dem Herflug gehabt hatte. Yellow Slayer kam darin vor und... Nein, der Part mit Yellow war kein Traum gewesen. Was hatte sie gesagt und getan? Sie schien auf mich aufgepasst zu haben. Aber wie und warum? Eiskaltes Entsetzen durchfuhr mich, als ich die Möglichkeit in Betracht zog, ich wäre von Naguad Prime aus beobachtet worden. "Mir ist auf einmal schlecht", murmelte ich und sah mich nach einer Schüssel oder ähnlichem um. "Das Gefühl nennt man Angst, Fliegerjunge", erklärte Taylor grinsend. "Sehr nett", erwiderte ich und kämpfte mit meiner Magensäure. "Alleine dieser Anblick war es wert dich zu retten. Also, du bleibst erst mal hier, bis du dich gut genug erholt hast, um es mit dem ganzen verdammten Stützpunkt aufzunehmen. Zu dem Zeitpunkt werde ich schon ganz woanders sein. Ich will tiefer ins Imperium, und es wäre für meine Pläne nicht sehr hilfreich, wenn mir irgendjemand die peinliche Frage stellen würde, ob ich etwas mit deiner plötzlichen Wiedergeburt zu tun habe." "Verstehe." "Du und Kitsune-chan solltet reichen, um bis zu Yellow und Yoshi zu kommen. Von dort könnt ihr euch zu viert durchschlagen. Eure Mechas sind noch immer im Hangar. Die Fünfte Banges-Division, der du die Hosen stramm gezogen hast, überwacht den Hangar, damit keine neugierigen Techniker oder der Geheimdienst dran rumfummeln können. Frag mich nicht wieso. Wahrscheinlich so ein Kriegerdings. Ai-chan wird dir helfen, so gut sie es kann. Sie weiß wo Lady Death und Aria Segeste sind. Und wie Ihr hinkommt. Klar soweit?" "Klar. Wie lange muß ich hier bleiben?" "Ein paar Stunden sollten es schon sein. Junge, du warst scheintot." "Ist ja schon gut. Können wir die beiden eventuelle darüber informieren, dass ich noch lebe?" "Das wissen sie doch sowieso", kommentierte Taylor amüsiert. "Oder glaubst du, Yoshi hätte auch nur einen Stein auf dem anderen gelassen, wenn er denken würde, du wärst ermordet worden? Von Yellow ganz zu schweigen. Außerdem wäre es eine Riesendummheit zu glauben, dass zwei KI-Meister wie die beiden nicht in der Lage sind, den Unterschied zwischen einem ins Extreme reduzierten Kreislauf und dem Tod zu bemerken." "Was natürlich die Möglichkeit eröffnet, dass auch die KI-Meister der Gegenseite wissen, dass ich noch lebe", bemerkte ich gepresst. "Stimmt. Aber im Moment scheint es in deren Pläne zu passen, dass du noch lebst. Kann sein, dass sie wissen wo du bist, Fliegerjunge, deshalb mach es dir hier nicht zu bequem. Auch wenn Ai-chan und Kitsune auf dich aufpassen und der Raum garantiert nicht überwacht wird. Aber vergiss eines nicht, wenn du losschlägst. Abgesehen davon dass ein Teil der Gegner die gleichen Möglichkeiten hat wie du. Sobald du Yoshi und Yellow rausholst, gellt hier der Alarm. Sie werden nämlich überwacht." "Verstehe", antwortete ich matt. "Ab dann wird es ein Wettlauf mit der Zeit." "Mit der Zeit und mit den KI-Meistern. Aber keine Bange. Ich sorge dafür, dass... Ah, dass die KOWLOON zurückdesertiert. Der gute Shawn Winslow nagt sicherlich schon am anderen Ende der Nagelbetten seiner Fingernägel, so wie sich die ganze Geschichte hier entwickelt." Überrascht fuhr ich wieder hoch. Etwas zu schnell, um ein leichtes Schwindeln zu verhindern. "Du hast das geplant?" "Sagen wir", bemerkte Taylor schmunzelnd, "die KOWLOON sollte mir mehrere Variationen offen lassen. Zum Glück ist auf deinen Dickschädel aber Verlass, Fliegerjunge." Er wurde ernst, sehr ernst. "Ich überlasse den Rest dir. Gib dein Bestes und nimm Ai-chan bitte mit. Da wo ich hingehe können nur Naguad gehen." "Verstehe. Was erhoffst du dir davon? Ich meine, das Risiko ist doch unermesslich groß, oder? Wieso legst du dich mit einem ganzen Imperium an?", fragte ich. Er trat zu mir heran. "Zwei Gründe, Akira. Grund eins: Warum hat die Gift bei Yohko nicht so funktioniert wie bei mir und den anderen? Und Grund zwei: Warum hast du eine so unglaublich gute Synchronisation mit dem Daishi Beta erreicht, den ich dir geschickt habe, welche die Kronosier zu Anfang nur durch die Gift erreicht haben? Die Antwort ist simpel. Auch der beste Zauberer kann Brot nicht in Brot verwandeln." Übergangslos hatte ich das Gefühl, in ein sehr tiefes Loch zu fallen. "Was?", brachte ich mühsam hervor. Er legte mir eine Hand auf die Schulter. "Das sind alles nur Dinge, die auf der Oberfläche treiben. Aber ich will tiefer, noch viel tiefer graben. Es ist meine Pflicht und mein verdammtes Recht, nach all dem, was ich geleistet und verbrochen habe. Ich will wissen, was dahinter steckt. Auch wenn es vielleicht mein Leben kostet." "Das ist sehr egoistisch, oder?" Ich sah zu Yamagata herüber, die nur zu genau wusste, dass dies die letzten Momente waren, die sie ihren Führungsoffizier noch sehen würde. Ihr Gesicht blieb ausdruckslos, aber ihre Augen sprachen eine andere Sprache. "Und was ist mit ihr?", fragte ich traurig. "Ich lasse sie bei dir. Hatake ist ein guter Offizier. Er soll sie unter seine Fittiche nehmen." "Das meinte ich nicht. Was ist mit ihr?" Er sah zu ihr herüber. "Ai-chan. Ich gebe dir jetzt einen Befehl. Bis ich zurückkehre, bleibst du in Akiras Nähe und beschützt ihn. Hast du das verstanden?" "Ja, Sir", sagte sie mit kühler Stimme. Ihr begannen die Tränen zu fließen. "Das hat dann hoffentlich bedeutet, dass du planst, zurück zu kommen", sagte ich, vor allem, um Yamagata zu beruhigen. "Natürlich. Mein liebstes Hobby bist immer noch du, Fliegerjunge." "Shawn", hauchte Yamagata, trat einen schnellen Schritt vor und umarmte ihn. Überrascht sah der Brite an sich herab und legte langsam, zögerlich die Hände um sie. "Bitte sei vorsichtig", bat sie mit Tränenerstickter Stimme. Doch ich hörte sie sagen: Komm zurück zu mir. "Keine Sorge. Ich bin nicht Akira Otomo. Ich gehe keine unnötigen Risiken ein", erwiderte er. Aber wohl die nötigen, wollte ich sagen, schluckte die Worte aber hinunter. Schließlich löste sich Taylor von der jungen Frau, nickte mir und Kitsune zu und verließ den Raum. Die Tür schloss sich hinter ihm mit der Gewalt eines Requiems und der Gewissheit eines Sargdeckels. In diesem Moment wusste ich nicht, ob ich ihn jemals wieder sehen würde. 4. "Also, das ist mein Plan!" Kevin Lawrence, First Lieutenant des Geheimdienstes und Träger der Gift, was ihn als Kronosier auswies, zeigte stolz auf das Hologramm. Admiral Ino und Admiral Richards wirkten seltsam geistesabwesend, wechselten eine Menge stumme Blicke, die getränkt waren von Schuld, Vorwürfen und Selbstmitleid. Lediglich Kommodore Takahara, Kapitän Ryon, Admiral Gennusuke Riada und Komitee-Mitglied Stela Ryon sowie Colonel Makoto Ino schienen ihm ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Doch auch bei ihnen bemerkte er immer wieder stumme, hilflose Blicke in Richtung des Admirals. Die junge Frau, die es in bemerkenswert schneller Zeit auf den zweithöchsten Posten in der UEMF geschafft hatte, zuckte plötzlich zusammen. "Ich hätte... Ich hätte beinahe..." Ein Anflug von schwerer Schuld, die sie peinigte, seit sie nach der Nachricht von Commander Otomos Tod erfahren hatte und den Befehl gegeben hatte: Bringt sie alle um. Kevin fühlte mit ihr, obwohl der Name Otomo in seiner Zeit auf dem Mars als Gefolgsmann der Legaten gleichbedeutend war mit Schmerz im Arsch oder Riesenproblem. Damals wäre die Nachricht vom Tode Akira Otomos - oder vielmehr Blue Lightnings, denn seine wahre Identität hatte der Geheimdienst der Kronosier nie herausgefunden - mit großer Erleichterung aufgenommen worden. Schließlich und endlich hatte Akira das Legat vernichtet, genau wie es immer befürchtet worden war. Doch nach über zwei Jahren amüsierte dieser Gedanke Kevin lediglich. Wütend schlug er auf den Tisch mit dem holographischen Projektor. "Verdammt, Admiral Ino, wenn Sie krank sind, melden Sie sich im Lazarett oder gehen Sie in Ihre Kabine, aber hören Sie auf, die Besprechung zu stören! Unsere Arbeit hier ist wichtig, verdammt!" Kurz sah er nach seinen harschen Worten in Richtung der anderen Offiziere, vor allem zu Makoto, ihrem Bruder herüber. Aber der lächelte nur knapp und nickte unmerklich. "Was wissen Sie schon?", klagte Sakura Ino. "Was wissen Sie schon, was ich durchmache?" "Das ist mir so was von egal, Admiral! Ich versuche hier meinen Job zu machen und so viele Anelph wie irgend möglich zu evakuieren, damit wir, Tschuldigung, auf Erde und Mars eine Zukunft haben. Meine persönlichen Gefühle und Sorgen habe ich dazu an der Tür abgegeben. Wenn Sie das nicht auch können, dann sollten Sie diese Besprechung wirklich verlassen! Dumme Pute." In Sakuras Augen schien ein Funke zu entstehen. "Dumme... Pute?" "Nun tun Sie nicht so unschuldig! Sie sitzen hier rum, seufzen und ächzen, bedauern sich selbst und lassen alle andere Sie bedauern. Ich gebe zu, den Commander zu verlieren ist schlimm. Aber es gibt immer noch die AURORA und die Begleitflotte. Wenn durch Ihre Unsicherheit all das vernichtet wird, dann haben Sie richtig was zum seufzen und ächzen! Nur wird dann vielleicht keiner mehr da sein, um Sie zu bedauern!" Die letzten Worte hatte Kevin geschrieen und beinahe befürchtete er, zu weit gegangen zu sein, als Sakura Ino den Kopf senkte. "Ad... Admiral?", fragte Kevin, als seine höchste Vorgesetzte minutenlang schwieg. "Ruhe, bitte. Ich denke nach", sagte sie ernst. Verdutzt sah der Geheimdienstmann sie an. Plötzlich sah sie auf und in ihren Augen stand grimmige Entschlossenheit. "Ihre Idee ist genehmigt, First Lieutenant. Wir bringen die eine Million und dreihundertsiebzehntausend Anelph nach Ihrer Methode im Innenraum der AURORA unter." Sie sah auf das Hologramm, welches gerade den Innenraum der AURORA zeigte, mit der Stadt Fushida im Norden, den vier kleineren Ortschaften im restlichen, fünfzehn Kilometer langen und acht Kilometer weiten Innenraum, zusammen mit dem Meer Serenity und der Kommandozentrale Poseidon sowie den wogenden Weizenfeldern und Wäldern im Süden. "Es trifft sich gut, dass der Weizen gerade reif ist. Wie lange werden wir brauchen, bis er geerntet ist?" "Zwei Tage, Admiral", antwortete der Lieutenant automatisch. "Gut. Lassen Sie sofort anfangen. Wie schnell können wir die Gerüste fertigen?" "Wir werden massive Bestände auf Lorania aufkaufen müssen, soll es für unsere Pläne reichen. Ich denke, wenn wir sofort anfangen, haben wir in fünf Tagen alles hier oben. Dann beginnt das logistische Problem, eins Komma drei Millionen Anelph hierher in den Orbit zu schaffen. Und da ist dann noch die Spezifikation des Resonanzgenerators. Wir werden gut und gerne vierhunderttausend Anelph haben, die nicht eingefroren werden." Sakura Ino sah noch einmal auf das Hologramm. "Die Idee, eine Million Anelph mit Hilfe eines Resonanzgenerators einzufrieren wie damals den OLYMP durch die Kronosier ist schlicht genial. Aber vierhunderttausend sind zu viele. Es sprengt die Kapazitäten der Stadt und der Ortschaften." "Das wird es nicht, Admiral", warf Kevin tapfer ein. "Nicht, wenn wir auch zwei Drittel unserer Leute einfrieren, die über vierundzwanzig sind. Das schließt die Menschen in der Grey Zone ein, denn sie ziehen Ressourcen, die wir uns nicht mehr leisten können, wenn die Anelph an Bord kommen." "Ich habe beides zur Kenntnis genommen. Makoto, erstell einen entsprechenden Plan. Wir müssen unsere Leben und unsere Schiffe komplett unseren Jüngsten und den heranwachsenden Anelph anvertrauen. Wir brauchen Ausbildung, Training und Aufteilung. Die jungen Anelph sollen unter Anleitung unserer Mars-Veteranen ausgebildet und eingesetzt werden. Wenn wir zwei Drittel unseres Militärpersonals ebenfalls in den Resonanzfeldbereich bringen, schaffen wir es ansonsten nicht. Selbst wenn wir die Appartements voll auslasten, die sich über die Innenwand der AURORA verteilen." Der Colonel nickte. "Ist so gut wie fertig. Ebenso eine Auflistung der Leute, die wir dringend brauchen. Lieutenant Lawrence, wie groß wird das Feld sein, welches der Torpedo erzeugt?" "Wir platzieren ihn hier, mittig in etwa zehn Meter Höhe. Das Feld ist regulierbar, nachdem wir die Projektoren modifiziert haben. Es hat dann eine runde Form von sechs Kilometern und eine durchschnittliche Höhe von anderthalb. Das ist die kleinste Stufe. Würden wir auf Maximum gehen, kann das Feld vierzigtausend Kilometer Breite und zwanzig Kilometer Stärke erreichen. Aber das nur am Rande." "Sechs Kilometer. Hm. Quer durch Wald und Feld. Könnte reichen." "Wir dürfen aber nicht zu hoch hinaus planen. Die Bühnen, auf denen wir die Anelph einfrieren wollen, unterliegen noch immer der Statik. Ich meine, ruckzuck kann was passieren, und je mehr Ebenen wir einplanen und je mehr Anelph und Menschen wir da rauf schicken, desto größer unsere Sorgen." Admiral Ino nickte nachdenklich. "Unsere Ingenieure sollen das mal durchrechnen. Ich will, wenn es irgendwie geht, das alles sehr schnell durchziehen. Eine Million Anelph, die aus irgendwelchen Gründen in Panik geraten, bevor das Resonanzfeld aktiv ist... Ich mag gar nicht dran denken. Admiral Riada, was halten Sie von unseren Ideen?" "Generell sehr interessant. Ich sehe schon, der alte Ryon hat bei der Wahl seiner Partner einen wahren Glücksgriff getan. Ich unterstütze Ihre Idee und werde auch die Ausbildung unserer Jugend und unserer Heranwachsenden für den Dienst auf der AURORA und der Begleitschiffe befürworten. Aber was machen wir mit den Kindern? Sie werden, bis wir den Mars erreicht haben, ohne Eltern leben müssen." Sakura grinste schief. "Ja, was machen wir denn mit Kindern? Das, was wir immer mit ihnen machen. Wir schicken sie zur Schule. Die Fushida-Schule ist nur zu einem Drittel ihrer Kapazität ausgelastet, und wir können sie problemlos auf das dreifache vergrößern." Der Admiral nickte anerkennend. "Sehr gut, Admiral, sehr gut. Machen wir es so." Sakura schlug in die Hände. "Einverstanden. Gute Arbeit, alle miteinander. Makoto, du kennst deine Aufgabe. Lasst uns beginnen." Die Anwesenden bestätigten und verfielen sofort in zustimmendes Gemurmel, führten erste Fachgespräche, während sie ihre Unterlagen rafften und den Raum verließen. Lediglich Admiral Ino blieb noch sitzen. "Lawrence." Der First Lieutenant war schon halb zur Tür draußen, als ihn der Ruf erreichte. "Admiral?" "Bitte schließen Sie die Tür, Lawrence." Gehorsam folgte der Kronosier der Anweisung. "Admiral, ich..." "Halten Sie den Mund. Wissen Sie, was ich normalerweise mit Junioroffizieren mache, die mir so wie Sie über den Mund fahren? Ich fresse sie quer und lasse sie anschließend die Außenhülle der SUNDER flicken. Alleine selbstverständlich." Kevin spürte, wie sein Kragen zu eng zu werden drohte. Sakura sah ihm in die Augen und nickte zufrieden. "Aber ich denke, in diesem Fall mache ich mal eine Ausnahme und verleihe Ihnen eher einen Orden. Die Idee mit dem Resonatorfeld ist ein Geniestreich. Und mich aus meinem Selbstmitleid rauszuholen ist ebenfalls eine Großtat." Sie schmunzelte. "Aber auf Letzteres sollten Sie sich nicht soviel einbilden." "Schon gut, Admiral. Akiras Tod geht mir auch an die Nieren." "Ja, das glaube ich Ihnen. Doch Sie haben ihn nicht in den Tod hinein befohlen." "Ich glaube nicht, dass dem Commander jemand etwas befehlen könnte, was er nicht wirklich will. Dafür habe ich ihn immer respektiert und beneidet, Admiral." Für einen Moment sah es so aus, als wolle die blonde Frau erneut in Tränen ausbrechen. Doch sie fing sich wieder. "Auch dafür danke, Captain. Sie können gehen. Kevin salutierte stramm vor ihr und verließ den Raum. Vor der Tür zögerte er kurz, kam wieder hinein. "Admiral, ich..." "Nein, das hat schon seine Richtigkeit, Captain. Es ist Ihre Idee und Ihre Aufgabe. Glauben Sie, die vertraue ich einem First Lieutenant an?" "Oh." Erschrocken sah Kevin die junge Frau vor sich an, salutierte erneut. "Ich werde Ihnen keine Schande machen." Wieder verließ er den Raum, schüttelte den Kopf. "Was für eine Frau. Was für eine Frau." 5. Die Planungen für den Aufbau der Gerüste, die Abnahme der Statik, vor allem des Bodens und der darunter liegenden Kavernen hatte den Rest des Tages eingefordert und Sakura davon abgehalten, sich erneut stundenlang Selbstvorwürfe zu machen. Leider hielt diese Ablenkung nur solange an wie die Arbeit, und am Ende stand sie als Letzte vor einem mit Papier übersäten Schreibtisch. Sie blinzelte verwirrt, als sie sich bewusst machte, dass die anderen entweder schlafen gegangen waren oder ihren Teil der Organisation erfüllten. Sei es beim Aufbau dieses irrwitzigen Plans, bei der Bereitstellung des Torpedos mit dem Resonanzfeld oder beim logistischen Albtraum, binnen weniger Tage über eine Million Anelph auf dieses Schiff zu schaffen. Das Merkwürdige an der Sache war, dass für sie nun nichts mehr zu tun blieb. Ihr Teil der Arbeit war erledigt, zumindest vorerst, bis die ersten Anelph eintrafen. Auf sie warteten nur ihre üblichen Pflichten als Anführerin der Expedition, doch leider hatten die auch noch Zeit bis zum nächsten Morgen. Bis dahin war die Begleitflotte bei Admiral Richards in sehr guten Händen, und die AURORA bei Tetsu sowieso. Letztendlich hatte sie weder genügend Selbstmitleid mehr noch genügend Arbeit vor sich her zu schieben, um nicht nach Hause zu gehen. Dennoch zögerte sie. "Sakura, komm jetzt", sagte eine leise Männerstimme vom Eingang her. Sie wandte sich um, sah ihren Bruder. "Gehen wir nach Hause. Du warst schon seit Tagen nicht mehr in deinem Bett." Sie sah ihn an, blinzelte, und merkte dann, wie müde sie wirklich war. Die letzten Tage hatte sie mehr oder weniger gelähmt verbracht. Sie fühlte sich, als wäre ihr Erstgeborenes gestorben. Zumindest redete sie sich ein, dass es sich so anfühlen musste, so hilflos, so schmerzerfüllt und so endgültig, voller Schmerz und Selbstvorwürfe. "Ich komme", sagte sie, raffte ihre Unterlagen an sich und folgte Makoto auf den Flur. Auf dem Weg zur Bahn meinte sie: "Du warst auch nicht Zuhause, oder?" Makoto warf ihr einen schiefen Blick zu. "Wenn du wissen willst, wie es Zuhause aussieht, keine Ahnung. Dank deinem Bad in Selbstmitleid hatte ich so viel zu tun, dass ich froh sein konnte, zwischendurch mal ne Stunde zu schlafen. Nicht mal Zeit für ein Telefonat mit Joan hatte ich." Sie senkte schuldbewusst den Kopf. "Tut mir Leid." "Schon gut. Ich bin ja selbst gespannt, wie sie es aufgenommen haben. Yohko, Akari, die anderen..." "Ich sagte doch, es tut mir Leid", murrte Sakura. "Oh, das war kein Vorwurf. Ich meine nur, als ich Yohko bei einer der taktischen Sitzungen getroffen habe, da schien sie zwar angespannt und nervös, aber sie hatte nicht gerade verheulte Augen." "Oh." Sie stiegen in die Bahn und verbrachten den Weg über das Serenity-Meer schweigend. Um in das Viertel zu kommen, in dem das Haus stand, mussten sie einmal umsteigen. Doch während der ganzen Zeit, inklusive dem Fußmarsch, sprachen sie miteinander kein Wort. Sakura sah kaum auf, während sie die zu dieser Zeit wenig frequentierten Straße entlanggingen und hier und da gegrüßt wurden. Als sie auf der Türschwelle standen, bekam sie plötzlich Angst. Einem inneren Impuls folgend wollte sie sich umdrehen und fortlaufen, doch da ging die Tür bereits auf. "Wer ist es, Micchan?", erklang Akaris Stimme von drinnen. In der Tür stand Michi Torah, der Junge, der... Nun, wahrscheinlich Akaris Freund war. Ein Umstand, den sich Sakura eigentlich geschworen hatte im Auge zu behalten. "Guten Abend, Michi-kun", sagte sie deshalb etwas frostig. "Oh, es sind nur zwei unserer verlorenen Schäfchen", rief der Bengel frech nach drinnen. Dann lächelte er die beiden Geschwister freundlich an und trat beiseite, damit sie eintreten konnten. "Guten Abend, Makoto-nii-san. Sakura-nee-san." Über diese Anmaßung, sich einfach so als Teil der Familie etablieren zu wollen, blieb Sakura die Luft weg. Sie wollte zu einer Schimpftirade ansetzen, aber da hatte Makoto sie schon über die Schwelle geschoben, verfolgt von Michis Grinsen. "Da seid ihr ja endlich", empfing Akari die beiden. "Kommt, wir essen gleich zu Abend. Dann müssen wir auch bald los." Verwirrt blinzelte die Kommandantin des Unternehmens Troja. Wie hatte Akari den Tod ihres großen Bruders so gut wegstecken können? Und wenn sie sich richtig erinnerte, war Michi auch etwas auf Akira fixiert gewesen. Yohko kam aus ihrem Zimmer. Sie trug den Druckanzug, aber ohne Handschuhe. "O-nee-chan, du solltest dich doch noch nicht umziehen", tadelte Akari die Ältere. "Es ist so unappetitlich beim essen." "Sorry, aber ich konnte einfach nicht mehr an mich halten. Ich bin so nervös, ich musste einfach etwas tun. Außerdem muß ich ja vor euch los, also kann ich die Zeit auch nutzen, oder?" Yohko kam kurz zu den beiden Neuankömmlingen und drückte jedem einen Kuss auf die Wange. "Schön, dass Ihr euch endlich losreißen konntet. Kommt Ihr?" Makoto runzelte die Stirn. "Sag mal, was ist denn hier los?" "Was? Ach das. Nun, ich habe Thunder startklar machen lassen. Meine Kottos gehen raus." "Ich kann mich nicht erinnern, dass das auf dem Dienstplan stand", brummte Makoto verstimmt. "Tut es ja auch nicht. Der Geheimdienst hat uns angefordert. In einer Stunde brechen wir zusammen mit den Slayern auf. Wir... Warum wisst Ihr eigentlich nichts darüber? Na, egal. Kommt jetzt, Schuhe aus, hinsetzen und zur Ruhe kommen. Ihr seht so aus als hättet Ihr in euren Klamotten geschlafen." Makoto murmelte etwas, das mit viel gutem Willen eine Bestätigung sein konnte und folgte Yohko ins Haus. Doitsu kam in diesem Moment aus der Küche, seine Brille keck den Haaransatz hochgeschoben. Er musterte die beiden einen Moment, brummelte einen Gruß und ging weiter, den Packen Papier in seiner Hand studierend. "Warum ist denn hier alles so schrecklich normal?", brach es aus Sakura hervor. Yohko! Akari! Euer Bruder ist..." "Wir wissen selbst in welcher Gefahr er schwebt, aber war von ihm etwas anderes zu erwarten?" Akari lächelte und zog Sakura mit sich ins Wohnzimmer. "Deshalb müssen wir ja auch ausrücken. Wenn er zurückkommt, braucht er eventuell Schützenhilfe." Entsetzt starrte Sakura das junge Mädchen, das mal ein Oni gewesen war an. "Hast du denn noch nicht gehört, das Akira..." Sie schluckte hart. "Das er tot ist?" In diesem Moment erstarrte jede Bewegung im Haus. Eine eisige Stille breitete sich aus, die nach dem Herz eines jeden einzelnen zu greifen drohte. "Was?", fragte Yohko mit blankem Entsetzen in der Miene. "Es... Es ging doch gestern durch alle Medien", stotterte Sakura. Wie auf ein geheimes Kommando entspannten sich alle wieder. "Ach, DAS!", rief Yohko unbeschwert. "Ist schon in Ordnung." Makoto und seine Schwester wechselten einen erstaunten Blick. Doitsu sah die zwei an, dann wieder auf seinen Bericht, auf dessen Titelseite das Zeichen für Top Secret über dem schwungvollen Titel Erhöhte verbrecherische Aktivitäten in der Grey Zone prangte. "Sie wissen es nicht, Yohko." "Ach. Das habe ich auch gerade gemerkt." Akari, schob Sakura vor sich her. "Hat das nicht Zeit bis wir alle sitzen? Himmel, wenn Ihr eure Regimenter so führt wie euer Privatleben, dann sollten wir uns besser sofort ergeben." "Wissen was nicht?", hakte Makoto nach, während er von Akari mit Nachdruck am Tisch platziert wurde, zwischen Okame und Michi. Kurz warf er einen Blick auf den Dämonenkönig, der sich allerdings einer Vorspeise widmete. "Wissen, dass Akira noch am Leben ist", erklang die Stimme von Kei Takahara von der Tür. "Guten Abend, alle zusammen. Die SUNDER und fünf Fregatten stehen für das Unternehmen bereit. Daisuke stellt uns auch noch Briareos zur Verfügung. In X minus fünfundfünfzig brechen wir auf und bilden den Abfanggürtel." Er ließ sich am Tisch nieder und tadelte die Ino-Geschwister mit seinem Blick. "Also ehrlich. Hättet Ihr euch mal Zuhause gemeldet oder wärt einfach nur zum schlafen heim gekommen, so wie ich heute Morgen, dann hättet Ihr es früher erfahren." Okame-tono zog fragend die Augenbrauen hoch. "Habt Ihr die anderen nicht benachrichtigt, dass es Yellow Slayer, Yoshi-tono, Kitsune-tono und Akira-tono gut geht?" "Ich habe versucht anzurufen und E-Mails verschickt", sagte Yohko in leicht beleidigtem Tonfall. "Ich wäre auch persönlich vorbei gegangen, wenn ich nicht bei der Verwaltungsarbeit für eine ganze verdammte Division Mechas helfen müsste. Und nebenbei auch noch die Regimentsverwaltung der Hekatoncheiren. Wirklich, Ihr solltet euch mehr Zuhause melden." Makoto fühlte sich, als würde er in einen bodenlosen Schacht fallen. Aber es war kein fürchterliches Fallen, mehr ein angenehmes, schwereloses Schweben, ein Gleiten durch einen Lichterfüllten Raum in eine verheißungsvolle Zukunft. Akira lebte noch. Sein Cousin war nicht an einem Anschlag oder tatsächlich an einer Medikamentenunverträglichkeit gestorben. Neben ihm begann Sakura vor Erleichterung zu schluchzen. "Ich habe jede Stunde Kontakt zu Kitsune-tono", erklärte Dai-Okame-sama in beiläufigem Plauderton. "Das gehört zu den Sicherheitsbedingungen, die wir vereinbart haben. Beim letzten Mal hieß es, Taylor sei tatsächlich nicht wieder aufgetaucht und... Ach so, das wisst Ihr ja auch noch nicht. Taylor-tono lebt noch." "Langsam, langsam, ich verkrafte immer nur eine plötzliche Auferstehung auf einmal. Okay, Akira lebt noch. Und Ihr habt versucht, uns zu benachrichtigen. Warum habt Ihr es nicht einfach in die Medien gesetzt? Dann hätte es uns auf jeden Fall erreicht." "Zwei Gründe, Mako-chan", meldete sich Doitsu zu Wort, legte seine Lektüre fort und nahm dankbar seinen Teller von Akari entgegen. "Der erste Grund ist, weil wir dann entweder Spekulationen über eine geheime Kontakttechnik zwischen dem Mond und uns in Gang gesetzt hätten - was im schlimmsten Fall dazu geführt hätte, dass der Geheimdienst auf Dutzende Agenten des Komitees gestoßen wäre. Außerdem wären wir vielleicht gezwungen gewesen, Okame-tono und Kitsune-chan zu enttarnen. Und der zweite Grund ist, dass ich drum gebeten habe. Die Grey Zone ist gerade in heller Aufruhr. Da unten geht was vor, und ich bin gerade dabei, dies für mich und meine Gruppe auszunutzen. Die Nachricht von Akiras Tod hat dort unten einige Menschen zu Recht aufgebracht und in mein Lager getrieben. Und die Söhne der AURORA unvorsichtig gemacht. Ich habe nun eine echte Chance, den ganzen Laden endlich in den Griff zu kriegen. Wenn du dich erinnerst, du warst es, die mir diesen miesen Posten aufgehalst hat." Sakura lächelte schief. "Schon gut, Doitsu-chan. Schon gut." Sie atmete sichtbar aus. "Für den Moment reicht es mir vollkommen, dass Akira noch lebt und dass es den anderen gut geht. Aber was ist das für ein Sperrriegel, von dem Ihr sprecht?" Kei legte die Stirn in Falten. "Kannst du dir das nicht denken? Akira hat in zwei Stunden das perfekte Zeitfenster, um Jomma zu verlassen, wenn auf Lorania die wichtigsten militärischen Standorte auf der anderen Seite der Welt sind. Er wird dann ausbrechen. Und wir kommen ihm so weit wie möglich entgegen. Nein, es wird kein Kampfeinsatz. Nicht, wenn wir es verhindern können." Sakura nickte ernst. "Gebt mir bitte mal das Fleisch." "Was? Wir erörtern hier unseren Plan und du denkst ans Essen?" "Dafür sitzen wir doch hier am Tisch, oder? Außerdem sollte ich mich stärken, denn nach dem Essen geht es zurück nach Poseidon. Irgendjemand muß eure Operation ja überwachen, oder?" "Das war es dann mit dem erhofften Schlaf. Ich komme natürlich mit, Sakura. Ohne den Chef des Stabes kann da schnell was Verrücktes passieren. Immerhin reden wir hier von Akira." "Stimmt auch wieder", brummte Doitsu, unterdrückte ein Schmunzeln und widmete sich seinem Essen. In diesem Moment klingelte es und Akari, die gerade mit Michi die letzten Speisen herein gebracht hatte, nickte und eilte zur Tür. Kurz darauf kam sie zurück. "Meine Damen und Herren, bitte begrüßen Sie mit mir die beiden Briareos-Offiziere Major Kurosz und Captain Daynes." Neben ihr erschienen der Amerikaner und der Kroate in der Tür. Beide hielten ihre Uniformmützen wie Rettungsringe umklammert, während sie höflich einen guten Abend wünschten. Dann sahen sie verlegen Sakura an. "Admiral. Es gibt da etwas, was wir Ihnen dringend sagen müssen..." ** Ich beendete gerade meine vierzig Liegestütze auf Fäusten, mit denen ich mir bewiesen hatte, dass ich wieder im Besitz all meiner Fähigkeiten war, als Yamagata herein kam. "Wir haben ein Riesenproblem", sagte sie anstelle einer Begrüßung, während sie mir einen Packen Kleidung zuwarf. Ich entfaltete die Sachen. Eine militärische Uniform. Leutnantsabzeichen der Naguad. Da wurden ja richtig Erinnerungen wach. "Welche?" "Die Naguad erwarten noch heute ihren wichtigen Repräsentanten aus dem Zentralsystem. Bevor der da ist, müssen wir fort sein." "Verstehe. Kitsune-chan?" Die Dämonin lugte aus einem geöffneten Schrank hervor, zwischen den Zähnen eine verschlossene Tüte mit Süßigkeiten. "Waff ifft?" "Wir müssen los. Militärische Uniform bitte." Die Dämonin nickte und veränderte ihr Äußeres. Kurz darauf trug sie eine mehr als authentische Uniform des Naguad-Militärs. Ich fand ja sie übertrieb etwas mit den Abzeichen. Major war doch ein wenig auffällig, aber ein Hurra für ihre Fähigkeiten, sich zu verwandeln und ihre Bekleidung willentlich zu verändern. Ich nickte zufrieden und begann die Uniform anzulegen. "Wenn wir hier rauskommen", sagte ich und riss damit das Kommando an mich, "bring mich bitte zuerst zu Yoshi und Yellow, Ai-chan. Wenn wir unsere Kräfte vereinigen, haben wir größere Schlagkraft. Aber der Überraschungseffekt geht verloren wenn die Naguad merken, dass die zwei nicht mehr in ihren Räumen sind. Danach muß es sehr schnell gehen. Zuerst holen wir Aria. Danach müssen wir sofort zu Lady Death weiter." Yamagata nickte. "Ich kenne den Aufenthaltsort von Colonel Ino." "Ai-chan", sagte ich und betonte jede einzelne Silbe, "ich spreche nicht von Colonel Ino. Ich spreche von ihrem Mecha. Den will ich haben, nicht diese Fälschung." Unsicher sah Yamagata mich an. "Bist du dir sicher, dass sie eine Fälschung ist, Akira-sama? Ich meine, wenn du Unrecht hast und sie hier zurücklässt..." Unwillkürlich krampften meine Hände zusammen. Dann lächelte ich. "Ich bin mir sicher, Ai-chan. Ich bin mir sehr, sehr sicher, dass diese Megumi eine Fälschung ist." "Richtig so, Akira-chan", sagte Kitsune, klopfte mir burschikos auf den Rücken und strahlte mich an. "Kurzfristig hatte ich ja meine Bedenken, ob du wirklich Augen im Kopf hast, aber jetzt..." "Wer fällt schon auf so was rein?", brummte ich amüsiert, bestärkt durch Kitsunes Worte. "Hä?", machte sie verständnislos. "Wie? Ach... Ah, genau, Akira-chan. Ja, die Fälschung war zu offensichtlich. Perfekt, zugegeben. Aber offensichtlich." Ich schloss den Kragen der Uniform und setzte die Dienstmütze auf. "Wenn wir in dem Punkt einer Meinung sind, dann lasst uns losgehen. Unser Zeitfenster beginnt in vierzig Minuten. Dann will ich in Prime sitzen." ** Mit der Schirmmütze tief in die Augen gezogen - in diesem Fall doppeldeutig, da ich mein rechtes Auge mit der weißen Iris zusätzlich verbergen musste - ging ich den beiden Frauen durch die Korridore der Axixo-Basis hinterher. Es war schon seltsam. Tagelang hatte ich nicht mehr an mein verstümmeltes Auge gedacht, mit dem ich nur dunkel und hell unterscheiden konnte, seit mich diese Verrückte... Nein, so durfte ich nicht denken. Seit mich diese von Trauer überwältigte Frau mit Säure angegriffen hatte. Unwillkürlich zuckte meine Hand zum Auge hoch, um jene Stellen zu betasten, die vor knapp zwei Jahren noch von einer schweren Verätzung gezeichnet gewesen waren. Doch Kronosiertechnologie hatte mich davor bewahrt, mit diesem Markenzeichen durchs Leben gehen zu müssen. Manchmal dachte ich an den Arzt, der mich behandelt hatte und mich ernsthaft gefragt hatte, ob ich ein mechanisches Auge in Betracht ziehen würde, dass meine Sehfähigkeit wieder herstellen konnte. Ich hatte mich gut daran gewöhnt, lediglich mit links zu sehen, aber ab und an dachte ich daran, dieses Angebot nachträglich anzunehmen. "Wir sind da", hauchte Yamagata, als wir in einen neuen Korridor einbogen. "Die zweite Tür, die mit den Wachen. Wie wollen wir sie am besten ausschalten?" Kommentarlos drängte ich mich zwischen den beiden Frauen hindurch, sprintete ansatzlos und lief auf die beiden Wachen zu. Mein Verhalten war auffällig. Genauer gesagt hätte ich mich sehr schwer gewundert, wenn sie nicht alarmiert ihre Waffen hoch gerissen hätten. Doch da hatte ich meinen Schwerpunkt bereits verändert, sprang die nächste Wand an, von der ich mich kraftvoll abstieß und erreichte die ungläubig drein blickenden Wachen, bevor sie ihre Waffen auf mich ausrichten konnten. Bevor sie wirklich wussten was ihnen geschah, hatte ich sie erreicht. Ich schickte den ersten zu Boden, holte mit der Faust aus und spürte die Waffe des zweiten am Hinterkopf. "Das reicht jetzt aber!", hörte ich ihn schimpfen. Dies ließ mich kalt grinsen. Als hinter mir ein unterdrücktes Seufzen erklang, schlug ich zu und schickte meinen Gegenüber mit einem Knock out auf die sprichwörtlichen Bretter. Ich wandte mich um, musterte Kitsune, in deren Griff der zweite Posten hing, bewusstlos. Hatte sie also schneller reagiert als Yamagata. "Los jetzt", raunte ich, durchsuchte meinen Posten nach einem Schlüssel, fand ihn und öffnete die Tür. Danach zog ich ihn hinter mir her in den Raum. Kitsune machte sich nicht so viele Mühe und zog ihren Wächter lässig mit zwei Fingern hinter sich her. Yamagata kam als Letzte herein, schloss die Tür und nahm dann die Waffen der Wachen an sich. Yoshi empfing mich mit krauser Stirn. "Du kommst spät, Kerl." "Entschuldige bitte, dass ich beinahe gestorben bin. Können wir? Ich glaube nicht, dass der Mann hinter den Kameras und Mikros lange zögern wird, nachdem wir drei hier eingedrungen sind." "Ach das", murmelte Yoshi und grinste. "Yellow und ich zerstören die Kameras und Mikrofone im Stundentakt. Und sie schicken im Stundentakt jemanden, der sie neu versteckt. Das letzte Mal haben wir sie vor... Warte, fünf Minuten vernichtet. Normalerweise brauchen sie eine halbe Stunde. Bei ihnen zieht mit der Routine eben der Schlendrian ein." Ich klopfte dem Freund anerkennend auf die Schulter. "Das ist eine sehr gute Taktik." "Sind leider nicht meine Lorbeeren. Die verdient mein Partner", antwortete er bedauernd und deutete zur Slayerin. Ich sah zu Yellow herüber, die mich mit einem merkwürdigen Blick musterte. Einem sehr merkwürdigen Blick, der... Nun ja. Ich warf Yoshi einen Packen mit einer Uniform zu. "Ist hoffentlich deine Größe." "Brauch ich nicht", wehrte Yoshi grinsend ab. "Yellow und ich hatten viel Zeit zum spielen. Da hat sie mir gezeigt, wie man eine KI-Rüstung erzeugt." Es gab einen grellen Lichtblitz und Yoshi trug eine Naguad-Uniform. "Ist noch nicht ganz perfekt, die Verwandlung kostet mehr Kraft als die Rüstung zu erhalten. Und diesen dämlichen Blitz muß ich noch irgendwie abstellen. Aber sieht doch gut aus, oder?" "Verdammt gut!", brummte ich zufrieden. Mist, jetzt musste ich den Kram mit den KI-Rüstungen auch noch lernen. "Also, das ist der Plan. Wir sind hier auf der Personalebene. Rund um uns sind Suiten höherer Offiziere. Seht das also als Ehre an, dass man euch zwei hier einquartiert hat", begann Yamagata ihren Bericht. "Na, danke", brummte Yellow amüsiert. "Eingesperrt ist eingesperrt." Die Japanerin erwiderte die Worte mit einem Lächeln. "Wie dem auch sei. Aria Segeste wird jedenfalls hier festgehalten, eine Ebene unter uns, in den Quartieren der Junioroffiziere. Man hat augenscheinlich nicht gewagt, sie in den hiesigen Knast zu werfen. Das hätte vielleicht einen Aufstand ihrer Einheit verursacht, die ihren Prozess bereits mit Unmut verfolgt hat. Danach müssen wir nur gut zweihundert Meter durch ein Gangsystem zu den Hangars für die Banges. Eure Mechas stehen noch immer dort, wo Ihr sie bei der Ankunft abgestellt habt, Akira-sama, Yoshi-sama. Lady Death aber steht drei Hangars weiter. Das sind noch einmal fünfhundert Meter durch potentiell feindliches Gebiet. Aber dank Yoshi-sama und Yellow-sama haben wir ja nun mindestens eine halbe Stunde Zeit, in der wir uns frei bewegen können, bevor unsere Flucht bemerkt wird." Ich nickte bei diesen Worten. "Das ist mir einen Orden wert, Leute." "Eine Frage", meldete sich Yellow zu Wort. "Ich vermisse bei der Geschichte den Plan, um Megumi raus zu holen." Ich runzelte die Stirn. "Warum sollen wir die Fälschung mitnehmen?" "Ich... Verstehe", murmelte sie. Dabei schenkte sie mir einen Blick, der mir durch Mark und Bein ging, allerdings nicht gerade auf eine unangenehme Weise. Ich räusperte mich verlegen. "Kitsune-chan, Ai-chan, Ihr geht vorneweg. Yoshi und ich sichern die Flanken. Yellow, du deckst den Rücken. Front und Rücken sind unsere verletzlichsten Bereiche. Dort müssen also unsere stärksten Kräfte postiert sein. Wir nehmen Aria dann in die Mitte, wo sie am sichersten ist." Für einen Moment schlug ich müde die Augen nieder. "Falls sie wirklich ihre Karriere aufgeben will, ihr Leben wegwirft und zu uns auf die AURORA kommt." "Du meinst, ein Prozess ist ihr lieber?", spottete Yoshi. "Auf Naguad Prime sieht man den Fall vielleicht anders." "Vielleicht wird sie gar nicht bis Naguad Prime kommen", konterte Yoshi. Ich schluckte hart. "Ich überlege gerade. Ob sie es uns übel nimmt, wenn wir sie zwingen?" ** Als ich in Arias Quartier eintrat, die Mütze in der Hand und reichlich nervös, während die anderen die beiden bewusstlosen Wachen herein schleiften, starrte mich Aria an wie einen exotischen Vogel. Oder was auch immer Naguad besonderes auf ihrer Welt in der Fauna hatten. "Aria, wir...", begann ich, nur um sie kurz darauf am Hals zu haben. "Akira", weinte sie und schniefte. "Akira, sie haben gesagt, du wärst tot. Sie haben gesagt, ich habe dich angelockt und jetzt wärst du tot. Sie haben..." Langsam nur hob ich beide Hände und legte sie um die Banges-Pilotin. "Die Nachrichten von meinem Tod sind reichlich übertrieben", zitierte ich Mark Twain. "Wir haben nicht viel Zeit, emotionaler Zusammenbruch hin, emotionaler Zusammenbruch her", tadelte Yoshi. "Hi, Aria." Sie löste sich von mir, wischte sich die Tränen aus den Augen und sah in die Runde. "Yoshi. Kitsune. Ai-chan. Ai-chan? Was machst du denn hier? Und wer ist die junge Frau neben ihr?" "Eine ähnliche Geschichte wie die über meinen Tod, nur sehr viel länger. Wir müssen los, Aria. Nein, das war falsch formuliert. Ich biete dir hiermit Asyl auf der AURORA an. Wenn du das annimmst, dann brechen wir gemeinsam hier aus und fliegen zurück." In ihrem Gesicht arbeitete es. Ich konnte sie verstehen. Sie war Offizierin einer Armee, die das ihr bekannte Universum beherrschte. Sie hatte hart für den Job gearbeitet und sich ehrlich hochgedient. Bis auf diese irrsinnige Anklage war ihre Akte tadellos und die Chancen standen nicht wirklich schlecht, dass die Anklage gegen sie fallen gelassen wurde, wenn sie es zurück nach Naguad Prime schaffte. Wenn sie wirklich Vertrauen in ihre Fähigkeiten hatte, dann wäre ich nicht erstaunt gewesen, wenn sie es riskiert hätte. Aria wandte sich um, ging in das an ihr Zimmer angeschlossene Bad. Kurz darauf kam sie zurück, in der Hand eine kleine Tasche, die sie mit einigen persönlichen Dingen füllte. "Wir können", sagte sie schlicht. "Hast du dir das auch gut überlegt?", hakte ich nach. "Wirklich gut überlegt?" "Es gibt da diesen wirklich niedlichen Offizier bei Kottos, der schuldet mir noch ein Abendessen. Ist das nicht Grund genug?" In diesen wenigen Worten hatte soviel gelegen. Vor allem Erleichterung. "Das reicht, Aria." Ich nickte den anderen zu. "Wie besprochen, los jetzt." "Fünfundzwanzig Minuten", bemerkte Yamagata, bevor sie die Tür zum Gang öffnete. Die Flucht durch die Gänge lief ab wie im Lehrbuch. Wir gingen nicht als geschlossene Gruppe, sondern örtlich versetzt und dazu in verschiedenen Geschwindigkeiten. Was dazu führte, dass die schnelleren öfters einmal stoppten, um ein Schwätzchen zu halten, damit die Langsamen aufholen konnten. Ich warf Yoshi, der mich wieder einmal überholte, einen schrägen Blick zu, als mich der Gedanke erfasste, dass dieses betont irreguläre Verhalten auch auffällig sein konnte, drängte ihn aber beiseite. Dann erreichten wir den Hangar, in dem Lady Death stand. Nachdem wir uns überzeugt hatten, dass das Büro des Hangarmeisters nicht besetzt war und uns keine Kompanie Infanteristen erwartete, betraten wir die riesige Halle mit angeschlossener Schleuse. Ich sah den zwölf Meter hohen Hawk hoch und konnte einen Schauer nicht unterdrücken. Als ich meine Hand auf das kalte Metall legte, glaubte ich für einen Moment, Megumis ungebändigte Energie spüren zu können. Die Naguad hatten den Mecha wieder zusammen geflickt, mit Teilen der Banges. Ich war sehr gespannt darauf, ob der Sensorkopf des Banges besser war als der, den ich in meinem Zimmer als Andenken an Megumi aufbewahrte. Ganz zu schweigen von anderen Umbauten, welche die Ingenieure und Techniker vorgenommen hatten. "Lady Death?" "Sir. Lady Death ist voll funktionsfähig." Ein Schmunzeln glitt über mein Gesicht. "Das ist gut, Lady Death. Wir kehren zurück. Gibt es Blockaden in deiner Programmierung, die das verhindern?" "Nein, Commander Otomo. Ich habe, nachdem Sie in den Hangar eingedrungen sind, mit der Löschung der Naguad-Programmierung begonnen und die ursprünglichen Programme wiederhergestellt. Dieser Vorgang wurde vor zwanzig Sekunden abgeschlossen." "Das sind doch gute Nachrichten. Aria, sie gehört dir." Die Majorin sah mich erstaunt an. "Nur zu. Sie ist ja immer noch auf dich geeicht, oder? Und wie soll ich sie sonst nach Hause kriegen? Auf Primes Schultern? Im Cockpit sind Helm und Druckanzug." "Alles klar, Akira!", rief sie aufgeregt, lief an mir vorbei und kletterte am Mecha hoch, um das auffahrende Cockpit zu erreichen. Ich schmunzelte bei diesem Anblick. Und ich freute mich darüber. Aria kam nach Hause. Das war im Moment das Wichtigste. "Ich wusste, ich würde euch hier treffen", erklang eine Stimme hinter mir, die mir seltsam vertraut vorkam. Ich wirbelte herum und musste ebenso entsetzt aufkeuchen wie Yoshi. Megumi! Epilog: Da Kanto-System war keinesfalls ein statisches Gebilde, das lediglich aus Positionen bestand, an denen Miliz der Anelph und Militär der Naguad postiert war. Es gab Dutzende Kolonien, Stationen, Patrouiellenschiffe, Satelliten und militärische sowie kommerzielle Stationen, welche sich in über dreihundert Jahren interplanetarer Raumfahrt entwickelt hatten. Zwischen ihnen herrschte ein reges Kommen und Gehen. Zudem gab es einen ebenso regen interstellaren Handel, der hauptsächlich von freien Unternehmern mit eigenen Schiffen abgewickelt wurde. Diese Schiffe landeten auf einer der atmosphärelosen Welten Loccose, Lotorion oder Lohoris an, der sechsten, der siebten und der achten Welt des Systems, je nachdem welcher Planet ihrem Eintrittspunkt vom Systemrand am nächsten stand. Diese Methode reduzierte den langwierigen Raumflug ins eigentliche Systeminnere beträchtlich. Und Zeit bedeutete auch bei diesen Händlern Geld. Für Henry William Taylor, seines Zeichens Legat und Träger der Gift, war es kein Problem gewesen, erst den Mond Jomma in Richtung planetarer Hauptstadt Demiral zu verlassen und vom dortigen Raumhafen einen Platz auf einem interplanetaren Frachter zu bekommen, der nach Loccose aufbrach, jener Welt, die gerade am günstigsten für den Handel mit Naguad Prime lag. Es würde vier Tage dauern, bis sie den Planeten erreichten. Dann noch einmal drei, vier Tage, bis ein Frachter in Richtung Zentrum des Reiches aufbrechen würde, dazu eine Woche Flug während des Sprungs. Vom Flug im Heimatsystem des Imperiums gar nicht erst zu reden. Aber letztendlich rechnete Henry nicht mit mehr als einem Monat Flugzeit, bevor er auf Naguad Prime landen konnte. Bis dahin hatte er sehr viel Zeit, um das Imperium zu studieren und seine Pläne zu schmieden. Nachdenklich sah er von seinem Datapad auf, als die Sonne Kanto über den planetaren Bogen von Lorania stieg und ein Helligkeitsdämpfer über das Außenluk gelegt wurde. Vor ihm, ungefähr einhundert Kilometer entfernt, zog die AURORA ihre Bahn. "Viel Glück euch allen", flüsterte er und widmete sich wieder seiner Lektüre. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)