Lost von Dragoness ================================================================================ Wieder einmal stehe ich hier, an dem mir mittlerweile so vertrauten Ort. Hier, auf dieser wunderschönen Wiese mit der kleinen, kristallklaren Quelle, deren leises Plätschern als einziges Geräusch die Stille um mich her durchbricht, sich jedoch gleichzeitig so wundervoll in die Ruhe hier einpasst. Hier, im Schatten der großen, alten Weide, die schon seit Urzeiten diesen Platz zu beherrschen scheint. Meine alte Freundin! Wie oft schon hat das sanfte Flüstern ihrer Blätter mir Trost gespendet, wie viele Stunden schon hat sie mir geduldig schweigend zugehört, wenn ich ihr mein Leid klagte. In unzählige solcher Erinnerungen versunken lächelnd berühre ich die Rinde ihres mächtigen Stammes, nehme Abschied. Noch einmal sehe ich mich um, nehme die Schönheit dieses Ortes, einem Ort der Ruhe und des Friedens, in mich auf. All die vielen bunten Blumen um mich herum betrachte ich, deren schwerer, süßlicher Duft mir in die Nase steigt. Auch dem Quellwasser sehe ich einige Minuten zu, wie es fröhlich und lebendig aus dem Felsgestein hervorsprudelt und dabei aus Tausenden kleiner Tropfen einen feinen Sprühnebel bildet, in welchem sich das Licht millionenfach bricht. Ein Schauspiel aus Farbe, Licht und einer einzigartigen Melodie, dem Lied der Quelle. Endgültig hängen bleibt mein Blick schließlich an dem Grab hier neben mir, deinem Grab, dem Grund meines Besuches. Langsam sinke ich nieder auf die Knie und strecke meine Hand aus, um den marmornen Grabstein zu berühren. Glatt und kalt ist seine Oberfläche, zumindest dort, wo sie nicht von Moos und Flechten überwuchert ist. Die Inschrift ist kaum noch zu lesen, so lange steht der Stein schon hier, so lange ist dies bereits der Ort deiner letzten Ruhe. So oft habe ich dich hier besucht in den vergangenen Jahren, dass ich es nicht mehr zählen kann. Jedesmal habe ich dir erzählt, wie sehr du mir fehlst und dass es mir zunehmend schwerer fällt, ohne dich weiter zu machen wie zuvor. Ich weiß, ich gab dir mein Wort, niemals aufzugeben, doch es geht einfach nicht mehr. Die Wunde, die dein Tod in mir gerissen hat, sie verheilt nicht. Statt dessen wird sie stets größer, so wie der Schmerz, den sie mir bereitet. Und nun ist sie so groß geworden, dass ich es unmöglich länger ertragen kann! Verstehst du das? Auf einmal halte ich den Dolch in Händen, den du mir einst geschenkt hast, ohne ihn bewusst gezogen zu haben. Er sollte mich immer beschützen, das war dein Wunsch. Ich betrachte die Waffe und eine kleine Träne löst sich aus meinem Auge. Ich sehne mich so nach dir! Noch einmal schließe ich die Augen und atme tief ein. Wie so oft zuvor erscheint dein Bild in meinem Geiste. Nach all den langen Jahren, die wir nun schon getrennt sind, sehe ich es noch immer so klar und deutlich vor mir, wie damals, als du noch bei mir warst. Dein liebevolles Lächeln, das ich so sehr vermisse, so sehr, wie alles an dir, es stärkt den Entschluss, den ich bereits gefasst hatte, ehe ich hier her kam. Fester umschließen meine Finger den Griff deines Dolches. Und dann, ganz plötzlich und ohne noch länger zu zögern, stoße ich die scharfe, kalte Klinge tief in meine Brust. Schmerz durchfährt mich, doch er ist nicht so groß wie jener, den ich schon seit langem in mir trage. Die Luft entweicht meinen Lungen und ich sinke zu Boden. Dunkles, rotes Blut entströmt der Wunde, eine große, klebrige Lache meines eigenen Lebenssaftes bildet sich unter mir. Die Wiese, die Weide, dein Grab... All das verschwimmt um mich her. Ich nehme es kaum noch wahr, ebenso wenig wie das leise Plätschern des Wassers oder den süßen Duft der Blumen. Alles verliert an Bedeutung. Doch dann sehe ich wieder dich vor mir. Diesmal ist es nicht nur das Abbild meiner Erinnerungen und Sehnsüchte, diesmal bist du es wirklich, das weiß ich sofort. Ich strecke meine Hände nach dir aus, versuche dich zu ergreifen, in meine Arme zu schließen. Aber es gelingt mir nicht, du bist zu weit entfernt. Auch du greifst nun nach mir, doch die Berührung unserer Hände scheint unmöglich zu sein. Tief siehst du mir nun in die Augen. Kein einziges Wort fällt, dennoch verstehe ich genau, was du fragen willst: "Warum nur hast du das getan?" Nicht der kleinste Vorwurf liegt in deinem Blick, nur Traurigkeit, unendliche, schmerzhafte Traurigkeit. Und dann verschwindest du wieder, verblasst einfach in einem hellen, warmen Licht, während nach mir die immer währende Dunkelheit greift, die mich von dir fort reißt. Entsetzen packt mich und ich erkenne die bittere Wahrheit: Ich habe dich für immer verloren! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)