Fremde Welten (#1) von Purple_Moon (Das Reich der Schatten ist gar nicht so gruselig.) ================================================================================ Kapitel 40: Der Hahn im Korb ---------------------------- Hallöchen! Danke für die Kommis, ihr lieben! Bei der Gelegenheit eine Frage... ich wollte das Theaterstück eigentlich als Extrafolge machen, aber ihr scheint das ja alle sehen zu wollen. Also, soll ich es direkt in die Geschichte einbauen? Es wurden hier ja schon ganz richtige Schlüsse gezogen, was Malice und Sorc wohl vorhaben könnten!^^ Die Szene mit Crimson hab ich schon länger als Entwurf fertig gehabt, aber ich fand sie immer zu lang. Sie war mal noch länger... aber so ist sie wohl ganz OK. Ich hab überlegt, zwischendrin mal wegzublenden, aber das erschien mir dann unpassend, also... ich hoffe es gefällt euch so. Macht euch nicht zu viele Sorgen, es wird alles gut, muaharharhar! Kapitel 40: Der Hahn im Korb Seto hatte sein Laptop auf Hochtouren laufen. Es stand jetzt auf dem Schreibtisch in seinem häuslichen Büro, wo er sich ja auch ab und zu sehen lassen musste. Er hatte mehrere Fenster im Internet offen, wo er Ergebnisse abrief, Statistiken abfragte und solche Dinge eben, aber wenn ihm das zuviel wurde, öffnete er ein Textdokument, über dem er bei jeder Gelegenheit grübelte. Es enthielt folgenden notierten Text: „Vorläufige Rollenverteilung: Einhorn/Lady Amalthea: Ryou Roter Stier: Yami Prinz Lír: Tristan König Haggard: ? Mabruck, der Zauberer (Alter rachsüchtiger Magier): Opa Mutou Haggards Kater: Mokuba Zauberer Schmendrick (Auszubildender Magier): Joey Molly: Serenity Captain Cully: ? Andere Räuber: ? Baum: ? Bauer: Opa Mutou Jäger alt: Roland Jäger jung: Seto Harpyie (Harpienlady): Mai Schmetterling (eine knuffige Fee): Thea Mami Fortuna (Hexe des Schwarzen Waldes): Thea“ Seto war mit der Verteilung nicht zufrieden. Er fand beispielsweise, dass Serenity zu scheu wirkte, um Molly, die Räuberbraut, zu spielen. Dann schon eher Thea. Er teilte die Rolle ihr zu und überlegte, wo er dann Serenity einbauen konnte. Schmetterling? Und konnte Thea gleichzeitig noch die Hexe Mami Fortuna spielen? Sie brauchten mehr Frauen! Moment! Er teilte Mokuba als Schmetterling ein und machte Serenity zu Mami Fortuna. Da musste dann eben genug Schminke her. Normalerweise hätte er sich mit so einem Blödsinn überhaupt nicht abgegeben, aber wenn Pegasus Karten verloste, musste alles perfekt sein. Wehe, die anderen verdarben es ihm! Zumindest hatte er ja einen Großteil an Leuten dabei, die auch auf die Karten scharf waren, nicht zuletzt Yugis Großvater. Hatte Pegasus eigentlich was gesagt, wie lange sie Zeit hatten? Daran konnte er sich nicht erinnern, er musste nachfragen. Dann musste jemand die Kostüme entwerfen, das konnte er den Mädchen überlassen. Mai würde die schon triezen. Die Duelmonsters mussten noch den Rollen zugeteilt werden, und bei manchen fiel ihm im Moment noch keins ein. Musste er denn alles selber machen?! Er hatte doch noch was anderes zu tun! Ah, halt, diese Aufgabe konnte er Yami, Joey und Großvater aufdrücken. „Koordination ist alles!“ murmelte er, notierte sich seine Ideen und wandte sich dann wieder der Börsenseite zu. Es war schon sehr spät, als Mokuba vorbeischaute und ihn ermahnte, endlich ins Bett zu gehen, denn morgen war erst Feitag. *** Die Suche nach Crimson war für den Rest des Tages erfolglos verlaufen. Yugi, Appi und Neo hatten die Ruinen der Burg Drachenfels besichtigt und nach Dingen durchsucht, die man noch gebrauchen konnte, doch es war kaum noch etwas erhalten geblieben. Die heiße Quelle war noch da, aber sie war unter Steinen begraben. Man konnte ihren Standort nur erkennen, weil es dort dampfte. Unter ihr hatte quasi der Berg nachgegeben, sie musste sich erst wieder neu zu einem Teich formen, und ob das geschehen würde, war noch fraglich. Der Wasserfall fiel jetzt nicht mehr ganz so tief – ein Stück des Berges war weggebrochen. Es war ein trauriger Schauplatz, wenn man wusste, was für ein stolzes Gebäude hier gestanden hatte. Und natürlich war Crimson nicht hier. Als die drei mit ihren Drachen zur Feenburg zurückkehrten, gab es noch immer keine Neuigkeiten. Kuro war mit Shiro ebenfalls dorthin gekommen, aber sie wollten bald wieder zurück reisen, damit das Kristallschloss nicht zu lange ohne Hüter war. Sie hatten verschiedene Orte abgesucht, wo der Magier hätte sein können: Seine alte Schule, eine Stelle, wo er als Kind gern gespielt hatte, bei Verwandten oder Bekannten… Sie hatten sogar überlegt, ob es einen Unfall mit Crimsons wagemutigen magischen Experimenten gegeben haben könnte, wodurch er in einer anderen Dimension gelandet war. Aber Shiro war sicher, seinen Sohn gesehen zu haben, bevor er selbst betäubt worden war. Er traute Kuro nicht mehr so ganz. Doch es gab Mittel und Wege, jemanden etwas machen zu lassen, was derjenige gar nicht wollte und hinterher nicht mehr wusste. Das war die einzige logische Erklärung: Kuro hatte unter fremdem Einfluss gestanden und Crimson verschleppt. Natürlich protestierte er dagegen, aber er musste zugeben, dass es möglich war. Als Landstreicher begegnete er genug zwielichtigen Gestalten, dass vielleicht einer davon Sorc oder Malice gewesen sein könnte… Da Kuro sich nicht mit dem Gedanken anfreunden konnte, dass jemand in seinem Hirn herumpfuschte, zumal das ja zuletzt so ähnlich mit Blacky geschehen war, fragte er unter den Feen nach, ob ihn nicht jemand auf fremde Einflüsse untersuchen konnte. Denn wenn es so war, stellte er vielleicht eine Gefahr dar, da machte er sich keine Illusionen. Es war schließlich Erzlord Zerato, der sich mit Skill in ein Meditationskämmerlein verzog, um ihn einer geistigen Prüfung zu unterziehen. Seine Sendboten begleiteten die beiden, um für mehr Sicherheit zu sorgen. Für eine Weile wurden sie nicht mehr gesehen. Yugis Seite stellte frustriert fest, dass die Freunde einer nach dem anderen außer Gefecht gesetzt wurden… Blacky und Dark waren nach wie vor bei Lucranda, aber so schwach, dass sie nur aufwachten, um in Katzengestalt Nahrung zu sich zu nehmen. Mava befand sich noch bei der alten Fee, weil er seine Kräfte verbessern wollte, damit er nicht mehr zu Depressionen neigte, denn in seinem alten Zustand war er nicht zu gebrauchen. Crimson war verschwunden und Black Skill möglicherweise vom Feind infiltriert. Nicht zu vergessen all die Leute, die von den vorangegangenen Kämpfen noch Wunden auskurierten. Inzwischen gab es eine gute Nachricht: Harpa, die Harpyie, die sie im Garten gefunden hatten, war auf dem Wege der Besserung und konnte ihnen Genaueres über ihren Stamm berichten. Daraufhin entsandte Weaver Boten dorthin, um herauszufinden, ob noch jemand überlebt hatte. Leider hausten Harpyien abgeschieden in den Bergen, und manchmal wechselten sie ihr Revier, deshalb war es nicht immer einfach, sie aufzuspüren. Weaver hoffte, dass sie andere Stämme auf ihre Seite ziehen konnte, wenn es ihnen gelang, durch Harpas Schwestern mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Nun konnten die Freunde die meiste Zeit über nur warten. Neo schärfte stundenlang sein Schwert, ehe er entschied, noch etwas zu essen und dann schlafen zu gehen. Magi und Mystic verbrachten die ganze Zeit zusammen und beklagten das Schicksal ihrer Brüder, wobei aber die Blauhäutige immer wieder ihre Magierkollegin beruhigen musste, denn Magi kam mit der Situation einfach nicht zurecht. Appi experimentierte mit seinem Ring. Gegen Einbruch der Nacht verwandelte sich endlich in einen Magier zurück, nachdem er vergeblich versucht hatte, als Drache in einer vernünftigen Geschwindigkeit zu fliegen, ohne Yugi dabei zu gefährden. Der Kleinere hatte sich bereiterklärt, auf dem verwandelten Magier zu reiten, schließlich hatten sie es ja umgekehrt schon gemacht und es war somit nur fair. Aber Appi fand es einfacher, eine Fee zu sein, denn die hatten wenigstens keinen Körper, der durch keine Tür mehr passte. Ständig kreisten Feen über der Umgebung, denn man erwartete einen weiteren Angriff. Sicher würde der Feind die momentane Schwäche ausnutzen. Andererseits war es natürlich denkbar, dass auch Sorc und Malice keine Reserven mehr hatten. Die Ungewissheit war kaum zu ertragen. Als es schon eine Weile dunkel war, kehrte auch Gerfried zur Feenzuflucht zurück und berichtete, sein Bruder Freed sei bald wieder auf den Beinen. Da man einen Mangel an Kämpfern hatte, war Shadow mit ihm gekommen, statt an Freeds Seite zu bleiben. Man sah Joan bei einem späten Mahl; es ging ihr wieder relativ gut, nur bewegte sie sich noch etwas vorsichtig wegen ihrer leichten Verletzung. Mad verbrachte den Abend an dem Teich im kleinen Garten, wo während seiner Anwesenheit die Temperatur um ein paar Grad sank, denn er grübelte und achtete nicht auf seine Magie. Insgesamt ging man erst recht spät schlafen, und dann war es fraglich, ob der Schlaf erholsam war. Die meisten waren einfach zu unruhig und nervös. Etwas lag in der Luft, aber es war nicht greifbar. Vielleicht spürten sie auch unbewusst, was weit entfernt, in einem gar nicht so finster aussehenden Stützpunkt ihrer Feinde, mit einem von ihnen geschah. *** „So, wir sind soweit.“ Malice kam mit ein paar Lakaien, die Crimson losmachten und dann in die gewünschte Richtung bugsierten. Der Weißhaarige blickte noch einmal zu den anderen zurück. Sie hatten beim Öffnen der Tür eine kalte Maske der Entschlossenheit aufgesetzt. Er tat es ihnen gleich. Natürlich war Crimson nicht gerade wild darauf, sein Ziel zu erreichen, aber es war nur zwei Kerkerzellen weiter. Hier waren Fackeln an der Wand angebracht und es roch nach rituellen Reinigungskräutern. Der Geruch konnte den von altem Blut nicht vollständig überdecken. Offenbar war die Folterkammer etwas umfunktioniert worden. Der Raum war relativ klein. An den Wänden hingen längenverstellbare Ketten. Doch Crimson wurde zu einem Tisch in der Mitte dirigiert. Er war genau so groß, dass ein durchschnittlich großer Mann darauf Platz fand, und eine Decke und ein kleines Kissen lagen darauf. Wie rücksichtsvoll… Ein kleineres Tischchen für Geräte befand sich daneben. Eine brennende Kerze, ein schlanker Ritualdolch und einige Fläschchen unbekannten Inhalts sowie eine Schüssel mit Wasser gehörten zur Ausrüstung. Beim Näherkommen konnte Crimson eine Skizze mit einem aufgemalten, kreisförmigen Muster erkennen, hatte jedoch keine Zeit, es sich näher anzuschauen. Auf einmal ahnte er, was auf ihn zukam. Erbebend schloss er die Augen für einen Moment und hoffte, dass seine Schwäche nicht bemerkt wurde. Sorc erwartete ihn schon. Als auch Malice den Raum betreten hatte, wurde die Tür verschlossen. „Müssen wir dich fesseln oder arbeitest du mit uns zusammen?“ erkundigte der blauhäutige Hexer sich in einem Tonfall, der fast freundlich klang. Crimson straffte die Schultern. Er hasste es, aber er hatte kaum eine Wahl. Wenn er sich wehrte, würden sie ihn nur niederringen und trotzdem tun, was sie mit ihm vorhatten. Würde bewahren! „Ich werde tun, was von mir verlangt wird,“ teilte er möglichst sachlich mit. Mit einem weiteren Blick auf die rituellen Gegenstände fügte er jedoch hinzu: „Vielleicht sollte mich aber jemand festhalten.“ Malice lachte schadenfroh. „Da hast du sicher Recht! Ich kenne Dank des Menschen, mit dem ich früher den Körper teilte, einige nette Formeln, um die Magie eines Magiers zu versiegeln,“ erklärte er ihm in seiner ruhigen, doch irgendwie irre klingenden Art. „Ich glaube, man muss sie nicht unbedingt ins Fleisch ritzen, aber ich habe all die rituellen Substanzen nicht parat, die sonst nötig wären. Außerdem… hab ich schon Erfahrung mit sowas…“ Jetzt klang er wirklich wie ein irrer Sadist. Crimson fröstelte unwillkürlich. Der Blonde grinste ihn an. „Zieh dein Oberteil aus und leg dich auf den Bauch.“ Er deutete auf den Tisch. Crimson tat es nicht schneller als nötig und machte es sich auf dem Tisch so bequem wie möglich. Er bekam mit, dass die Lakaien Wetten abschlossen, ob er schreien würde. Malice machte sich ebenfalls mit Mutmaßungen und Prophezeiungen über ihn lustig, während Sorc ihm den Rücken mit einer salbenartigen Substanz einrieb, die nach Kräutern roch und sich kurzzeitig kalt anfühlte, doch bald spürte er sie schon nicht mehr. Der Weißhaarige hatte zu allem seine eigene Einstellung. Wenn er einen plausiblen Grund zum Schreien hatte, empfand er es nicht als beschämend. Ganz im Gegenteil, es war in gewissem Maße befreiend und erleichternd. Warum sich zusätzlich quälen, indem man sich auf die Zunge biss? Es gehörte zu Crimsons obersten Prinzipien, im Zweifelsfall nach seinen Bedürfnissen zu entscheiden und nicht danach zu gehen, was andere dachten oder wollten. Demnach war es ihm auch egal, ob sein Peiniger eine Wette abgeschlossen hatte. Sorc winkte ein paar seiner Leute heran. Es waren wohl auch Hexer oder Unterweltler. „Haltet ihn gut fest,“ befahl er ihnen. „Wenn er sich zu heftig bewegt, kann er unsere Arbeit damit ruinieren.“ Crimson hätte es nie zugegeben, aber so war es ihm wirklich lieber. Er glaubte nicht, dass er stillhalten konnte, wenn etwas in seine Haut geritzt wurde. Ein Mann hielt seine Füße fest, ein zweiter stützte sich in Höhe seiner Knie auf seine Beine. Einer stellte sich ans Kopfende des Tisches und hielt seine Schultern. Er konnte dessen Gürtel dicht vor sich sehen, wenn er aufblickte. Seine Hände waren frei – er griff mit ihnen an die Tischbeine. Eine erwartungsvolle Stille trat ein. Crimson hörte seinen eigenen beschleunigten Herzschlag überlaut in seinen Ohren und stellte fest, dass er auch schneller atmete. Kalter Schweiß brach ihm aus, und ihm war klar, dass man ihm seine Angst anmerken musste. Er hasste sich dafür. Der Feind begann mit einer Art Singsang, möglicherweise Formeln in einer fremden Sprache. Crimsons Aufmerksamkeit wurde auf eine Bewegung zu seiner Linken gelenkt. Dort stand Malice, der den rituellen Dolch zur Desinfektion in die Kerzenflamme hielt. Als die Klinge glühend heiß war, nahm Malice sie aus der Flamme und verschwand aus Crimsons Blickfeld. Die Hände an seinen Schultern und Beinen packten fester zu. Er atmete fast keuchend und hielt schließlich unbewusst die Luft an, während er wartete. Dann stach ein heißer Schmerz in seine rechte Schulter und zog sich von da nach links. Die rituelle Klinge drang mühelos durch die Haut und schnitt ins Fleisch. Diese Tatsache wurde zu Crimsons einziger Realität. Es war gut, dass er festgehalten wurde, denn er bäumte sich unbewusst auf. Und er schrie natürlich. Aber er musste schreien, um die Tortur einigermaßen zu ertragen. Seine Finger umklammerten die Tischbeine. Das kleine Kissen, das ihm zur Verfügung stand, dämpfte einige seiner Schreie ein wenig, und es verhinderte auch, dass er sich die Nase zertrümmerte oder die Stirn aufschlug, wenn er mit dem Kopf auf den Tisch hämmerte. Die Schmerzen zogen sich allmählich beidseitig seinen Rücken hinunter Richtung Hüfte. Kurz über der Gürtellinie hörte Malice, der das Messer des Öfteren wieder in die Flamme gehalten hatte, mit seiner Arbeit auf. Crimson wunderte sich am Rande, warum er nicht schon durch den Blutverlust ohnmächtig geworden war, aber vielleicht war er einfach zu stolz. Oder er blutete nicht so stark, wie er dachte. Eine Ohnmacht wäre ihm willkommen gewesen, doch er wollte auf eigenen Füßen diesen Raum verlassen. Als keine neuen Schmerzen mehr hinzukamen, wurden die vorhandenen ganz langsam erträglich. Er schrie nicht mehr, atmete aber immer noch keuchend. Sein Hals fühlte sich rau an, und er wurde sich eines weiteren Gefühls bewusst, dass sich tief in seinem Inneren breit machte: Verlust. Ein magisches Halseisen zu tragen war eine Sache, etwa wie wenn einem die Beine gefesselt wurden und man versuchte zu laufen. Doch die jetzige Situation war eher damit vergleichbar, gelähmte Beine zu haben… was immer noch besser war als amputierte Beine, aber das war im Moment ein eher geringer Trost. Er glaubte, es sei vorbei, doch nun verteilte Sorc eine Flüssigkeit auf seinem Rücken. Was das sollte, konnte er sich nicht erklären, jedenfalls brannte es in den Wunden, und er wurde sich erneut jeder einzelnen schmerzenden Stelle bewusst. Malice schien seine Gedanken zu erraten. „Das ist schwarze Tattoofarbe,“ erläuterte er. „Selbst wenn du keine Narben behalten solltest, wird so der Zweck der Sache erfüllt.“ Großartig, jetzt konnte es auch noch jeder auf den ersten Blick sehen! Vielleicht konnte er vortäuschen, dass es einfach ein cooles Tattoo war. Zumindest Nichtmagier würden ihn dafür bewundern. Er merkte, dass ihm die Tränen kamen, und das durfte er wirklich niemanden sehen lassen, deshalb verbarg er das Gesicht in dem Kissen und tat so, als wolle er nur sein Keuchen weniger hörbar machen. Sorc wischte die überschüssige Farbe wieder ab, dann waren die beiden zufrieden und entfernten sogar das Banneisen – einen Unterschied machte es nicht. In einer spöttischen Geste tätschelte der Blauhäutige Crimsons Schulter, während die Helfershelfer den Weißhaarigen allmählich losließen. „Braver Junge... Dafür kriegst du auch den Schlüssel zu den Ketten und dann gibt’s was zu essen.“ Crimson hörte ihm kaum zu. Er wollte einfach liegen bleiben in seinem Elend und sich ausruhen... aber das war ihm nicht vergönnt. „Steh auf. Die Farbe hat zugleich die Blutung gestoppt. Es kann also nichts mehr passieren,“ ordnete Malice an. Er versuchte zu gehorchen, aber sein ganzer Körper zitterte unter den Nachwirkungen der Prozedur. Als er sich aufsetzte, verzog er unter Schmerzen das Gesicht. Wo war sein Oberteil? Lohnte es sich, es anzuziehen? Vielleicht lieber nicht... auch wenn dann alle sehen würden, was mit ihm passiert war. „Steh schon auf,“ befahl ihm ein grob aussehender Unterweltler barsch. „Wir ham nich den ganzen Tach Zeit!“ Er tat es, aber sogleich begannen seine Knie zu schlottern und der Raum sich zu drehen. Anscheinend gab es eine körperliche Reaktion, jetzt wo der geistige Stress nachließ. Er roch seinen eigenen Schweiß. Die Augen schließend, klammerte er sich an den Tisch. Doch man ließ ihm die Zeit nicht, sondern packte ihn und zerrte ihn vorwärts. Er konnte nur mit stolpern. Ehe er sich versah, wurde er auch schon in die Zelle geschubst. Bei der Landung schlug er sich den rechten Ellenbogen auf. Nach einer kleinen Verschnaufpause blickte er auf und sah in lauter mitleidige Gesichter. Oh… sie hatten vermutlich seine Schreie gehört, weit war die Entfernung ja nicht… Die Runde war während seiner Abwesenheit ergänzt worden. Eine weißhaarige Frau mit ziemlich freizügiger Kleidung war an der hinteren Wand angekettet, daneben eine weitere, nur mit schwarzem Haar, das an den Spitzen zu weißgrau überging. Beide schienen Rot für ihre Kleidung zu bevorzugen, und davon ziemlich wenig. Crimson mochte Rot auch. Aber momentan erinnerte es ihn zu sehr an Blut. Sorcs Leute brachten ein Fass mit Wasser und mehrere Körbe mit Essen. Es war gute Ware, Crimson sah es überrascht. Sogar Decken und Kleidung zum Wechseln waren dabei. Einer der Helfershelfer warf ihm einen Schlüssel zu, der wohl zu den Ketten gehörte. Diesen beachtete der Weißhaarige zuerst nicht, sondern stürzte sich auf das Wasserfass. Ein Becher war dabei, den er mehrmals leerte. Folter machte ziemlich durstig... dann sackte er vor dem Fass wieder in die Knie. „Ich mach euch gleich los... gebt mir eine Minute,“ keuchte er. „Was haben die mit dir gemacht?“ platze es aus der kleinen Eria heraus. „Du hast so schrecklich geschrieen... hattest du das Bild schon vorher auf dem Rücken?“ „Das... ist ein Bannsiegel,“ erklärte er knapp. Auf weitere Erklärungen hatte er keine Lust. Aber etwas interessierte ihn schon: „Wie sieht es aus?“ „Wie ein Kreis aus komischen Zeichen, und drinnen sind noch mehr Zeichen, ziemlich symmetrisch. Ganz hübsch eigentlich,“ fand Eria. „Ah... hübsch...“ murmelte Crimson. Na zumindest war er nicht allzu schlimm entstellt, wenn es wenigstens gut aussah. Als er sich stark genug fühlte und seine Beine ihn wieder trugen, erhob er sich und ging zuerst zu Eria, weil er bei ihr am leichtesten an die Kettenscharniere über ihrem Kopf drankam. Dann befreite er die schwarzhaarige Lady, weil die ihm am nächsten war, und überließ den Schlüssel danach ihr. Er selbst setzte sich auf eine der Decken und ruhte sich aus. Eria sah es als ihre Aufgabe an, ihn darüber zu informieren, dass ihre neuen Kolleginnen Burstinatrix und Runa hießen, erstere war eine Feuerkriegerin und die andere eine Lichtfee. Crimson fühlte sich wie der Hahn im Korb. „Jetzt haben wir von jedem Element jemanden...“ bemerkte Paladia. Sie sah sich die Essenskörbe an und bediente sich dann ungeniert. „Wir sollten lieber verhungern,“ grummelte Haryelle. „Vielleicht mästen sie uns, um uns irgendeinem finsteren Gott zu opfern.“ „Nun mal nichts gegen das Finsternis-Element,“ widersprach Crimson ihr und stellte fest, dass sich ein gewisser Kampfgeist in ihm regte. „Ich hab gehört, dass es auch Götteropfer für Götter gibt, die zum Beispiel dem Feuer zugeordnet werden. Davon abgesehen sind wir eh tot, wenn wir geopfert werden, da kann ich es mir vorher noch so gut wie möglich gehen lassen.“ Er durchsuchte die Körbe und fand ein paar bestimmte Früchte. „Eria, sei so nett und press den Saft von denen hier auf meinen Rücken,“ bat er das Magiermädchen mit den hellblauen Haaren. Er lehnte sich ein bisschen vor, damit sie gut drankam und nicht so viel kleckerte. „Sollten wir die nicht lieber essen?“ wandte Burstinatrix ein. „Sie haben zufällig außer einem ganz annehmbaren Geschmack eine kühlende und schmerzstillende Wirkung. Und ich hab zufällig eine Ansammlung von frischen Schnitten auf dem Rücken, also wenn’s dir nichts ausmacht?“ blaffte Crimson sie an. Die Kriegerin wandte sich etwas pikiert ab und nahm sich von dem Brot. Eria biss ein Stück von den gelben, saftigen Früchten ab. „Schmeckt gar nicht sooo toll.“ Sie drückte den Saft über Crimsons Rücken aus und benutzte den ausgepressten Rest wie einen Schwamm. Der Weißhaarige musste ein bisschen die Zähne zusammenbeißen, aber schon nach kurzer Zeit stellte sich ein kühles Gefühl und eine gewisse Taubheit ein, was ihn aufatmen ließ. „Wenn ihr viele davon esst, verfallt ihr in einen Rauschzustand,“ erklärte er. „Wäre vielleicht gar nicht mal so verkehrt…“ Er nahm sich ein harmloseres Obst und verschlang es gierig. Er hatte eine Weile nichts mehr gegessen und in den letzten Minuten eine Menge Energie verbraucht. Und Essen lenkte ihn ab. [Ich bin kein Magier mehr…] Die anderen machten sich allmählich auch an dem Essen zu schaffen oder nahmen sich Decken. [Was soll jetzt aus mir werden?] Crimson fragte sich wie schon so oft in seinem Leben, ob er ein guter Krieger geworden wäre. Er war gut gewesen als Magier, und zufrieden. Aber da seine Kräfte gebannt waren, hatte er vielleicht einen guten Grund, sich wie seine Amazonenmutter den Kampfkünsten zu widmen und sich diese eine Frage zu beantworten. Falls er überlebte, was für ihn und die anderen geplant war. Er versuchte, seine Situation positiv zu sehen, hatte aber nur mäßigen Erfolg. Runa wühlte in einer Kleidertruhe herum. „Hier, das ist vielleicht von Nutzen für dich,“ meinte sie und gab ihm eine andere Hose – seine war ein bisschen mit Salbe, Blut und Farbe verdreckt – und ein Hemd, beides aus einfachem, weißen Leinengewebe, aber besser als nichts. Sein Oberteil hatte es irgendwie nicht bis in die Zelle zurück geschafft. Er bevorzugte es erst einmal, das Hemd nicht anzuziehen, wechselte aber die Hose, wobei es ihm komplett egal war, ob ihm jemand zusah. Die meisten seiner Mitgefangenen taten so, als wären sie anderweitig beschäftigt, oder zogen sich auch um, aber Runa beobachtete ihn ganz genau. „Hey… schöner Körper,“ stellte sie fest. Neckisch strich sie Crimson mit zwei Fingern übers Kinn. Er sah sie überrascht an. Sie war hübsch… schön sogar. Aber nach Frauen stand ihm jetzt nicht der Sinn. Um sich aber seine Chancen für später nicht zu verderben, ließ er seinen Blick an ihr herunter wandern und entgegnete: „Das Kompliment kann ich direkt zurückgeben.“ „Leg dich ein bisschen schlafen,“ schlug sie vor. „Ich werde mich hinter dich legen und die Decke von deinen Verletzungen fernhalten.“ Schon lag sie auf einem behelfsmäßigen Bett und bot ihm an, mit unter die Decke zu kriechen. Er tat es dankbar, drehte sich dabei mit dem Rücken zu ihr, so dass die Decke sich über ihre beiden Körper spannte, ohne seine Wunden zu berühren. *** Fortsetzung folgt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)